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Teil II

Kirchenrechtliche Analyse
des Augsburgischen Bekenntnisses

 

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Kapitel IV

Allgemeines

1. Die Auflösung des III. Glaubensartikels — der ekklesiologische und anthropologische Ertrag

Die Auslegung der CA unterscheidet regelmäßig den ersten Teil der dogmatischen oder Lehraussagen (Artt. I bis IX) und den zweiten Teil der Ordnungsfragen. So gewiß hier eine gewisse Differenz nach Sache und Rang besteht, ist der Gesamttext rechtlich zu interpretieren. Der dogmatische Teil kann als solcher aus der rechtlichen Betrachtung nicht ausgenommen werden, weil er die unmittelbar rechtlich relevanten Ansätze und Voraussetzungen für alle nachfolgenden, im engeren Sinn kirchenrechtlichen Aussagen enthält. Erst in der Folge kann dann der speziellere kirchenrechtliche Aussagenbestand ausgelegt werden.

Die rechtliche Tragweite der dogmatischen Aussagen beginnt schon mit der Tatsache, daß die Verfasser mit einer Darstellung der altkirchlichen Gotteslehre im Anschluß an das Apostolicum, in zweiter Linie an Nicaea und Chalcedon beginnen. Diese selbständige Formulierung setzt die Anschauung voraus, daß der Sachgehalt jederzeit zulänglich und gültig von jedem geeigneten Verfasser reproduziert werden könne. Dabei trat die Tatsache zurück, daß diese Lehrstücke in der Konsens der allgemeinen Kirche übergegangen und damit in einer bestimmten Formulierung verbindlich geworden sind. Ist dies beim Apostolicum nur in einer informellen Weise der Rezeption geschehen, so beim Nicaenum und bei der Christologie von Chalcedon durch explizite Konzilsbeschlüsse der universalen Kirche. Die Relevanz dieser Tatsache beruht nicht nur auf dieser verbindlichen Autorität, sondern liegt im Geschehen der Reformation selbst. Denn die lutherische Kirche hat, einmal in Anspruch genommen, im Konsens der katholischen Kirche zu bleiben. Sie hat sodann 1580, offenbar ohne intentionale Differenz zu 1530, alle drei Bekenntnisse plane ausdrücklich in das Konkordienbuch rezipiert. Darüber hinaus haben alle aus der Reformation hervorgegangenen verfaßten Kirchen ausdrücklich an der Gültigkeit der altkirchlichen Bekenntnisse festgehalten. Und schließlich hat die römische Kirche selbst in der Profession fidei Tridentina den vollen Text des Nicaenums vorangestellt. Hier erweisen diese Bekenntnisse ihre unmittelbare und gegenwärtige Relevanz. Um so verwunderlicher ist es, daß die Verfasser der CA unbedenklich eine freihändige Wiedergabe des Inhalts versucht haben. Dabei macht die Voranstellung des Nicaenums in der Trienter Professio evident, daß die Streitpunkte des 16. Jahrhunderts gar nicht unmittelbar durch eine Auslegung der alten Bekenntnisse bedingt oder zu entscheiden waren. Die

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darin enthaltenen Probleme lagen dogmengeschichtlich wie immer betrachtet später und waren geschichtlich sekundär.

Die Verfasser haben keine Bedenken getragen, die Wiedergabe der altkirchlichen Gotteslehre durch die Ausscheidung der zweiten Hälfte des dritten Artikels aus den Leitaussagen eingreifend zu verändern. Sie sahen also offenbar keinen Widerspruch zwischen der Anerkennung der alten Bekenntnisse und einer wesentlich anderen Formulierung und Darstellung eines Teils des III. Artikels. Die jederzeitige Reproduzierbarkeit dieser Aussagen bedeutete jedoch eine entscheidende Verminderung in der Wertung der konsensualen Einheit der Kirche. Der immanente Widerspruch zwischen der in Anspruch genommenen Katholizität und der vollen Wiedergabe der alten Bekenntnisse in der Form der Konkordie auf der einen, der neu formulierten Wiedergabe der Gotteslehre, der Auflösung des Aufbaus und der Veränderung der Terminologie in der Ekklesiologie auf der anderen Seite ist bisher durch das Postulat gleicher Intentionen überdeckt worden. Der Text zeigt aber eine weitreichende Verschiebung in der Auffassung des Verhältnisses von Kirche und Bekenntnis. Welches Subjekt jedoch hier an die Stelle der bis dahin konziliar handelnden Kirche zu treten berechtigt ist, bleibt offen.

Mit dem Unternehmen, die festzuhaltenden Lehren der altkirchlichen Bekenntnisse in eigener Fassung zu formulieren, geht zunächst sprachlich die archaische Einfachheit des Apostolicums, die großartige Gestalt des Nicaenums, dann sachlich und allmählich beider doxologischer, liturgischer Charakter unreflektiert verloren. Es bleibt allein der Verwies auf das Nicaenum im Gottesdienst. Diese strukturelle Bedeutung ist erst in unserer Zeit wieder bewußt geworden.

Während das Konzil von Trient sich allein auf das Nicaenum bezieht, verwenden die Lutheraner in der CA vorzugsweise das Apostolicum und übernehmen in der Konkordie von 1580 alle drei Bekenntnisse, also auch das Athanasianum (Symbolum Quicumque). In dieser reformatorischen Haltung ist eine gewisse Pluralität vorbehalten. Damit ist zugleich eine Ermäßigung der Bedeutung verbunden, da sich ein Feld wechselseitiger Interpretation, um nicht zu sagen der Mehrdeutigkeit zeigt.

Die Frage, wie die Reformatoren zur Trinitätslehre gestanden haben, ist ein weites Feld dogmengeschichtlicher Untersuchungen, welches durch eine bündige Auslegung schwerlich mit Sicherheit gewürdigt werden kann. Es erlaubt aber die Deutung, daß unter Einschluss eines ständigen Spekulationsverdachts die altkirchliche Dogmatik zwar rezipiert worden, nicht aber im strengen Sinne zentral motivierend gewesen ist.1 Die Tragweite dieser Differenz wird in der Entwicklung der Theologie Karl Barths deutlich. Denn dieser hat schon im Rahmen der dialektischen Theologie, insbesondere aber im Römerbrief, eine weitreichende theologiegeschichtliche Wirkung ausgeübt, bevor er nach seinem eigenen Zeugnis 1925 auf die Trinitätslehre gestoßen ist, welche dann die „Kirchliche Dogmatik” motiviert und getragen hat.

Durch diese methodische Form von CA und Formula Concordiae ist hier

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jedoch eine sehr wichtige Entscheidung getroffen und eine Position von großer Tragweite bezogen worden. Es zeigt sich daraus schon das Verhältnis zur Tradition überhaupt. Maurer hat warnend auf die Verbindung der lutherischen Reformation mit dem Humanismus verwiesen.

Er sagt in seiner Rede über „Das Ende des Landeskirchentums?” vor den Pröpsten und Dekanen der Kurhessischen Kirche von 1946:

„Der Protestantismus ist das Ergebnis einer Synthese zwischen lutherischer Reformation und christlichem Humanismus und seine verschiedenen Typen unterscheiden sich je nach dem verschiedenen Mischungsverhältnis, das besteht zwischen den religiösen Grundmotiven Luthers und den formenden und verändernden Elementen, die aus dem Humanismus stammen. Keine der evangelischen Konfessionskirchen, auch nicht die, die sich nach Luthers Namen nennt, kann in Anspruch nehmen, die Grundprinzipien seiner reformatorischen Theologie rein und ausschließlich übernommen zu haben: jede muß anerkennen, daß sie mit der sie umgebenden Bildungswelt, mit dem christlichen Humanismus verbunden hat, um sie geschichtlich wirksam werden zu lassen.” 2

Solche Symbiosen liegen im Wesen der Geschichte — sie sind auch in der Kirchengeschichte unvermeidlich und deshalb an sich nicht verwertbar. Aber unser Blick für solche Beziehungen und Abhängigkeiten ist nun doch, ob wir wollen oder nicht, um viele Grade geschärft worden. So stellen sich heute härtere Fragen. Wer sind denn die Partner dieses Verhältnisses? Wieweit ist Luther selbst ein solcher Humanist?

Ein Höhepunkt der reformatorischen Bewegung ist die Auseinandersetzung Luthers mit Erasmus. Die Reformation kann Optimismus, Kompromißform und Rationalismus der Humanismus nicht übernehmen, sondern muß sie konsequent zurückweisen. Das Verhältnis zur Geschichte freilich ist, wiewohl inhaltlich nicht gleich, dennoch strukturell identisch. Denn wie der Humanismus gegen das Mittelalter die Antike aufruft, so die Reformation gegen die Kirchengeschichte die Heilige Schrift. Die Geschichtskritik als solche basiert auf dem reditus ad fontes — nur die Bezugspunkte sind verschieden. Daraus ergibt sich auch eine tendenzielle Ermäßigung, wenn nicht Entwertung der zwischenzeitlichen Tradition. Nicht nur Tradition als Patina, Beisatz oder Verfälschung wird bekämpft und ausgeschieden, sondern Tradition selbst wird aus seiner Struktur der menschlichen Existenz zu einem verfälschenden menschlichen Moment und deshalb in grundsätzliche Zweifel gezogen. Der Geist, der die Identität und den ständigen Beistand verbürgt, erscheint punktuell und nicht in seiner Kontinuität. Man kann also gern sich auf gute Tradition berufen, wo man sie nach eigenem Urteil vorfindet und vorzufinden meint; die Tradition als solche verbürgt nichts, auch nicht als eine durchaus widerlegbare Vermutung.

