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Der Ursprung der christlichen trinitarischen Formel ist noch immer dunkel. Zwar hat Dieterich in dem Nachruf auf Usener gemeint, dieser habe die Lehre von der Dreieinigkeit endgültig geschichtlich aufgeklärt; allein es sind, soviel ich weiß, nur Wenige, die in den Allgemeinheiten der Dreiheits-Spekulation bereits die Lösung des Problems erkennen. Auch Söderblom in seiner Abhandlung „Vater, Sohn und Geist” (1909) hält die Erklärung für ungenügend (S. 2ff.). Er beschreitet (S. 29ff.) den einzigen Weg, der zum Ziele zu führen einige Aussicht zu gewähren scheint, indem er bei der alttestamentlichen Religion einsetzt. Denn die Berücksichtigung irgend einer bestimmten heidnischen Religion oder Kultweisheit läßt hier keine Aufklärung erwarten, sobald man erwägt, wie alt die trinitarische Formel im Christentum ist und was sie bedeutet (oder jedenfalls nicht bedeutet). Zwar bietet sie Paulus noch nicht als solenne oder gar exklusive Formel, aber er bietet sie doch (vor allem als Segenswunsch 2 Ko 13, 13). Kristallisiert und als zusammenfassender Ausdruck der christlichen Religion erscheint sie bei Matthäus (28, 19). Da Matthäus nach Palästina gehört, so wird man annehmen dürfen, daß auch das embryonale Stadium der Formel dort, d.h. in den Kreisen der (gesetzesfreien) Judenchristen daselbst, zu suchen ist.
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Sind doch die meisten christlichen Hauptbegriffe und Formeln, die sich bei Paulus finden, bereits in Palästina geprägt worden. Gehört aber die Formel hierher und in diese Zeit, so ist es ein schwerer methodischer Verstoß, ihren Ursprung aus dem Einfluß einer heidnischen Religion oder einer jüdisch-synkretistischen Sekte erklären zu wollen.
Ist aber im vulgären Judentum eine Vorstufe der trinitarischen Formel zu finden? Söderblom verweist auf die Schätzung des Moses und auf die des auserwählten Volkes im Judentum. Allein nicht nur ist die Dreiheit „Jahveh, Moses, Volk Gottes” nie formelhaft geworden, sondern — wie er selbst nachweist — Moses ist auch als Person hinter „das Gesetz” mehr und mehr zurückgetreten. In Bezug auf den „dritten Artikel” aber wäre das „zukünftige Reich” auch nach Söderblom mindestens mit dem gleichen Recht zu nennen wie das Volk Gottes. Auch an „Gott, Moses und die Propheten” könnte man denken, oder „Gott, Gesetz und Propheten”. Allein man muß gestehen, daß alle diese Formeln als Formeln im Judentum schlechterdings nicht zu finden sind; die nachträgliche Abstraktion aber vermag hier nichts zu beweisen. Der Messias ist vollends nicht in einer dreigliedrigen jüdischen Formel zu finden, und was nachmals im talmudischen Judentum an Formeln aufgestellt worden ist — Söderblom hat einige Proben gegeben —, kann überhaupt nicht in Rechnung gezogen werden, so spät und so fremdartig ist es. Die Spekulationen endlich über „Gott”, „Weisheit”, „Wort”, „Geist” waren, sofern sie zu einer trinitarischen Formel geführt haben, noch in einem ganz unfertigen Zustande.
