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Die Abteilung Faith and Order des Ökumenischen Rates der Kirchen hat 1974 auf der Konferenz von Accra auf breitester Basis, unter Vertretung aller hauptsächlichen Denominationen und Mitwirkung namhafter katholischer Theologen, eine Thesenreihe über Taufe, Eucharistie und Amt erarbeiten lassen. Sie hat dann nach Textrevisionen im Januar 1982 auf einer Konferenz in Lima/Peru eine Endfassung verabschiedet, um sie den Mitgliedskirchen zur verbindlichen Stellungnahme vorzulegen1. Das Unternehmen, über diese Themen einen Grundkonsens zu gewinnen, läßt sich mit der Leuenberger Konkordie reformatorischer Kirchen in Europa vergleichen. Eine kirchenrechtlicher Untersuchung dieser Thesen ist nicht vorgenommen worden. Es ist zwar in Accra an einem Tage neben anderen Themen über Kirchenrecht in ökumenischer Sicht verhandelt worden. Der Text zeigt jedoch keine Spuren davon. Eine geplante systematische kirchenrechtliche Arbeit von Faith and Order ist (nach Auskunft von Dr. Raiser) auf 1984 verschoben worden.
Die Ausgrenzung dieser drei Themen hat bereits ekklesiologische Bedeutung. Mit der Beschränkung auf die Hauptsakramente und das Amt ist eine relative Ablösung dieser Themen von den systematisch-theologischen Kontroversen als legitim erwiesen worden. Sie widerspricht einer Anschauung, welche Entscheidungen auf diesem Gebiet im wesentlichen von der Deduktion aus zentralen Ansätzen oder Grundprinzipien der getrennten Kirchen abhängig machen will. Die konkreten Aufgaben auf dem Gebiet, aber vor allem die immanente Logik dieser Bereiche ermöglichen und erfordern zugleich eine solche klärende Bemühung. Diese Einsicht hängt mit der Bewegung zusammen, welche sich in der Übernahme der munera-Lehre durch die katholische Kirche und die Erreichung eines weitreichenden Konsenses (mit alleiniger Ausnahme der Lutheraner) über die Relevanz dieser Konzeption ausdrückt. Vollends deren induktiv-kritische Verwendung, wie ich sie in diesem Band vorgetragen habe, vereist auf die Bedeutung dieses Vorgangs.
Zu den Fragen des Amtes enthalten die Thesen drei systematische Aussagen. Die erste ist der Verweis auf den weitgehenden traditionellen Konsens der Kirchen in der Drei-Ämter-Lehre (Bischof, Presbyter, Diakon), in welcher sozusagen der kleinste gemeinsame Nenner gefunden werden könne.
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Die zweite Konzeption enthält die „Leitlinien zur Ausübung des ordinierten Amtes in der Kirche”, unter Ziff. 26 des Abschnittes, wo es heißt:
„Drei Überlegungen sind in dieser Hinsicht wichtig. Das
ordinierte Amt sollte in einer persönlichen, kollegialen und
gemeinschaftlichen Weise ausgeübt werden. Persönlich
dadurch, daß auf die Präsenz Jesu Christi unter seinem Volk am
wirksamsten durch eine Person hingewiesen werden kann, die
ordiniert worden ist, um das Evangelium zu verkündigen, und die
Gemeinschaft dazu ruft, dem Herrn in Einheit von Leben und
Zeugnis zu dienen. Kollegial, denn es bedarf eines
Kollegiums von ordinierten Amtsträgern, die an den gemeinsamen
Aufgabe teilhaben, die Anliegen der Gemeinde zu vertreten.
Schließlich muß das enge Verhältnis zwischen dem ordinierten Amt
und der Gemeinschaft Ausdruck finden in einer
gemeinschaftlichen Dimension, in der die Ausübung des
ordinierten Amtes im Leben der Gemeinschaft verwurzelt sein muß
und die wirksame Teilnahme der Gemeinschaft an der Erkenntnis von
Gottes Willen und der Leitung des Geistes fordert.
Kommentar:
Diese drei Aspekte müssen zusammengehalten werden. In
verschiedenen Kirchen wurde der eine oder andere auf Kosten der
anderen überbetont. In manchen Kirchen ist die Tendenz erkennbar,
daß die persönliche Dimension des ordinierten Amtes die
kollegiale und gemeindliche Dimension zurückdrängt. In anderen
Kirchen hat die kollegiale oder gemeinschaftliche Dimension so
viel Bedeutung gewonnen, daß das ordinierte Amt seine persönliche
Dimension verliert. Jede Kirche muß sich selbst die Frage
stellen, wie ihre Ausübung des ordinierten Amtes im Laufe der
Geschichte Schaden genommen hat.” (39)
In der Fortsetzung des Kommentars zu diesen Richtlinien wird auf eine Empfehlung der Ersten Weltkonferenz für Glauben und Kirchenverfassung in Lausanne 1927 verwiesen, in der es heißt:
„Eine Anerkennung dieser drei Dimensionen liegt hinter einer Empfehlung, die auf der Ersten Weltkonferenz für Glauben und Kirchenverfassung in Lausanne (1927) ausgesprochen wurde: ,In Anbetracht der Stellung, welche die Bischöfe, die Kollegien der Presbyter und die Gemeinde der Gläubigen, alle in ihrem Teil, in der Verfassung der Alten Kirche gehabt haben; in Anbetracht der Tatsache ferner, daß jede der drei Verfassungsformen, die bischöfliche, presbyterische und die kongregationale, heutzutage wie seit Jahrhunderten, bei großen Gemeinschaften innerhalb der Christenheit Annahme gefunden haben, und schließlich in Anbetracht dessen, daß jede der drei Verfassungsformen, die bischöfliche, presbyterische und die kongregationale, von ihren jeweiligen Anhängern als notwendig für die richtige Verfassung der Kirche betrachtet wird, sprechen wir es als unsere Überzeugung aus, daß alle diese verschiedenen Elemente unter Bedingungen, die im einzelnen noch geklärt werden müssen, ihren angemessenen Plats in der Lebensordnung einer wieder geeinten Kirche haben müssen ...’” (39f.)
