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Durch Glaube und Taufe wird der Mensch zum Christen, wird er gottesdienstfähig (Peter Brunner). Aber allein mit dem Lobopfer des Bekenntnisses seinen Dank darbringend, die empfangene Gnade zurückbringend (gratiam referens) — „das Deine aus dem Deinigen”, ist der Christ noch kein Priester — denn er handelt nicht für andere. Er ist nur insofern Priester, als er fürbittend für andere vor Gott tritt, als ein solcher, der dies nun kraft des Opfers Christi kann. Nur insofern, als das Fürbitten, Loben und Danken der Gemeinde etwas für die Übrigen, die Nicht-Anwesenden, die Welt, die Entschlafenen bedeutet, ist diese Gemeinde eine priesterliche und priesterlich handelnde. Sie wird biblisch auch nur so verstanden. Indem die Gemeinde auf das königliche Priestertum angesprochen wird, wird von vornherein diese über sie hinausgreifende Bedeutung, ihr exemplarischer und stellvertretender Charakter ins Auge gefaßt und vorausgesetzt.
Diese Handeln ist notwendig stellvertretend. Ich kann für mich beten. Aber die Fürbitte anderer für mich kann ich nicht ersetzen. Was die Kirche für die Welt als Fürbittende tut, kann diese Welt als solche eben nicht. Darum ist das Verhältnis von Kirche und Welt auch keine Funktionsteilung, sondern ein personales Verhältnis. Eben darum schon müssen Kirche und Staat wesentlich unterschieden und geschieden sein.
Anders stellt sich das priesterliche Handeln des Christen in der Nachfolge Christi dar, wenn wir nicht adversus deum, sondern adversus hominem in Richtung auf die Menschen und die Welt blicken.
Die missionarische Verkündigung bezeugt ein für allemal Geschehenes, Fleischwerdung, Kreuz und Auferstehung. Aber in alledem hat sich uns Gott gegeben und gibt sich uns weiterhin. Das ist die eigentliche Bedeutung der „traditio” — Gott in Christus übergibt isch uns, indem er sich hingibt und sich verraten läßt — in der eigentümlichen Doppeldeutigkeit des lateinischen Wortes tradere wird es sichtbar. Er will aber sich uns fort und fort geben. Seine Gabe der Selbsthingabe — für euch vergossen … — will weitergegeben, ausgeteilt und mitgeteilt, sein, aber nicht im intellektuellen Sinne der gedanklichen Mitteilung, sondern in der konkreten, persönlichen Zuwendung und Vermittlung.
Die auftragsgemäße Mission ist keine zweckmäßige Veranstaltung, um eine heilsame Tatsache wirksam unter die Leute zubringen, sondern Anspruch und Zuspruch. Das Wort, das den Menschen richtet und aufrichtet, will ihm konkret von Person zu Person gesagt sein. Freilich kann mich auch das gelesene und selbst meditierte Wort der Schrift treffen, aber dies steht doch nur im Gesamtzusammenhang der missionarische Verkündigung. In noch exklusiverem Sinne ist die Spendung der Sakramente personal. Denn ich muß sie mir spenden lassen. Die Meinung mancher Theologen (z.B. Althaus), daß die Sakramente nicht
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im gleichen Maße personalen Charakter tragen wie die Wortverkündigung, weil sie an Wasser, Wein, Brot gebunden sind, stellt den Sachverhalt auf den Kopf. Denn das Kerygma kann in seinem aussagbaren, formulierbaren Inhalt weit eher für sich und unabhängig von der Verkündigung als personalem Vorgang gedacht werden, während die Sakramente ohne den personalen Vollzug nichts sind. Die alte Kirche hat sinngemäß ihr transpersonales Kontinuum im apostolischen Kerygma, ihre personale Aktualität im Sakrament gesehen, während wir, verhaftet der Kontroverse mit der scholastischen Transsubstantiationslehre, sinnwidrig das Gegenteil annehmen. Dagegen sind die verschiedensten Lehrorthodoxien wie der Liberalismus der Versuchung nicht entgangen, den Verkündigungsinhalt als reine Lehre oder spezifisches Ethos für sich zu nehmen. Das ist eben die Umkehrung einer falschen Objektivation des Sakramentes. Unzweifelhaft ist dabei die Verkündigung um einen Grad dem Hinweis auf das ein für allemal Geschehene näher als das Sakrament, für das die Präsenz des Herrn wesentlich ist. Der deklaratorische und der konstitutive Charakter geistlichen Handelns liegen ineinander. Jedes deklaratorische Handeln ist zugleich auch immer konstitutiv, jedes konstitutive Handeln auch deklaratorisch. Der Versuch, beides zu scheiden und dann wertend einander gegenüberzustellen, ist verfehlt. In allem Handeln ist der Handelnde immer mit darin und kann nicht ausgeschieden werden. Insofern ist alles geistliche Handeln ein im strengen Sinne geschichtliches, indem jeweils Neues geschieht. Zugleich ist beides, die Doppelheit von Verkündigung und Sakramentsspendung ein Gesamtzusammenhang verschiedener Akte. Die Verkündigung bezeugt die ein für allemal geschehene Losreißung der Welt von der Macht des Bösen, die eingetretene und eingeleitete Scheidung, und fordert die Annahme durch den Menschen.
