Sohm hat zeitlebens darum gekämpft, die großen Wandlungen darzustellen, welche das Kirchenrecht im Laufe seiner zweitausendjährigen, von schwerwiegenden geistlichen und geistigen Entscheidungen dramatisch gefüllten Geschichte durchgemacht hat. Er hat trotz der Überfülle des erbrachten Materials keinen Erfolgt damit gehabt. Die römische Kirchenrechtstheorie hat diese Unterschiede im Interesse ihrer Identitätstheorie teils totgeschwiegen, teils bagatellisiert. Die protestantische Theologie hat sich fast ausschließlich zu seiner berühmten (seither exegetisch, systematisch und juristisch als falsch erwiesenen) Generalthese von der Unvereinbarkeit von Kirche und Recht geäußert — und darüber sein Lebenswerk beiseitegelassen. Das Kirchenrechtsgeschichtsbild, auf welches sie festgelegt ist, hat sie sich nicht verändern lassen. Nach wie vor sieht sie, bei oft sehr geringer konkreter Kenntnis, ohne Differenzierung
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das als „katholisches” Kirchenrecht an, was ihr die heutige römisch-katholische Theologie darzubieten scheint. Sie hat sich nicht einmal der Waffen zur Kritik dieses römischen Kirchenrechts bedient, welche ihr Sohm in die Hand gibt. Denn das hätte sie selbst zu einer Revision ihrer kirchenrechtlichen Anschauungen und zur Ablösung von der in das Absolute erhobenen Streitlage des 16. Jahrhunderts genötigt.
Zu den so festgehaltenen und tradierten Anschauungen gehört auch die Meinung, daß die sakramentale Ordination begrifflich gleichbedeutend sei mit der Lehre vom character indelebilis.150 Das Gegenteil ist jedoch für die alte und griechische Kirche der Fall. Die Ordination ist bis in das 12. Jahrhundert auch in der lateinisch-abendländischen Kirche vernichtbar. Wenn die Anfänge einer gegenteiligen Lehre, von Augustin her, schon früh ausgebildet wurden, so bedeutet dies noch nicht, daß sie zur kirchenrechtlichen Wirksamkeit gekommen ist. Die Dogmengeschichte als Ideengeschichte ist noch etwas anderes als die Realgeschichte der dogmatisch, liturgisch, kirchenrechtlich rezipierten, wirksam gewordenen Anschauungen. Mögen jene diese treiben. Entscheidend ist hier, was sich verbindlich durchsetzt.
Jede Kirche, die in der Ordination zum Amt mehr sieht als die bloße Übertragung von auswechselbaren Funktionen, steht vor der gleichen Frage wie die alte Kirche: was geschieht, wenn sich der Ordinierte als unwürdig erweist? Dies um so mehr, je ernster sie den Satz nimmt, daß Christus selbst der Ordinator ist. An dieser Frage zeigt sich zugleich, welche Vorstellungen von der Ordination ihrem Handeln zugrundeliegen.
Wir finden die Entamtung eines Amtsträgers noch nicht ausdrücklich in den kanonischen Schriften. Aber sie mußte sich einmal ergeben.
Für die Entamtung bildete sich in der alten Kirche das Institut der (liturgischen) Deposition (wörtlich: der Absetzung). Sohm beschreibt es wie folgt:
„Die Deposition war die Absetzung des Klerikers als eines, der
des Geistes Gottes unwürdig und darum trotz der
einstmals empfangenen Ordination ohne den zum heiligen
Dienst notwendigen heiligen Geist geblieben ist. Sein
Verhalten hat erwiesen, daß er den Geist nicht besitzt, den die
Ordination erteilt und zugleich
voraussetzt”.151 „Es war nicht die Meinung daß er den
Geist erst jetzt verloren habe oder der Geist ihm jetzt genommen
werde nur für die Zukunft. Die Meinung war vielmehr, daß er
niemals des Geistes Gottes würdig und deshalb niemals in
wirksamer Besitz des Geistes gewesen sei. Er hätte diese Tat
nicht begehen können, wenn der Geist Gottes wirklich in ihm
kräftig gewesen wäre. Der Sinn der altkatholischen Deposition
war die Vernichtung der einstmals empfangenen Ordination als
einer ungültig (weil unwürdig) empfangenen
Weihe.