Die Untersuchung des Textes wird durch eine abweichende Anordnung erschwert. Die CA handelt die drei Artikel der alten Bekenntnisse nicht hintereinander ab. Sie sprich vielmehr im ständigen Wechsel von der Heilsgeschichte der Offenbarung zu der Unheilsgeschichte des Menschen, vom Fall bis zum

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neuen Gehorsam. Infolgedessen gibt auch die Bezifferung nicht die Reihe der Glaubensartikel im gewohnten Sinne wieder. Vielmehr sind die Aussagen zur Gotteslehre und Heilsgeschichte, wenigstens in den Artikeln des ersten Teils, den ungeraden Ziffern, zur menschlichen Seite den geraden vorbehalten.

Ich habe schon in Band II2a die hohe Kunst gewürdigt, mit welcher Melanchthon insbesondere in der inversionsförmigen Verbindung von Artikel IV und V, der Verklammerung von Rechtfertigung und Kirche, ein Meisterstück von folgerichtiger Begrifflichkeit und terminologischer Schärfe vollbracht hat. Im Vergleich dazu erscheint die Fassung der Gotteslehre in Artikel I und III als enge Pressung.3

Die CA behandelt die Anordnung der alten Bekenntnisse mit Freiheit, indem wir im ersten Artikel nicht Gott, den Schöpfer, allein, sondern zugleich die ganze Trinitätslehre im Sinne des Nicaenums wiederholt finden. Artikel I beteuert die Orthodoxie der Verfasser durch die fast pedantische Aufzählung aller verjährten Häresien, deren Verdammung auch die Reformation ausdrücklich übernehmen wollte. Der dritte Artikel der CA, der dem zweiten Artikel der Bekenntnisse entspricht, behandelt analog zu Artikel I nicht nur die Christologie, sondern schließt die Naturenlehre des Konzils von Chaldecon mit ein. Entsprechend der Fassung des Artikels II im Apostolicum und Nicaenum endet Artikel III mit dem Gericht. Mit diesen beiden Hauptartikeln sind die Ausführungen über die Gotteslehre bereits abgeschlossen. Das in Artikel I und III Gesagte, in Verbindung mit der in IV formulierten Rechtfertigungslehre, enthält bereits die rechtfertigende fides, welche nach Artikel V durch das ministerium ecclesiasticum zu vermitteln ist.

Sachlich wichtig ist dagegen, daß auch hier in der Wiedergabe der Gotteslehre in der Anordnung das Schema von Gesetz und Evangelium auftritt.

Damit ist dem dritten Artikel der alten Bekenntnisse, der Lehre vom Heiligen Geist, keine eigene, notwendig voll zu entfaltende Position eingeräumt worden. Vor allem aber werden die im dritten Artikel mit eingeschlossenen Aussagen über die Kirche aus ihrem Zusammenhang mit der Gotteslehre herausgenommen und als eine Folgeerscheinung an den Platz weiterer Ausführungen verwiesen. Damit aber wird erst recht eigentlich der sachliche Grund für dieses Verfahren, welches nicht in der Ästhetik konstruktiver Darstellung begründet ist, offenbar.

Der besondere dritte Artikel ist im Bereich der Aussagen zur Gotteslehre durch den auffälligen Entschluß abgegolten, neu formulierte Aussagen über den Heiligen Geist bereits in die Christologie mit einzubeziehen. Hier heißt es:

„… daß er (Christus) alle, so an ihn glauben durch den Heiligen Geist heilige, reinige, stärke und tröste, ihnen auch Leben und allerlei Gaben und Güter austeile und wider den Teufel und wider die Sünde schütze und beschirme.”

Die in den Abschnitt I bis III einbezogenen Aussagen über den Heiligen Gest beschränken sich demnach auf zwei Punkte:
In Artikel I wird ausdrücklich die Personalität des Heiligen Geistes verteidigt.

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Im Gegensatz zu den übrigen Verdammungen bestand zu dieser Aussage ein konkreter Anlaß durch das Auftreten antitrinitarischer Bewegungen, mit denen die Reformation nicht verwechselt werden wollte.4
Derselbe personale Geist wird dann in Artikel III in seiner Aufgabe, Wirkweise und Funktion beschrieben, ohne daß das Verhältnis zwischen Christus und Geist geklärt und entfaltet wird.

Diese Fassung ist zweideutig. Denn es wird mit Rücksicht auf den Ausgang des Geistes vom Vater und dem Söhne und seine in Artikel I verteidigte eigenständige Personalität vermieden, heterodox den Geist als den Geist Christi zu bezeichnen. Andererseits erscheint der Geist hier als eine fortdauernde Wirkweise Christi selbst, der durchgehend das alleinige Subjekt dieses Satzes ist. Der Geist erscheint so als ein Instrument der bewahrenden, fortdauernden Herrschaft Christi über die Seinen.

Die alten Bekenntnisse dagegen haben inhaltliche Aussagen dieser Art über die Wirkweise des Geistes bis auf das allgemeine Prädikat „Der da lebendig macht” vermieden. Noch weiter geht in Wahrheit die Schrift, wenn sie sagt, daß der Geist die Gläubigen in alle Wahrheit führen wird, womit ein eschatologisches Moment eingeschlossen ist. Im alten Bekenntnistext erscheinen die Gläubigen indirekt als diejenigen, die lebendig gemacht, also geheiligt und zum Dienst ausgerüstet werden, während in der reformatorischen Neufassung allein ihr Schutz und ihre Heiligung im Blick ist. Obwohl nach der Anordnung des Textes die rechtfertigende fides in Artikel I bis IV zusammengefaßt und in Artikel V der Weg zu diesem Glauben behandelt wird, folgt dennoch in Artikel V eine weittragende neue Aussage über den Geist als eine objektive theologische These. Hier heißt es:

„Nam per verbum et sacramenta tamquam per instrumenta donatur spiritus sanctus.”

Der Geist also, durch den nach Artikel III (personal, aber quasi instrumental) die Glaubenden bewahrt und geheiligt werden, wird durch das Wort in beiderlei Gestalt instrumental vermittelt. In der Applikation an den Menschen entsteht so eine Folge — Christus — Wort — Geist.5

Schon die Stellung dieser nachgebrachten und unter Berufung auf Galater 3, 14 offenbar als hinreichend biblisch belegt verstandenen Aussage von größter Tragweite macht die bisherigen Aussagen über den Geist problematisch. Denn sie läßt die orthodoxe Lehre von der Eigenständigkeit des Geistes als nudus titulus erscheinen. Motiviert wird dieser Satz durch die in Absatz II ausgesprochene Verdammung der Wiedertäufer. Es ist aber ebenso fraglich, ob hier die abzulehnende Position schlüssig und relevant formuliert ist. Mit der pauschalen Verurteilung schwärmerischer Bewegungen konnte leicht ein Konsens mit den Katholiken erreicht werden. Aber die Reformatoren haben am eigenen Leibe erlebt, wie wenig die kontroverse Behandlung bestrittener Lehren überhaupt das zentral Gemeinte zutreffend wiedergibt, gerade dann, wenn ernsthafte und nicht nur scheinbare Gegensätze bestehen.

Die Ablehnung eines Geisterwerbs durch eigene Heiligung oder eines

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irgendwie verstandenen und beanspruchten Geistbesitzes macht die These keineswegs schlüssig, daß der Geist durch das äußere Wort in beiderlei Gestalt verliehen werde. Diese Formel versucht, der Auflösung der verfaßten, sichtbaren Kirche in einer Art Quasi-Katholizität oder Sakramentalität des Wortes zu entgehen und zu widerstehen, indem Geist und Wort-Geschehen verknüpft werden. Dieses deutliche und objektiv plausible Interesse enthält jedoch und erzeugt, wie zu zeigen ist, sehr viel bedenklichere Folgen für Ekklesiologie und Anthropologie — der eine Schaden wird durch den anderen ersetzt. Die Apostel-Geschichte als Zeugnis der frühchristliche Erfahrung und des Selbstverständnisses der apostolischen Gemeinde behandelt dagegen die Bekehrung zum Glauben und die Geistverleihung als zwei nah verbundene, bezügliche, aber durchaus getrennte Aspekte, welche in Apostel-Geschichte 8 sogar ausdrücklich in zeitlicher und aktualer Sondierung gezeigt werden. Um hier die Grenzen der Aussagemöglichkeiten im Bereich der Trinitätslehre zu respektieren, könnte man als Begriffshilfe sagen, das Verhältnis Christi zum Geist sollte in etwa analog zur Naturenlehre behandelt werden: unvermischt und ungetrennt. Wenn die auch immer neue Versuchung der Geistschwärmerei zu einem isolierten Geisterglauben und in der Konsequenz zu der lästerlichen Vorstellung eines erkennbaren und zu praktizierenden, Autoritätsansprüche begründenden Geistbesitz führen, so kann dies nicht das entgegengesetzte Verhältnis einer Folge von Christologie und Geistlehre, von Wort und Geist rechtfertigen. Dies wäre unvereinbar mit der immer wieder und auch hier durch die ganze Kirchengeschichte als gemeinsamer Glaube bezeugten Anrufung des Geistes als solchen und seine doxologische Verehrung.

Angesichts dieser Eigenart der pneumatologischen Aussagen in den Grundartikeln muß eine Bestandsaufnahme vorgenommen werden, wo der kanonische Inhalt des dritten Artikels im Gesamttext der CA verblieben ist.