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Diese drei sich überschneidenden Basis-Aussagen haben einen triadischen Charakter gemeinsam2. Um sie in ihrer Bedeutung zusammenzusehen, müssen sie zunächst als einzelne erkläutert werden. Diese Interpretation schließt sich am leichtesten an die zitierte Ziff. 26 an.
Jede der drei hier programmierten Weisen des Vollzuges hat ihre spezielle Legitimation in ihrer Notwendigkeit. Diese ergibt sich nicht allein aus der soziologische Verschiedenheit der gemeinten Personen, sondern ist auch inhaltlich zu beschreiben.
1. Substanz und Notwendigkeit des Amtes liegt darin, daß es die Vorgegebenheit des Evangelium als Grund der Kirche, in der Kirche und gegenüber allen Adressaten der Verkündigung uneingeschränkt und unverletzt geltend machen muß. Der Ausdruck, daß hier auf die Präsenz Christi „am wirksamesten durch ein Person hingewiesen werden kann” (39), drückt diese Bestimmung sehr unzulänglich aus. Hier ist an das Wort der Schrift zu erinnern: „Nicht ihr habt mich erwählt, sondern ich habe euch erwählt.” Dies schließt deshalb jede Delegationstheorie für die Begründung des Amtes aus. Wer jemand in das Amt der Kirche wählt, delegiert ihn nicht aus eigener Machtvollkommenheit, sondern aufgrund der Verpflichtung, das gestiftete Amt als eine vorgegebene Institution zu besetzen. Der Träger des Amtes nimmt auch nach reformatorischer Auffassung die vices Christi wahr, repräsentiert zugleich die Gemeinde im liturgischen Gegenüber als Vorbeter. Trotz mancher Begriffsverwirrung besteht hierüber Einverständnis, so daß etwa die reformatorischen Kirchen die Unabhängigkeit der Verkündigung des Amtes von dem aktuellen Mehrheitswillen der Gemeinde immer betont und durchgehalten haben. Diese Vorgegebenheit verleiht deswegen dem Amte keine unbegrenzte, diskretionäre Vollmacht. Sie nötigt aber dazu, diese Unabhängigkeit mit der Mitwirkung aller übrigen, der Mitarbeiter jeder Art wie der Gesamtgemeinde zum wirksamen und sinngemäßen Ausgleich zu bringen.
2. Die Notwendigkeit des zweiten als kollegial bezeichneten Elements ergibt sich aus der konkreten Vielheit der Personen und Aufgaben in Gemeinde und Kirche, des Inbegriffs der Verrichtungen am Leibe Christi, wie auch immer sich diese unter ihren geschichtlichen Bedingungen darstellen. So gewiß diese Aufgliederung notwendig ist, so wenig gewährleistet die Summe dieser Verrichtungen die Einheit ihrer Zielrichtung und die Klarheit ihrer Maßstäbe. Diese Kollegialität braucht unvermeidlich eine leitende Zusammenfassung, die sie als Struktur selbst nicht enthält.
3. Die dritte Dimension entspricht der universitas fidelium, die in Gemeinde und Kirche eine unübersehbar notwendige Größe darstellt. Sie ist eine wesentliche Potenz selbst in denjenigen Kirchen, welche in ihrer Verfassung dem amtlosen Laien keine konkrete kirchenrechtliche Stellung zubilligen, den Vorgang der „Rezeption” nur außerrechtlich verstehen. Ohne den Horizont dieses pneumatischen Faktums ist die Kirche ohne Zweifel unvollständig.
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Das Gesamtbild dieser Richtlinien deckt sich in der Sache mit dem altkirchlichen Begriff, wo es heißt: „Ecclesia consistit in episcopo, clero et omnibus stantibus.” „Stantes” sind die getauften Vollmitglieder im Gegensatz zu den Katechumenen, welche im Gottesdienst knien. Als einzige Differenz ergibt sich die Tatsache, daß hier vor dem Auseinandertreten von Bischofsamt und presbyteraler Gemeindeleitung der Bischofstitel für das Amt überhaupt steht.
Die Aussagen in Ziff. 26 enthalten mit Recht kritische Hinweisen auf die Gefahr von Mißbräuchen. Diese Belastung muß jedoch noch deutlicher gesehen werden.
Die drei genannten Teile oder Elemente des Kirchenaufbaus sind subjektiv im hohen Grade psychologisch besetzt und belastet, und zwar sowohl positiv als auch negativ. Jedes dieser Element besitzt einen Nimbus — den der bewährten Autorität — den der egalitären Brüderlichkeit — den der schöpferischen Basis, aus dem jeweils die Kräfte des Ansporns und der Erneuerung immer wieder hervorgehen sollen.