Alle auf den Geistbesitz
bezüglichen altkatholischen Sakramente
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haben zugleich einen klarstellenden und einen schöpferisch
wirkenden Inhalt. Die Klarstellung bezieht sich auf die
Vergangenheit, die schaffende Kraft auf die Zukunft.
So im Fall der Ordination.
Die Prophetie (Wahl), die in der Ordination liturgisch vollzogen
wird, offenbart
die ,Würdigkeit’, d.h. den
schon vorhandenen Geistbesitz des Ordinanden: die ordinatorische
Handauflegung gibt den Geist demjenigen, der schon ,voll des
Geistes’ ist. Wer da
hat, dem wird gegeben.
In der Offenbarung liegt zugleich die wirkungskräftige Zusage für
die Zukunft. Der Geistbesitz wird vollendet durch das
Sakrament.” 152
„Die Exkommunikation
offenbart im Namen Gottes, daß der Gebannte ohne
den Taufgeist, die Deposition, daß er ohne den Sakramentsgeist
ist. Durch die Offenbarung vollzieht sich geheimnisvolle Wirkung.
Sie vollendet
den Mangel des Geistes, sie
nimmt, was an geistlicher Art noch da ist. Wer da nicht hat, dem wird genommen, das
er hat. An dem Gebannten
ist immer noch der Schein des Christentums: die Taufe … An dem
Deponierten ist immer noch der Schein des Klerikertums: die
Ordination. Die Deposition vernichtet die Ordination (als an einem Unwürdigen
geschehen).” 153
„Deklaration war also auch
die sakramentale (öffentliche) Absolution. Sie war trotzdem ein
Sakrament, eine Handlung mit der Kraft Gottes, weil sie nicht bloß offenbarte, sondern zugleich schuf
(vollendete), was sie bekundete. Gottes Wort bringt hervor, was es aussagt. Es kann niemals bloßes
Wort ohne Wirken sein.” 154
Auch das gegenwärtige kanonische Recht der römischen Kirche enthält noch den Begriff der depositio. Sie ist dort in das System der poenae vindicativae eingeordnet (can. 2286ff.). Diese werden als solche gekennzeichnet, welche „directe ad delicti expiationem tendunt”, also sühnenden Charakter haben. Die in can. 2291 aufgezählten Strafen aber tragen fast durchgängig exkommunikatorischen Charakter. Die Deposition speziell (can. 2303) schließt die Suspension vom Amt ein, aber auch die Unfähigkeit, Ämter, Würden, Benefizien usw. zu empfangen, wie den Verlust der innegehabten.
Es ist unbestritten, daß Anfänge einer Lehre über den character indelebilis sich bereits (oder erst!) bei Augustin finden: einen juristischen Ausdruck aber findet diese erst im 12./13. Jahrhundert — eines der Momente jenes neuen Papstrechts, welches als eine Gesamtbewegung der scholastischen Kirche die zentralen Institute und Begriffe verändert. Der rechtlich-liturgischen Befund läßt für die ersten zwölf Jahrhunderte die Indelebilität allenfalls offen. Dieses widerspricht aber dem geltenden Verständnis wie dem konkreten Verhalten. Entscheidend ist aber recht eigentlich, daß die Deposition bis dahin Entfernung aus dem Amte ist — eine Maßnahme der Ausscheidung und Abtrennung. Erst dann wird sie im Rechtssinne Strafe. So wie im Bußwesen die Exkommunikation sich
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in die Strafe verwandelt, und diese sich in die gesondert zu behandelnden ewigen und zeitlichen Strafen spiritual spaltet, so spaltet sich der Vorgang der Entamtung: der Charakter bleibt erhalten, das Amt geht verloren. Was Gott tut und was die Kirche tut, fällt auseinander. Man sieht auch hier, wie nahe sich in der Struktur des Denkens scholastisches und reformatorisches Kirchenrecht stehen.