Der dritte Artikel des Nicaenums ist offensichtlich nicht der Ort, wo nach der Aussage über den Geist selbst alle diejenigen dogmatischen loci versammelt werden, die im ersten und zweiten Artikel nicht unterzubringen sind. Vielmehr ist der dritte Artikel architektonisch aufgebaut und ein zusammenhängendes Ganzes.

Er enthält drei Teile. Der erste Teil handelt von der Person des Geistes selbst und erhebt sich zu seiner großartigen Verherrlichung — „der ein Herre ist und lebendig macht, der mit dem Vater und dem Sohne zugleich angebetet und zugleich geehret wird.” Auf diese erste prädikative Aussage folgen diejenigen über die Kirche. Es folgt sodann, was Calvin als den modus accipiendi gratiam bezeichnen würde, in der Verweisung auf Taufe und Sündenvergebung, und erreicht Ende und Ziel mit der eschatologischen Hoffnung auf ein Leben der zukünftigen Welt.

Der dritte Artikel ist gewissermaßen noch einmal eine Trinitäts- und Naturenlehre. An der Stelle, wo im Gesamtbekenntnis Macht und Providenz Gottes überhaupt bezeugt wird, steht hier der Geist als solcher. An dem Platz des zweiten Artikel stehen die Aussagen über Kirche und Sündenvergebung.

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Die letztere führt hinüber zur Quintessenz des dritten Artikels. Das Ziel der gesamten Pneumatologie faßt sich im Gedanken der neuen Schöpfung zusammen. Zu beachten ist hierbei, daß die doppelte Richtung der Aussagen im Mittelstück die göttliche und die menschliche Seite des Heilsgeschehens unvermischt und ungetrennt ins Bewußtsein hebt.

Es fragt sich nunmehr, wo weitere Aussagen des alten dritten Artikels sich in anderem Zusammenhang in der CA wiederfinden und welche ausgefallen und zu vermissen sind.

Zerstört ist mit der Behandlung in der CA der Gesamtzusammenhang zwischen Geist, Kirche und neuer Schöpfung. Die Kirche erscheint nicht mehr im Anschluß an Matth. 28 und Pfingsten als creatura Spiritus Sancti, sondern als creatura Verbi. Unbeschadet der korrekt formulierten und verteidigten Personalität des Geistes erscheint dieser in concreto nach Artikel III in einer instrumentalen Stellung.

Endlich ist die eschatologische Schlussformel völlig verschwunden. Die fides endet mit dem Gericht, so wie bisher der zweite Artikel geendet hat. Damit ist aber auch die Dualität von Gericht und neuer Schöpfung in folgenreicher Weise aufgehoben. Die paulinische Aussage, daß wir eines neuen Himmels und einer neuen Erde harren, in denen Gerechtigkeit wohnt, umschließt unendlich viel mehr als die Zusicherung des Heils an den einzelnen Glaubenden. Sie drückt den gesamtgeschichtlichen, menschheitlichen und zugleich kosmologischen Gehalt und Anspruch des Evangeliums aus.

So gewiß der Rechtfertigungsglaube eben gerade über das Gericht hinausweist, so wenig hindert zugleich diese Aussage und Anordnung eine individualistische Interpretation der Rechtfertigung, als ob es sich immer nur um das Heil und die Heilsgewissheit des je einzelnen handele. Die alten Bekenntnisse haben sich nicht gescheut, den zweiten Artikel mit dem Gericht enden zu lassen und dennoch am Ende des dritten Artikels die eschatologische Hoffnung zu proklamieren.

Die bedeutendste, aber am wenigsten als problematisch behandelte Entscheidung in dieser Umbildung ist die oben beschriebene Verbindung von Wort und Geist, welche die Kirche zu einer creatura Verbi macht.

Die hier zu findende Aussage über Glauben und Rechtfertigung gibt die Lösung einer Frage, aber setzt diese Frage selbst voraus. Sie ist aber die Frage nach der Bedingung der Möglichkeit der Konstitution des Glaubenden coram deo als Subjekt. Daß diese nicht vorgegeben oder aus eigener naturaler Macht zu erlangen ist, ist dabei vorausgesetzt. Diese positive Lösung wird hier nur durch eine Verbindung von verkündigtem Wort und Geist mit einer schmalen Begründung erreicht. Damit entsteht jedoch ein Widerspruch. Die lutherische Theologie ist nicht müde geworden, vom Geist zu sagen „ubi et quando Visum est deo” — er weht, wann er will. Nach CA V aber sind Verkündigung und Geist miteinander verbunden. Kann also der Geist, wenn er will, immer nur durch das Wort erscheinen, genauer durch die Konkretion kirchlicher Verkündigung im weitesten Sinne? Der Widerspruch ist offenbar.

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Es zeigt sich hier, daß die inneren Probleme einer durchgeführten Trinitätslehre hier nicht genügend eingebracht worden sind. Die umfassende Interpretation dieser Lehre bei Karl Barth bietet die hier erforderliche Klärung an.

Barth faßt seine Darlegung über die Stellung des Geistes in der Trinität dahin zusammen:

„In der einen Offenbarung vertritt der Sohn oder das Wort das Moment der Zueignung Gottes an den Menschen, der Geist das Moment der Aneignung Gottes durch den Menschen.” 6

Es zeigt sich hier also, daß es sich bei Wort und Geist um zwei einander begegnende, also — soweit man das ausdrücken kann — gegenläufige Geschehnisse handelt, die in ihren Wirkungen gerade unterschiedlich sind und sich in ihrer Unterschiedlichkeit ergänzen. Erst der Geist bringt jene hier zum eigentlichen Thema werdende Subjektivität zustande. In Wahrheit ist also das Problem der Subjektivität als solches das Zentralproblem der Reformation, welches im Luthertum und Calvinismus deutlich verschieden gelöst worden ist und welches schon der dogmengeschichtliche Grund für die Ausbildung des Neukatholizismus im zweiten Jahrtausend gewesen ist. Nur im Zusammenhänge dieses großen Fundamentalproblems ist auch die Bedeutung der CA und ihr eigentlicher Entscheidungsgehalt zu erkennen, im Verhältnis zu dem die vorfindlichen Aussagen nur in einem Folgeverhältnis stehen.

Nach der erwähnten Stelle der Trinitätslehre und ihrer Differenzierung und Gegenüberstellung von Wort und Geist ist der Geist auf alle Fälle nicht die Frucht des Wortes, sondern umgekehrt die Bedingung der Möglichkeit, das Wort zum Glauben anzunehmen. Die Folgeverbindung von Wort und Geist in CA V widerspricht dem und übergeht diesen Begegnungscharakter, und zwar offenbar aus dem systematischen Motiv und zentralen Anliegen, an jeder Stelle die Eigenexistenz und Eigenmächtigkeit des Subjektes auszuschalten. Dies ist freilich auch in sich unschlüssig. Denn wie der Geist die Einheit von Vater und Sohn bedeutet, welche in der Doxologie fortwährend bezeugt wird, so ist auch der Geist — und nichts anderes — das Mittel der Verbindung von Gott und Mensch. Sola fide per verbum simul et S. Spiritum.

Aber der ständige Verdacht, daß die Konstitution des Glaubens durch den Geist immer wieder zur Einschließung der selbstmächtigen Subjektivität des natürlichen Menschen führen müsse — wie an der Entartung von ordo und Geistschwärmerei, von objektivierter Tradition und Selbstvollendung sich erweise —, führt in der Konsequenz zur Umkehrung dessen, was zu vermeiden versucht wird. Die ekklesiologischen Folgen sind deutlich und weitreichend. Wenn die Gläubigen allein als congregandi congregati, auditores betrachtet werden, so erscheinen sie nirgends selbst als Geistträger. Die Schwergewichtsverteilung unter den disiecta membra der lutherischen Kirchenverfassung, die Schwäche der Synoden und Laienämter wie die Struktur der Lehre Luthers von den Erzhierarchien (s. dort) zeigt die folgerichtige Tendenz zur Restriktion des horizontalen Elements in der Kirche und verstärkt die Partikularisierung.

Es ist eine echte Beschwernis, daß ein so fundamentaler Satz in seiner

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Tragweite niemals hervorgetreten und kritisch behandelt worden ist. Er ist geradezu dem Bewußtsein entzogen worden, obwohl er seien Inhalt nach den Aussagen von Artikel IV vermöge seiner Konsequenzen gleichwertig ist. Diese Aussage ist auch der Ort eines zentralen Dissenses zwischen Luthertum und Calvinismus.

Es kann diese Haltung also nicht als eine gemeinreformatorische unstrittige Basisaussage, als schlüssige Differenz gegenüber dem Katholizismus angeführt werden. Beide sind auch nicht einfach gleichwertige Alternativen auf einem schwierigen Begriffsfeld. Diese spezifische Verweisung der auditores in die passive Rolle hat zu dem geführt, was dem Luthertum ganz zu Unrecht als Gefügigkeit gegenüber weltlichen Autoritäten vorgeworfen worden ist. Hier liegt ein zentrales geistliches Motiv für die anthropologische Struktur. Hier hat eine subordinatorische Geistlehre Nachfolge und Abbild. Diese entscheidende Wendung hat jedoch eine starke Motivation in einer scheinbar unausweichlichen Zwangslage.