Günstiger steht es, wenn man auf dreigliedrige Formeln zunächst verzichtet und nach zweigliedrigen im alten Judentum sucht. Ein Ergebnis hier wäre nicht gleichgültig, da die christliche trinitarische Formel wahrscheinlich aus einer zweigliedrigen entstanden ist. „Jahveh und Moses”: das
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läßt sich schon eher hören, wenn auch die Formel im Judentum nie die Bedeutung gewonnen hat wie im Islam die Formel: „Allah und Muhammed”, ja eine eigentliche Formel kaum statuiert werden darf. Indessen ist doch darauf zu achten, wie oft in den neutestamentlichen Schriften Jesus und Moses sich antithetisch gegenübergestellt werden, ja einige Sprüche Jesu selbst kommen hier in Betracht. Am meisten formelhaft ist die Stelle Joh. 1, 17: ὁ νόμος διὰ Μωϋσέως ἐδόθη, ἡ χάρις καὶ ἡ ἀλήθεια διὰ Ἰησοῦ Χριστοῦ ἐγένετο. Der Gedanke ist durchaus paulinisch (man vgl. z.B. Rö 10, 4f.): τέλος νόμου Χριστὸς εἶς δικαιοσύνην παντὶ τῷ πιστεύοντι˙ Μωϋσῆς γὰρ γράφει κτλ.), aber er ist auch gewiß schon urchristlich; denn man kann sich schlechterdings keine Auseinandersetzung zwischen Judenchristen und Juden denken, in der der Unterschied zwischen Moses und Jesus von Jenen nicht durch Gegenüberstellung (mit sachlicher Erläuterung) zum Ausdruck gebracht worden wäre. Mag also auch eine eigentliche Formel: „Jahveh und Moses” im Judentum existiert oder nicht existiert haben — nun ergab sich, wie wenn sie existierte, mit Notwendigkeit aus der Kontroverse „Moses” und „Jesus Christus” die Formel: „Gott und sein Gesandter Jesus”. Wieder ist hier Johannes der, welcher das Fazit zieht, s. c. 17, 3: αὕτη δέ ἐστιν ἡ αἰώνιος ζωή, ἵνα γινώσκωσιν σὲ τὸν μόνον ἀληθινὸν θεὸν καὶ ὃν ἀπέστειλας Ἰησοῦν Χριστόν. Hier (vgl. c. 10, 36) hat man sogar schon embryonal die Urform des sog. apostolischen Symbols, nämlich mit dem Endziel ζωὴ αἰώνιος (σαρκὸς ἀνάστασις), aber unterbaut durch die zweigliedrige Formel: ὁ θεός und Ἰησοῦς Χριστός. Die zweigliedrige Formel tritt hier zusammen mit dem Heilsgute auf, das sie in ihrem Schoße birgt, aber sie wird auch ohne dasselbe ausgesprochen worden sein: Gott und sein eigentlicher letzter Gesandter — nicht Moses, sondern Jesus Christus; vgl. auch einige hier einschlagende Parabeln in den Evangelien.
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Auf das spezifische Heilsgut ist aber auch bei der Stelle Joh 1, 17 zu achten. Moses und Christus werden sich gegenübergestellt, weil jener den νόμος, dieser aber die χάρις καὶ ἀλήθεια gebracht hat. Hierzu beobachten wir etwas sehr Wichtiges: Die trinitarisch vollkommenste Stelle in den Paulusbriefen, nämlich 2 Ko 13, 13 beginnt nicht mit Gott dem Vater, sondern mit „dem Herrn Jesus Christus”, und dazu auch mit seiner χάρις; denn so lautet sie: ἡ χάρις τοῦ κυρίου Ἰησοῦ Χριστοῦ καὶ ἡ ἀγάπη τοῦ θεοῦ καὶ ἡ κοινωνία τοῦ ἁγίου πνεύματος μετὰ πάντων ὑμῶν. Darf man hieraus nicht schließen, daß die ausdrückliche und dem Gesetz und Moses gegenüber antithetische Schätzung dessen, was Christus gebracht hat, ein Keimpunkt der zunächst binitarischen Formel gewesen ist? Indem die ältesten Christen ihren altgläubigen Brüdern gegenüber ausdrücken wollten, was sie an Christus im Unterschied von Moses haben, nämlich die Gerechtigkeit, das Leben usw., faßten sie, wie Paulus und Johannes übereinstimmend in ihren Formeln beweisen, die unter den Begriff der χάρις Jesu Christi, die etwas ganz anderes ist als der νόμος des Moses. Aber wurde in diesem Sinn formelhaft von der χάρις Jesu Christi gesprochen, unter deren Wirken die Christgläubigen stehen, so durfte doch niemals der μόνος ἀληθινὸς θεός bei Seite geschoben werden; er mußte mitgenannt werden und ebenfalls ein Prädikat, und zwar ein noch umfassenderes, erhalten. Paulus an der Korintherstelle setzt die Liebe ein, wiederum zeigt Johannes, daß das kein „Zufall” ist, denn er (I, 4, 8) schreibt: ὁ θεὸς ἀγάπη ἐστίν 1 (vgl. Ef. 3, 16).
