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Kaum jemals ist für die Öffentlichkeit der ganzen Kirche wie der Welt der Übergang in eine neue Geschichtsepoche der römischen Kirche so sinnfällig geworden wie durch den Wechsel von Pius XII. auf Johannes XXIII. Zwei bedeutende Päpste lösten unter ganz verschiedenen Vorzeichen einander ab. Der Tod Pius XII. beendete eine Epoche der Geschichte, die man als die der Pius-Päpste bezeichnen kann. In der Mitte des 18. Jahrhunderts besaß das Papsttum in der Person Benedikts XIV. einen Repräsentanten, der wie wenige seiner Vorgänger den Beifall von ganze Europa besaß (1740-1758). Nach ihm jedoch verlor in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts das Papsttum so sehr an innerer Kraft und öffentlichem Ansehen, daß man 1799 allgemein zweifelte, ob überhaupt noch eine Papstwahl zustande kommen werde. Mit Pius VI. (1775) begann eine Namenstradition, die sich auffälligerweise bis in die Gegenwart durchgehalten hat — sieben von elf Päpsten wählten diesen Namen. Die Bibel lehrt, was Name bedeutet. Der Name Pius war nicht der Tradition der Kirchenväter entnommen, verwies undeutlich auf den heilig gesprochenen Pius V. als Papst der Gegenreformation oder gar auf den Pius Aenaeas, den legendären Gründer Roms. Als Taufname kaum Eingang findend, bekundet er die fraglose Gewißheit und Notwendigkeit der Gottesverehrung als solcher. In scharfem Gegensatz, mit neuem Anspruch und hoher Verpflichtung folgte dem der ausschließliche Rückgriff auf die beiden Hauptapostel, die allein Theologien entwarfen — ihre Verbindung wird zum Programm — Johannes und Paulus.
Das Pius-Papsttum überdauerte seine Schwäche, die Erniedrigung durch die napoleonische Herrschaft und sammelte in der Restauration von neuem die zerstreuten Glieder der Kirche.
Beschwert war es auch durch die Restauration des Kirchenstaats. Es fehlte die theologische Einsicht, daß auch das Volk eines Kirchenstaats eines weltlichen Regimentes auf der Höhe der Zeit bedurfte. In den Annalen großer italienischer Städte, wie Bologna und Neapel, wird die Regierung päpstlicher Legaten im Mittelalter zuweilen als ein goldenes Zeitalter verzeichnet. Die Verwaltung des Kirchenstaats bildete dagegen im 19. Jahrhundert das Schlußlicht der Verwaltungen des späten Absolutismus. Preußen, von der Kurie lange Zeit mißachtet, war schon groß durch seine Verwaltung, bevor es mächtig wurde durch seine Waffen — die verhaßte Fremdherrschaft Österreichs im Lombardo-Venezianischen Königreich stiftete sich durch eine pflegliche und zielbewußte Verwaltung eine heute wieder wirksames Gedächtnis. Die päpstliche Verwaltung hatte dagegen für die innere Situation Italiens in seinem Gebiet noch heute belastende Folgen. Pius IX. jedoch versicherte in den 60er Jahren einer Bischofsversammlung, daß das Patrimonium Petri dem Heiligen
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Stuhl durch einen klaren Akt der Vorsehung verliehen worden sei. Erst 60 Jahre nach dem Verlust dieses Staatswesens entschloß sich die Kurie 1929 zum Verzicht.
Trotz jener erneuten Sammlung der Kirche wurde das Papsttum erst nach der Revolution von 1848 dogmatisch aktiv. Auf die Verkündigung der Immaculata Conceptio von 1854 als Vorbereitung folgte das I. Vatikanische Konzil. Die Unfehlbarkeitserklärung war von der entschlossenen Absicht getragen, jeder episkopalistischen Bewegung ein Ende zu setzen. Episkopale Bewegungen gab es immer wieder schon seit dem 15. Jahrhundert. Sie machten das unverjährbare Recht des Episkopats gegen einen sich immer weiter ausbreitenden, die Substruktur der Kirche auflösenden päpstlichen Zentralismus geltend. Aber sie hatten zugleich unter Beweis gestellt, daß sie weder Kraft noch Konzeption besaßen, um einen dauerhaften Beitrag zur Kirchenverfassung zu leisten. Der theologische und geschichtliche Kontext des Episkopalismus hatte sich jedoch im 19. Jahrhundert wesentlich verändert. Auch die katholischen Staaten waren trotz aller Devotion säkularisiert, der Kirche ferner gerückt und mächtiger geworden. Diese Mächte waren auch nicht mehr innerkirchlich die Repräsentanten der in der Kirchenverfassung selbst nicht repräsentierten Völker, des Laienelements überhaupt. Unter diesen Umständen geriet der Episkopalismus in eine schiefe Lage und bekam einen Zug des Anachronismus, der dazu ermutigen konnte, ihn nunmehr ein endgültiges Ende zu bereiten. Dominierend aber war der noch größere Gegensatz gegen den Modernismus. Daß man diesen nicht mit Verdammungen bekämpfen konnte, lag am Tage. Der Papst suchte eine begriffliche und zugleich kirchenrechtlich relevante Umschreibung der in seiner Person repräsentierte grundsätzlichen und geschichtlichen Ansprüche der Kirche, welche sie unangreifbar aus diesen Gegensätzen herausnahm. Die personale Autorität in der Kirche sollte nicht als die letzte Instanz einer letztlich subjektiven Überzeugung des Glaubens erscheinen, sondern als der Ort, wo Subjektivität, Objektivität und Geschichte zusammentrafen, und damit ein reservatum independentiae begründeten. Die konsequente Formulierung dieses Programms bietet das Dogma von 1870, die letzte große, überdimensionale Steigerung des von mir in Band II umschriebenen transzendentalen Kirchenrechts. Wie der monarchische Absolutismus nicht die Vollgestalt des Königtums, sondern eine durch große Träger ausgewiesene geschichtliche Endform war, so auch diese Spätform des Papsttums. Könnte man einen so großen Schritt nach den Maßstäben von Nutzen und Schaden beurteilen, so müßte man sagen, daß beide sich gegeneinander nahezu aufhoben. Einer unerhörten Steigerung der Vollmacht und Kompetenz standen schwerste Belastungen gegenüber.
