2. Der Apostel Paulus.

Εὐαγγέλιον und εὐαγγελίζεσθαι sind Begriffe, die zu dem Charakteristischen der Verkündigung des Paulus gehören. Jenes Wort findet sich in allen seinen Briefen (auch in den beiden Briefen an Timotheus, jedoch nicht im Titusbrief) und zwar 60mal, dieses steht 20mal (in Rö, 1 Ko, 2 Ko, Ga, Eph und 1 Th). Man beobachtet aber in Bezug auf εὐαγγελίζεσθαι dasselbe wie bei Lucas: es ist nicht exklusiv technisch geworden2; den Paulus kann 1 Th 3, 6


2) Gegen v. Dobschütz, Komment. z. Thessal. S. 86.

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von Timotheus schreiben: „εὐηγγελίσατο ἡμῖν τὴν πίστιν καὶ τὴν ἀγάπην ὑμῶν.” In der Regel freilich heißt es „das Evangelium verkündigen”, sei es daß es absolut steht (so Rö 1, 15; 15, 20; 1 Ko 1, 17; 9, 16 [bis]; 9, 18; 2 Ko 10, 16; Ga 1, 8. 9; 4, 13), sei es daß „Evangelium” hinzugefügt ist (1 Ko 15, 1 [bis]; 2 Ko 11, 7; Ga 1, 11). Paulus bezeichnet seine gesamte apostolische Tätigkeit mit dem Wort, s. 1 Ko 1, 17: οὐκ ἀπέστειλέν με Χριστὸς βαπτίζειν ἀλλὰ εὐαγγελίζεσθαι. In (stillschweigenden) Zitaten steht es Rö 10, 15 (εύαγγ. ἀγαθά) und Eph. 2, 17. An der letzteren Stelle ist es von Jesus gebraucht (εὐηγγελίσατο εἰρήνην ὑμῖν). Es erübrigen nur noch drei Stellen, an denen Paulus ein spezielleres Objekt zu εὐαγγελίζεσθαι stellt. Ga 1, 23: εὐαγγελίζεται τὴν πίστιν ἥν ποτε ἐπόρθει, Eph. 3, 8: εὐαγγελίσασθαι τὸ ἀνεξιχνίαστον πλοῦτος τοῦ Χριστοῦ. Ga 1, 16: ἀποκαλύψαι τὸν υἱὸν αὐτοῦ ἐν ἐμοί, ἴνα εὐαγγελίζωμαι αὐτόν. Paulus hat also auch statt εὐαγγελίζεσθαι τὸ εὐαγγέλιον je einmal gesagt εὐαγγ. τὴν πίστιν, τὸ πλοῦτος τοῦ Χριστοῦ und τὸν υἱόν, aber in der Regel hat er sich nicht so ausgedrückt, sondern κηρύσσειν τὸν Χριστόν geschrieben. Im Begriff des εὐαγγελίζεσθαι liegt, weil eine Botschaft, ein sachliches Objekt verborgen; es mit einer Person als Objekt zu verbinden, scheint als paradox empfunden worden zu sein. Daher ist nur an einer einzigen Stelle εὐαγγελίζεσθαι direkt mit „dem Sohne Gottes” verbunden.

Wie εὐαγγελίζεσθαι so steht auch εὐαγγέλιον bei Paulus am häufigsten absolut und ohne jede nähere Bestimmung (so 34mal)1. Er rechnet also darauf, daß seine Leser ohne Weiteres wissen, was unter dem Worte zu verstehen ist. Sein Inhalt ist, wie die Stellen vermuten lassen, nicht etwas Spezielles, sondern der im Alten Testament als Verheißung


1) In der handschriftlichen Überlieferung besteht eine gewisse Tendenz, τοῦ Χριστοῦ hinzufügen (s. z. Rö 1, 16; 1 Ko 9, 18; in Rö 15, 29 ist sogar τοῦ εὐαγγελίου τοῦ Χριστοῦ eingeschoben).