1) Daß viele Formeln der johanneischen „Theologie” in Wahrheit ihm nicht eigentümlich sind, sondern aus älterer Überlieferung stammen, davon kann man sich aus der Didache, aus Barnabas, Hermas usw. überzeugen. Höchst wahrscheinlich gehört auch Ignatius hierher (s. d. Unters. von Keim, H. Holtzmann und von der ➝
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Es scheint mit daher sehr wahrscheinlich, daß sowohl die Formel: „Gott und den er gesandt, Jesus Christus” als auch die andere: „Die Gnade des Herrn Jesus Christus und die Liebe Gottes” sehr alt und aus der Kontroverse mit den altgläubigen Juden entstanden ist. Die Formel konnte auch so lauten (1 Ko 9, 6): ἡμῖν εἶς θεὸς ὁ πατήρ, καὶ εἶς κύριος Ἰησοῦς Χριστός, wobei das πατήρ zu beachten ist 1. Daß der Ausdruck „der Sohn” in diesen Formeln fehlt, braucht nicht Absicht zu sein, kann aber auch als ein Zeichen höchsten Alters betrachtet werden. Neben den Ausdrücken „der Gesandte”, „der Christus”, „der Herr”, die sich in erster Linie darboten, war „der Sohn” pleonastisch, solange keine besondere Kontroverse sich über die Sohnschaft des Messias erhob.
Wie kam es aber nun zu einer dreigliedrigen Formel und warum lautet diese Formel nicht: „Gott, Christus, die Kirche”, sondern „der Vater, der Sohn und der heilige Geist”? Christus und die Kirche — als seine Braut, als sein Leib, als die Eva zum Adam — gehören doch zusammen: so ist es bei Paulus (Ko und Eph), bei Johannes (Apok), und ferner noch bei Hermas, Papias, 2 Clemens, ja selbst bei Clemens Alexandrinus usw. Die Kirche ist nicht nur eine pneumatische, himmlische Größe, sondern sie ist enhypostatisch dem Christus eingefügt und muß neben ihm genannt werden. Noch im sog. apostolischen Symbol, wo doch der heilige Geist schon steht, folgt ihm unmittelbar „heilige Kirche”, und selbst noch Tertullian
➝ Goltz). Anderes freilich, wie z.B. der
Paraklet, ist dem Johannes eigentümlich.
1) Auch das ist zu beachten, daß hier an die
binitarische Formel bereits eine kosmologisch-soteriologische
Spekulation angeknüpft ist: εἶς θεὸς ὁ πατήρ, ἐξ οὗ τὰ πάντα καὶ
ἡμεῖς εἰς αὐτόν, καὶ εἶς κύριος Ἰησοῦς Χριστός, δι᾽ οὗ τὰ πάντα
καὶ ἡμεις δι᾽ αὐτοῦ. Also nicht erst die trinitarische Formel hat
zu solchen Spekulationen aufgerufen!
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will neben Vater, Sohn und Geist durchaus die „mater ecclesia” sehen „quae trium corpus est”. Jedenfalls gestattet die Geschichte der christlichen Hauptformel im nachapostolischen und altkatholischen Zeitalter den Rückschluß, daß einst nicht viel gefehlt haben kann, so hätte die Christenheit statt der trinitarischen Formel: „Vater, Sohn und Geist” die andere trinitarische Formel: „Gott, Christus und die Kirche” erhalten1. Es muß also etwas ganz Durchschlagendes gewesen sein, was erstlich eine Erweiterung der zweigliedrigen Formel verlangte und was sodann von der Kirche absehen und den heiligen Geist feierlich zu bekennen hieß2.
Man wird sich hier wiederum der jüdisch-judenchristlichen Kontroverse erinnern müssen. Der Geist war im Judentum nur wenigen Einzelnen, vor allem den Propheten, gegeben. Daß er im messianischen Zeitalter allen Gläubigen geschenkt werden würde, das war seit Joël die große Verheißung. Umgekehrt galt also auch: wenn der Geist da war und sich an jedem Einzelnen betätigte, so war die messianische Zeit angebrochen, und der, der ihn sandte, war der Messias. Besaß also die Gemeinde Jesu und jeder Einzelne in ihr den Geist und konnte das glaubhaft gemacht,
1) Wäre diese Formel zweckmäßiger und besser
gewesen? Man kann versucht sein, dies anzunehmen. Aber da die
metaphysische Spekulation auch dann sicher nicht ausgeblieben
wäre, so muß man die Frage verneinen. Die Christenheit hätte
neben Gott als ihr Glaubensobjekt eine mann-weibliche Syzygie
erhalten, und was daraus alles geworden wäre, läßt sich gar nicht
absehen!