Dieser Schritt bedeutete innerhalb wie außerhalb der römisch-katholischen Kirche eine tiefe Erschütterung. Katholische und nichtkatholische Christen, Staatsmänner und Völker fühlten sich in einer unabsehbaren Weise betroffen1. Der Papst mußte diesem heftigen Schock durch die Erklärung entgegentreten, daß Bischofsamt und Konzil als notwendige Bestandteile der Kirchenverfassung
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nicht beeinträchtigt seien. Der Ausbruch des Krieges 1870/71 hatte die Fortführung des Konzils verhindert, so daß eine anschließende Beratung über den Episkopat vermieden werden konnte, die in diesem Horizont wohl schwerlich überzeugende Ergebnisse gebracht hätte.
Der zweite lange Primat dieses Jahrhunderts, der Leos XIII. (1878-1903), war ganz der Aufgabe gewidmet, diese Entfremdung der Kirche von ihrer Umgebung durch besonnene Klugheit und fruchtbare Initiative zu überwinden — nicht weniger der dem sakramentalen Leben zugewendete Pius X. — beide glichen jene Einseitigkeit aus.
Das Konzil aber hatte neben der altkatholischen Separation tiefe Wunden bei einer loyalen und kundigen Opposition geschlagen, welche sich der Gehorsamspflicht beugen mußte.
Die katholische Theologie war vollends genötigt, dieses neue Dogma gedanklich durchzubilden, es sachlich und prozedural einsichtig zu machen. Sie mußte sodann diese Lehre mit der Dogmengeschichte der Kirche in Beziehung setzen. Wie fremd eine solche Anschauung selbst noch in der Zeit der Gegenreformation war, zeigt die in der Anmerkung wiedergegebene Episode mit der Äußerung des Kardinals Bellarmin, der in hohem Maße für die Formulierung der katholischen Ekklesiologie bestimmend gewesen ist2.
Sodann stellt seither diese Lehre alle Verlautbarungen und Lehrschreiben der Päpste, welche nicht als unfehlbar verstanden werden, in das Zwielicht der potentiellen Unfehlbarkeit. Man hätte nach dem Ende des konfessionellen Zeitalters und der Aufklärung gewiß nicht mit einer Versöhnung der Konfessionen rechnen können, aber doch immerhin mit einer Art modus vivendi. Nunmehr wurden die Trennmauern um ein ganzes Stockwerk erhöht und unübersteigbar — soweit nicht unter diesem Druck Durchbrüche geschaffen wurden. Noch gefährlicher für die Zukunft war, daß die Koalitionsfähigkeit der römisch-katholischen Kirche in Frage gestellt wurde. Denn wer sollte sich mit ihr zusammenfinden, wenn dies eine Absorption bedeutete, nicht die pneumatische Anerkennung einer kirchengeschichtlichen Identität, sondern nur eine Konzession der potestas immediata. Was sollte wohl der Primat der Legitimität der orientalischen Kirche hinzubringen? Unfehlbarkeit und Fehlbarkeit desavouieren sich gegenseitig. Wie delikat diese Lage ist, zeigen Bemerkungen, daß in der Gegenwart die allgemeine Ablehnung von „Humanae vitae” einen geschichtlichen Einschnitt in der Haltung der Gläubigen gegenüber der päpstlichen Autorität bedeutet habe3.
Nun hat der Gedanke eines Amtes der Einheit nach dem Weltkriege und dem II. Vaticanum in vielfacher Weise in der protestantischen Theologie Aufnahme gefunden und zu vielerlei Konzeptionen und Erwägungen Anlaß gegeben, die aber bisher an der Frage der Unfehlbarkeit und des Universalepiskopats eine unübersteigbare Grenze fanden. Dabei wurden die Folgen des Dogmas und seine Anwendung mit Aufmerksamkeit beobachtet.