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enthaltene, durch Jesus Christus verwirklicht Heilsratschluß Gottes zur Erlösung (der Begriff „Reich Gottes” spielt in diesem Zusammenhange keine Rolle; obgleich er dem Paulus geläufig ist, hat er ihn nie mit dem „Evangelium” in direkten Zusammenhang gesetzt1). Die Art, wie Paulus das Wort braucht, macht es aber auch unwahrscheinlich, daß er es erst eingeführt habe und daß es in den palästinensischen Gemeinden etwa unbekannt sei. Man hat vielmehr den Eindruck, daß es ebenso zu dem eisernen Bestande der christlichen Begriffe gehöre2 wie ὁ πατήρ, ὁ υἱός, τὸ πνεῦμα, ἡ βασιλεία τοῦ θεοῦ, ἡ ἐκκλησία usw.3 Die


1) Wenn Paulus 1 Ko 4, 20 schreibt: οὐκ ἐν λόγῳ ἡ βασιλεία τοῦ θεοῦ, ἀλλ᾽ ἐν δυνάμει so hätte er freilich statt ἡ βασ. auch τὸ εὐαγγ. sagen können (s. Rö 1, 16: τὸ εὐαγγέλιον δύναμις θεοῦ ἐστιν). Unterschätzen darf man übrigens die Bedeutung des Begriffs ἡ βασιλεία bei Paulus nicht. Den öfters gebrauchten Ausdruck κληρονομεῖν τὴν βασιλείαν hat er aus urchristlicher Überlieferung (s. Mt 25, 34), und wo ἡ βασιλεία bei ihm vorkommt, steht es an bedeutungsvollster Stelle. Man kommt dem Gedanken des Paulus wahrscheinlich näher, wenn man sein Evangelium als Evangelium vom Reich Gottes faßt, als wenn man es ausschließlich als Evangelium von Christus faßt. Doch hat der Apostel weder dieses noch jenes gesagt (s.u.).
2) So auch v. Dobschütz, a.a.O. Den palästinensischen Ursprung des technischen Gebrauchs des Worts kann man auch aus der Tatsache ableiten, daß nach AG 21, 8 („Wirtstück”) Philippus in Cäsarea den Namen „der Evangelist” führte; er hat aber nur in Palästina missioniert. Das Wort „Evangelist” findet sich im NT sonst noch Eph 4, 11 und 2 Ti 4, 5, in späterer Zeit aber noch manchmal, wenn auch nicht häufig. Es zeigt an sich, daß εὐαγγελίζεσθαι die technische Bezeichnung der christlichen Missionare, εὐαγγέλιον also die technische Bezeichnung für den Inhalt der christlichen Verkündigung war.
3) An einer Stelle — sie ist einzig in ihrer Art — bedeutet εὐαγγέλιον gradezu die christliche Epoche (Phi 4, 15: ἐν ἀρχῇ τοῦ εὐαγγελίου). Wie geläufig muß der Begriff gewesen sein! Auch 2 Ko. 8, 18 setzt eine abgeschliffene Bedeutung voraus, ebenso noch mehrere Stellen im Philipperbrief. Es läßt sich, wenn ich nicht irre, von ➝

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Hinzufügung von (τῆς σωτηρίας) τῆς εἰρήνης erklärt sich, wenn das nötig ist, schon aus den Jesaiasstellen (Eph 1, 13; 6, 15)1.

Εὐαγγέλιον ist im paulinischen Sprachgebrauch sowohl der Inhalt der christlichen Religion als die Verkündigung dieses Inhalts2. Sofern es jenes ist, nennt Paulus es εὐαγγέλιον (τοῦ) θεοῦ (Rö 1, 1; 15, 16; 2 Ko 11, 7; 1 Th 2, 2; 2, 8; 2, 9; vgl. 1 Ti 1, 11), sofern es dieses ist, nennt er es εὐαγγέλιόν μου (Rö 2, 16; 16, 25; vgl. 2 Ti 2, 8) oder ἡμῶν (2 Ko 4, 3; 1 Th 1, 5; 2 Th 2, 14). Der Sinn ist in beiden Fällen unmißverständlich. Der Genetive bezeichnen den Autor, im zweiten Fall den Autor, der es in Wort und Predigt wiedergibt. Mit einem unverkennbaren Selbstbewußtsein