2) Daß man nicht zu einer Quaternität schritt, hat —
Usener hat hier wohl richtig gesehen — seinen Grund
darin, daß die Dreizahl eine Geschlossenheit darstellt, während
mit der Vierzahl bereits etwas Uferloses droht. Übrigens hat die
alte Christenheit in der Art, wie sie bis über das Ende des 2.
Jahrhundert hinaus „die Kirche” in ihrem Glaubensausdruck
behandelte, eine starke Tendenz zur Quaternität bewiesen.
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bezw. nachgewiesen werden, so war es erwiesen, daß sie das Volk Gottes, die Erbin aller Verheißungen usw. und daß ihr Jesus der Christ sei. Die Selbstbezeichnung „Kirche”, „heilige Kirche” war leer und ein nicht zu rechtfertigender Anspruch, wenn nicht der heilige Geist hinter ihr stand als gegenwärtige Gabe Gottes bezw. Christi. Nicht um „Glauben” an den heiligen Geist handelte es sich, sondern um die Tatsache seiner Gegenwart in der Gemeinde. Von hier aus versteht man es ohne weiteres, wie und warum zur Binität Gottes und seines Gesandten der heilige Geist hinzutreten und ausdrücklich genannt werden mußte1. Daß der Geist gegenwärtiger Besitz ist, ist erst das Siegel auf die Messianität Jesu und der präsente Erweis seiner χάρις und der Liebe Gottes. Gegenüber Moses samt seinem Gesetze machte die neue Gemeinde, welche doch zugleich auch die alte sein wollte, ihren Christus Jesus und den Besitz des Geistes geltend. Das muß hundertmal in den Kontroversen zum Ausdruck gekommen sein. Daß der Geist im Hebräischen und Aramäischen weiblich ist, erregt zwar immer wieder die Phantasie der Religionshistoriker, hat aber nach Ausweis des Neuen Testaments und der anderen Urkunden schwerlich eine Bedeutung für die religiöse Aussage, um die es sich hier handelt, gehabt. Zwar redet Jesus im Hebräer-Evangelium von dem heiligen Geist als von seiner „Mutter”; aber daß dies auf die trinitarische Formel eingewirkt hat oder ihr gar zugrunde liegt, läßt sich nicht erweisen. Hätte es eine Einwirkung gehabt — ich sehe von obskuren Sekten ab —, so erwartete man, daß die Formel „Gott, Geist, Sohn” gelautet hätte, und den wenigen Stellen, die man aus den Winkeln zusammensuchen muß zum Beweise, daß der Geist als die Mutter des Sohns auf
1) Man vgl. 1 Ko 12, 3 — die solenne Stelle — οὐδεὶς δύναται εἰπεῖν˙ ΚΥΡΙΟΣ ΙΗΣΟΥΣ, εἰ μὴ ἐν πνεύματι ἁγίῳ. Hier hat man den Schlüssel für das Problem des Übergangs aus der Binität zur Trinität.
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christlichem Boden gegolten hat, stehen viele Dutzende gegenüber, die zeigen, daß der Geist der Geist Christi ist, von ihm gesandt wird usw. Viel wichtiger ist es festzustellen, wie konstant das Adjektivum „heilig” bei dem Geiste in den Formeln von Anfang an gewesen ist. Eine sichere Erklärung dafür wage ich nicht zu geben, aber das ist klar, daß damit der Geist als der Geist Gottes und als der höchste Geist („spiritus principalis”, Fragm. Murat.) bezeichnet, das Wort „Geist” also vor Verallgemeinerung und Unterschätzungen bewahrt werden sollte.
„Gott, Jesus der Christ, der heilige Geist” — diese Trias muß sich aus dem Gegensatz entwickelt haben, in welchem sich die Kirche zum altgläubigen Judentum von Anfang an befand und der sie nötigte, ihren Besitz zum Ausdruck zu bringen und zu erweisen1. Begegnet uns die Zusammenstellung zuerst in einem Segenswunsch (2 Ko 13, 13), so kann das unmöglich der älteste Kontext gewesen sein, obwohl er sein hohes Alter durch die Voranstellung Christi beweist, die die Herkunft der Trias aus der antijüdische Kontroverse deutlich dartut. Ob der Ausdruck „κοινωνία τ. ἁγ. πνευμ.” so ursprünglich ist wie die „χάρις τ. κυρ. Ἰ. Χ.”, wage ich nicht zu entscheiden; Rö 8, 15 (ἐλάβετε πνεῦμα υἱοθεσίας, ἐν ᾧ κράζομεν˙ ΑΒΒΑ Ο ΠΑΤΗΡ) führt in eine andere Richtung.