„Innerkirchlich bedeutete das V(atikanum) zunächst das Ende jedes Restes von konziliaren und episkopalistischen Neigungen, wenn auch die exakte
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Abgrenzung zwischen papaler und episkopaler Gewalt ... bis heute aussteht. Da die näheren Bestimmungen der lehramtlichen Unfehlbarkeit etwas Schwebendes haben, und da diese Unfehlbarkeit mit voller Eindeutigkeit nur in den beiden mariologischen Dogmen von 1854 und 1950 ... in Anspruch genommen wurde, dürfen die Folgen der Kirchenkonstitution nicht überschätzt werden. Wohl aber hat sich allmählich der Geist des V(atikanums) dem Geist des so hart angeklagten 19. Jh.s gewachsen, wenn nicht überlegen gezeigt und Wesentliches zur heutigen Situation beigetragen. ... C. Mirbt behält recht: ,Aber die römische Kirche wird bei ihrer großen Anpassungsfähigkeit und Elastizität auch solchen Eventualitäten gewachsen sein; denn sie hat sich den Weg der authentischen Interpretation des Dogmas nicht verschlossen ...’.”4
Niemand hätte indessen erwarten können, daß gerade die Geschichte der Kirche selbst eine neue Situation schaffen würde. Als Ende der 40er Jahre die Absicht Pius XII. bekannt wurde, die Lehre von der assumptio zu dogmatisieren, gerieten viele katholische Theologen in die größten Schwierigkeiten. Friedrich Heiler veröffentlichte eine vernichtende Untersuchung zur Dogmengeschichte dieser Lehre5. C.G. Jung, der Sohn eines reformierten Schweizer Pfarrers, begrüßte im Horizont seiner archetypischen Forschungen und Theorien die Initiative des Papstes als eine Art prophetischen Vorgriff im Blick auf sich anmeldende Frauenprobleme. Orthodoxe Theologen dagegen, welche bereit waren, dieser Lehre zuzustimmen, erklärten, daß diese zur Dogmatisierung völlig ungeeignet sei. Ihr Einwand entsprang nicht der antijuristischen Haltung der Ostkirche, sondern primär einer von der Dogmatik nicht verstellten gottesdienstliche Erfahrung.
Während das I. Vaticanum den Episcopalismus verdrängte, wurde nunmehr im II. Vaticanum das Papsttum, der Kardinalat, samt beiden Hierarchien toto coelo auf die Ebene des Episkopats gestellt, aus diesem abgeleitet und zur Einheit integriert. Damit waren alle Sonderbildungen des transzendentalen Kirchenrechts auf eine neue Ebene gestellt, während zugleich durch die Beendigung des Universalienstreits und die Übernahme der munera-Lehre, also der relativen Zurückstellung der Jurisdiktion überhaupt, eine neue Epoche eingeleitet wurde. Von hier aus ist auch erst eine neue Beurteilung des Dogmas selbst möglich. Wenn sich die munera gegenseitig differenzieren, so ist nunmehr deutlich, daß das Unfehlbarkeitsdogma primär eine verfassungsrechtliche Bestimmung ist. Als jurisdiktionelle Entscheidungskompetenz hat sie die Lehre des magisterium zwar auch zum Gegenstand, aber nicht zum Inhalt. Die Entscheidung schafft nicht den Tatbestand, sondern beurteilt ihn. Auf der anderen Seite sind die einzigen Fälle einer Anwendung dieser Kompetenz in Wahrheit Erweiterungen des meditativen und spekulativen Horizonts des Marianismus, Anregungen und wenn man will Entscheidungen im Raum des munus sacerdotale, rechtlich allenfalls im Bereich eines obersten ins liturgicum.
Ist die Unfehlbarkeit eine formale Bestimmung über die Kompetenz, so betrifft ihre bisherige Anwendung in keiner Weise Lehren der Kirche, von
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deren Annahme das Heil des Menschen abhängt, nicht die Anweisung gefährlicher, den Glauben verleugnender Irrlehren, vor denen die Gläubigen bewahrt werden müssen. Der Bereich des munus propheticum ist geradezu ausgespart. Die Enthaltung in diesem Bereich weist darauf hin, daß hier ein konstitutiver Grund für ihre Nichtanwendung besteht. Das Papsttum kann das Konzil nicht ersetzen. Der Papst hat zwar Luther verdammt, aber die durch die Reformation notwendig gewordenen klärenden Lehraussagen hat das Trienter Konzil entwickelt. Der Papst hat sich auch in dem zur Entscheidung vorbereiteten molinistischen Streit der Entscheidung enthalten. Die Formulierung der neuen Ekklesiologie des Volkes Gottes verdankt sich dem pneumatischen Ereignis konziliarer Begegnung, deren Einklang von Eingebung und Anstrengung Wolfgang Dietzfelbinger mit Recht rühmend beschrieben hat6. Der Papst konnte an alledem mitwirken, Korrekturen durchsetzen; er hätte auch die Approbation gegebenenfalls ablehnen können: Die Beschlüsse selbst ersetzen und formulieren konnte er auch mit Hilfe der Kurie nicht. Die Geschichte hat erwiesen, daß die Unfehlbarkeit nicht mehr und nicht weniger als die ultima ratio papae sein kann, die in entscheidenden Streitlagen wie zu Zeiten als Athanasius zum Handeln gezwungen wird, nicht aber und gerade nicht eine zu jeder Zeit präsente Möglichkeit. Erst die Unterscheidung der munera und die Erfahrung des Zweiten Vaticanums ermöglichen es, diese veränderte Beurteilung, welche durch den faktischen Verlauf nahegelegt wurde, zu formulieren.