Diesem Nimbus gegenüber gibt es ein ständig sich erneuerndes Antipathos. Die Kirche lebt in erheblichem Maße im Horizont kritischer Selbsterfahrung der eigenen Geschichte. Der Mißbrauch eines exklusiven Klerus erzeugt grundsätzliche Abwehrhaltung. Die überbetonte Kollegialität in der Mittelschicht kann zu puritanischer Ausschließlichkeit, zum Rigorismus, aber auch zur fragwürdigen Gruppenbildung führen, in der gerade die freundschaftliche Nähe zur Lähmung notwendiger Kritik führt.
Das Übergewicht der Basis kann zur Auflösung und Zerstörung aller konkreten Verbindlichkeit und zur Willkürherrschaft falscher Propheten führen, wiederum auch spontane Aktivität in diesem Raum hervorrufen.
Die Struktur des Glaubens selbst führt dazu, sich mit Unbedingtheit an einen als zentral verstandenen Punkt, einen Grundsatz, eine Amtsform anzuschließen und von da aus mit Ausschließlichkeit alles zu beurteilen.
Nach alledem stellt sich die Frage, welchen Sitz im Leben sehr weitreichende Konsenserklärungen im ökumenischen Gespräch wie z.B. über das „geistliche Amt in der Kirche” gewinnen können?
Zwischen der zitierten Ziff. 26 des Textes und der altkirchlichen Definition ergab sich die Differenz zwischen Ortsgemeinde und Kirche, sei es als Diözese, Regionalkirche oder Gesamtkirche. Eine genauere Auslegung des in Ziff. 26 nur kurz dargestellten Entwurfs bringt wesentliche Gesichtspunkte für die Verfassung der Gemeinde und die Praxis der Gemeindeleitung, wie auch für die Verfassung der Partikularkirche zutage. Grundsätzlich handelt es sich um das rechte Verhältnis (proportio) verschiedener qualitativ (und nicht quantitativ) unterschiedener Elemente — Basis, aktive Mitarbeiter, personale Leitung. Dies erlaubt nicht die Überstimmung der beschriebenen unverzichtbaren Vorgabe. Was in der Gemeinde unmittelbar verbunden is, tritt in der Partikularkirche in Synode und Kirchenleitung auseinander. Deshalb stehen hier die drei Elemente in jeweils anderen Proportionen. Die Thesen von Lima sind geeignet,
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die Bildung einer bisher fehlenden Theorie der Partikularkirche anzuregen4. Die Thesen legen im Kommentar in Ziff. 26 den Kirchen auch die Prüfung nahe, ob ihre Leitungsformen Schaden genommen haben.
Auch hier ist der Nachweis nötig, was eine soziale Form leisten
kann und was nicht. Die einzelne Gemeinde partizipiert an der
Gesamtentwicklung der Kirche, auch mit aktiven Rechten, kann aber
selbst Leitungs- und Ordnungsaufgaben für andere nicht
übernehmen. Eine Synode kann die Partikularkirche ebensowenig
leiten wie eine Kirchenleitung den Gesamtkonsens — dessen
reguläre Form und Ort die Synode ist — ersetzen kann. Die Formel,
daß die Synode die Kirche leite, ist Verdeckung der Wirklichkeit.
Im Gegenteil ist in Kirchenleitung und Synode die Proportion der
drei Elemente unvermeidlich verschieden. Nicht der Bischof,
sondern ein eigener Präsident leitet sinngemäß die Synode. In ihr
dürfen die ordinierten Amtsträger, die Inhaber dieser Ämter und
die wegen besonderer Fähigkeiten Berufenen keine dominierende
Zahl besitzen, damit der Konsens der Gesamtheit hervortreten
kann, während umgekehrt diese Gesamtheit ohne die sachkundige
Information und Vorklärung der Fragen durch die Theologen usw.
nicht entscheidungsfähig ist. Hier wird nach dem sensus fidei
gefragt. Auch im weltlichen Schwurgericht (als Repräsentation des
gemeinsamen Rechtsbewußtsein) ist bzw. war die Rechtsbelehrung
des nicht stimmberechtigten leitenden Richters unentbehrlich. Der
Synodalvorstand wird regelmäßig die Rechte der Synode außerhalb
der Tagungspräsenz wahrnehmen. Die hervorragende Qualität und
Bewährung der Synodalpräsidenten ist ein Hinweis auf ihre
legitime Bedeutung. Denn nur an wesentlichen Orten der
Verantwortung sammeln und finden sich auch Kapazitäten.
In einer ebenfalls aus verschiedenen Elementen gemischten
Kirchenleitung wird und muß sich dieses Verhältnis umkehren.
Urteilsschulung und Praxisnähe müssen hier dominieren, und die
Unabhängigkeit der Basisvertreter das Salz zur Speise geben. Auch
hier aber gilt der Vorbehalt der personal wahrzunehmenden
Vorgegebenheit und Verantwortung.
Die Empfehlung von Lausanne 1927 zeigt die frühe Situation der ökumenischen Bewegung, in welcher der angelsächsische Einfluß dominierte. Wenn nach dieser Empfehlung alle drei bewährten Verfassungsgrundsätze angemessen einbezogen werden sollen, so zeigt diese pauschale Forderung doch nicht den Weg zur Verwirklichung.