„Gott, Jesus der Christ, der heilige Geist” — das ist aber noch immer nicht das letzte Wort; denn dieses lautet „der Vater, und der Sohn und der heilige Geist” oder noch genauer: „Der Name des Vaters und des Sohnes und des heiligen
1) An das Heidenchristentum kann hier nicht gedacht werden; denn die Kontroverse mit den Heiden nötigte dazu, zunächst scharf den reinen Monotheismus zu betonen (s. die Rede des Paulus in Athen, Hermas, Mand. I) und erst nach einem langen Abstande von Christus usw. zu reden. Nur wenn man Christus als Logos einführte, konnte man gleich mit ihm kommen.
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Geistes”. Daß sich auch diese letzte Stufe der Krystallisation in Palästina und nicht auf heidenchristlichem Boden entwickelt hat, wurde schon bemerkt und wird durch die Zusammenfassung unter den Begriff des „ὄνομα” noch deutlicher; denn der Ausdruck ist nicht griechisch. Als Taufformel aber begegnet uns diese Formel zuerst; man muß also versuchen, sie eben als Taufformel in judenchristlichen Kreisen zu verstehen. Kann aber darüber kein Zweifel sein, daß man ursprünglich auf den Namen Jesu Christi allein getauft hat, so ist das Problem so zu formulieren: warum vertauschte man diese Formel durch eine bereits vorhandene, dreigliedrige und gab dieser die Fassung: „Vater, Sohn und heiliger Geist” statt „Gott, Jesus der Christ und heiliger Geist”? Da wir von jeder begleitenden Tradition verlassen sind — in der Zeit zwischen dd. JJ. 50-80 mag sich die Formel gebildet haben —, so ist es allzukühn, auf eine sichere Lösung der Frage zu hoffen; allein ein Versuch läßt sich doch wagen. Das Johannes-Evangelium berücksichtigt bekanntlich die jüdisch-christliche Kontroverse, wie sie zur Zeit seiner Abfassung lebendig war, eingehend. Im hohenpriesterlichen Gebet enthält es zwar noch die alte Formel „Gott und den er gesandt hat” (s.o. S. 189), aber daneben legt es den höchsten Wert darauf, daß Jesus als der υἱὸς μονογενής des Vaters anerkannt werde, und will in dieser Sohnschaft das Wesen und die Bedeutung Jesu mit Zurückstellung aller übrigen möglichen Aussagen zum Ausdruck gebracht sehen. Das ist polemisch-apologetisch motiviert. Aus c. 10, 32-39 geht hervor, daß die Juden die Bezeichnung „Sohn Gottes” („Gott”) für Jesus als blasphemisch besonders angegriffen haben und daß man sie christlicherseits aufs energischte verteidigte1. Es ist nicht erst das Johannes-Evangelium, welches dies tut; die Kontroverse
1) Auch mit einem so schlechten Argument wie Ps 82, 6.
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ist sicher viel älter; dem Vorwurf der Juden gegenüber, Jesus könne gar nicht der Messias sein, da er ja nicht in Macht und Herrlichkeit auf des Himmels Wolken erschienen sei, das Reich aufgerichtet und Gericht gehalten habe, antwortete man bekanntlich christlicherseits von Anfang an, dies sei richtig, aber Jesus werde demnächst wiederkommen und dies alles ausführen, d.h. der Messias im beruflichen Sinne werde er erst in Zukunft sein. Das war zwar eine Antwort, aber sie erschien wie eine Ausflucht. Also konnten sich die Christen selbst bei dieser Antwort nicht beruhigen: sie mußten über den geschichtlichen Jesus, wie man ihn erlebt hatte, etwas aussagen, was die Gewißheit gab, daß er der zukünftige Messias und damit der Messias überhaupt sei. Diese Aussage konnte aber keine andere Form haben, als die: er ist der Sohn Gottes. Dies ließ sich aus dem offensichtlichen Tatbestande, aus den Werken und Worten Jesu sowie aus dem Zeugnis der hl. Schrift erweisen und verbürgte es ohne weiteres sodann, daß er als Messias in Herrlichkeit wiederkommen werde. Der Ausdruck „der Sohn Gottes” für Jesus mußte allmählich als der solenne an die Stelle des Ausdrucks Messias, bezw. vor und neben ihn, treten, weil Jesus als Messias noch nicht erwiesen war (denn an seine Auferstehung glaubten die Gegner nicht). So ist es m.E. zu erklären, wie die Formel, die wir zuerst bei Matthäus lesen: „Vater, Sohn und heiliger Geist” an die Stelle der Formel: „Gott, Christus und heiliger Geist” getreten ist, und daß man grade bei der Taufe — im Gegensatz zum Judentum und als seine Erfüllung — diese Formel zu bevorzugen anfing, um sie dann sogar auf eine ausdrückliche Anordnung Christi zurückzuführen. Daß, sobald man „den Sohn” für „Christus” einsetzte, auch statt „Gott” nunmehr „der Vater” eingeführt wurde, bedarf keiner besonderen Erklärung.