Eine traditionelle Formel für die Situation und Position der lutherischen Reformation und Kirche besagt: „zwischen Rom und den Schwärmern”. Sie ist in vieler Hinsicht zutreffend, gewährleistet aber nicht, daß diese Grundbestimmung auch geklärt sei. Sie wird mit einiger subjektiver Folgerichtigkeit dahin umschrieben, daß sowohl Rom wie die Schwärmer der „Werkgerechtigkeit” überführt seien. Die historische Bekämpfung des Pelagianismus hat zwar eine pelagianische Praxis nicht verhindert, wohl aber der verantwortlichen dogmatischen Aussage der katholischen Kirche in dieser Richtung enge Grenzen gesetzt. In der Folge der Auseinandersetzungen aber hat sich immer wieder — bis jetzt! — herausgestellt, daß dieser Fragenbereich nicht der alle entscheidende, thematisch regierende war und ist. Damit verbindet sich, dahinter steht eine sehr viel radikalere, zugleich aber unmittelbar andringende Frage: es ist die Frage der Pneumatologie und damit der Kirche. Sie bliebe auch dann bestehen, wenn man sich über die Frage der Rechtfertigung und der Werke einigte.

Die lateinische Kirche hatte die Sakramente und damit auch gerade den ordo in steigendem Maße und mit voller Konsequenz objektiviert. Sohm hat die Verwandlung der relativen in die absolute Ordination als den Einstieg in diese Entwicklung nachgewiesen. In diesem umfassenden und langwierigen Prozeß haben sich aber erst etwa zwischen Petrus Lombardus und Thomas diejenigen Positionen herausgebildet, die in der Reformation zum Anlaß kirchentrennender Kontroversen geworden sind. Dies hat, wenn es noch des Beweises bedürfte, an dem signifikanten Beispiel des kanonischen Eherechts ein katholischer Autor in einer Studie über die Ehelehre Calvins nachgewiesen. Diese Lehren subsumierte dann die Reformation über das mißverständliche wie verdächtige „opus operatum” mit der Werkgerechtigkeit.

Dieser Objektivierung des Pneuma stand eine langfristig wirkende, im Zeitalter der Reformation besonders manifest werdende schwärmerische Haltung und Bewegung gegenüber, die das innere Licht des Geistes allen konkreten

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und sichtbaren Formen der Kirche, dem verkündigten Wort und den Sakramenten, die einen subjektiven Geistbegriff der inneren Gewißheit der objektivierten Kirche entgegenstellte. Die polemische Identifikation der Reformation mit dieser Bewegung von seiten der Katholiken war zwar objektiv falsch, aber durch den Augenschein nahegelegt, weil die Eröffnung der Fragen durch die Reformation wie Zugluft auf ein schon vorher schwelendes Feuer gewirkt hatte. An Bewußtsein und Ausdruck der Verschiedenheit hat es beiderseits nicht gefehlt. Die Reformation hat sogar, wie heute deutlich wird, aus der Besorgnis des eigenen Abgleitens wie der wirksamen Denunziation zu ihrem eigenen Schaden die Wahrheitsmomente dieser Bewegung in ihrem eigenen Bereich unterdrückt.

Mit dieser doppelten Front war jedoch eine Lage von äußerster Dringlichkeit gegeben, die mit jener Identifizierung von Reformation und Schwärmertum nicht getroffen und dargestellt war. Die Reformation fand sich vielmehr zwischen Scylla und Charybdis vor, zwischen der schrankenlosen, die kanonischen Grundsätze der eigenen Ordnung beiseitestellenden Machtpolitik des Papsttums und der anarchischen Willkür des Schwärmertums. Wenn der in den Bekenntnissen der alten Kirche bezeugte Geisterglaube in einen Antagonismus von Objektivität und Subjektivität auseinanderbrach, war dann dieser Artikel des Glaubens sozusagen verbraucht? Zwischen diesen beiden Fronten drohte das Evangelium und die Kirche in einen Abgrund menschlicher Eigenmacht und Verderbnis zu versinken. Das gab der Lage ihre unabweisbare Dringlichkeit. Nicht Proteste halfen hier, sondern nur Lösungen. In dieser ebenso dringenden wie aussichtslosen Lage suchte und fand Luther den Ausgang durch den Rückgriff auf das Wort Gottes selbst. Damit war die Notwendigkeit verbunden, eine orthodoxe Geistlehre zu bezeugen, sodann die Kirche aus einer creatura Spiritus Sancti in eine creatura Verbi zu verwandeln, ohne ein Skandalen zu provozieren, und dann gleichzeitig Wort und Geist dogmatisch zu verbinden. Dieses zentrale Vorverständnis suchte und brauchte seinen Schriftbeweis und behauptete ihn in Gal. 3, einer einzigen Stelle gegenüber einer Unzahl von wesentlich anderslautenden Geistaussagen, im NT gefunden zu haben. Dies führte zu der beschriebenen Auflösung des dritten Artikels, von dessen Aussagen die unmittelbar auf den Geist bezogenen ohne selbständige Behandlung in die übrige Gotteslehre einbezogen wurde, während die bisher auf der Geistlehre aufgebauten ekklesiologischen Aussagen terminologisch umgebildet und vereinzelt wurden.

War damit aber die Spaltung zwischen Objektivität und Subjektivität behoben? In ihr steckte mehr als die Differenz zwischen persönlich-privater und kollektiver Heilsbemächtigung. Will man dem Mythos und Anspruch der heilen Kirche und zugleich der Pseudoeschatologie entgehen, so kann und muß man sich geschichtslos an die Präsenz halten, den einzig legitimen und denkerisch möglichen modus der Zeit — es zeigt sich hier bereits die in Band II provozierte Affinität der Konfessionen zu den modi der Zeit. Das Wort Gottes aber ist immer und überall vorhanden, es ist immer in sich vollgültig und

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genügsam zum Heil. So wird zum Lieblingswort die „fides ex auditu” — wurden die Christen (die in der alten Kirche den Ehrentitel der „stantes” — im Gottesdienst vor Gott! trugen) zu auditores, einem Begriff, der in der spärlichen Synodallehre der altlutherischen Orthodoxie eine spezifische Rolle spielt — es sind alle die, die nicht an der Verkündigung mitwirken. Aber die Präsenz in ihrer notwendigen Vollgültigkeit erzeugt eine Kontraposition: alles prozessuale Geschehen, das in einer Handlungsfolge oder Struktur sich darstellt, gerät dadurch entweder in den Rang eines der Freiheit anvertrauten Werks oder, wenn es zum heilsbedeutsamen proprium der Kirche gerechnet wird, unter die Verdammnis der Werk- oder Ordnungsgerechtigkeit. Der Mensch als res audiens steht der res extensa, d.h. allen Vorgängen und Strukturen von aktualer oder ständiger Erstreckung gegenüber.

So führt dieser Präsenzgedanke — ohne Verletzung der Alleinmächtigkeit und Alleinwirksamkeit Gottes, rein theologisch und vor allem Säkularismus des Denkens — das Subjekt-Objekt-Schema in die Theologie ein — oder schreibt es mit dem Segen der Reformation fest, wenn es schon vorhanden war. So erklärt sich nicht nur, wie schon zuvor, die Ausscheidung des Begriffs apostolisch, sondern auch die Beiseitestellung aller Schriftaussagen, welche von einem geistlichen Gefüge handeln: oikonomia, oikodomé, kybernesis, episkopé, die Ersetzung der ersteren (s. Kol. 1, 25), in reinem und doch willkürlichem Eifer durch das „Predigtamt”. Infolge dieser Präsenz kann es daher auch immer für jedes nur einen Ort und Begriff und höchstens Synonyme geben, allenfalls zur Bekräftigung — niemals zur Begründung. Eine Dialektik kann es nur im Verhältnis von Kirche und Welt, Gesetz und Evangelium geben — es gibt sonst nur Akte, keine Prozesse. Aus dem gleichen Grund reduziert Luther auch die Liturgie auf die Zusammenordnung von Stiftungswort und Gebet.

Auf diese Entgeschichtlichung trifft das zu, was R. Smend zur Lage der deutschen Staatstheorie gesagt hat.7 Diese Entgeschichtlichung durch die Entwertung alles Geschehens hat gleichwohl selbst bedeutende geschichtliche Wirkungen, und das gerade heißt in heutiger Theologie „Geschichtlichkeit” — gleich einem Existential. Den die reine Vertikalität hat von den Dimensionen der Kirche nur eine, so wie der Calvinismus nach der Darstellung von Wolf nur eine Dimension, die horizontale, als legitim ansieht, indem er jede personale Repräsentation ausschließt. Was hier geschehen ist, ist, zugleich geschichtlich betrachtet, die Auflösung des frühkirchlichen, historischen Kompromisses zwischen den in Band II beschriebenen beiden Ausgangstraditionen von Episkopat und Presbyterat, dem jeweils einzelnen Bischof mit paternaler Autorität, und dem Kollegium, der Pluralität der Presbyter.

Die unterschwürigen, meist ungenügend reflektierten Spannungen zwischen Luthertum und Calvinismus beruhen weitgehend auf den Substrukturen von Judenchristentum und Heidenchristentum, sie enthalten den gegenseitigen Verdacht des Pharisäismus auf der einen, der „Unbeschnittenheit” auf der anderen Seite.

Die Spaltung des Protestantismus in zwei wesentlich verschieden geistig

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strukturierte Konfessionen zeigt an, daß das Ursprungsproblem des Verhältnisses von Subjektivität und Objektivität nicht nur nicht gelöst, sondern nur um 90 Grad im ganzen gedreht und in ein Verhältnis von oben und unten verkehrt worden ist. Man postuliert in spiritualer Form entweder die Herrschaft des Wortes oder die christokratische Bruderschaft. So steht dann die Erzhierarchie des Predigtamtes gegen die bruderschaftliche Christokratie ohne personale Repräsentation — Hierarchie des Amtes gegen Theokratie als zwei genuin verschiedene Formen religiöser Verwirklichung.