➝ Th zu Phi überhaupt ein Fortschritt in der Abschleifung konstatieren. Philem 13 ist der Ausdruck: ἐν τοῖς δεσμοῖς τοῦ εὐαγγελίου wohl zu übersetzen: „in den Banden, in welche mich das Evangelium gebracht hat”. Für die Bestimmung des Begriffs des Evangeliums trägt die Stelle nichts aus.
1) Aber σώζειν (σωτηρία) und εὐαγγέλιον sind bei Paulus wahlverwandte Begriffe und stehen deshalb sehr häufig zusammen; s. Rö 1, 16; 10, 13-15; 1 Ko 9, 18-22; 15, 2; 2 Ko 2, 12-15; Eph 1, 13; Phil 1, 27. 28; 2 Th 2, 13f.; 2 Ti 1, 8f.; 2, 8ff. Singulär ist 2 Ko 4, 4: τὸ εὐαγγέλιον τῆς δόξῆς τοῦ Χριστοῦ. Dreimal (Ga 2, 5. 14; Kol 1, 5) findet sich bei Paulus der Ausdruck: ἡ ἀλήθεια τοῦ εὐαγγελίου. Gemeint ist die Wahrheit, welche das Evangelium enthält (im Zusammenhang des Galaterbriefs ganz deutlich die Wahrheit, daß das Heil nicht aus dem Gesetz kommt, sondern aus dem, was Christus getan hat).
2) Nur in Rö 1, 1f. ist ein Ansatz zu einer Definition des Evangeliums zu finden: ἀπόστολος ἀφωρισμένος εἰς εὐαγγέλιον θεοῦ, ὃ προεπηγγείλατο διὰ τῶν προφητῶν αὐτοῦ ἐν γραφαῖς ἁγίαις περὶ τοῦ υἱοῦ αὐτοῦ, τοῦ γενομένου ἐκ σπέρματος Δαυεὶδ κτλ. Indem das Evangelium als Evangelium περὶ τοῦ υἱοῦ bezeichnet wird, wird doch nicht einfach der Sohn als ausschließlicher Inhalt des Evangeliums gesetzt — wenigsten braucht die Stelle nicht so verstanden zu werden —, sondern es kann auch ausgedrückt sein, daß das Evangelium an diesem Sohn haftet, d.h. daß man es nur durch den Sohn bekommt (s.u.). Die Stelle Rö 1, 16 (das Evangelium als δύναμις θεοῦ εἰς σωτηρίαν) bietet eine Finaldefinition des Evangeliums.

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spricht Paulus zwar von „seinem” Evangelium; aber dieses Selbstbewußtsein tritt an Stellen, wo „μου” nicht steht, mindestens ebenso klar hervor und darf nirgends so verstanden werden, als meine er materiell ein anderes Evangelium zu haben als die übrigen Apostel; denn es gibt eben nach Paulus nur ein Evangelium, das Evangelium Gottes.

Neben den Genetiven τοῦ θεοῦ und μου findet sich aber auch τοῦ Χριστοῦ (bezw. τοῦ κυρίου ἡμῶν Ἰησοῦ und τοῦ υἱοῦ), wenn auch nicht sehr häufig (10mal)1, in den Paulusbriefen. Es ist ein alter Streit, dessen Entscheidung nicht gleichgültig ist, ob in diesen Fällen „Evangelium Christi” oder „von Christus” zu verstehen ist. Ist letzteres das Richtige, so wird man geneigt sein, auch überall, wo Evangelium absolut steht, das Evangelium von Christus zu supplieren und somit dem Paulus einen sehr determinierten Begriff von „Evangelium” beilegen. Zwar kann ja darüber kein Zweifel sein, daß Christus egregie zum Inhalte des Evangeliums gehört; aber es ist doch ein wesentlicher Unterschied, ob Paulus mit und neben Christus die Gnade und Liebe Gottes, die Sendung und das Wirken des hl. Geistes, die Rechtfertigung und das ewige Leben, ferner die Verheißung im AT, usw. direkt in den Begriff, in den Inhalt und in die Darlegung des Evangeliums mit hineingenommen hat2, oder ob ihm das Evangelium streng genommen nur die Verkündigung vom gekreuzigten und auferstandenen Christus gewesen ist. Daß ihm diese Verkündigung das


