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6. Bestellung zum Dienst an der Gemeinde.

Die Bestellung zum Dienst an der Gemeinde erfolgte nach vorhergehendem Gebet und Fasten durch Handauflegung (AG 6, 6; 13, 3; 1 Ti 4, 14; 2 Ti 1, 6; 1 Ti 5, 22). Wie man zu ihr kam, braucht man nicht zu fragen, da es sich um die Fortführung eines jüdischen Ritus handelt. Daß man in der Handauflegung die Verleihung des zum Amte nötigen Charismas sah — nicht bloß einen symbolischen Akt —, ist aus den Timotheusstellen deutlich, und daß diese erst eine spätere Vorstellung ausdrücken, ist unwahrscheinlich. Die Handauflegung war also gewiß „sakramental”; aber welche beibehaltenen oder neu geschaffenen Riten waren in einer Gemeinde nicht sakramental, die den sich sinnenfällig betätigenden heiligen Geist in ihrer Mitte hatte? Zur Handauflegung waren die Zwölf berechtigt (s. AG 6, 6, wo der schroffe Subjektswechsel bemerkenswert), aber auch die Einzelgemeinde, die die Handauflegung durch ihre Presbyter vollzog (1 Ti 4, 14), ferner die Apostel und berufsmäßige Missionare (1 Ti 5, 22; 2 Ti 1, 6); auch konnten Apostel und Gemeinde zusammenwirken. Wie alt die Vorstellung von der Übertragung der Amtsgewalt des Ordinators auf den Ordinanden und der Gedanke der Succession ist (beides ist nicht dasselbe), wissen wir nicht.


Harnack, A. (1910)