Nur eine eigentümlich radikale Nötigung kann überhaupt diesen und die vergleichbaren Schritte zu einer Monoformität erklären. Es ist wie eine Art lebensbedrohender angina pectoris, in der alles — so scheint es jedenfalls — sich auf diesen einen Punkt und damit auf eine Verrichtung konzentriert.

 

2. Die Auswechselung der Terminologie in der lutherischen Ekklesiologie

Die lutherische Theologie hat in den 50er Jahren zwei wesentliche Erkenntnisse über die innere Struktur der altkirchlichen Bekenntnisse gewonnen. Edmund Schlink hat den doxologischen Charakter des Apostolicums und Nicaenums nachgewiesen, Werner Alert die duale Struktur des Begriffs communio sanctorum. Diese Erkenntnisse sind rezipiert und vielfach beachtet worden, haben aber andererseits keine kritische Erwägung gezeitigt, welche Bedeutung diese Einsichten für die Auslegung und Beurteilung der reformatorischen Bekenntnisschriften besitzt. Sie geben aber Veranlassung, die Aussagen beider Bekenntnisse, jedenfalls im Bereich der Ekklesiologie mit den entsprechenden Übersetzungen im amtlichen Text der Bekenntnisschriften und den eigenständigen Formulierungen der einschlägigen Artikel der CA zu vergleichen. Danach handelte es sich um sechs verschiedene Formulierungen:
1. Die beiden lateinischen Ursprungstexte des Apostolicums und des Nicaenums,
2. die deutschen Übersetzungen, die den rezipierten Texten in der offiziellen Ausgabe im Konkordienbuch beigegeben sind.
Auf einer
3. Ebene ist dann der deutsche und der lateinische Text der CA, im wesentlichen des Art. VII, heranzuziehen.
Diese Betrachtung vereinfacht sich dadurch, daß die fraglichen Texte gleichsam drei Säulen haben. Die erste Säule umfaßt die Aussagen über die Una Sancta. Das Apostolicum enthält nicht den Begriff „Una”, welcher in Verfolg des Nicaenums in Varianten aufbewahrt ist. Die Unbetontheit, die sich in dem Fehlen ausdrückt, aber auch die Varianten von einer Kirche im Sinne des Vorhandenseins, einer einigen Kirche im Sinne der Identität und ihrer Einzigartigkeit differenzieren sich in den Texten nicht mit voller Deutlichkeit aus. Offensichtlich sind die Schwerpunkte oder Blickrichtungen jeweils etwas verschieden. Es drückt sich darin aber keine abgrenzende Fassung oder Schwergewichtsbildung

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aus. Insofern können die Differenzen innerhalb der sechs Fassungen außer Betracht bleiben.

Anders ist es in der zweiten Säule. Der in beiden alten Bekenntnissen vorkommende Begriff der „Catholica” ist in den Übersetzungen bereits in den Begriff „christlich” abgewandelt und dieser wird in der CA dann durchgehalten. Dies bedeutet eine wesentliche Verschiebung von einer ekklesiologischen, immanenten Interpretation zu einer christologischen Begründung, welche gleichsam oberhalb dieser Aussage, ja des Ganzen stehen müßte. Diese Übersetzung ist eine Tautologie. Denn eine andere als eine christliche Kirche kann es ohnehin nicht geben. Es zeigt sich hier die Tendenz, zwar die Katholizität in der Sache zu bejahen, sie aber als Titel zu vermeiden.

Noch wensentlich schwerwiegender sind die Verschiebungen in der dritten Säule. Hier differieren bereits Apostolicum und Nicaenum. Denn das Apostolicum enthält allein den Begriff der „sanctorum communio”, an deren Stelle im Nicaenum ersatzlos und zugleich in der systematischen Folge der vier Prädikate die apostolica eintritt.

Die deutsche Übersetzung für das Apostolicum spricht hier von der Gemeine der Heiligen, einer von Luther geprägten Form, deren Bedeutung auch unter Berücksichtigung der entsprechenden damaligen Sprachgewohnheiten nicht völlig eindeutig ist. Es ist nicht klar, ob der Begriff „Gemeine” die Dualität von Personalität und inhaltlichem Bezug im Sinne des Ursprungstextes durchhält oder doch wesentlich als Personengemeinschaft zu verstehen ist, in den Abwandlungen, die Elert zum Gegenstand seiner Untersuchungen gemacht hat. Demgegenüber aber bedeuten beide Fassungen der CA auf alle Fälle eine wesentliche Verschiebung, weil der deutsche Text mit dem Begriff „Versammlung” den im Begriff der „Gemeine” noch allenfalls enthaltenen Sachgehalt keinesfalls mehr enthält, während der Begriff der „congregatio” sowohl im gleichen Sinne personal zu verstehen ist, als auch gleichzeitig ein Element der Aktuosität enthält, welche den Ursprungstexten fremd ist. Zudem enthalten beide Formen durch den Nachsatz „in qua” (in der) eine erneute konditionale Verweisung auf das konstituierende Geschehen, welche der Denkstruktur der alten Bekenntnisse völlig fehlt und außerhalb ihres Horizontes steht. Im gewissen Umfange ist auch dieser konditionale Nebensatz eine Art Tautologie, weil — abgesehen von der Aktuosität — das „pure” und „recte”, wie oben das „christlich”, eine notwendige Voraussetzung ist, die nicht ihrerseits als Element des Begriffes selbst vorgeführt werden kann. Der Versuch, die Elemente des Kirchenbegriffs so zu beschreiben, daß zugleich dessen selbstverständliche Voraussetzungen zum Begriffselement gemacht werden, erklärt sich zwar einigermaßen aus der kontroverstheologischen Situation, ist aber einer systematischen Aussage nicht angemessen. Andererseits enthält diese Form der Aussage eine zirkuläre Verklammerung von Personengemeinschaft und theologischem Gehalt, welche in einem scharfsinnigen Gleichgewicht gehalten wird, auf das ich schon in Band II verwiesen habe. Damit ist aber keineswegs jene duale Verbindung festgehalten und reproduziert, auf welche Elert verwiesen

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hat. Denn anstelle der Einheit beider tritt in der Konditionalen Form eine Art zirkuläre Dialektik. Die Selbstverständlichkeit, mit der eine Identität zwischen „communio” und „congregatio” behauptet wird,8 übergeht diese Problematik. Sie widerlegt sich aber schon durch die Tatsache, daß hier ein anderer Begriff gewählt wurde und werden mußte, um einen Gesichtspunkt einzubringen, der der „communio” als solcher fehlt, damit aber die Eigenart des „communio”-Begriffs verfehlt und in Frage stellt. Dies verstärkt die Notwendigkeit, die eigene Denkstruktur der CA in den Blick zu nehmen, eine Aufgabe, die ebenso wie die eingangs zitierten Erkenntnisse erst in der Gegenwart hervorgetreten ist, während bis dahin die relative oder scheinbare Übereinstimmung, die Nähe der Begriffe, Postulat und bona fides, diese Probleme überdeckt haben.

Neben der terminologischen Entwicklung ist zu beachten, daß die drei Bekenntnisse
1 eine verschiedene Denkstruktur
2 einen verschiedenen historischen Standort
3 eine verschiedene Bedeutung für die Reformatoren
besitzen.
1 Zu der dualen und doxologischen Struktur und Aussageform von Apostolicum und Niceanum verhält sich das Athanasianum etwa wie die altprotestantische Orthodoxie zu den Bekenntnisschriften.
2 Das Apostolicum von archaischer Schlichtheit ist in einem lange Traditionsprozeß unter schrittweiser Aufnahme einzelner Begriffe gewachsen und in einer Endform dann rezipiert worden.
3 Das Nicaenum ist dagegen das Ergebnis einer konziliaren Beratung, welche erstaunlicherweise einen Text von hohem stilistischen, ja künstlerischem Rang zuwegegebracht und im Kontext zu den dogmatischen Entscheidungen auch weitreichende verfassungsrechtliche Beschlüsse gefaßt hat. Legitimität und Autorität des Nicaenums ist eine konziliare.
Geschichtlich entstammt das Apostolicum einer frühkirchlichen Entwicklung, in der sich Verfassung und Synodalwesen erst ausbildeten. Das Nicaenum dagegen war die erste und bedeutendste Manifestation der universalen Kirche, die von dem Druck der Verfolgung befreit ihr Selbstverständnis samt ihrer Verfassung artikulieren konnte, gleichzeitig aber in die geschichtliche Bindung des konstantinischen Systems eintrat.
Das Athanasianum ist ein Dokument der darauf folgenden dogmatischen Kämpfe um eine orthodoxe Trinitätslehre, deren Folgerichtigkeit und Notwendigkeit u.a. Barth in unserer Zeit bestätigt hat.
Die lutherische Reformation hat alle drei Bekenntnisse in einer einfachen Juxtaposition dargeboten, ein Verfahren, welches mit Vorsicht und Kritik zu betrachten mich Rudolf Smend gelehrt hat.