1) Rö 1, 9: τοῦ υἱοῦ αὐτοῦ. Rö 15, 19; 1 Ko 9, 12; 2 Ko 2, 12; 9, 13; 10, 14; Ga 1, 7; Phi 1, 27 [hier ist τοῦ Χριστοῦ nicht ganz sicher]; 1 Th 3, 2: τοῦ Χριστοῦ; 2 Th 1, 8: τοῦ κυρίου ἡμῶν Ἰησοῦ. Der Kontext entscheidet nirgends an sich darüber, wie der Genet. zu fassen ist.
2) Wie weit der Begriff „Evangelium” bei Paulus ist, ergibt sich am deutlichsten aus Rö 2, 16, mag man dort κατὰ τὸ εὐαγγέλιόν μου als Norm verstehen oder „wie ich in meinem Evangelium verkündige” paraphrasieren.

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Evangelium „in nuce” war und daß er demgemäß auch einmal εὐαγγελίζεσθαι τὸν υἱόν sagen konnte — doch εὐαγγελίζεσθαι ist materiell nicht so technisch wie εὐαγγέλιον, s.o. —, ist freilich gewiß, aber damit ist keineswegs entschieden, daß εὐαγγέλιον τοῦ Χριστοῦ „Evangelium von Christus” heiße und daß der Begriff „Evangelium”, wo er absolut steht, ebenso verstanden werden müsse.

Das Gegenteil ist viel wahrscheinlicher, ja scheint mir nahezu gewiß; denn

(1) Die Genetive τοῦ θεοῦ und μου neben εὐαγγέλιον, die unzweifelhaft Genet. autoris sind, legen es sehr nahe, daß auch τοῦ Χριστοῦ so zu verstehen ist.
(2) Der Begriff εὐαγγελίζεσθαι, εὐαγγέλιον legt als Objekt nicht eine Person, sondern eine Sache nahe (s.o.). Sollen die Worte doch einer Person gelten, so erwartet man περί (s. Rö 1, 1: εὐαγγ. θεοῦ, ὃ προεπηγγ. περὶ τ. υἱοῦ αὐτοῦ); also ist Χριστοῦ Genet. subj.
(3) Die Analogie mit den geläufigen Ausdrücken ὁ λόγος τ. θεοῦ (τ. κυρίου), ὁ λόγος τ. Χριστοῦ (Kol 3, 16 vgl. 1 Ti 6, 3), ὁ νόμος τ. Χριστοῦ, τὸ μαρτύριον τ. θεοῦ, τ. Χριστοῦ, τ. κυρίου, τὸ κήρυγμα Ἰ. Χρ., die sämtlich Genet. autoris bezeichnen, machen es wahrscheinlich, daß εὐαγγέλιον τ. Χριστοῦ ebenso zu verstehen ist.
(4) Statt εὐαγγέλιον τ. Χριστοῦ sagt Paulus 2 Th 1, 8: εὐαγγ. τ. κυρίου ἡμῶν Ἰησοῦ. Daß dieser hohe aber nicht „christologische” Ausdruck Genet. obj. ist, ist höchst unwahrscheinlich, also wird auch τοῦ Χριστοῦ kein solcher sein.
(5) Marcion ist nicht der einzige Ausleger des Paulus gewesen, der paulinischer als Paulus war; auch zahlreiche moderne Exegeten sind geneigt, die paulinischen Glaubensvorstellungen möglichst singulär zu fassen und von den sonstigen urchristlichen abzurücken. Urchristlich ist die Vorstellung, daß, weil das