Papst Paul VI. hat nicht nur durch die Nota Praevia auf das Konzil eingewirkt, sondern zugleich auf einer anderen Ebene durch die Formel des „una cum” die aufgegebene Situation gekennzeichnet. Konsequent findet sich dieses „una cum” auch in der Kirchendefinition bei der Umschreibung des Bischofsamts im Blick auf den Presbyter. Demnach kann es sich nicht um eine Gewaltenteilung oder eine wechselseitige Intervention nach dem Vorbilde des römischen Konsulats noch eine ähnliche rationale Konstruktion handeln. Es handelt sich vielmehr um eine aufgegebene Gewaltengemeinschaft, deren Form und praktische Bewährung noch zu finden ist. Es hat sich durch eine Erweiterung des Kardinalats und seine proportionale regionale Verteilung wie durch die Organisation von regionalen Bischofskonferenzen ein Ausgleich angedeutet.
Ich habe in meiner Studie über die Hierarchie schon darauf hingewiesen, daß die Erkenntnis der Grenze der Judiziabilität auch die Lehre von der Unfehlbarkeit tangiert. Das II. Vaticanum hat seine Sätze nicht in der Weise formuliert, daß ihre logische Umkehrung die Verdammung enthält. Nichtobjektivierbarkeit und Korrelativität sind Elemente der Geschichte selbst, welche es erlauben, gerade diese Form des I. Vaticanums für überholt anzusehen. Aber dies fordert nicht weniger, sondern mehr klärende Anstrengung und ist vollends kein Alibi für undisziplinierte Denker. Das Dogma des I. Vaticanums hindert in seiner veralteten Form ein Amt der Einheit mehr als es fördert. Ein solches Amt ist ein Amt der Kirche und eine Form des bischöflichen Amtes, welches die
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Vorgegebenheit des Evangeliums zu vertreten hat. Jede denkbare Form ökumenischer Einigung wird ein personales Element mit einem kollegialen Element verbinden müssen. Funktionäre sind nicht gefragt. An der geistlichen Vollmacht, dieses beides zu vereinen, wird sich die Legitimität erweisen7. Alle Teile werden sich darauf einstellen müssen.
Mit Recht ist auch an die vom Konzil proklamierten Grundsätze der Kollegialität und Subsidiarität erinnert worden. Aber eben wenn diese Ansätze und Grundsätze nicht deutlich wirksam werden, zeigt sich die vereinzelnde Wirksamkeit des monistischen Denkens, welches sich auch in der lutherischen Kirche in sola-Formeln als gefährlich oder versuchlich herausgestellt hat. Es steht aber dahinter als epochale Aufgabe die Frage nach dem Verhältnis von Christologie und Pneumatologie und damit auch von Repräsentation und Identität. Methodologisch zeigt sich heute allmählich eine gewisse Öffnung für das Verständnis morphologischer und soziologischer Dimensionen und Gegebenheiten.
Die Entwicklung des päpstlichen Primats zu einer ebenso umfassenden wie ausschließenden Kompetenz legt die Erwägung nahe, ob nicht eine solche Profilierung der Rechtssubjektivität erst unter den Voraussetzungen der Moderne, des Absolutismus und/oder Idealismus möglich geworden ist. Es ist dabei nicht zu übersehen, daß der Kompetenzanspruch des Primats sich in der Geschichte selbst gesteigert hat.
