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1 In diesem Kapitel über Ehe- und Trauungsrecht
konnten die Forschungen der Eherechtskommission (jetzt
Familienrechtskommission) der Ev. Kirche in Deutschland verwertet
werden, über welche ein Gedankenaustausch mit der lutherischen
Konferenz stattgefunden hat, deren kirchenrechtliche Auswertung
jedoch noch ausstand. Das Zusammentreffen von geistlichem und
weltlichem Recht macht die Fragen historisch und systematisch
besonders schwierig. Aus diesen Arbeiten über Eherecht sind die
schon wiederholt herangezogenen Erkenntnisse und Thesen über den
Begriff der Institution hervorgegangen (vgl. auch Kap. XIV). s.
hierzu:
Dombois-Schumann, „Weltliche und kirchliche Eheschließung”
(Glaube und Forschung VI, Gladbeck 1953)
Dombois-Schumann, „Familienrechtsreform”, (Glaube und Forschung
VIII, Witten 1955)
„Recht und Institution”, hgg. v. H. Dombois, (Glaube und
Forschung IX, Witten 1956).
2 „Gleichberechtigung der Geschlechter — Fortschritt oder Not?” in „Familienrechtsreform”, S. 77 ff.
2a Dt. Landesreferate z. II. Internat. Kongreß f. Rechtsvergleichung im Haag 1937 — Sonderh. d. 11. Jg. d. Z. f. ausl. u. internat. Privatr., S. 77 ff.
2b Dies ist bis heute vielfach mißverstanden worden, weil die römische Rechtsgeschichte des 19. Jahrhunderts auf Grund philosophischer Prämissen einen inzwischen als unhaltbar erkannten abstrakten Begriff des Eigentums als Vollrecht ausgebildet hatte, den dann die Philosophen wie Hegel und Marx wiederum zur Basis ihrer dialektischen Spekulationen gemacht haben.
3 George Hayward Joyce S.J., Christian Marriage, an historical and doctrinal study, London 1948 (2), insbes. S. 147 ff.
3a Man erinnere sich an den früher zitierten Stoßseufzer Karl Rahners über die unterschiedslose Behandlung der Sakramente in der katholischen Theologie!
4 s. meinen Aufsatz „Strukturprobleme d. Eheschließungsrechts” Teil II, in „Familienrechtsreform”, S. 128 ff.
5 Hans Gert Hesse, Ev. Ehescheidungsrecht in Deutschland, Bonn 1960 (Schr. z. Rechtslehre und Politik Bd. 22).
6 a.a.O. S. 3.
7 a.a.O. S. 3.
8 a.a.O. S. 46.
9 Auch der Kanonist Klaus Mörsdorf hat diesen charakteristischen konfessionellen Unterschieden seine Aufmerksamkeit zugewendet — vgl. seine Abhandlung: „Die kirchliche Eheschließungsform nach dem Selbstverständnis der christlichen Bekenntnisse”, Münchner Theol. Zeitschrift 1958, S. 241 ff.
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10 Die Neuordnung der Trauung, Berlin 1959, S. 8.
11 Über Eherecht der orthodoxen Kirche vgl. insbes. das zweibändige Werk von Jos. Zhisman, to dikaion tou gamou, Athen 1912, ferner Alivisatos, Oi ieroi kanones (Athen 1949).
12 S. Kap. XVIII.
13 So auch altkirchliche Stellen: Augustin, De fide et operibus cap. XIX,35:
„Quisquis etiam usorem in adulterio deprehensam dimiserit, et aliam duxerit, non videtur aequandus eis, qui excepta causa adulterii dimittunt et (sc. aliam) ducunt.”
Concil von Neocaesarea (314):
„Non fit sacerdos, cuius evidenter uxorem constat adulterium commisisse” (c. 11) — Si post ordinationem alicuius clerici uxor adulterata fuerit, dimittat eam. Si autem cum ipsa voluerit permanere, a ministerio alienus sit” (c. 12) + (Griech. Fass. VIII-X).