Die kontroverstheologische Erörterung dieser Frage hat die Wandlungen des Rechtsdenkens und der Rechtsstruktur außer acht gelassen, die zwischen dem 1. und dem 2. Jahrtausend stehen und hat pro et contra immer auf einer Ebene gestritten.155
Daß die Deposition weit mehr und anders ist, als die Straftheorie zum Ausdruck bringen kann, zeigt die Form des liturgischen Vollzugs: die Liturgie bewahrt konservativ, was die Theorie mit der Wandelbarkeit der bloßen Begrifflichkeit und der Fähigkeit zum Konsequenzmachen umzudeuten vermag: so werden zur Deposition eines Bischofs außer dem Metropoliten zwölf Bischöfe erfordert. Der Akt steht innerhalb des ganzen „ordo suspensionis, reconciliationis, depositionis, dispensationis, degradationis et restitutionis sanctorum ordinum” — es handelt sich also sämtlich um Vorgänge, in denen eine Zuordnung verändert bzw. aufgehoben wird, und die nur mühsam in den objektivierenden Strafbegriff umgedeutet werden können. Der Strafbegriff setzt ein Subjekt voraus, welches als solches erhalten und so ausgespart wird, wie der zur Freiheitsstrafe Verurteilte unter Verlust aller von seiner Person abtrennbaren Rechtspositionen (Eigentum, Freiheit, Ehre) vor dem körperlichen Zugriff bewahrt und in seiner Stelle ausgespart wird. So wird das geistliche, charakterisierte Subjekt ausgespart und erhalten, aber aller äußeren verlierbaren Rechte entkleidet. Während die Lehre vom Character scheinbar wie die vergleichbare und verwandte Transsubstantiationslehre der Ausdruck eines extremen sakramentalen Realismus ist, läßt sie in Wahrheit Innen und Außen auseinanderfallen. Die Lehre vom character indelebilis ist der Anfang vom Ende der sakramentalen Ordination. Der heftige Streit um diese Lehre ist der Streit zwischen dem älteren und dem jüngeren Bruder.
Es sollte danach mit der Gleichsetzung von sakramentaler Ordination und character indelebilis nun ein Ende haben. Höchst bemerkenswert ist dabei, wie gegenstandslos die Entgegensetzung von deklaratorischem und konstitutiven Handeln sich in diesem Bereich an Hand der Formulierungen von Sohm erweist.156
Der zentrale Gedanke ist demnach folgender: die dem Unwürdigen erteilte Ordination ist von vornherein nichtig, weil die Kirche, die die göttliche Erwählung zum Amt annahm und rezipierte und sie konstitutiv perfizierte, über diese grundlegende Voraussetzung geirrt hat. Oder anders: wenn die Kirche über das Berufensein irrt, ist auch ihr eigenes per Jesum Christum geschehendes Ordinationshandeln leer. Das aber
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besagt nicht, daß es, wenn die Berufung vorliegt, nur deklaratorisch ist. Sohm hat diese Anschauung und den aus ihr folgenden liturgischen Ritus der Deposition, der förmlichen und als notwendig angesehenen Entamtung ausführlich belegt.157 Sein Interesse ist dann hauptsächlich darauf gerichtet, die Fortentwicklung dieser Ordnung und die Gründe zu schildern, die zu ihrer schließlichen Ablösung geführt haben. Seine theologische Interpretation scheint mir jedoch noch nicht auszureichen.