Die Sakramente wenden die neue Heilsgemeinschaft konkret dem Menschen zu. Beides gehört als Befreiung und Einordnung sachlich zusammen und ist doch als zusammenhängender „gestreckter” Vorgang nicht einfach identisch.
Als personales, priesterliches, stellvertretendes Handeln will dies durch den Menschen vollzogen und angenommen sein. Es ist die gemeinchristliche Überzeugung, daß hier der allein Handelnde Jesus Christus selbst ist, der sich in der Dimension der Geschichte der Menschen instrumental bedient.
Hier liegt also eine priesterliche Stellvertretung des alleinigen priesterlichen Stellvertreters vor: wer euch hört, hört mich.
In der Nachfolge tritt der Christ in die drei munera Christi kraft seiner Vollmacht ein, in der gleichen Solidarität des Einstehens, des Priesters, des Richterkönigs und des Propheten. Denn in der Tat: dies kann der Mensch nicht an sich selbst vollziehen, auch der Priester nicht! Er kann sich weder richten, noch heilen, noch begnadigen — er kann auch
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keinen Bund mit sich selbst schließen — er kann auch keine Kinder mit sich selbst zeugen. Nach dem bereits erwähnten axiomatischen Grundsatz selbst des bürgerlichen Rechts sind die Rechtsgeschäfte eines Menschen mit sich selbst, auch in verschiedenen rechtlichen Rollen nichtig (§ 181 BGB). Von jenen Vorgängen sind drei rechtlichen Charakters — und der Begriff des Heilens, anwendbar auf das ärztliche Handeln, ist zugleich relativ synonym mit dem des Begnadigens. Das Rechtsbild ist nicht willkürlich veränderbar — es trägt, mit Tillich zu reden und in seinem Gebrauch des Begriffes, Symbolcharakter.
Damit jene dinge geschehen, bedarf es grundsätzlich immer zweier Menschen, eines, der handelt, und eines anderen, der dieses Handeln an sich geschehen läßt und annimmt. Die beiden Personen stehen in einem spezifischen Verhältnis, verhalten sich nicht wie Subjekt und Objekt zueinander. Das drückt sich darin aus, daß wir hier auf der einen Seite im Aktivum, auf der anderen Seite im Medium (an-sich-geschehen-lassen), nicht im Passivum reden.
Nicht jeder Dienst, den der Mensch dem Menschen leistet, ist also priesterlich, sondern nur jene stellvertretenden Handlungen. Der Mensch wird erst durch sein Gegenüber konstituiert, existiert nicht an und für sich. Dies ist aber nicht einfach seine Sozialität, vermöge deren Aufgaben und Dienste nach Anlage und Vermögen zu wechselseitiger Dienstbarkeit geteilt werden. Das konstituierende Gegenüber wird erst in den priesterlichen Verrichtungen wirklich sichtbar — wie in der Ehe, in dem als Mann und Weib Geschaffensein. Die steht jeder für sich bestehenden Idealität des Menschen entgegen, der eigentlich alles selbst zu tun vermöchte und vermögen müßte, wenn er nicht leider durch äußere Umstände daran verhindert wäre, so universal zu sein. Funktionale Dienste nähern sich dem priesterlichen Handeln dort, wo in selbstloser Weise, nicht im Austausch von Leistungen Dinge getan werden, die der Mensch zwar in abstracto, aber doch nicht in concreto für sich selbst tun kann, also vor allem viele Formen der Stellvertretung. Aber diese dem priesterlichen Dienste sich nähernden Verrichtungen sind eben doch nicht wahres Priestertum: es ist verhängnisvoll, daß sie gerade das Wesen dessen verdecken, aus dem sie ihre besondere Bedeutung und Würde herleiten. Das Verständnis des Wesens priesterlichen Handelns ist jedenfalls durch die Allgemeinheit des Dienstgedankens verloren gegangen.