Ohne ausdrückliche Antithese oder Abschlachtung haben die Reformatoren die Bekenntnisse formal simultan benutzt, aber tatsächlich den Schwerpunkt auf das Apostolicum gelegt. Es erlaubte die Ausscheidung des Begriffs

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apostolisch und zugleich die Auflösung der dialektischen Dualität von apostolisch und katholisch, wie überhaupt der architektonischen Form des dritten Artikels und der Ekklesiologie in specie. Die Umbildung, befreit von systematisch gestalteten Vorentscheidungen der Lehre von der Kirche, konnte sich sparsam und wirkungsvoll auf die Ersetzung von communio durch congregatio beschränken.

Einen Einfluß des Athanasianums vermag ich nicht zu erkennen. Seine Rezeption liegt wohl in der Linie der betonten Übernahme der altkirchlichen Verwerfungsbeschlüsse, mit denen die CA beginnt. De facto bewirkt nach Rang und Verhältnis der beiden anderen Texte die Zitation eines dritten Bekenntnisses, daß die Frage, die Erwägung einer Alternative oder eines Gegensatzes vermieden wird.

Die Auflösung des dritten Artikels und die souveräne Behandlung der Bekenntnisse zeigt sich dann weiter in einer Auswechselung der Terminologie in der Lehre von der Kirche. Es werden nicht die bisherigen Termini benutzt und ausgelegt. Von den vier kanonischen Prädikaten der Kirche kommen nur zwei, die una und die sancta ecclesia, in Artikel VII CA vor. Dagegen sind die beiden anderen, catholica und apostolica, ausgefallen. Die beiden spiritualen Prädikate werden offenbar für sich allein als genügend angesehen und die beiden folgenden konkret-historischen beiseitegelassen. Dabei ergibt sich, daß die CA ekklesiologisch auf die knappen Aussagen des Apostolicums zurückgegangen ist. Die drei Punkte dieser Lehre von der Kirche sind neu interpretiert und terminologisch umgeformt:
die Kirche wird aus der Creatura Spiritus Sancti zur Creatura Verbi (V)
die Catholica zur christlichen Kirche (VII)
die Communio Sanctorum zur Congregatio Sanctorum (VII).
Durch diese Reduktion und Bedeutungsveränderung ist das gegliederte, reichhaltige Corpus der Ekklesiologie des Nicaenums einschließlich der klassischen, dialektisch angeordneten vier Prädikate der Kirche beiseitegeschoben und thematisch aufgelöst.

Die CA greift damit historisch über die im Nicaenum sichtbar werdende, bewußte Gestaltwerdung und Bekenntnisbildung der universalen Kirche zurück und hinaus. Es legt sich nahe, nunmehr den reformatorisch-katholischen Gegensatz nicht mehr auf dem Gebiete der scholastischen Abweichungen zu sehen, sondern zwischen einer Neuinterpretation des Apostolicums auf der einen, dem Nicaenum auf der anderen Seite.

Die Reformation gibt das Jahrtausend der alten Kirchengeschichte, mindestens seit Nicaea/Chalcedon — unbeschadet punktueller Anerkennung — an die römische Kirche preis, und nicht nur an diese, sondern auch an die orientalische.9

Zugleich ist die Übereinstimmung von Apostolicum und Nicaenum durch eine neue, eigenständige Terminologie und Interpretation aufgelöst, in Frage gestellt. Das Wort „christliche” als Gesamtbestimmung kann, wie schon bemerkt, kein einzelnes Prädikat sein. Der Begriff der catholica ist auffälligerweise

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vermieden worden, obwohl Melanchthon in der schon zitierten Schlußbemerkung sagt, daß nichts anderes gelehrt werde, als das, was die katholische Kirche lehre. Er vermeidet aber zu sagen, daß die Reformatoren, die Verfasser und die von ihnen vertretenen partikularen Kirche, ebenso katholisch seien wie ihre Gegner. Auffällig ist auch der Gegensatz zu der Haltung der Confessio Helvetica Posterior von 1566. In dieser wird wiederholt mit großer Entschiedenheit der Anspruch erhoben, daß die nach Gottes Wort reformierte Kirche die wahre catholica sei. Eine vergleichbare Aussage findet sich in der CA nicht einmal andeutungsweise. Eine Theologie, welche weiß, was der Namen bedeutet, dürfte nicht unempfindlich sein für die Tragweite einer solchen Zurückhaltung. Bestimmend dürfte andererseits das Bestreben gewesen sein, doch noch einen Ausgleich herbeizuführen. Andererseits führen die Schmalkaldischen Artikel von 1539, offenbar befreit von dieser taktischen Rücksicht, eine im Vergleich sehr scharfe Sprache, und die Kölner Reformation von 1543 betrachtet bereits die Ehe mit einer altgläubigen Freu wie eine Art Gotteslästerung. Tatsächlich hat sich hier eine Art Weichenstellung ergeben, aus der jener falsche Gegensatz entstanden ist, der in der Gegenüberstellung von evangelisch und katholisch zum Ausdruck kommt. Denn eine evangelische Kirche kann nicht evangelisch sein, wenn sie nicht zugleich auch katholisch ist — und umgekehrt. Diese falsche Sprachgebrauch ist also nicht etwa, wie oft behauptet und beklagt, eine Folge protestantischen Modernismus.

Ausgefallen ist ebenso der Begriff apostolica. Er kommt an keiner Stelle vor; auch fehlt jeder Ersatzbegriff. Die Apostel selbst werden im gesamten Corpus der Bekenntnisschriften nur an wenigen sekundären Stellen überhaupt und in einer ziemlich bedeutungslosen Form erwähnt, als ob es sich nur um ältere Bischöfe, Professoren oder Pfarrer gehandelt habe. In Art. XXVIII werden in Verbindung mit Matth. 28 die Apostel genannt; sie selbst spielen aber in diesem Zusammenhang keine wesentliche Rolle. Das grundsätzliche Problem des Verhältnisses von Offenbarung und Geschichte, des Übergangs der neutestamentliche Gemeinde in die verfaßte geschichtliche Kirche, wird auf diese Weise beiseite gestellt, während es in der Folge alle Beteiligten immer wieder aufs stärkste beschäftigt hat, alsbald in den endlosen Auseinandersetzungen über die Wertung der Kirchengeschichte, wie erst recht in der Gegenwart in dem Streit um den Frühkatholizismus.

Ausgefallen ist auch der Begriff der communio sanctorum, den in unserer Zeit Bonhoeffer zur Grundlage eines Neuentwurfs lutherischer Ekklesiologie benutzt hat. Communio sanctorum ist ohne Zweifel etwas anderes als die in VII genannte congregatio. Communio meint die gemeinsame Teilhabe am Heiligen, das als gestiftete Hinterlassenschaft den Gläubigen verblieben ist. Congregatio meint dagegen die jetzt und hier bewirkte Versammlung im Glauben, die in der Regel gemeindeförmig ist, aber dem konkreten Gemeindebegriff vorausliegt.

Die Einzelkritik an dieser Ausdrucksweise ist jedoch für die Beurteilung noch nicht allein entscheidend. Die drei Begriffe apostolica, catholica,

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communio sanctorum haben vielmehr ein Gemeinsames. Sie sind duale Begriffe. Sie enthalten Aussagen, in denen zwei, aufeinander nicht reduzierbare Gedanken in unmittelbare und undefinierte Verbindung gebracht werden, so daß sie sich gegenseitig ausfüllen und verstärken. Es handelt sich weder um eine Dialektik aufeinander bezogener, eigenständiger Begriffe, noch um ungelöste Antinomien, noch um Folgeverhältnisse, noch um Elemente eines mehraktigen Prozeßgeschehens. Auch der moderne Begriff der Komplementarität ist etwas wesentlich anderes. Denn während wir in den gemeinten Begriffe beide Elemente zwar nicht voneinander trennen, aber doch getrennt in Erwägung ziehen können und müssen, wird in der Komplementarität ein und dasselbe Phänomen in zwei verschiedenen, einander ausschließenden Erscheinungsformen beobachtet und beschrieben.10

Jene Dualität als Form des Verstehens und des Ausdrucks ist eine geistesgeschichtlich beschreibbare, verbreitet Denkstruktur. Diese zu verstehen und festzuhalten, hat offenbar den Reformatoren unüberwindliche Schwierigkeiten bereitet. Von dieser Dualität hängt evident auch das Verständnis des Petrus-Amtes wie der Sukzession der Bischöfe ab. Luther hat wie selbstverständlich gesagt: „Successio id est Evangelium.” Daß das nicht ausreicht, ist wohl schon damals nicht völlig verkannt, trotzdem aber nie völlig begriffen worden. Eine Anschauung in dieser Richtung hat sich vielmehr durch die Jahrhunderte bis in die Gegenwart verbreitet und durchgehalten. Ich habe schon in Band I Kap. 12 darauf verwiesen, daß eine sachgemäße Diskussion des Problems der apostolischen Sukzession in dem Ökumenischen Ausschuss der Vereinigten Lutherischen Kirche trotz langjähriger Arbeit solchen Hindernissen erlegen ist. Edmund Schlink und ich haben darauf in weitgehender Übereinstimmung hingewiesen. In seiner Theologie der Bekenntnisschriften hat Schlink11 schon 1940 ausgeführt, daß das Miteinander von Personalität und inhaltlich beschreibbarer Aufgabe das Wesen dieses institutionellen Phänomens und der damit verbundenen Fragen ausmachen. Jenes Mißverständnis schon der Fragestellung, bei Luther ansetzend, ist von hoher signifikanter Bedeutung. Es handelt sich hier nicht um eine verkürzte Auslegung einer einzelnen, noch so wichtigen Stelle, sondern um den Ausfall und Verlust einer Verstehensdimension. Das Dual ist vielmehr die Verbindung der Person als Geistträger mit einem aussagbaren Gedankengehalt.