Wenn die kongregationale Verfassungsform als gleich bedeutsam angesehen wird, so stellt sich die Frage, ob deren Ablehnung gemeindeübergreifender Kirchenbildung soweit modifiziert werden kann, daß sie mit der übrigen Konzeption und dem Gesamtziel ökumenischer Einheit vereinbar ist. Die Bedeutung dieser Konzeption könnte sich darin zeigen, daß diese Kirchenform trotz ihrer grundsätzlichen Minimalisierung von Kirchenverfassung vermocht hat, eine lebensfähige Form zu verwirklichen. Eine kongregationale Kirchenverfassung im strikten Sinne ihrer Grundsätze wäre ebenso in dem Sinne als defizient zu beurteilen, wie alle monoformen Kirchenverfassungen5, ein Urteil übrigens,
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welches mutatis mutandis selbst Papst Pius IX. bestätigt hat, als er die Unabdingbarkeit von Episkopat und Konzil anerkennen mußte. Ein Papst ohne Bischofsgemeinschaft und Konzil ist ipso facto häretisch.
Kaum weniger schwierig ist auch die Einschließung der presbyteralen Verfassung in die Pluralität der Grundsätze von Lausanne. Denn wenn die presbyterale Verfassung ihr Kollegialitätsprinzip durch eine Ausschließung des Bischofsamtes verwirklichen will, so würde die schon mit dem Programm der Konziliarität, wie es parallel zu Accra von Faith and Order entwickelt worden ist, kollidieren. Sie müßte nämlich trotz ihres Prinzips im Konzil personal vertreten sein, also etwa ihre Moderatoren entsprechend verfassungsrechtlich ausrüsten. Dies führt wieder auf die Tatsache, daß die folgerichtige Verwirklichung der presbyteral-synodalen Verfassung, wie etwa in der Rheinischen Kirchenordnung von 1835 gerade zur Kumulation aller personalen Ämter und Kompetenzen, des Vorsitzenden der Kirchenleitung, des Leiters des Landeskirchenamts und des Präses der Synode führt, ein Selbstwiderspruch, der die Begrenzung des presbyteralen Gedankens sichtbar macht. Solche Kumulation verhindert z.B. eine dialektische Zuordnung des Vorsitzenden der Kirchenleitung als Gegenüber eines Synodalpräsidenten.
Es zeigt sich bei alledem, daß das Programm der Ziff. 26 die Monoformität jeder Verfassungsform mit zwingender Logik, wenn auch nicht ausdrücklich ausschließt. Die vorerwähnte Dominanz der angelsächsischen Konzeption erklärt sich aus dem besonderen Verlauf der Kirchenspaltung im angelsächsischen Bereich. Die Zusammenführung der entstandenen drei Zweige ist trotz sehr konkreter Verhandlungen letzten Endes bisher gescheitert. Diesen Bemühungen kam die Tatsache entgegen, daß die Verfassung der anglikanischen Kirche alle drei Elemente in voller Ausbildung nebeneinander berücksichtigt, indem sie die General Assembly in drei Häuser, das der Bischöfe, das des Klerus und das der Laien aufgliedert. Diese strikte Aufgliederung ist freilich nicht zwingend. Denn es sind auch gemischte Leitungsformen in dem Sinne möglich, indem die Synode alle drei Momente in sinngemäßer Proportion zusammenfaßt und darstellt, während umgekehrt eine gemischte Kirchenleitung in einer anderen Proportion der Elemente diese in gleicher Analogie zur Darstellung bringt.
Die Schwierigkeiten dieser Konzeption zeigen sich aber vollends in der Forderung der Übernahme des Bischofsamts, die in den beiden anderen Empfehlungen im Unterschied zu Ziff. 26 enthalten ist. Sämtliche reformierten Kirchen stehen damit vor der Frage und Aufgabe, einmal überhaupt das Bischofsamt anzuerkennen, wie es Lukas Vischer frontal gegen die Tradition seiner Kirche gefordert hat. Diese Übernahme kann sich aber nicht in der bischöflichen Leitung der einzelnen Regionalkirchen erschöpfen. Dies wäre noch nicht das Bischofsamt in seinem Vollsinn, welcher sich erst in der Bischofsgemeinschaft ausdrückt, d.h. letzten Endes in einem Rückgriff auf die nicaenische Verfassung. Dazwischen stände aber notwendig der von Grundmann mit Recht geforderte Schritt der Kirchwerdung des lutherischen Weltbundes. Ohne diese
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sind die Kirchen des Augsburgischen Bekenntnisses als Weltbund nicht koalitionsfähig. In abstracto dogmatisch das lutherische Amtsverständnis als solches anzuerkennen, ist weder die Grundlage noch der Ersatz für eine Kirchengemeinschaft. Es sind also zwei Schritte erforderlich — die Anerkennung dieses Amtes als solches und dessen Verständnis und Gestaltung im Horizont der ökumenischen Einheit. Sonst bestände zwischen Accra und der konziliaren Bewegung ein Mißverhältnis, vollends aber wäre jede Verständigung mit den vorreformatorischen Kirchen von vornherein ausgeschlossen. Damit aber stellt sich eine umgekehrte Frage. Versteht sich etwa die Aussage Ziff. 26 im wesentlichen als der Versuch eines Konsenses über die pastorale Praxis der Gemeindeleitung — und entsprechend auch der diözesanen Kirchenleitung —, ohne konkrete rechtliche und institutionelle Verbindlichkeit? Dies würde sich mit der auffälligen Tatsache treffen, daß die weitreichenden verfassungsrechtlichen Neubildungen