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Nachdem einmal die Formel: „Vater, Sohn und heiliger Geist” geschaffen war, begann sie ihr besonderes Leben zu entwickeln und sich von den Bedingungen z.T. zu emanzipieren, aus denen sie entstanden war. Allerdings liegt von Anfang an in der Aussage und Bezeichnung: „der Vater — der Sohn”, auf Gott angewendet, etwas tief Mystisches, und Jesus erhält durch und in diesem Zusammenhang eine nunmehr ganz befestigte Transcendalität, nicht nur bei den Spekulierenden, sondern auch für die einfältig Christgläubigen. Aber eine metaphysische Spekulation lag ursprünglich nicht im Gesichtskreise der Formel, so gewiß sei sich (namentlich in heidenchristlichen Kreisen) sehr schnell nun einstellen mußte. Etwas Außerordentliches war durch den stillen und den polemischen Gang der Entwicklung, sozusagen unter der Hand, der Kirche zugewachsen, ein Grundbekenntnis, höchst einfach und höchst tiefsinnig zugleich — das Grundbekenntnis als unübertrefflicher Ausdruck der neuen Religion auf dem Boden des Judentums. Auf Geschichtliches, Erlebtes und zu Erlebendes hatte dieses neue Bekenntnis zum alten Gott Israels eine tiefe Beziehung; aber es konnte auch allem Geschichtlichen entrückt und als hieratische Fassung der lebendigen Gottheit selbst betrachtet werden. Mit der ἀγάπη, χάρις, κοινωνία (und υἱοθεσία) konnte es verbunden bleiben, sie aufs kräftigste versichern und sich hierin gleichsam schon erschöpfen; auch mit dem großen Bekenntnis: πάντα ὑπ᾽ αὐτοῦ, πάντα δι᾽ αὐτοῦ, πάντα εἰς αὐτόν, konnte es sich verbinden und hierin seine erschöpfende Erklärung zu finden scheinen. Es konnte endlich eine Auslegung finden, die von allem Irdischen, von dem ganzen Kosmos und aller Offenbarungsgeschichte, absah und das Innenleben der Gottheit hier ausgedrückt fand. —
Der hier versuchte Nachweis der Entstehung der Formel wird bei den Zeitgenossen vielleicht wenig Anklang finden,
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weil er das Problem in festen Grenzen hält, jede Rücksicht auf babylonische, griechische oder kamtschadalische Dreiheiten vermissen läßt und die Formel in ihrer Entstehung als religiös-christliche und antijüdische zu begreifen unternimmt. Solange aber der methodische Grundsatz gilt, daß man erst ins Weite schweifen darf, wenn die Forschung im Nächstliegenden resultatlos verlaufen ist, solange wird der hier gewählte Weg der richtige sein. Auf „Neuheit” erhebt er keinen Anspruch; aber daß er bisher sicher gewiesen worden wäre, sehe ich nicht.
Die Dreiheit: „Gott, das Wort Gottes, der Geist (die Weisheit)” hat ihre eigene Geschichte. Ob sie schon auf eine feste Formel im Judentum gebracht war, als sich das christliche triadische Bekenntnis bildete, ist ungewiß. Wahrscheinlich ist, daß die beiden triadischen Formeln ihrem Ursprung nach nichts miteinander gemein haben, sondern erst als fertige zusammengeschlossen sind. In den beiden Formeln bedeuten das 2. und das 3. Glied ursprünglich etwas ganz verschiedenes: das schaffende Offenbarungswort — Jesus Christus, von Gott gesandt; die göttliche Weisheit — der prophetische Geist, der die Gläubigen erfüllt.