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Evangelium das Evangelium Gottes ist und weil Jesus es verkündigt hat, es an diesem seinem Ursprung sein stärkstes Gewicht und seine höchste Bedeutung hat. Man vgl. vor allem 2 Ko 5, 20: ὑπὲρ Χριστοῦ οὖν πρεσβεύομεν ὡς τοῦ θεοῦ παρακαλοῦντος δι᾽ ἡμῶν, Ga 4, 14: ὡς ἄγγελον θεοῦ ἐδέξασθέ με, ὡς Χριστὸν Ἰησοῦν und Rö 15, 18: οὐ τολμἠσω τι λαλεῖν ὧν οὐ κατειργάσατο Χριστὸς δι᾽ ἐμοῦ εἰς ὑπακοὴν ἐθνῶν. So spricht es auch der Verfasser des Hebräerbriefs, als die entscheidendste Tatsache aus: Gott hat jetzt durch den Sohn zu uns geredet (1, 2); das Heil ist zuerst durch den Herrn selbst, sodann durch seine Schüler im Predigtwort versichert worden (2, 3); Jesus ist „der Apostel” unseres Bekenntnisses (3, 1). Daß die Apostel von Christus mit der Verkündigung der Botschaft betraut sind, welche er selbst als von Gott ihm übergeben verkündet hat, daß sie also Boten Gottes und Christi sind — das ist das Höchste. Darum ist das Evangelium, welches sie predigen, sowohl Evangelium Gottes als auch Evangelium Christi, und beides in demselben Sinn1. Dazu, von


1) So auch Zahn, Einl. i.d. NT.3 II S. 169f. in ausführlicher Begründung. Aber v. Dobschütz (a.a.O. S. 86) ist wieder für das Evangelium von Christus eingetreten. Er führt sechs Argumente an, die aber unschwer zu widerlegen sind. Erstlich verweist er auf die Analogien εὐαγγέλιον τῆς δόξης τοῦ Χριστοῦ bezw. τ. σωτηρίας, τ. εἰρήνης; allein diese Analogien beweisen nichts, da es sich in ihnen um Sachen und nicht um Personen handelt. Zweitens zieht er den Ausdruck εὐαγγελίζεσθαι τ. υἱόν herbei; allein dieser Ausdruck findet sich nur einmal und εὐαγγελίζεσθαι ist nicht so exklusiv technisch wie εὐαγγέλιον. Drittens soll der Ausdruck πίστις Χριστοῦ (Ga 2, 16) beweisen, daß εὐαγγέλιον Χριστοῦ Genet. obj. sein müsse; allein mit πίστις hat es eine andere Bewandtnis als mit εὐαγγέλιον. Viertens Paulus gibt neben dem Genet. aut. θεοῦ den Inhalt des Evangeliums mit περὶ τοῦ υἱοῦ (Rö 1, 1f.0 wieder — aber eben deshalb ist es doch ➝

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Christus selbst gilt (Eph 2, 17): ἐλθὼν εὐηγγελίσατο εἰρήνην ὑμῖν τοῖς μακρὰν καὶ εἰρήνην τοῖς ἐγγύς.

Seit Augustin ist in der christlichen Glaubenslehre des Abendlandes der Gegensatz von Gesetz und Evangelium sachlich und formelhaft scharf ausgebildet und aus den Briefen des Paulus begründet worden. Allein Paulus selbst, obschon der Gegensatz im allgemeinen seiner Überzeugung entspricht, hat ihn doch niemals so formuliert. Wo er von νόμος spricht, hat er niemals von εὐαγγέλιον gesprochen und umgekehrt1. Auch sonst im NT findet sich keine Belegstelle für die antithetische Formel „Gesetz und Evangelium”. Am nächsten kommt ihr Rö 10, 4: (τέλος νόμου Χριστός) und aus späterer Zeit Jo 1, 17, wo aber das Wort „Evangelium”, wie überall bei Johannes, vermieden ist. Daß Paulus die Formel, die ihm so nahe zu liegen scheint, nicht gebildet hat, ist m.E. ein weiterer Beweis, daß „Evangelium” ihm nicht im strengsten Sinn „Evangelium von