Ist exklusive Rechtssubjektivität nicht eine bis dato undenkbare historische Bildung, die jener Subjektivität entspricht, der sie widerspricht? Schließt hier nicht, was distinkt gesagt wird, stets etwas aus statt ein — separativ statt komprehensiv?! In der Zuspitzung, die die Frage gewonnen hat, ist sie gewiß nicht originär, sondern historisch und wenn legitim, ein Durchgang. Davon hängen dann auch weitgehend die Interpretationen ab, die sich mit dem Petrus-Text befassen; auch die Heraushebung einer bestimmten Person ist keineswegs gleichbedeutend mit einer scharfen Abtrennung und einer ausschließenden Kompetenz.8
Die Frage des päpstlichen Primats ist bis in die Gegenwart nicht ernstlich zwischen den Kirchen verhandelt worden, weil die von Rom getrennten Kirchen entweder eine verfaßte Gesamtkirche überhaupt ablehnten oder jedenfalls einen kompetenzlosen Primat im Auge hatten. Obwohl aber die Frage nun zum Gegenstand der Auseinandersetzung geworden ist, ist sie trotzdem nicht weitergekommen. Die Anglikaner sagen sehr richtig:
„Wenn die Reichweite universaler Jurisdiktion auch nicht genau katholisch umschrieben werden kann, so gibt es doch moralische Grenzen ihrer Ausübung: sie leiten sich ab von der Natur der Kirche und dem pastoralen Auftrag des universalen Primas. Kraft der ihm zur Auferbauung der Kirche übertragenen Jurisdiktion hat der universale Primas in besonderen Fällen das Recht, in den Angelegenheiten einer Diözese zu intervenieren und Appelle gegen die Entscheidung eines Diözesanbischofs entgegenzunehmen. Darin, daß der universale Primas, in kollegialer Verbundenheit mit seinen
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Mitbischöfen, die Aufgabe hat, den Glauben und die Einheit der universalen Kirche zu schützen, ist die Unterordnung des Diözesanbischofs unter seine Autorität begründet.”9
Das Problem liegt nun darin, daß der Begriff des ius divinum sich mit dem Gegenstand der Einheit zu einer unbeschränkten Vollgewalt verbindet. So wird das Höchstmaß denkbarer Kompetenz postuliert, weil jede Einschränkung eine Verletzung des ius divinum wäre, obwohl wir das ius divinum immer nur unter den Bedingungen und in der Gestalt des ius humanum (historicum) haben — auch die Kirche „ex divini et humano coalescit elemento”10.
Wenn Art. 25 LEF 1980 (77) die Suspension aller kanonischen Rechte um des bonum commune willen ermöglichen wollte, so ist dies eine Willkür, die noch nicht einmal an die Begründung mit einer iusta causa gebunden ist. Die „moralischen Grenzen” sind also schon in der Gesetzgebung nicht im Blick. Und hier liegt ein wesentlicher Anlaß zu Bedenken. Zahlreiche beschwerliche und bedenkliche Gesetzesvorschläge hätten ohne Schaden vermieden werden können, wenn eben diese Einsicht in die Grenzen vorhanden gewesen wäre. Regelmäßig hätte legitimen gesetzespolitischen Interessen Rechnung getragen werden können, wenn versucht worden wäre, offenkundiger Anstößigkeit zu entgehen. So ist es in Wahrheit nicht die geistliche, d.h. personale Vollmacht des ersten Bischofs der Christenheit, sondern die Selbstgesetzlichkeit eines rationalen Prinzips, deren Gefälle wir aus den modernen Daten kennen und welche wohlmeinende Absichten in ihr Gegenteil verkehrt. Deswegen ist die potestas ordinaria viel problematischer als die potestas extraordinaria. Wenn das Ordinarium des Kirchenregiments unter konziliaren Beteiligung wahrgenommen werden kann, so bedarf die Kirche der Initiative gegen Selbstbezogenheit und der Abwehr von Gefahren — und dazu Vollmachten der Leitung.
Heinrich Kraft hat in seiner Studie über die Entstehung des Christentums11 auf institutionelle Grundbestände hingewiesen: den Dreier-Kreis und den Zwölfer-Kreis.
Wenn Jesus (Mark. 9, par.) drei auserwählte Jünger mit sich auf den Berg der Verklärung nimmt — Petrus, Jakobus und Johannes —, die nach Ostern die Säulen der Gemeinde sein werden, und er dann noch eine „unzeitige Geburt” beruft, wie kann dann sein Vicarius oder der Nachfolge Petri allein sein, ohne eine gewisse Relation zu jenen?
Demgegenüber deutet der Zwölfer-Kreis der Jünger, die berufen sind, die zwölf Stamme Israels zu richten, auf die Universalität der Kirche hin: dies meint das ganze Volk Gottes. Damit hätte man aber sowohl eine Modell-Form herausgehobener personaler Leitung auf der einen wie eine umfassende Struktur konziliaren Charakters auf der anderen Seite. Im Gegensatz zum Recht der Synagoge, welches für einen legitimen Gottesdienst — den 10 Geboten entsprechend — 10 Männer erfordert, waren in den frühen Gemeinden zwölf Männer nötig, um einen Bischof zu wählen. Aufgrund dieser Tatsache hat Maurer sogar die Synode aus der Gemeinde abgeleitet, was an sich der
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Pluralität der Ekklesien widerspricht, die buchstäblich „zusammenkommen” (syn-odal), — aber typologisch vielleicht nicht ohne einen Wahrheitsgehalt ist.
Zu einem großen „Synhedrion” sind 120 Männer erforderlich (Zehn Gebote mal 12 Stämme). Die Regionalisierung des Kardinalskollegiums hat von den alttestamentarischen 70 Ältesten zu einer informellen Limitierung auf 120 Mitglieder geführt. Auch die lutherische Reformation hatte unwillkürlich ihre Trias, wie sich aus dem berühmten Wittenberger Altar ergibt, wo Luther, Melanchthon und Bugenhagen zusammen gezeigt werden, ohne deren Zusammenwirkung sich die neue Konfession nicht hätte ausbilden und befestigen können.