des II. Vatikanischen Konzils von der lateinischen Kanonistik unter dem Gesamtgedanken der „communio” zusammengefaßt werden, ohne daß jedoch über diesen allgemeinen Leitgedanken hinaus konkrete rechtliche Folgerungen gezogen werden. In der Konsequenz ergibt sich die weitere Frage, ob allein den reformatorischen Kirchen die Bildung adäquater Gemeinde- und Diözesanverfassungen nahegelegt wird, die hierarchischen Kirchen aber von den Konsequenzen dieses Konsenses ausgenommen werden. Ergibt sich nun umgekehrt — wie die Forderung der Übernahme des Bischofsamtes bei den reformatorischen Kirchen — die Forderung an die hierarchischen Kirchen, selbst eine bisher fehlende rechtliche Ausbildung der Gemeinde- und Diözesanverfassung einzuleiten?6
Die Verständigung über einen wohlbegründeten, schlüssigen, notwendigen Grundriß kann sich nicht allein in einer Annäherung der Anschauungen vollziehen, welche allmählich die bedeutendsten Elemente der anderen Seite aufzunehmen imstande ist. Es zeigt sich vielmehr, daß hier Einheit von allen Beteiligten eine tiefgreifenden Änderung ihrer Haltung und Tendenz erfordert, die ihrem geschichtlichen Gefälle, ja sogar ihren grundlegenden Auffassungen entgegenläuft: Einheit nicht durch abstrakten Konsens, sondern durch konkrete, reziproke Reform. Der Verfassungsbestand der getrennten Kirchen besteht aber nicht allein in dem Inbegriff der in ihnen positiv ausgebildeten Formen. Er ist vielmehr gekennzeichnet durch eine Grenze der Legitimität, innerhalb deren diese Formen stehen und innerhalb deren auch Änderungen und Varianten möglich sind. Diese Legitimitätsgrenze ist ebenso durch definierte Prinzipien wie durch eine Art heilige Scheu gesichert. Die hierarchischen Kirchen lehnen eine angemessene Mitarbeit ihrer Laien keineswegs ab, halten aber durchgängig an dem Grundsatz fest, daß die essentiellen Verrichtungen der Kirche ausschließlich der Hierarchie vorbehalten sind. Die reformatorischen Kirchen scheuen vor allem Organisationsformen zurück, welche die Partikularität regionaler Kirchenverbände übersteigen. So wie die hierarchischen Kirchen von einer rechtlichen Kompetenz der Laien eine diffuse Gefährdung des depositum fidei, eine Selbstmächtigkeit des Basis befürchten, so vermuten
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umgekehrt die reformatorischen Kirchen bei jeder überregionalen Einheit eine illegitime Konzentration und Ausübung der Macht. Beide Teile halten einander illegitime Formen der Machtausübung in der Kirche zum Schaden des Evangeliums vor.
In dieser Frage ist die Situation der lateinischen und der orientalischen Kirche allerdings noch wesentlich verschieden. Der Kirchenbegriff des II. Vaticanums definiert die bischöfliche Kirche in Verbindung mit dem Presbyterat (una cum). Die entsprechende Ämter-Lehre enthält auch den Diakon, ein Amt, das in der Neubildung begriffen ist. Die Verfassungsgesetzgebung hat jedoch keine Anstalten gemacht, die Ausbildung von Diözesanverfassungen zu ermöglichen oder gar zu befördern, obwohl rechtliche Ansatzpunkte dafür vorhanden sind. Im Gegenteil wird eine Tendenz, die hier geschaffenen beratenden Organe in Diözese und Gemeinde zusammenzufassen und mit rechtlichen Kompetenzen auszustatten, nicht nur nicht gefördert, sondern mit Mißtrauen und Zurückhaltung behandelt. Die Bildung beratender Regionalsynoden ist nach dem Konzil unter sinngemäßer Repräsentation aller Kräfte in den Niederlanden und in Deutschland möglich gewesen. Die inneren Voraussetzungen liegen insofern vor, als in der lateinischen Kirche die Individualisierung des Glaubensverständnisses soweit durchgebildet ist, daß auch die Mitwirkung von einzelnen Gläubigen als solchen in den Gremien ohne weiteres möglich ist. Die Ostkirche dagegen hat von vornherein eine sehr viel offenere Haltung gegenüber den Laien eingenommen. Sie versteht sich in dieser Frage auch als hierarchische Kirche in der Mitte zwischen Katholizismus und Protestantismus. Sie hat entgegen der lateinischen Entwicklung niemals eine Art ontologische Unterscheidung zwischen Klerus und Laien ausgebildet, dagegen in vielfältiger Weise ganz unsystematisch die Mitarbeit der Laien ermöglicht. Jedoch ist der orthodoxe Christ gemeinhin gewohnt, in der Kirche sich in Kollektivakten der koinonia zu äußern und darzustellen, sei es der liturgischen Akklamation, sei es bei besonderen Gelegenheiten nationaler oder regionaler Kirchenversammlungen. Eine durchgängige Mitarbeit der einzelnen Christen in verfassungsmäßigen Organen ist demgegenüber sekundär. Wenn also die lateinische Kirche an sich imstande wäre, Diözesan- und Gemeindeverfassungen zu schaffen, so würde für die Ostkirche eine gleiche Initiative auf immanente Schwierigkeiten in der Tradition des Kirchenvolkes selbst treffen. Dabei stellt sich freilich die Frage, ob eine Veränderung der Haltung und des Bewußtseins nicht ohnehin in der geistigen Situation der Moderne begründet und unausweichlich wäre.
