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Wenn das Kirchenrecht das Handeln der Kirche nachdenkt und auf
seine Legitimität prüft, damit also geistliche Beziehungen erwägt
und verfolgt, so stößt es alsbald auf die Tatsache, daß das
Evangelium selbst das Verhältnis Gottes zu den Menschen in
Rechtsvorstellungen beschreibt. Nicht der Mensch beansprucht hier
Rechte, sondern Gott selbst setzt sich ins Recht, übt seine
Herrschaft aus, gibt und fordert. Deswegen liegt eine Klärung
dieser Rechtsvorstellungen nach Grund, Inhalt, Tragweite der
Problematik des Kirchenrechts sinngemäß voraus. Dabei stellt sich
zu allererst die Frage, ob das Gottesverhältnis selbst denn in
solchen Vorstellungen begriffen und angemessen ausgedrückt werden
kann. Damit ist zugleich über die subjektive Möglichkeit des
Kirchenrechts weitgehend entschieden. Demnach ergeben sich drei
Fragen
1. nach der Rechtsstruktur personaler Bezüge überhaupt, hier und
zuallererst des Gottesverhältnisses,
2. nach der Interpretation der Rechtsakte und Rechtsverhältnisse,
in denen sich das Gottesverhältnis selbst vollzieht, in denen es
biblisch dargestellt wird,
3. nach den Rechtsformen der Kommunikation, der personalen
Verbindung, deren sich Gott zur Ausrichtung seines Heilswillens
bedient.