Die congregatio durch Wort und Sakrament im Sinne von CA VIII hat zwar Gemeinden, Partikularkirchen und eine Konfessionsgemeinschaft hervorgebracht, welche jetzt ökumenisch mit Enthusiasmus die Anerkennung ihrer Identität erstrebt. Aber diese congregatio hat gewiß nicht den Geist, den Antrieb, das Verständnis, die Dimension einer communio zu entfalten und zu bewahren vermocht.

Die in der offiziellen Ausgabe der BS enthaltene Auslegung „Bei Luther wandelt sie (die congregatio) sich in die communio gegenseitiger Anteilnahme und Hingabe, innerhalb der congregatio sanctorum (Christenheit). …” 12 steht quer zum Text von CA VII. Denn congregatio ist gewiß und ganz folgerichtig

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die Versammlung durch Wort und Sakrament. Aber communio ist nicht innerhalb dieses Geschehens die Art und Weise der Verbindung zwischen den Gläubigen in deren Hingabe, die communio ist vielmehr die Verbindung aller durch die alleinige Hingabe Christi. Sonst wäre communio auch ein consecutivum, nicht ein constitutivum. Daß dieses Verhältnis von communio die Partikularitäten nicht transzendiere, ist dann zwar wieder folgerichtig. Ich muß aber den Herausgebern der Texte die Bürgschaft für die Authentizität dieser Darstellung überlassen. Die von Elert erhobene duale Struktur des Begriffs communio war den Herausgebern nicht unbekannt, wie die Einleitung zeigt.

Die analoge Situation findet sich bei allen drei Begriffen. Ist diese Dualität also eine beschreibbare Strukturform und als solche ein beachtliches Phänomen und Problem, so wird daran deutlich, daß eine einlinige Betrachtung der gemeinten Tatbestände die vorfindliche Gestaltung, von der Institution der apostolischen Sukzession angefangen bis zu den Grundlagen des Kirchenverständnisses, selbst völlig verändert.

 

3. Der viergestaltige Grundriß der lutherischen Ekklesiologie als eigenständige Neubildung

Jene bedeutende Umbildung beschränkt sich jedoch nicht auf die Differenz zwischen Dualität und Monoformität; sie trägt auch eigene inhaltliche Züge. Mit außerordentlicher Folgerichtigkeit haben sich hier, verdeckt durch die Unbefangenheit terminologischen Neuanfangs, materiale Kriterien durchgesetzt. Es tritt nicht lediglich eine Vereinheitlichung ein, sondern es entsteht eine weite, strukturierte Konzeption von hoher Konsequenz. Eine Einsicht in die eigenen Denkstrukturen ist dabei nicht vorauszusetzen.

1. Dort, wo das aktive Handeln von Menschen im Bereich des Heils in Rede steht, im Begriff der Apostolizität, werden diese Personen, bis zur stillschweigenden Tilgung des Begriffs selbst, zugunsten des aussagbaren Evangeliums ausgeschieden. Wo aber der Mensch als Empfangender in Betracht kommt, in den Begriffen der catholica und communio, wird allein dieses personale Element herausgestellt, der umfassende Welt- und Geschichtsbezug verdrängt und vernachlässigt. Daraus ergibt sich eine entscheidende sachliche Folge.
Mit dem Begriff der Apostolizität wird das gesamte Problem der Tradition als eines ständigen Elements der Kirche durch die jederzeitige und sich deswegen ohne notwendige Tradition aus sich selbst erneuernde Macht des Wortes ersetzt. Auf die Apostolizität kann vermöge dieser Präsenz grundsätzlich verzichtet werden, während ein pragmatisches Herkommen und nachwirkendes Folgen dadurch billigerweise nicht verneint werden kann und soll.

2. Der Mensch, von dem hier geredet wird, ist im radikalsten und ausschließenden Sinne als Empfangender vorgestellt, und selbst der biblische Begriff

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von den „Mitarbeitern Gottes” (in der Kirche, im Weinberg des Herrn), der für sich allein nicht verleugnet werden kann, hat keine Stelle, an der er in diesem Gefüge ausgedrückt werden kann. Die daraus entstehende Anthropologie ist mit einem Schlage ebenso radikal personal, welt- und geschichtslos wie passiv.

3. Als weiteres materiales Merkmal zeigt sich folgerichtig eine radikal präsentische Konzeption, ähnlich der Ubiquität in der Sakramentenlehre, in der Jederzeitigkeit des Wortes. Gewiß nicht die einzige, im Gegenteil die späteste und radikalste Ausprägung ist die Theologie Bullmanns, eine Theologie ohne Geschichte und Zukunft.13

4. Vermöge dieser grundsätzlichen Präsenz bildet sich auch ein grundsätzlich und radikal partikularer Charakter. Denn während die communio sanctorum eine allumfassende war, welche die Kirche aller Heiligen und Seligen, aller Zukünftigen, aller Zeiten umschloss, lenkt sich jetzt das entscheidende Interesse auf die Partikularität des Jetzt und Hier, weil in jeder konkreten congregatio alles vorhanden ist, dessen der Mensch zum Heil bedarf, so daß die anderen modi der Zeit demgegenüber unwesentlich werden. Das Desinteresse an einer ständigen Verbundenheit, sowohl in der geschichtlichen Dimension wie in der Gleichzeitigkeit, erklärt sich daraus. Bis zur ökumenischen Bewegung der Gegenwart — in einer bereits wesentlich veränderten geistigen Situation — hat die lutherische Kirche keinerlei Interesse an einer rezenten Vergemeinschaftung des Miteinanderlebens, selbst im Bereich ihrer eigenen Konfession, gezeigt. Die Antwort auf die Einladung der französischen reformierten Nationalsynode von 1574, man brauche ein solches Zusammenkommen nicht, weil alles zum Besten bestellt sei, ist über die zufällige Situation hinaus doch nur aus einem bestimmten Grundverständnis her zu deuten, welches anstelle der ständigen Lebensgemeinschaft das Zusammenwirken autarker Kirchen nur als Bedarfsfall versteht. Die Vorstellung, daß die Bekenntnisgemeinschaft eine für alle gegenseitig ständig verpflichtende und förderliche Verbindung und Bindung bedeuten könne und müsse, ist nirgends ausgebildet.

5. Auf diese Weise ergibt sich eine vierfache Struktur des ekklesiologischen und anthropologischen Grundansatzes — passive Personalität — präsentische Partikularität. Aus diesen vier Eckpunkten, die in und unter der veränderten Terminologie mit unbewusster, aber entschlossenster Konsequenz durchgehalten werden, erklärt sich der Grundansatz des lutherischen Kirchenverständnisses. Es bedarf keiner äußeren Mittel, um ihn folgerichtig aufrechtzuerhalten; denn er enthält eine höchst wirksame Methode des Selbstschutzes: die der Entwertung. Alles das, was auf diese Axiologie nicht zu verrechnen ist, kann als adiaphoron beiseite gestellt werden, wenn es nicht förmlich in dem Augenblick abgelehnt wird, wo ihm entgegen dieser Vorauswertung noch irgendeine konstitutive Bedeutung beigemessen wird. Diese Verbindung von Reduktion und Konzentration begründet die institutionelle Durchsetzungsfähigkeit des lutherischen Kirchenverständnisses: sie macht

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aber auch verständlich, warum diese Haltung überall dort auf Unverständnis und Ablehnung stößt, wo das Schema dieser Voraussetzungen nicht vorhanden ist, sondern andere Gesamtbilder christlicher Lehre wirksam sind, wo die Hierarchie der Wahrheiten eine andere Spitze hat.
Die lutherische Kirche braucht kein Heiliges Offizium, welches mit problematischen Begriffsmitteln und schwierigen Verfahrensregeln Glaubenssätze feststellt und beurteilt. Unendlich viel wirksamer und einfacher ist die Methode, Dinge für nebensächlich zu erklären, so daß man höchstens ihre Aufwertung zu kritisieren braucht, um die Ablehnung durch Gleichgültigkeit und Verständnislosigkeit zu verstärken. Ein negatives Gefälle hat seine eigene Kraft, die automatisch wirkt, zumal wenn man die Freiheit vom Gesetz betont.
In ihrer scheinbaren und subjektiv betonten Strukturlosigkeit hat sie eine eminente Abstoßungskraft, welche zugleich das innere Kraftfeld verdichtet. —

Aus diesen vier Eckpunkten ergibt sich entgegen aller intendierten Formlosigkeit ein Grundriß, der sich im Bilde eines Gebäudes darstellen läßt. Es zeigt sich der quadratische Grundriß eines hochragenden Turmes, einer Burg, da die Vertikale des von oben auszurichtenden Wortes Gottes alles bestimmt. Horizontale Quergebäude fehlen.

Mindestens ist das horizontale Moment rezessiv, die Vertikale entschieden dominant. Umgekehrt liegt es bei der reformierten Kirche, wie die mit aller Konsequenz durchgeführte Systematik der sog. christokratischen Bruderschaft bei Erik Wolf zeigt — ein solcher Begriff wäre im Luthertum ganz systemwidrig. So haben sich, wie schon früher am anderen Beispiel gezeigt,14 die beiden reformatorischen Konfessionen die Dimensionen der Kirche folgerichtig geteilt.