Wenn also die in den Lima-Thesen vorgelegten, sich überschneidenden Konzeptionen und Modelle nicht lediglich durch einen schrittweisen Konsens, sondern nur durch die praktische Überwindung traditioneller Grenzen zu verwirklichen sind, so fragt sich, ob die Lima-Thesen sich dieser schwierigen Reformaufgabe hinreichend bewußt sind. Denn hier reicht nicht das Verständnis für ein komprehensives Miteinander von Variationen und Elementen aus, sondern nur der konkrete Entschluß, die verlorene Einheit durch Infragestellung traditionaler Begrenzungen von bisher hohem Rang zu erreichen.
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Da die Wechselseitigkeit der drei Komponenten in diesem Modell nicht ins Bewußtsein gehoben ist, könnte es den Anschein haben, es handele sich im wesentlichen um eine innerprotestantische Klärung, welche für die übrigen Konfessionen zwar nützlich, aber nicht verpflichtend wäre, als ob die eingreifenden Konsequenzen des Konziliaritätsgedankens unberücksichtigt bleiben könnten.
Sodann ist noch eine weitere Frage im Text erhalten — die Differenz zwischen der einfachen Ämterlehre und Ziff. 26. Diese Ziffer handelt von der Basis, zunächst auf der Gemeindeebene, berührt indirekt auch Lausanne, und direkt wiederum die anglikanische Verfassung. Die Drei-Ämter-Lehre reicht jedoch nicht soweit — sie endet mit dem Diakon, dem spezifischen Amt des Anschlusses an die Basis wie im Ämter-Kapitel dargestellt.
Wie aber steht es mit der universitas fidelium auf gesamtkirchlicher Ebene? Gilt hier noch die pneumatologisch begründete Konzeption, daß der „episcopus in ecclesia” und die „ecclesia in episcopo” bleibt, und auf diese Weise im Konzil Amt und Basis zur Deckung kommen? Dies ist die genialste Verfassungskonzeption — für das größte und dauerhafteste Gemeinwesen. Würde jene Korrelation von episcopus und ecclesia aber heute nicht mehr gelten, dann müßte die Konzeption von Ziff. 26 auch auf ökumenischer Ebene sinngemäß Anwendung finden.
Die Thesen von Lima haben den Vorzug, das proprium der einzelnen Themen ohne die Voranstellung einer systematischen Position direkt anzugehen. Eben darum aber vereinigen sie diese teils pastoralen, teils institutionell-kirchenrechtlichen Anstöße nicht zu einer gemeinsamen Konzeption — sie müßten notwendig die Programmatik der Konziliarität einbeziehen. Nach dem jetzigen Stande nötigen diese Thesen dazu, das Wasser der Einheit den Berg der Traditionen emporzutreiben. Die volle Tragweite der Anforderungen, die damit gegeben sind, ist jedenfalls noch nicht deutlich geworden.
Soweit ein ernsthafter Wille besteht, zu konkreter Einheit zu kommen, herrscht gewiß schon heute die gemeinsame Überzeugung, daß es sich nicht um irgendeine Art der Unifizierung handeln kann. Dies darf freilich nicht erneut zur Lähmung der Annäherung mißbraucht werden. Immerhin könnte eine Zusammenfassung und Klärung der Lima-Thesen zur Bildung eines flexiblen Grundrisses oder Rahmens dienen. Die Vorstellung jedenfalls, daß ökumenische Einheit im wesentlichen oder gar allein als lehrmäßige Konfliktsbewältigung zu verstehen sei, muß deutlich überwunden werden.
Die Kräfte zu so großen Schritten werden nur dann erwachen, wenn der Zusammenhang dieser ökumenischen Lebensform mit dem Existenzverständnis des Christen deutlich wird. Aber in der weitreichenden Rezeption der munera-Lehre geht es ja immer zugleich um diese Existenz, nicht um eine ekklesiale
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Form allein, sondern um beider Verbindung. Bevor eine existentiale Interpretation des kanonischen Rechts hier in einem Schlußkapitel unternommen wird, muß noch deutlich werden, daß trotz breiten Konsenses die triadische Form im Grundbestand des geistlichen Lebens wie der Ekklesiologie nicht allein steht oder eine alleinige Ableitungsbasis darstellt.
Wenn in unserem Jahrhundert die Kirchen relevante Antithesen als Zwang zu Spaltungen ansahen, so boten sich überall duale Kontradiktionen an. In Kirchengeschichte und allgemeiner Geschichte haben zwar Ternare7 weltgeschichtliche Bedeutung gewonnen, doch gibt es ebenso eine Kette von Dualen, die nicht weniger wirksam waren und sind — einige von ihnen wurden schon früher teils in dialektischer, teils in antinomischer Form aufgewiesen.
In den Handlungsformen der Kirche8 und der vierfachen Gestalt der Kirche9 überkreuzen sich jeweils zwei Duale. Ein besonders wichtiges Dual stellt das Verhältnis von modus und res dar, ohne welches die gegenwärtige Lage der universalen Kirche nicht schlüssig gedeutet werden kann.