Nachdem nun die Möglichkeiten der Gegensätze und Spaltungen in tausendjährigem Bemühen erschöpft worden sind, fragt sich, ob die Kirche des Regiments, die Kirche der Lehre und die Kirche des Kultus auch in einer Dreiheit der Leitungsverantwortung wieder zusammengeführt werden könnten. Denn wenn sich das Gefälle aus der Trennung und der Divergenz in die Konvergenz umkehrt, so müßten sich Formen finden, durch welche die bis an den Rand der Häresie gegensätzlichen Kirchenbildungen wieder vereint werden.
Sollten die getrennten Kirchen nach Glauben und Kirchenverfassung die unabweisbaren Voraussetzungen der Anerkennung durch die römische Kirche — abgesehen vom Primat — mitbringen, so würde der Papst mit diesen Kirchen nicht ebenso reden und handeln können wie mit seiner angestammten Kirche. Die getrennten Kirchen bringen ein solches Gewicht an Spiritualität, Identität und Tradition ein, daß dies durch sich selbst die Änderung der Einheitsstruktur bedingen würde. Daß die römische Form der Einheit die legitime und gegebene der universalen Kirche sei, beruht ebenso auf einer petitio principii wie die Bestreitung der Verfaßbarkeit durch die Lutheraner. Die Einigung der Kirchen würde die historische Partikularität der römischen Kirche an den Tag bringen. Sie hat das Verdienst, den Gedanken der Einheit festgehalten und mit aller ihr vorstellbaren Konsequenz verwirklicht zu haben, aber auch die Verantwortung dafür, die Einheit durch die Art ihrer Verwirklichung diskreditiert zu haben. Dadurch motiviert und legitimiert, sind die getrennten Kirchen dem Partikularismus anheimgefallen, ohne den Folgen Herr und ihrer eigenen Verantwortung dafür bewußt zu werden. Die bischöflichen Kirchen haben wenigstens das Prinzip der Bischofsgemeinschaft — ex communione ad communionem — nicht der Legitimation der je einzelnen Amtsträger! — im Blick behalten und begrenzt verwirklicht.
Die einheitliche Partikularität und der Partikularismus heben sich, weil sie ineinander hängen, gegenseitig auf. Es wird sich dann klären müssen, welche Aufgaben und Kompetenzen über das Patriarchat der römischen Kirche hinaus möglich und notwendig sind. Dies ist keine Frage der Zweckmäßigkeit, sondern der Wirklichkeit (Gegebenheit).
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Die römische Kirche hat — ohne daß dies bisher zur Erörterung gestellt worden ist — nicht nur eine, sondern zwei Achillesfersen.
Zu den Institutionen und notwendigen Mitteln kirchlichen Rechtes gehört auch die Papstwahl. Solange die Papstwahl eine Sache der römischen Gemeinde war, waren streitige oder Doppelwählen lästig und ärgerlich, aber nicht von weitgreifender Bedeutung. Mit der wachsenden Bedeutung des Papsttums wurde das Papstwahlrecht als solches ebenso wichtiger wie gefährlicher. Es ging darum, schismatische und solche Wahlen zu vermeiden, die dem Vorwurf der Illegitimität ausgesetzt waren. Solange nach dem mittelalterlichen Selbstverständnis im Wahlkollegium die pars sanior gegen die pars maior ausgespielt werden konnte, waren Schismata kaum zu vermeiden. Erst die Rationalisierung zur rein zahlenmäßige Abstimmung und eine Reihe von sichernden Bestimmungen verhinderten die Entstehung bestreitbarer Wahlergebnisse. Bekanntlich ist an der Papstwahlordnung bis in die Gegenwart mit immer neuen, kleinen Korrekturen gearbeitet worden, um jeden Zweifel auszuschließen. Andererseits hat sich der sensible Papst Paul VI. durch eine vorübergehende Überalterung des Kardinalkollegiums zu der Ausschließung der über 80jährigen Kardinäle irritieren lassen, eine systemwidrige Entscheidung, die zwar nicht zur Revolte, aber zur besorgten Kritik des Kardinaldekans und der Kirchenrechtslehre geführt hat. Man stelle sich aber die Frage des Papstwahlrechts für eine wirklich universale Kirche vor, in der die Frage der Legitimität der Wähler eine noch sehr viel größere Bedeutung gewinnen müßte. Oder wäre auch dann das Papstwahlrecht — entgegen der heute, wenn auch vereinzelten Einbeziehung unierter Patriarchen ein Sonderrecht der lateinischen Kirche — entsprechend den römischen Titelkirchen?