Selbst wenn Sohm die Quellenbelege über die liturgische Deposition überinterpretiert und diese die Charakter-Frage nicht berührt bzw. entschieden hätte, so wäre das Endergebnis unserer Erwägung doch kein anderes. Gerade die Bestreiter der Theorie vom character indelebilis haben sich, ohne es zu merken, auf eine sehr gefährliche Ebene begeben. Auf alle Fälle ist der alten Kirche die Vorstellung eines gewissermaßen privaten, der Person als solcher unabhängig und abgesehen von der Gemeinschaftsdimension anhängenden Qualifikation weithin fremd und uninteressant. Denn wenn der Entamtete trotz des Entsetzungsausspruchs der Kirche weiter amtet, so beging er ein exkommunikationswürdiges Vergehen, eine schwere Amtsanmaßung. Amtete er aber auf Grund seiner Weihe außerhalb der Kirche in einer häretischen Gemeinschaft, so war sein Handeln nicht unter Absehung von dieser Gemeinschaftsbeziehung zu beurteilen. Mit Behauptung oder Bestreitung des character indelebilis als eines kirchenrechtlich relevanten Tatbestandes (über die Geschichtlichkeit des Ordinationshandelns hinaus) verläßt man das pneumatische Kirchenrecht und begibt sich in einen Bereich der Rechtsmetaphysik. Gerade die Ausbildung der missio canonica zeigt, daß der von der vocatio abgelöste und dann theoretisch metaphysizierte ordo doch erst eigentlich wieder an die Kirche herangeführt werden muß — in der missio mit ähnlich unzulänglichen Mitteln wie die sakramentale Ehe mit den Formvorschriften des Tridentinums (vgl. dazu Kap. IX). Man schafft einen ordo, der vagieren kann, und muß ihn dann wieder einfangen. Das ist in Wahrheit die unbewältigte Folge der Zerstörung des Verhältnisses von vocatio und ordinatio, der Abschaffung der kanonischen Wahl durch die „iura novissima”, um deren Bändigung sich gerade die Kanonisten so sehr bemüht haben und gegen welche die Reformation protestiert hat.
Georg Hoffmann sagt:
„Wo man … in der evangelischen Theologie um ein vertieftes Verständnis des Amtes ringt, wird auch bei noch so starker Betonung des Amtsbegriffs und sog. ,hochkirchlicher Neigungen’ die Schwelle zum Ordo als Sakrament nicht überschritten: man redet allenfalls von einer nicht rückgängig zu machenden Ordination als ,indelebiler Inpflichtnahme’ für das ministerium ecclesiasticum (Heubach), aber nicht von einem indelebilen Amtshabitus”.
Es wird hier deutlich, daß über eine Ablehnung der fremden zu einer
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Kritik der hier angewendeten Denkstrukturen noch nicht vorgestoßen wird. So entsteht die falsche Alternative Habitus oder Funktion. Daß personale Zuordnung eben gerade nicht ein irgendwie zu qualifizierendes Sein an und für sich, sondern ein Sein für andere und in der Zuordnung zu anderen ist (s.o. auch Gollwitzer zu Plachte), tritt nicht hervor. Die Habitusvorstellung ist ebensowenig personal wie der Funktionsgedanke. Hier helfen die früher dargestellten rechtsgeschichtlichen Tatsachen und die Darstellung der Institutionsstruktur weiter, die auch von der ethisierenden Formulierung Heubachs nicht getroffen wird. Scharf gesagt: der ordo als Habitus verstanden ist sakral, aber nicht sakramental. Das Interesse an der ontologischen Aussage verdrängt den Zuordnungscharakter des Sakramentes.
Die Bedeutung des Tatbestandes liegt darin, daß die alte Kirche im Rahmen und Verlauf des Ordinationsgeschehens der vocatio eine außerordentlich hohe Bedeutung beigemessen hat, und zwar in dem schon entwickelten Sinne als göttliche Berufung, die in einem Akte pneumatischer Erkenntnis und Entscheidung von der ekklesia angenommen wird, und ihr die Grundlage gibt, die Cheirotonie vorzunehmen. Die theologische Kontroverse über die Frage der Sakramentalität der Ordination im engeren Sinne und die des character indelebilis hat diesen Tatbestand stark zurücktreten lassen.
Verfolgt man nun die Fortentwicklung der vocatio, so ergibt sich, daß sie in zunehmendem Maße zurücktritt. Die Entscheidung der vocatio wird im Neukatholizismus in die Entscheidung des Ordinators zur Ordination hineingezogen und verliert den Charakter eines besonderen Aktes, zumal die kanonische Wahl nicht mehr die zwingende Grundlage und Voraussetzung für die Konsekration ist. Befragung der Gemeinde und deren Akklamation werden bloße formale Handlungen, denen keine Entscheidungskraft mehr innewohnt. An die Stelle der vorangehenden vocatio tritt, wie gezeigt, die nachfolgende missio canonica.