Die zentral auf die Dimension der Zeit in der Form der Präsenz gestellte Konzeption hat unvermeidlich in der Vertikalität eine — theoretisch-intentional verdrängte — Räumlichkeit. Hierin liegt der Grund für die oft als anstößig vermerkte Tatsache, daß die lutherische Kirche in ihrer Art nicht weniger autoritative Amtskirche geworden ist, wie die bekämpfte katholische, und daß der Grundsatz des Priestertums aller Gläubigen keine überzeugende Gestalt angenommen hat. Diese überaus rationale Struktur enthält nominalistische Momente und wird durch diese wesentlich verstärkt, aber nicht zulänglich erklärt oder begründet.

Über der Basis der congregatio, in der Amt und Gemeinde zusammengeschlossen sind, findet sich als erstes Obergeschoß der Raum des Konsenses, in dem über docenda und agenda bestimmt wird. Die Subjekte dieses Konsenses sind verfassungsmäßig nicht bestimmt — seine Träger haben keinen spezifischen Charakter oder Ort. Die ausschließliche de-facto-Kompetenz aber haben die doctores der Heiligen Schrift, ohne welche der Konsens nicht zustandekommen kann. In ihrer Übereinstimmung — weder räumlich noch korporativ gebunden, aber doch primär universitär —, sind Apostolizität und Konziliarität

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der Kirche zur Deckung gebracht; denn die Apostel sind ja die besonders bewährten „doctores”. Bringen die doctores recentes keinen Konsens zustande, so gibt es auch andernorts keinen. Ihr Votum positivum ist konsultativ und revisibel. Die einzige Konsensbildung, die nach der CA verbindlich geworden ist, war eine Einigung der streitenden theologischen Richtungen in der Formula Concordiae, welche von den lutherischen Ständen rezipiert wurde, die die bischöfliche Verantwortung mit einer Art laikaler Repräsentation der Gemeinden verbanden — die Gemeinden hätten sich freilich in dem Sinne wehren können, in dem Luther ihnen Macht zugesprochen hatte, Lehre zu urteilen.

Vom Kirchenregiment wird in CA XIV und XXVIII ausschließlich auf der Ebene der congregatio gesprochen. Von einem kybernetischen Amt, welches die Mehrzahl der Gemeinden integrativ zusammenfasst, ist in der CA nicht die Rede. Die ungenannten Träger des Konsenses, die sich doch konkret um ihn bemühen müssen, haben wenigstens eine durch das Bekenntnis legitimierte Aufgabe, — die übergemeindliche Partikularkirche, so notwendig sie unbestritten ist, hat keinen dogmatischen Ort. Sie ist im strengen Sinne nur ein Überbau. Dieser Überbaucharakter zeigt und kompensiert in gewissem Maße die reine Vertikalität des Baus.

Oberhalb des Ganzen liegt das schwerlastende Notdach des landesherrlichen Kirchenregiments.

Erträglich war eine solche Konstruktion nur für Humanisten, die sich nicht an dem Idealstaatsgedanken der griechischen Philosophie oder der römischen Republik, sondern an dem Modell der Universität orientierten. Denn diese hat ja Stifter, Nutritoren, Kuratoren, die zuweilen lästig und verständnislos, grundsätzlich wohlwollend, letzten Endes die wissenschaftliche Arbeit der Professoren nicht ersetzen können.

Seit 1580 hat es keinen anerkannten Konsens der lutherischen Kirche gegeben, auch nicht nach dem Wegfall des landesherrlichen Kirchenregiments. Den aus der Erfahrung der Geschichte entstandenen Art. III der Barmer Bekenntnisses haben die deutschen lutherischen Partikularkirchen nicht als verpflichtend übernommen. So bleibt nur der regressus ad infinitum auf Schrift und Bekenntnis — zwischen der behaupteten Suffizienz des Bekenntnisses und der offenkundige Insuffizienz der theologischen Schulrichtungen.

 

Anmerkungen zu Kapitel IV

1 F.H. Kettler, Art. Trinität, III. Dogmengeschichtlich, in: RGG, Tübingen 31962, Bd. VI, 1025-1032, hier: 1031.
2 Wilhelm Maurer, Ende des Landeskirchentums?, in: ders., Die Kirche und ihr Recht, Ius Ecclesiasticum 23, Tübingen 1976, 449-473, hier: 450 f.
In einer Zusammenfassung des Werkes von Jürgen Habermas, Theorie des kommunikativen Handelns (Frankfurt 1981) von Jürgen Busche (besprochen in: FAZ 27. 2. 1982) heißt es:

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„Die protestantische Vorherrschaft in der deutschen Gelehrtenwelt des 19. Jahrhunderts hatte nennenswerte Kenntnisse des 12., 13., 14. Jahrhunderts nahezu unmöglich gemacht … aber seinen historischen Beispielen zu folgen, ist unergiebig…”

Hier wird darauf hingewiesen, daß die unreflektierte Einfärbung konfessioneller Traditionen auch die Ergebnisse wissenschaftlicher Forschung begrenzt oder sogar versperrt — trotz aller unbestrittenen Leistungen. Dies gilt auch für die Aufnahme Sohms, — er wurde solange honoriert, als er diese Position bestätigte. Für das, worin er diesen Horizont überschritt, fehlte das Organ und die Bereitschaft zu verstehen. Die Überschreitung dieses Horizontes aber macht eben die Bedeutung Sohms aus — und Maurer ist wiederum der einzige, der diesen Bereich anders beurteilt und verstanden hat. Die vorgeformte fides bestimmt auch den auditus.
Wenn schon die streitende Reformation selbst, aber auch die ruhmreiche und fruchtbare Gelehrtenwelt des 19. Jahrhunderts, zu wesentlichen Dingen der vorreformatorischen Geschichte keinen oder nur einen von konfessionellen Anschauungen, lies Vorurteilen, verstellten Zugang gewonnen hat, so gilt dies in besonderem Maße auch für das Verständnis der Kirchenrechtsgeschichte.
2a Vgl. RdG II, 133.
3 Etwas von dieser Kunst erneuerte sich in der Zuwendung zu den alten Sprachen, freilich ohne Kenntnis der subtilen Methode. In deren Fremdheit liegt wohl ein Motiv für die abwehrende Haltung Luthers gegenüber der Johannes-Apokalypse begründet. Vermöge der Unkenntnis dieser spezifischen Kunstform erklärt sich bis heute das Mißverständnis, daß in der Aussage von Mark. 16, 16 über die Taufe eine hinkende Parallele enthalten sei. Das Gegenteil ist der Fall. (Mitteilung von Lic. theol. Striebeck/Oldenburg.)
4 Für die Herausarbeitung der eigenen lutherischen Position aus den Texten ist der ständige Zwang zur Abwehr katholischer Denunziationen auf klassische Ketzerei und aktuelles Schwärmertum in hohem Maße hinderlich, weil er vielerorts Disproportionen in die Formulierungen hineinbringt.
5 Über die Tauflehre vgl. Kap. III.
6 Karl Barth, Kirchliche Dogmatik I/1, Zürich 61952, 497.
7 Rudolf Smend, Das Problem der Institutionen und der Staat, in: Dombois (Hg.), Recht und Institution II, Forschungen und Berichte 24, Stuttgart 1969, 66-82, insb. 67 f. Vgl. hierzu RdG II, 241, Anm. 108.
8 „… obwohl er (Luther) sonst den Begriff der communio nicht liebt” (Wilhelm Maurer, Historischer Kommentar zur Confessio Augusten, Gütersloh 1976/78, Bd. 2, 168). — Das frühere Vorkommen des congregatio-Begriffs in der theologischen Tradition ändert nichts an der hier vorgeführten Problematik.
9 Vgl. Kap. IX.
10 Peters bemerkt hierzu (ders., Der dritte Glaubensartikel, in: NZSTh 15, 1973, 326-347, hier: 338):

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„Die Reformatoren unterstreichen den personalen Aspekt. Die ,Gemeinde der Heiligen’ ist für sie die ,Sammlung (congregatio) aller der, die in rechtem Glauben, Hoffnung und Lieb’ leben’ (WA 6, 293, 2). Hierdurch wurde die communio sanctorum spiritualisiert und der freien Entscheidung einzelner Christen überantwortet —.”

Obwohl Peters auf Elert (Werner Elert, Abendmahl und Kirchengemeinschaft in der alten Kirche, hauptsächlich des Ostens, Berlin 1954) Bezug nimmt, wird die Bedeutung der dualen Denkstruktur und des Übergangs in eine einlinige Denkform als solche nicht ausdrücklich in Betracht gezogen, die Kritik aber übernommen. Eine Form, sich der Tragweite dieser Erkenntnis zu entziehen, ist die vielfach vorkommende Bezeichnung der dualen Begriffe als nautisch. Ein Neutrum hebt die in ihm beschlossenen Unterschiede ja gerade auf und entbindet damit von der Notwendigkeit, beide Inhalte miteinander zur Geltung zu bringen, sowohl die Gemeinsamkeit als auch ihrer Verschiedenheit — in deren Verknüpfung aber besteht gerade die Bedeutung der dualen Begriffe. Die Abstoßung fremder Denkstrukturen durch Umdeutung wirkt auch hier ganz automatisch.
11 Edmund Schlink, Theologie der lutherischen Bekenntnisschriften, München 31948.
12 Die Bekenntnisschriften der evangelisch-lutherischen Kirche (hrgg. im Gedenkjahr der Augsburg. Konfession 1930), Göttingen 81979, 61, Anm. 4.
13 Vgl. Heinz Zahrnt, Die Sache mit Gott, München 1966; besonders: Kerygma und Geschichte, 311-325.
14 RdG Bd. II, Kap. VII ff.