➝ gerade unwahrscheinlich, daß der einfache Genet. Χριστοῦ den Inhalt bezeichnet. Fünftens Rö 15, 19 sei das εὐαγγέλιον Χριστοῦ nach v. 20 zu erklären: εὐαγγελίζεσθαι οὐχ ὅπου ὠνομάσθη Χριστός, sei also Genet. obj.; allein in dem vorangehenden 18. Vers (s.o.) erscheint Christus als Autor; will man also überhaupt aus dem Kontext hier argumentieren, so liegt es mindestens eben so nahe auf diesen Vers zu rekurrieren, als auf den 20. Endlich beruft sich v. Dobschütz auf Rö 1, 9 und 1 Th 3, 1, wo schon ein Autor (Gott) genannt sei und dann folge εὐαγγέλιον Χριστοῦ. Allein in beiden Fällen ist Gott nicht als autor evangelii, sondern in anderer Beziehung eingeführt („ich diene Gott in meinem Geiste an dem Evangelium seines Sohnes” und „Timotheus, unser Bruder und Mitarbeiter Gottes an dem Evangelium Christi”), so daß eine doppelte Autorschaft nicht in Betracht kommt. Übrigens würde man sich auch an einer solchen nicht stoßen dürfen. Eph 5, 5 heißt es: οὐκ ἔχει κληρονομίαν ἐν τῇ βασιλείᾳ τοῦ Χριστοῦ καὶ θεοῦ.
1) Die beiden Worte scheinen sich gradezu bei Paulus zu fliehen, d.h. sie erscheinen als ganz disparat. In Zusammenhängen, in denen bei Paulus das „Gesetz” steht, findet sich das Evangelium niemals und umgekehrt.

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Christus” war, sondern eine weitere Bedeutung bei ihm besitzt, sodaß es nicht einfach zu dem viel engeren Begriff νόμος in Gegensatz gestellt werden konnte (ἔργα νόμου und πίστις, νὀμος und Χριστός sind Gegensätze). Dies wird schließlich noch durch die Beobachtung bestätigt, daß — neben σωτηρία und εὐαγγέλιον1 — ἐπαγγελία und εὐαγγέλιον bezw. εὐαγγελίζεσθαι (als Verheißung und Verwirklichung) für Paulus und auch für Lucas die korrelaten Begriffe sind, und daß daher εὐαγγέλιον im ganzen Umfang der ἐπαγγελία zu verstehen ist, s. Rö 1, 1f.: εὐαγγέλιον θεοῦ, ὃ προεπηγγειλατο ... περὶ τοῦ υἱοῦ αὐτοῦ, Eph 3, 6: εἶναι τὰ ἔθνη συγκληρονὀμα καὶ σύσωμα καὶ συμμέτοχα τῆς ἐπαγγελίας ἐν Χρ. Ἰ. διὰ τοῦ εὐαγγελίου, und AG 13, 22 (Paulusrede): ἡμεῖς ὑμᾶς εὐαγγελιζόμεθα τήν πρὸς τοὺς πατέρας ἐπαγγελίαν γενομένην, ὅτι ταύτην ὁ θεὸς ἐκπεπλήρωκεν. Ἐπαγγελία und εὐαγγέλιον, die beide τοῦ θεοῦ sind, erstrecken sich also inhaltlich — als Weissagung und Erfüllung — über denselben Bereich. Jene ist von den Propheten, dieses ist von Christus verkündet, der dann seine Apostel mit dieser Verkündigung betraut hat. Diese Auffassung, welche die des Paulus ist, läßt die Formel „Evangelium von Christus” als zu eng erscheinen, so gewiß das Evangelium zu seinem Hauptstück die Verkündigung von Christus hat und so gewiß daher gesagt werden konnte und von Paulus gesagt worden ist: ὁ υἱὸς τοῦ θεοῦ εὐαγγελίζεται, und: τὸ εὐαγγέλιον περὶ τοῦ υἱοῦ τοῦ θεοῦ.


1) Über σωτηρία und εὐαγγέλιον bei Paulus s.o., für Lucas vgl. AG 16, 10. 17: εὐαγγελίσασθαι αὐτούς .... καταγγέλλουσιν ὁδὸν σωτηρίας.


Harnack, A. (1910)