Eine nicht systematisierbare Auflistung kann dies weiter
verdeutlichen:
Christologie und Pneumatologie
Naturenlehre
Gesetz und Evangelium
Juden und Heiden
Altkirchliche Duale (Apostolische Sukzession und communio
sanctorum)
Ost und West
Repräsentation und Identität, Ambt und Gemeinde
Potestas-Lehre
Regimentenlehre
Fides qua — fides quae
Aus dieser unvollständigen Liste kann man zunächst erschließen,
daß hier eine Unterscheidung geistlicher und weltlicher Formen
vermöge der ihnen eigenen Existentialität nicht entscheidend ist.
Denn etwa Identität und Repräsentation gibt es im strengen Sinne
als geistliche Phänomene, vermittelt eben durch den Geist wie
auch in der gemischten Form konfessioneller Kirchentümer und
nicht weniger in der Profanität der Staats- und Soziallehre.
Überall, wo Geschichte am Werke, und das heißt mit menschlicher
Existenz verknüpft ist, zeigen sich vergleichbare Formen mit
unerschiedlichen Gehalten.
In der langen Betrachtung der Schrift, der Bekenntnisse und der Lehre der Kirche ist es den Christen nicht entgangen, daß es in diesem Bereich duale und ternare Bildungen, im wesentlichen als Verhältnisse von Personen untereinander zu beobachten gab. Sie waren vorgegeben. Es was offensichtlich nicht ihr Sinn, gegeneinander verrechnet oder aufgehoben, vollends nicht, in Gegensatz gesetzt zu werden.
Die ternaren Strukturen, deren Hauptfall die Trinitätslehre ist, enthalten eine eschatologisch-finale Ausrichtung, eine Dimension der Geschichte. Die dualen Formen, primär in Gestalt der Naturenlehre von Chalcedon, bezeichnen ständige, antinomische oder dialektische Verhältnisse. Daraus ist zunächst
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nur der Schluß zu ziehen, daß es eine Zurückführung zentraler Aussagen auf eine einzige Form personaler Relation sinngemäß nicht geben kann — daß ein solcher Versuch zum Verlust wesentlicher Dinge und in die Häresie führte. Wenn schon das Bekenntnis dogmatisch diese Unterschiedlichkeit aufweist, wieviel mehr die legitime, sichtbar verfaßte Kirche!
Es würde sich also als konstruktiver Fehler erweisen, wenn der antithetische Charakter der Duale in Gegensatz gestellt würde zu dem prozessualen der Ternare. Im übrigen sind auch die Duale keineswegs durchgängig auf Antithese eingestellt. In der Ausschließlichkeit des einen (Ternar) wie des anderen (Dual) wäre jedenfalls ein deutlicher Fehler der Anschauung, ein Anlaß zur Defizienz und der Häresie gegeben. Dieser Fehler würde sich dann potenzieren, wenn das Verhältnis der beiden Elemente im Bereich der Duale zugunsten eines Folgeverhältnisses oder einer anderen ungleich wertenden Verhältnisbestimmung aufgelöst würde. Erst recht entzieht sich eine solche Morphologie dem Subjekt-Objekt-Verhältnis, weil sie immer ein spezifisches Verhältnis der einzelnen Elemente in einem Phänomen zur Voraussetzung hat.
Eine jede dieser Formen, die ternaren wie die dualen, hat als soziale Gestaltung ihre eigene Dynamik. Die beschriebene vertikale dreischichtige Ausrichtung trifft auf Adressaten und damit auf eine Basis, die nunmehr zu aktiver Gegenläufigkeit motiviert wird. Auch die Hierarchie selbst ist ja sowohl als absteigende wie als aufsteigende ausgebildet und zu verstehen. Es entsteht aber auch ein Gegenüber und eine Spannung. Die Motivation hat also sowohl eine gegenläufige als auch eine identische Handlungs- und Blickrichtung.
Ganz anders sind die dualen Formen motiviert und können in verschiedenen Beziehungsmodellen verstanden werden, als zirkular, dialektisch, antinomisch, korrelativ und — nur im auflösenden Mißverstehen — als kausales Folgeverhältnis.
Daraus ergibt sich, daß diese notwendigen und dem Grundbestand der Kirche zugehörigen Formen noch nicht diejenige Motivation enthalten und sichtbar machen, die zur Überwindung der kirchentrennenden Scheidungen erforderlich wäre. Erst wenn die vertikale Offenbarung und Verkündigung mit ihrer Dynamik in ein zielgerichtetes Geschehen hineinwirkt, ergibt sich ein geschichtlicher Prozeß, der vom initiativen Anfang über die verstehende Entfaltung weitergeführt und mit Ziel und Ende konfrontiert wird. Niemals wird die getrennte Christenheit dem Appell zur Einheit über ihre Tradition hinweg folgen, wenn ihr Existenzverständnis sie nicht auf ein solches eschatologisches Ziel verweist und diese Ausrichtung ständig erneuert und subjektiv wachhält.
Der thematische Grundbestand von Ekklesiologie und Kirchenrechtslehre ist jedenfalls in der unauflöslichen Verbindung von Nicaea und Chalcedon ebenso zu suchen wie in dem Verhältnis von Christologie und Pneumatologie. Die Ternare können nicht die dualen Verhältnissen aufheben und diese nicht die Ternare.