Scheidung und Verlust des ordo stehen als Alternative einander gegenüber (Hesse S. 10).
14 „Nach der tridentinischen Form sind allein die
Brautleute aktiv tätig, der Pfarrer ist lediglich amtlicher Zeuge
der Eheschließung. Erst … das Dekret „Ne temere” vom 2. 8. 1907
hat die aktive Assistenz angeordnet und damit ein neues
Verständnis des priesterlichen Tuns eingeleitet, das zwar nicht
sogleich durchbrach, aber in jüngster Zeit immer klarer erkannt
worden ist … Nach dem CIC von 1917 … ist der Priester nicht mehr
bloßer Amtszeuge, sonder Mitträger der Eheschließungshandlung,
wobei ihm mit der Erfragung des Ehewillens die Initiative zukommt
…” (Mörsdorf, Eheschließungsform a.a.O. S. 248 f.).
Diese Darlegung steht in einem gewissen Gegensatz zu der von
Mörsdorf eingangs dargelegten Entwicklung der Trauliturgien (S.
242 f.). Rituale und Pontificale Romanum haben nach Erfragung des
Ehewillens durch den Priester die Trauformel „ego conjungo vos”.
Das neue deutsche Einheitsrituale dagegen läßt nach der Befragung
den Priester sagen: „Im Namen der Kirche bestätige ich den Bund,
den ihr geschlossen und segne ihn.”
Die Formel „ego conjungo vos” entstammt, worauf Mörsdorf nicht
eingeht, offenkundig der germanisch-rechtlichen Tradition: die
weltliche Trauung war vicarierend auf die Kirche übergegangen und
verband sich mit der Benediktion. Die Preisgabe dieses Gedankens
zugunsten einer bloßen confirmatio trifft sich heute mit der
entgegengesetzten Tendenz, die passive Assistenz zu einer
beschränkten aktiven zu erweitern. Nach wie vor liegt jedoch das
Schwergewicht auf dem Konsensgedanken.
15 vgl. Mörsdorf in „Ehe und Familie” 1958, S. 449.
16 S. 263.
17 Wer also mit besonderer Betonung, wie dies häufig ohne gedankliche Klärung mehr gefühlsmäßig geschieht, von der „christlichen Ehe” spricht, begibt sich nicht in die römische, sondern in die griechische Linie. Andererseits ist das Wissen um den sakramentalen Charakter
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der Ehe entgegen der dogmatischen Tradition der Weltlichkeit gerade bei besonders lebenserfahrenen und sozialpädagogisch tätigen Christen nicht selten anzutreffen. Sie gebrauchen unwillkürlich den Begriff, weil es bisher keinen deutlicheren und besseren zu geben scheint.
18 Im Gegensatz zu diesen Vorbelastungen stellt sich
van der Leeuw unbefangen der Frage der Sakramentalität der Ehe.
Entsprechend der Einteilung seines Buches kommt die Frage dreimal
vor: historisch-exegetisch, phänomenologisch,
systematisch-theologisch (S. 99, 151, 251 ff.).
Zum ersten: er sagt klar, „daß die Ehe nicht selbst ein Mysterion
ist, das man als Sakrament übersetzen könnte: Mysterion ist das
Verhältnis von Christus zur Kirche. Das primär Gegebene ist also
das, was allen Sakramenten zugrunde liegt: das Opfer Christi und
die Wesensgemeinschaft mit Christus. Die Ehe ist das Abbild
dieser Grundgemeinschaft. Natürlich dürfen wir das nicht als ein
,Bild’ betrachten, eine Allegorie im modernen Sinn. Wenn zwei
Dinge zueinander passen, so ist da eine Wesensgemeinschaft.”
„Theologisch ist dieser Text (Eph. 5) von so großer Bedeutung: es
wird eine Verbindung geschaffen zwischen dem tiefsten geistlichen
Lebensgrund, dem Opfer Christi auf der einen Seite und dem
,gewöhnlichen Leben’, zwischen dem Reich und der Welt, der Gnade
und der Natur auf der andern.”