Mit der Wiedergewinnung des Verständnisses für den personalen Charakter priesterlichen Handelns ist es auch erst möglich, den Vorstellungsbereich der formalistischen Ethik zu durchbrechen. Diese Ethik lehrt die Gleichwertigkeit aller menschlichen Handlungen nach ihrem Gegenstande und die alleinige Bedeutsamkeit der Gesinnung, in welcher sie ausgeführt werden. In dem Unvermögen des Betroffenen, sie selbst zu vollziehen, und damit dem existenzbegründenden Charakter
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bestimmter personaler Handlungen als notwendiger Stellvertretung haben wir einen Maßstab für eine Bewertung menschlichen Handelns. Als klassisches Beispiel wird immer die Gegenüberstellung der getreuen Dienstmagd mit dem ungetreuen König angeführt. Darin liegt eine evidente Wahrheit, aber eben nur eine Teilwahrheit. Als Teilwahrheit fälschlich für das Ganze und Entscheidende genommen, hat sie die Einsicht verkümmern lassen, daß vor und neben dem modus der Ausführung (der Treue und Hingabe) die Frage nach demjenigen steht, dem dieses Handeln gilt. Diese Frage verschwindet jetzt. Man kann schließlich in der guten Überzeugung funktionieren, daß man ja auf die redlichste Weise gedient habe, ohne zu fragen, wem. Ist dieser „wer” aber nicht mehr beliebig, zufällig, sondern wesentlich, so stellt sich notwendig die Frage nach dem Gegenstande des Handelns. Die Bedeutung der existenzbegründenden Handlungen, die der Mensch an sich vollziehen lassen muß, ist aber eine entscheidend andere als die der alltäglichen Lebenshilfen und Dienste, deren wir unausweichlich auch bedürfen. Die bescheidenen Dienste und Verrichtungen, die uns erwiesen werden, gewinnen, wiewohl sie vertretbar und austauschbar sind, eine abgeleitete Würde daraus, daß sie, wo sie konkret werden, diesen Charakter der Stellvertretung gewinnen. Mit der Verschüttung des Blicks für das Besondere des priesterlichen Handelns verlieren wir verhängnisvollerweise gerade den Blick für die eigentliche Quelle der Würde auch der funktionalen Dienste als sekundärer. Indem man beides verwischt, gibt man alles zusammen preis.
Die alte Fakultätseinteilung unserer Universitäten hat etwas von diesen Einsichten gehabt. Man unterschied die drei alten Fakultäten der Theologen, Juristen und Mediziner von den artes liberales, welche heute in den philosophischen, naturwissenschaftlichen und technischen Fakultäten fortleben. Der Unterschied besteht darin, daß jene ersten drei zum Handeln am Mensen in jenem priesterlichen sinne berufen sind, als Priester, Richter und Ärzte, während die artes liberales nicht am Menschen handeln, sondern nur gegenständlich erkennen und über Erkanntes reden. Erst hier setzt sich das Subjekt-Objekt-Schema im wissenschaftlichen Leben durch.
Dies eröffnet nun auch den Blick für eine vollere Erfassung des Priestertums. Der Levit, der an dem unter die Räuber Gefallenen vorbeigeht, um sich nicht für seinen Dienst zu verunreinigen, steht nicht im Konflikt zwischen seinem Amt und einer allgemein menschlichen Verpflichtung, sondern er verfehlt in Wahrheit gerade seinen priesterlichen Dienst an seinem klassischen Ort, der Diakonie. Denn was ist mehr solcher Dienst, als dem zu helfen, den zu heilen, der sich selbst nicht mehr zu helfen, zu heilen vermag?! Hier ist nicht der (Kult-)Priester aus seiner Absonderung herausgerufen, sondern umgekehrt jeder andere vor den priesterlichen Dienst gestellt, welchen der Priester selbst hier versäumt und
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verkennt. Von dem personal-priesterlichen Dienst her sind alle Tätigkeiten des Menschen zu sehen und zu werten und nicht von diesen her die besonderen priesterlichen. Solange wir so denken und in dieser umgekehrten Richtung schauen, hängen wir bei aller Ablehnung des von Christus überwundenen alten Opferpriestertums immer noch an seiner soziologischen Konzeption. Das Phänomen des Priestertums ist nun durch so viele Vorurteile überdeckt, daß von seiner weiteren Entfaltung mit der Aufzeigung seiner Gefährdung und Entartung seine Grenzen festgestellt werden müssen.