In den bisherigen Darlegungen hatten wir uns dagegen zu wenden, daß die Ordination im engeren Sinne von einem wesentlich vocatorischen Verständnis her, entgegen dem biblischen und altkirchlichen Verständnis der Handauflegung, zu einer konfirmatorischen Handlung entwertet werde. Der in der Reformation kräftig wiederauflebende Gedanke der vocatio hat nun aber gegenüber dem altkirchlichen Verständnis desselben Begriffs eine entscheidende Wandlung durchgemacht.
Die Ordinationslehre der alten Kirche geht davon aus, daß im Akt der vocatio der Geist den Geist erkennt. Dagegen sagt Münter:158
„Es ist aber nicht äußerlich festzustellen, wer wirklich Glied am Leibe Christi ist. Deshalb macht weder das lutherische noch das reformierte Bekenntnis dies zur notwendigen Voraussetzung, vielmehr gestehen beide zu, daß auch unter den Amtsträgern Gottlose sein können,
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welche Gottes Geist nicht erleuchtet hat, ,juxta vocem Christi:
Sedent scribae et pharisaei in cathedra Moysis’ (CA VIII). Darum
kann die kirchliche Berufung nicht von der charismatischen
abhängig gemacht werden, und Sohm ist entschieden zu weit
gegangen, wenn er behauptet, die Ordination sei die Bezeugung der
göttlichen (durch das Charisma gegebenen) Berufung zum
Lehramt…
… Aber diese innere Berufung
kann nicht zur Voraussetzung der äußeren gemacht werden, weil die
Kirche sie nicht erkennen kann. Vor dem Angesicht der Kirche ist
auch derjenige um nichts weniger ,rite vocatus’, dem die innere
Berufung fehlt, und der mit schlechtem Gewissen an das Amt
herantritt, wenn nur seine Leichfertigkeit nicht offen
zutagetritt. Legitim im eigentlichen Sinn der Kirche kann nur
solche äußere Berufung nicht genannt werden, sondern sie ist es
nur dann, wenn sie eins ist mit der vocatio interna.”
Entsprechendes sagt er für Calvin gegen Bohatec:159
„… Calvins Anforderungen nämlich an die zu Berufenden gehen nicht über das hinaus, was Luther knapp und kurz fordert, nämlich ,tuchtige Person zu solchem Ampt’. Calvin bestimmt dies näher: Es scheiden aus, welche unfähig sind und ungeeignet sind, die Last, welche mit dem Amt auferlegt wird, zu tragen. Ebenso diejenigen, welche auf Grund unheiligen Lebenswandels durch Fehler oder Laster bekannt sind, welche ihnen die Autorität nehmen und dem Amte Schande bringen könnten. Dagegen ist zu fordern Ausstattung mit den Fähigkeiten, welche dazu notwendig sind, das Werk zu erfüllen, und an erster Stelle, daß der zu Berufende von gesunder Lehre ist.”
D.h.: an die Stelle des pneumatischen Urteils über die geistliche Berufung tritt diejenige über die funktionale Tauglichkeit und die formale Lehrorthodoxie. Auch der schon in der Schrift vorausgesetzte Zusammenhang (nicht Identität) zwischen Pneuma und Bewährung in Dienst und Leben ist gelockert, wenn nicht preisgegeben.
In dieser Haltung stimmt die reformatorische Vocationslehre mit derjenigen des Neukatholizismus durchaus überein. Die Abschaffung der kanonischen Wahl, die Hereinziehung der vocatio in die Ordinationsentscheidung des Ordinators ist nur unter der Voraussetzung möglich, daß die Vocationsfrage in dem früheren Sinne unentschieden bleiben kann: freilich hier deswegen, weil die Ordination auf alle Fälle als absolute und als opus operatum für sich steht. Für die Reformation fällt dies weg: die Bewertung und Handhabung der Vocation aber bleibt. Gewiß will keine Kirche erkennbar Unberufene ins Amt bringen. Aber grundsätzlich begegnet die Frage einer agnostizistischen Haltung. Die römische Kirche braucht sie nicht zu beantworten, weil sie der geistverleihenden Ordination gewiß zu sein glaubt, die reformatorischen Kirchen weisen die Frage überhaupt ab. In beiden Fällen wird die vocatio wesentlich zu einem zweckhaften Akt. Es ist dies einer der Punkte, wo
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sich die Vermutung erhebt, daß in dem metaphysischen System des scholastischen Realismus, der der neukatholischen Ordolehre zugrundeliegt, doch sehr früh, oder von vornherein starke nominalistische Momente eingeschlossen sind. Freilich macht Münter einen Vorbehalt: legitim könne die Ordination desjenigen, dem die vocatio interna fehlt, nicht genannt werden. Aber diese Legitimitätsfrage ist für ihn nicht entscheidbar. So ist ihm auch der Unberufene kraft der vocatio externa immer rite vocatus. Es bleibt also eine illegitime Ordination. Sieht man von der Frage der Sakramentalität ab, so ist dies genau die Haltung der römischen Lehre. An die Stelle des Sakraments ist die Ordentlichkeit der Berufung getreten.