Ein zweites Problem liegt in dem gegenwärtigen Grundsatz, daß der Papst ausschließlich berechtigt sei, die Bischöfe der gesamten Kirche zu ernennen. Er konzediert freilich den unierten orientalischen Kirchen mit einer komplizierten Regelung an dieser Stelle ihre traditionelle Autonomie. Der erwähnte Grundsatz ist so unkanonisch wie möglich. Von Anbeginn der Kirche, insbesondere in der nicaenischen Verfassung, und in der Gesamttradition der Kirche wurden die Bischöfe von Klerus und Volk gewählt, durch die Bischöfe geprüft und in die Gemeinschaft des Episkopats durch Konsekration aufgenommen. Eine zentrale Ernennung durch einen einzigen ersten Patriarchen wäre in der Tradition der Kirche undenkbar. Dieser erst schrittweise errungene Rechtsstand hat aber die eminente Bedeutung, daß von der personalen Bindung des gesamten lateinischen Episkopats an den Papst als Institution und Person jene Kohärenz und Homogenität gewährleistet wird, welche die effektive Grundlage der universalen Wirksamkeit des Papsttums ist. Die Ausbildung dieses kanonischen Grundsatzes ist eine Eigenbildung der lateinischen Kirche, die für alle anderen Kirchen unkanonisch und fremd ist. Gerade sie erweist in ihrer universalen Wirkung die kontingent-historische Partikularität der zentralen Verfassung
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der lateinischen Kirche. Es ist undenkbar, daß — unter Voraussetzung der Übernahme anerkannter apostolischer Sukzession durch sämtliche verfaßten großen Kirchen — dieses Ernennungsrecht auf die Bischöfe der gesamten Kirche angewendet werden würde. Dies würde über die Notwendigkeiten kanonischer Ordnung weit hinausgehen. Es zeigt deutlicher als jedes andere, daß die jetzige Einheit der lateinischen Kirche sich mit den übrigen Kirchen auf einer Ebene verständigen muß, die in ihrer jetzigen Verfassung nicht enthalten ist. Denn jene Bindung an den Papst verbindet sich auch damit, daß die personale Auswahl und das regiminale Wohlwollen sich nicht allein an den Eigenschaften der Personen, sondern auch an deren Bereitschaft orientiert, die Autorität des Primats als solche integral anzuerkennen und hochzuhalten.
Über die Bestellung der Bischöfe sagt Lumen Gentium:
„Episcoporum autem missio canonica fieri potest per legitimas consuetudines a suprema et universali potestate Ecclesiae non revocatas, vel per leges ab eadem auctoritate latas aut agnitas vel directe per ipsum Successorem Petri: quo renuente seu communionem Apostolicam denegante Episcopi in officium assumi nequeunt.”12
Dies gibt lediglich den status quo wieder — historisch erwachsene, sehr verschiedene Rechte und potestas immediata, dazu ein Vetorecht derselben. Die Frage ist noch nicht grundsätzlich und vollends nicht im Lichte einer Verfassung betrachtet worden. Es kann sich keineswegs um eine einfache Synodalisierung handeln, sondern um einen sinngemäßen Ausgleich zwischen Zustimmung und Entscheidung, zwischen partikularem und universalem Interesse: eine geordnete Form deliberativer Repräsentation entspräche der allen Christen ausdrücklich rechtlich zugesprochenen Partizipation an allen drei munera. Das charisma kyberneseos wird um einige Grade eher den in der Leitung Erprobten sichtbar sein, andre Gaben anderen.
Die Behandlung dieser freilich weittragenden Frage zeigt, daß die mit dem Plan einer Lex fundamentalis sich ergebenden Fragen keineswegs folgerichtig gestellt und das Remis des Konzils stehengeblieben ist. Verschlossene wie ideologische Kräfte haben zusammengewirkt, um diesen Stilstand zu befestigen.
1 Dombois, Hierarchie — Grund und Grenze einer
umstrittenen Struktur, Freiburg 1971.
2 Wiewenig noch in der Zeit der Gegenreformation —
über die Legitimationswirkung hinaus — die Entscheidung des
Papstes selbst in Betracht kam, hat in geradezu erheiternder
Weise Kardinal Bellarmin SJ ausgesprochen. Als nämlich
der heftige und autokratische Sixtus V. (1585-90) aus eigener
Einsicht gegen den Rat der Experten die Textrevision der Vulgata
in die Hand nehmen wollte, wurde er providentia Dei durch den Tod
daran gehindert. Darauf
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Bezug nehmend schrieb Bellarmin an Clemens VIII. (1592-1605), in: Ludwig Frhr. von Pastor, Geschichte der Päpste im Zeitalter der katholischen Reformation und Restauration, Bd. XI, Freiburg 91959, 564 f.
„Der richtige Weg sei nicht die geheime Verhandlung mit nur wenigen, sondern die öffentliche Beratung; man werde sich daran stoßen, wenn ohne eine solche eine Entscheidung erfolge. Wenn aber eine öffentliche Beratung auf einer Synode von Bischöfen oder mindestens in einer Versammlung von Doktoren der verschiedenen Hochschulen sich nicht wohl umgehen lasse, so möge man eine solche möglichst bald veranstalten, noch bevor der Papst alles gelesen habe, was er zu lesen beabsichtige. Die frühen Päpste hätten bei dogmatischen Entscheidungen sich nicht in erster Linie auf ihr eigenes Studium der Glaubenslehre verlassen, sondern die allgemeine Überzeugung der Kirche, besonders der Bischöfe und Doktoren, festzustellen sich bemüht; auf diesem Wege seien ohne persönliche Mühewaltung z.B. von Leo X. gegen Luther (!), von Paul III., Julius III., Pius IV. mit Hilfe des Trienter Konzils viele Irrtümer verurteilt worden. Den andern Weg des gelehrten Studiums habe z.B. Johannes XXII. ohne Erfolg versucht, und ,Ew. Heiligkeit erinnert sich noch an die Gefahr, der Sixtus V. sich selbst und die ganze Kirche aussetzte, als er die Heilige Schrift nach seiner eigenen Einsicht durchkorrigieren wollte; ich weiß nicht, ob sie jemals größere Gefahr lief’.”