„Die Ehe ist kein Ritus, sondern eine der elementarsten
menschlichen Taten. Die christliche Kirche hat aber dieser Tat
ein neues Fundament gegeben, indem sie sie auf das Erlösungswerk
Christi bezog. Damit hat sie zugleich bekannt, daß der Grund des
natürlichen Lebens nicht die ,Natur’ ist, sondern die Gnade.”
Diesen Gedanken führt er im systematischen Teil weiter; „im
Sakrament der Ehe wird sehr deutlich, wie verwerflich das
katholische Schema von ,Natur und Gnade’ ist.” (251, Ziff.
5).
„Das Sakrament der Ehe ist schon mit dem Alten Testament gegeben
und wohl noch nachdrücklicher ausgesprochen als Taufe
(Beschneidung) und Abendmahl (Opfer). Es bekommt aber erst seinen
Vollsinn dadurch, daß die ,zusammenfügende’ Tat Gottes im Neuen
Testament nichts anderes ist als die Tat Gottes in Christus,
Epheser 5 (7).”
Aus der (sakramentalen) Ehe leitet er sodann die Hausgemeinde ab
(252). Dabei bleibt ausdrücklich bestehen, daß die Ehe das
„Ausnahmesakrament” ist (253). „Sie ist nicht die Grundlage einer
göttlichen Handlung mit einem anderen als dem direkten Ziel. Man
heiratet, um zu heiraten, nicht um etwas zu bewirken, was auf
einer anderen Ebene liegt.”
So wird die Sakramentalität der Ehe durchgeführt in der Linie
zweier Hauptgedanken, einmal daß Schöpfung und Neuschöpfung als
Gnade verstanden wird, und zweitens daß Abbild Wesensgemeinschaft
bedeutet. Mit neuer Begründung übernimmt er hier die Tradition
der Kirche. Die folgenden Ausführungen übe Consens und Copula
sind allzu knapp: ihnen fehlt der bei uns seither erforschte
rechtsgeschichtliche Hintergrund.
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19 Silverius, 536-37.
20 vgl. 1. Tim. 3, 2.
21 vgl. 1. Kor. 7, 40.
22 Ich habe schon in den Arbeiten der Eherechtskommission der EKD in einer rechtlichen Interpretation des Personenstandrechts darauf hingewiesen, daß der Standesbeamte jurisdiktionelle Funktionen in Bezug auf die Ehe ausübt, indem er über ihre Schließbarkeit entscheidet (Strukturprobleme des Eheschließungsrecht I, in „Weltliche und kirchliche Eheschließung”, S. 99 ff.).
23 z.B. im Wohnungsbau, Steuerrecht usf.
24 Von Ehesachen, dazu Heckel a.a.O. S. 140; ebenso Luther im „Traubüchlein”.
25 Hesse a.a.O. S. 2.
26 Hesse a.a.O. S. 12 ff.
27 Hesse a.a.O. S. 12 ff.
28 Hesse a.a.O. S. 2.
29 Hesse a.a.O. S. 39.
30 Die Doppelehe Philipps des Großmütigen hat sehr große politische Wirkungen, jedoch keinerlei Bedeutung für die evangelische Lehre von der Ehe gehabt: Das Votum der drei Reformatoren (Luther, Melanchthon, Butzer) und das Verhalten des Landgrafen ist sofort allgemein abgelehnt und als schwerer Mißgriff verurteilt worden. Die spätere anonyme literarische Rechtfertigung, an der Butzer mitgewirkt hat, wurde allgemein als schmählich empfunden.
32 vgl. auch Hesse, S. 40.
33 Lex charitatis, S. 144 f.
34 über die beiden Institutionen Kirche u. Ehe vgl. Heckel a.a.O. 57, 120.
35 a.a.O. S. 168.
36 a.a.O. S. 137 ff.., S. 165.