Von daher betrachtet gibt die Aussageform der Einführungsartikel des Augsburgischen Bekenntnisses zu erneuten Erwägungen Anlaß. Warum mußte
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der ganze Stoff der trinitarischen Aussagen noch einmal eigenständig formuliert und zusammengerafft werden? Wozu mußte dieser gepreßte Stoff dann mit der Dualität von Heilsgeschichte und Unheilsgeschichte eingefaßt und umrahmt werden? Hat sich hier die geniale Formulierungsgabe Melanchthons an eine nahezu unlösbare Aufgabe gewagt und ist sie daran mit Zweideutigkeit und Fraglichkeit gescheitert? Oder/und geschah es, um an diesem Stoff die zentralen Erwägungen über Gesetz und Evangelium — denen Luther mit leidenschaftlicher Entschiedenheit selbst die Übersetzung des NT unterwarf —, zu bewähren? Wurden damit Schwerpunkte verändert, einer unabsehbaren Entwicklung Raum geschaffen?
Maurer hat die These vertreten, daß vor allem Luthers Rechtfertigungslehre in der Zwei-Naturen-Lehre der Alten Kirche gründet10. Oder sollten Chalcedon und Nicaea zur Deckung gebracht werden, indem Pneumatologie und Ekklesiologie mediatisiert wurden?
In dem Versuch der Umkehr aus langen Perioden der Spaltungen zum Versuch der Einheit tritt dieser Tatbestand überraschend ans Licht.
1 Taufe, Eucharistie und Amt — Konvergenzerklärungen
der Kommission für Glauben und Kirchenverfassung des Ökumenischen
Rates der Kirchen, Frankfurt/Paderborn 1982.
2 Die triadische Konzeption, in der sich die drei in
Accra übernommenen Modelle treffen und durch dieses
Zusammentreffen auch eine gewisse Evidenz beweisen, ist in der
Geschichte der Kirchenrechtslehre nicht neu. In der Zeit nach dem
Ende der Konfessionsbildung und vor der Emanzipation der Kirchen
vom landesherrlichen Kirchenregiment, nicht ohne Einfluß der
ersten Aufklärung entwickelten sich in der deutschen juristischen
und theologischen Literatur Kirchenrechtstheorien, welche
ebenfalls vergleichbare drei Elemente enthielten und deren
Zusammenhang zu klären versuchten. Es war damals das episkopale,
das konsistoriale und das synodale Element, bezogen also nicht
auf die Gemeindeverfassung, sondern auf die Verfassung der
Territorialkirchen. Die Zusammenordnung dieser Elemente wurde
unterschiedlich verstanden, — so wurde eine Art Perichorese, eine
Schwerpunktbildung verschiedener Tendenz unter Berücksichtigung
der jeweils anderen gedacht. Diese Reflexion bestätigt, daß sich
die Dreigliederung auf eine immanente Vorgegebenheit
rückbezieht.
3 Gemeinsame
römisch-katholische/evangelisch-lutherische Kommission, Das
Geistliche Amt in der Kirche, Paderborn/Frankfurt
21981.
4 Vgl. Dombois, Formen der Kirchenleitung, in: ZevKR
12, 1966, 39 ff.
5 RdG II, Kap. II, 35-51 und V, 87-102.
6 Vgl. hierzu die Ausführungen zu dem Limburger Modell
einer katholischen Diözesanverfassung (Kap. XXII).
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7 Geschichtliche Ternare als Säkularisation der
Trinitätslehre sind die Gewaltenteilungslehre und die Formel
„Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit”. Die Erkenntnis Carl
Schmitts, daß weithin die präzisen Begriffe der Staatslehre
säkularisierte Begriffe der Theologie sind, bezieht sich also
nicht nur auf einzelne Begriffe, sondern gerade auch auf solche
Konzeptionen. Der Säkularismus als Glaubensbewegung begreift die
geschichtliche Existenz mit den Begriffsmitteln der biblischen
Tradition; dem partikularen Gesetzesglauben folgt das universale
Evangelium der herrschaftslosen Freiheit. Dieses kann man nicht
durch Umkehrung (Voranstellung der christlichen Bruderschaft) auf
dem Papier taufen. Vielmehr spaltet sich die Bewegung zu
ausschließenden Konfessionen, und diese führen heute zerstörenden
Glaubenskriege, in denen um der Bestimmung des Menschen allen
alle Mittel erlaubt erscheinen. Sie vollzieht also in gewissem
Umfange die Kirchen(rechts)geschichte nach. — „Vernunft innerhalb
der Grenzen und in der Form der Religion” —
1945 sagte General MacArthur: „Die Menschheit wird erst an den
Frieden glauben, wenn die Kirchen zeigen, daß es diesen
gibt.”
8 RdG I, Kap. XIII, 815-872.
9 RdG II, Kap. II, 35-51.
10 So das Urteil von Peters (Albrecht Peters,
Rechtfertigung in der Reformation, in: Otto H. Pesch/Albrecht
Peters, Einführung in die Lehre von Gnade und Rechtfertigung,
Darmstadt 1981, 119-168, hier: 161, Anm. 127).
Er bezieht sich dabei auf: Wilhelm Maurer, Die Einheit der
Theologie Luthers, in: ders., Kirche und Geschichte I, Göttingen
1970, 11-21; sowie ders., Die Anfänge von Luthers Theologie,
a.a.O., 22-37.