Der Wagnischarakter der pneumatischen Entscheidung geht in beiden Haltungen verloren: die römische Kirche braucht dieses Wagnis nicht einzugehen, die reformatorischen Kirchen weisen es erst recht von vornherein als eine Überforderung ab. Die bei Münter gegebene Begründung ist freilich nicht schlüssig.
Die Zugehörigkeit zur Kirche und die Berufenheit zum Amt sind nicht dasselbe. Es kann zwar jeder Christ in jedes Amt berufen werden, aber nicht jeder ist zum Amt berufen. Das Urteil über das Berufensein des Bewerbers ist der Kirche aufgegeben. Sie muß es auf die Gefahr des Irrtums hin wagen. Dem Begriff der Erkennbarkeit liegt die Vorstellung der Erweislichkeit, der Eindeutigkeit, der Objektivität zugrunde, weil angeblich ohne die Sicherheit des Urteils die Unterscheidung ihre Bedeutung verliere. Diese Erweislichkeit ist nach ihrer erkenntnis-theoretischen Struktur die Gegenbildung zu der Objektivität der (römischen) Weihe. Diese Vorstellung ist erst möglich nach der Ausbildung der absoluten Ordination und in der Opposition zu ihr. Sohm geht nicht nur „weiter”: er vertritt tatsächlich als pneumatisches Recht gegen den Neukatholizismus etwas sachlich anderes, was vor der Spaltung von „objektivem” geistlichem Charakter und Funktion liegt.
Die so verbleibende Lösung ist in beiden Fällen von vollkommener Eindeutigkeit: entweder die für sich bestehende Konsekration oder eine funktionale Beauftragung humani juris ohne pneumatischen Charakter, für welche die Hilfe und der verheißene Beistand des Geistes erbeten wird. Erschien bisher die reformatorische Ordinationslehre als eine hinkende, in der die vocatio ein unverhältnismäßiges Übergewicht über die ordinatio gewonnen und der wesentlich jurisdiktionelle Typus der abendländischen Theologie sich weiter verstärkt hatte, so wird jetzt an dem Grenzfall der Fehlordination sichtbar, wie sehr sie die bisherigen Fragestellungen zu Ende geführt und aufgelöst hat, ohne dies freilich vermöge der Weiterführung des bisherigen Terminologie und der Unklarheit der Begriffsbildung klar erkennen zu lassen.
Die von Grundmann vertretene Meinung, daß der Unterschied zwischen sacerdotium und ministerium verbi publicum nur in der öffentlichen
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Ausübung des jedem Christen gegebenen Auftrags zur Wortverkündigung und Sakramentsverwaltung bestehe,160 widerspricht der paulinischen Anschauung von den Charismen. Da diese Frage hier in der Beurteilung der Maßstäbe für die vocatio noch einmal auftaucht, ist an den schon in Kap. IV (S. 247) erörterten Tatbestand zu erinnern.
Diese „besondere Sendung” als ausdrückliche Indienstnahme eines bereits vorhandenen Charismas verbietet daher, die Frage der Berufung in der geschilderten Form als unerkennbar beiseitezustellen. Der paulinische Begriff der Charismen widerstreitet der Verallgemeinerung in den Begriff des sacerdotiums, aus dem dann wider das Amt ausgegliedert wird.