Für diesen (1930 heiliggesprochenen) Jesuiten ist also die
Fähigkeit der Kirche, die Wahrheit verbindlich und in letzter
Instanz auszusprechen, und zwar in einem sehr informellen
Verfahren, außer Zweifel; von einer persönlichen Infallibilität
des Papstes ist ernstlich keine Rede. Dieser hat für ihn eine
wesentlich regulative und konfirmatorische Funktion.
3 Michael Hardt, Papsttum und Ökumene, Beiträge zur
ökumenischen Theologie 20, Paderborn 1981, 95:
„Seit ,Humanae vitae’ finden römische Stellungnahmen nicht mehr kritiklos Gehör, es sei denn, daß sie sich durch Sachkompetenz ausweisen können. Für J. Blank hat diese Enzyklika die Bedeutung eines ,geschichtlichen Symbols’. ,Während Johannes XXIII. mit seiner Enzyklika ,Pacem in terris’ sich überall in der Welt Freunde verschaffte, hat Paul VI. es fertiggebracht, das größte Desinterresse an kirchlichen Verlautbarungen zu erzeugen’ (J. Blank, Gefangener seiner eigenen Tradition, in: Papsttum — heute und morgen, a.a.O. 35-39 (37). In der Tat haben die Enzykliken Pauls VI. wenig Resonanz gefunden mit Ausnahme von ,Populorum progressio’. Seinem Progressismus in politisch sozialen Belangen wurde infolge des durch ,Humanae vitae’ ausgelösten Vertrauensschwundes ebenfalls weniger Beachtung entgegengebracht.”
4 Karl G. Steck, Art. Vatikanum, in: RGG, Tübingen
31962, Bd. VI, 1239-1245, hier: 1244.
5 Friedrich Heiler, Assumptio — Werke zur
Dogmatisierung der leiblichen Himmelfahrt Marias, in: ThLZ, 79,
1954, Nr. 1, 1-48.
6 Wolfgang Dietzfelbinger, Ökumenische Fragen an die
Kirchenkonstitution,
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in: Johann Christoph Hampe, Die Autorität der Freiheit — Gegenwart des Konzils und Zukunft der Kirche im ökumenischen Disput, Bd. I, München 1967, 325-335, hier: 326:
„Von jener Erstfassung an, die die Theologische Vorbereitungskommission des Konzils im Sommer 1962 fertigstellte, zeigen Entstehung und Werdegang dieser Konstitution, wie die Bischöfe und ihre Berater aus den entgegengesetzten theologischen Lagern mit ihren zahllosen Verbesserungsvorschlägen zielbewußt einer gemeinsamen Aussage zustrebten. Die Geschichte dieses Textes ist ein Musterbeispiel dafür, wie sich auf dem Zweiten Vatikanischen Konzil ein wahrhaft synodales Geschehen ereignet hat. Wir wollen jene Schatten, die zu Zeiten auch auf dieses Dokument gefallen sind, nicht übersehen, haben aber gleichzeitig zu erkennen, welch hohes Maß an Bereitschaft, neu zu lernen, gegnerische Meinungen ruhig zu hören, unvoreingenommen zu prüfen und sich von der Sache her innerlich überzeugen zu lassen, notwendig war, damit zum Schluß das ganze Konzil nahezu einstimmig sein Placet geben konnte.”
7 „... ein wahrhaft dem Werk hingegebener Führer des
Orchesters und der Stimmen ... läßt den großen Musiker erkennen,
der souverän über die Gemeinschaft herrscht, indem er hinter sie
zurücktritt.” H.H. Stuckenschmidt über Daniel Barenboim in: FAZ
vom 24. 3. 1982, Nr. 70, 25.
8 Auf die falsche — inzwischen stillschweigend
verschwundene — Analogie des Primats zur Monarchie habe ich schon
früher in Auseinandersetzung mit Rahner und Ratzinger
hingewiesen.
Vgl. Dombois, Rezension zu Karl Rahner/Joseph Ratzinger,
Episkopat und Primat, Quaestiones Disputatae 11,
Freiburg/Basel/Wien 1961, in: ThLZ 87, 1962, 950-954.
9 Die universalkirchliche Stellung des Papstamtes. Der
Bericht „Die Autorität in der Kirche II” der
Anglikanisch-Katholischen Kommission, Herder-Korrespondenz, 36,
1982, H. 5, 226-232, hier: 229, Ziff. 20.
10 Lumen Gentium 8, 7 f.
11 Heinrich Kraft, Die Entstehung des Christentums,
Darmstadt 1981, 124 ff.
12 Lumen Gentiium 24, 13 ff.