37 §§ 44-46 Ehegesetz.
38 § 48.
39 Ein Beispiel nur für eine durchgängige
Entwicklung:
„Weil sich die Ehegerichtsbarkeit bei den Superintendenten und
Amtleuten oder der kurfürstlichen Kanzlei doch nicht in den
geeignetsten Händen befand, erhob sich seit 1537 bei den
evangelischen Ständen die Forderung nach kirchlichen
Gerichtshöfen, die sich dieser und ähnlicher Dinge annehmen
könnten. Man wollte dabei unmittelbar an die Überlieferung der
früheren bischöflichen Konsistorien anknüpfen.”
Es folgt eine Darstellung der entsprechenden Bildungen in
Kursachsen und Herzoglich-Sachsen usf. (Reller,
Vorreformatorische und reformatorische Kirchenverfassung im
Fürstentum Braunschweig-Wolfenbüttel, 1959, S. 73 ff.).
40 Ludwig Dunte unter diesem Buchtitel 1648.
41 vgl. Friedberg, Kirchenrecht (5) 1903, S. 389 f.
42 vgl. hierzu A. Sprengler und H. Dombois in ZevKR 3 (1954) S. 163 ff., 268 ff., 5 (1956) 32 ff.
43 Reall. f. Ant. u. Chr. IV, 659, 689.
44 WA 10, II 283, a.a.O. S. 9/10, Anm. 12.
45 I. Akt, 3. Auftritt.
46 Art. „Ehe” im Reall. f. Ant. u. Chr. IV 664.
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47 S. 7 f. Mit dieser Formulierung hat M. ältere Thesen aufgegeben, in denen unter Berufung auf die lutherische Regimentenlehre behauptet worden war, die „Obrigkeit” könne die Regelung des Eheschließungsrecht den Eltern, Vormünden usf. „überlassen”, — obwohl ja auf diesem Felde die Sippe der „Obrigkeit” historisch vorausgegangen war. Die Herkunft dieser Anschauung aus dem 19. Jahrhundert ist deutlich. Diese Vorentwicklungen sind deswegen immer noch interessant, weil mit ihnen auch die Verengung der Sicht auf die Frage der Öffentlichkeit verbunden ist. Trotz der bemerkenswerten Wendung vom Rechtssetzungsmonopol des Staates zur Vorstaatlichkeit der Ehe ist die Gemeinschaftsdimension noch nicht wiederentdeckt.
48 Lauterbach a.a.O., 18. Aufl.„ 1959, zu § 48 in Kontroverse mit einem Urteil des Bundesgerichtshofs in BGB LM 48 II, Nr. 20.
49 a.a.O.
50 anders auch die evangelische Kirchenrechtslehre bis 1800.
51 S. 241.
52 vgl. die Lutherstelle in „Weltliche u. kirchliche Eheschließung”, S. 84, sowie „Familienrechtsreform”, S. 123: „Nein Sed loquere cum parentibus, et ego, ut fiat ipsorum consensu, ut fiat autoritate divina, politica et oeconomica, ut sciant, das sich nicht verloben, i.e. sich selbs stelen, ut servent parentes bay der Macht, quam Deus eis dedit.” (20. Juni 1544 WA 49, 321,8-13). Solch ein Verlöbnis, das ohne Einwilligung der Eltern vollzogen ist, will Luther für nichtig achten.
53 Hesse, a.a.O. S. 13, 30.
54 vgl. Decretum „Tametsi”, Denz. 990.
55 can. 1143 c.i.c.
56 can. 1119.
57 S. 15, 28.
58 S. 29, Anm. 62.
59 S. 62.
60 S. 31.
61 Abs. 2, S. 31.
62 Abs. 6, S. 49 ff.
63 S. 51.
64 Bell, ELKZ, 50, S. 263, 277, Heber ebda 56, 106 ff.
65 S. 40 f.
66 S. 31/32.
67 Die Mischehe, S. 9 ff., 18, 31.
68 a.a.O. S. 31.