Andererseits setzt Grundmann für die vocatio mehr voraus als jene Tauglichkeit.161 Er nennt ausdrücklich „geistliche Voraussetzungen” (Gläubigkeit), daneben andere Gesichtspunkte — Ausbildung, seelsorgerliche Begabung (!).162
Beim Abendmahl und der Absolution tritt die Frage der manducatio impiorum bzw. der clavis errans auf, als Folge des Realitätscharakters des sakramentalen Handelns. Bei Preisgabe und Abweisung dieser Fragen ist auch dieser Realcharakter preisgegeben. Ebenso ist die Abweisung der Frage nach der Berufenheit nicht die Entscheidung über die isolierte Frage nach der Erkennbarkeit, keine noëtische Frage, sondern eine Folge einer grundsätzlichen Entscheidung über die Sakramentalität der Ordination als Gesamtvorgang. Gerade dies aber zeigt zugleich, daß ein scheinbar extrem sakramentales Verständnis der Ordination wie das neukatholische in Wahrheit aus dem Zusammenhang sakramentalen Denkens heraustritt, indem es sich genötigt sieht, jene Frage durch die Hinzufügung bzw. Verweigerung der missio canonica, einer mit dem ordinatorischen Geschehen letztlich unverbundenen Handlung zu lösen.
Dies vorausgesetzt, müssen wir die bei Sohm fehlenden theologischen Erwägungen nachbringen. Seine Darstellung ist in sich folgerichtig. Aber sie bedeutet eine radikal prädestinatarische Auslegung des Vocationsgedankens. Dies wird bei Sohm damit begründet, daß die alte Kirche den Deponierten als von Anfang an Nichtgeweihten behandelt und dementsprechend seine Handlungen als nichtig angesehen habe. Positive gewertet würde es bedeuten, daß die unzweifelhaft exhibitiv ordinierende alte Kirche sie Spannung zwischen Prädestination und Inkarnation in einer außerordentliche Breite ausgehalten habe, freilich ohne die sich aus ihrer Antinomie ergebenden praktischen Fragen überall schlüssig lösen zu können. Andererseits fragt sich, ob die alte Kirche hier die Frage zu Unrecht rationalisiert und radikalisiert hat. Jene behauptete Nichtigkeit der Weihe ex tunc würde bedeuten, daß es keinen echten Abfall, sondern nur die Aufdeckung eines von jeher bestehenden Unglaubens gebe. Daß die alte Kirche jeden abgefallenen Bischof als einen solchen behandelt habe, der niemals Bischof gewesen
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sei (nachdem sie ihm den Schein der Ordination zuvor genommen hatte), scheint mir trotz des Nachweises der späteren liturgischen Deposition unerweislich und deshalb eben eine Überspitzung bzw. Überinterpretation. Wenn es erlaubt ist, die sachliche Erwägung einen Augenblick durch eine psychologische zu erleichtern — nicht zu ersetzen —, so ist in der Tat in einem sehr engen, den ganzen Menschen umfassenden Zuordnungsverhältnis ein späterer Bruch kaum anders zu verstehen, als die Aufdeckung eines von Anbeginn an bestehenden verborgenen Mangels. „Er ging von uns aus, aber er war nicht von uns.” „Du hast mich nie geliebt!” Nicht die Vergegenständlichung des Verhältnisses, sondern seine Intensität bedingt diesen Schluß.
Es wird rein praktisch zuzugeben sein, daß in sehr vielen, vielleicht mehr Fällen, als oberflächlich zu sehen ist, der spätere Anlaß zur Entamtung tatsächlich auf eine von vornherein bestehende Unberufenheit hinweist. Aber grundsätzlich ist damit die Frage nicht gelöst. Gerade wenn die Berufung als göttliche Beschlagnahme zum Dienst auch schon Geistverleihung ist, bedarf diese Gabe auch der gehorsamen und bereiten Annahme. In jener älteren Ordinationslehre ist die subjektive Seite der Ordination zwischen der pneumatischen vocatio und dem Handeln der ekklesia nicht geklärt, aber auch nicht in der Sache vorentschieden worden. Sie ist ein offenes Feld, das wir mit heutigen Erkenntnissen ausfüllen können. Es scheint zu genügen, daß der Betreffende das Amt „begehrt”, wovon schon die Pastoralbriefe ganz selbstverständlich reden. Wenn demgegenüber die Maßstäbe für die Entscheidung der Gemeinde sehr genau aufgezählt werden, so gelten diese auch als Forderungen an den Bewerber — aber sie setzen voraus, daß er das Amt nicht leichtfertig, ohne redlichen Glauben, nicht eigennützig, sondern als Akt des Gehorsams anstrebt. Fühlt er die Gaben in sich, die ihn verpflichten, so muß er sie doch annehmen, sie pflegen, sie ausbilden und anwenden. Das nur empfangene, nicht genutzte, sondern nur aufbewahrte Pfund würde ihn schuldig werden lassen. Die Gabe ist zugleich gegeben wie angeboten. Ist es Gabe wie Angebot, so kann sie ebenso verschmäht wie verachtet werden.
Bei dieser Annahme handelt es sich nicht um eine voluntaristische Selbstverpflichtung konsensualen Rechtstypus, sondern um die existenzielle Übernahme einer Rolle in der Vollhingabe.163
Der schlüssige theologische Ausgleich zwischen dem, was hier Gott tut und was der Mensch tut, was Gott am Menschen und was er im Menschen vollbringt, ist hier grundsätzlich nicht zu verlangen, zumal in Ansehung des III. Artikels der Mensch ohne Verletzung des „sola gratia” als Mitarbeiter Gottes angesprochen werden kann.164 Die Kirche muß mit beidem bei ihren Amtsträgern rechnen, mit der ursprünglichen und vielleicht spät sich erweisenden Unberufenheit, aber — auch über bloßes menschliches Versagen hinaus — mit wirklichen Brüchen des
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übernommenen Amtes, insbesondere mit dem Abfall, dem nicht behobenen Skandalon. Es wird von dieser Unterscheidung das Handeln der Kirche nicht abhängen dürfen. Sie wird — abgesehen von der eindeutigen sakrilegischen Erschleichung der Ordination — die Entamtung ihrer Diener regelmäßig ex nunc, nicht ex tunc zu verstehen haben. Andererseits haben alle Kirchengemeinschaften zu allen Zeiten — mit geringfügigen Schwenkungen — die Reordination abgewiesen, auch die reformatorischen Kirchen. Darin prägt sich der Respekt vor der irreversiblen und deshalb auch unwiederholbaren Geschichtlichkeit des ordinatorischen Handelns aus. Aber eben darum ist die katholische Lehre, daß ohne Rücksicht auf die vocatio die rituell einwandfreie Konsekration in jedem Falle wirksam und gültig sei, und lediglich einen noch der missio und damit der kirchlichen Publizitätsfähigkeit entbehrenden (sozusagen Privat-)Priester erzeuge, so verfehlt: so gewiß solches Handeln „nicht nichts” ist, so wenig ist es nun erlaubt, es gerade als voll zu nehmen. Daß doch etwas geschehen sein muß, rechtfertigt kein Urteil über das, was in und aus jenem nichtigen Handeln denn etwa „übrigbleibe”. Vollends aus dieser letztlich spekulativen Frage, aus diesem Postulat kirchenrechtliche Folgerungen zu ziehen, überschreitet die Möglichkeiten des Rechts.
In der Bewertung solcher Tatbestände stoßen sich zwei je für sich wesentlich und nicht abzuweisende Gedanken: der eine, von der subjektiven Seite her, ist der Satz „fides virtus sacramenti”; der andere, von der objektiven Seite her ist derselbe, der sich in der manducatio impiorum und der Bewertung der Absolution des Unbußfertigen auch nach lutherischer Lehre ausdrückt. Nach der einen Linie empfängt er nichts, nach der anderen etwas, was sich uno actu selbst aufhebt, ja ihm zum Gericht wird. Es ist ein Sakrileg, auf solche Weise die Ordination anzunehmen. Es ist uns aber nicht möglich, aus der strengen Dialektik von Gnade und Gericht in allem geistlichen Handeln noch einen dazwischen schwebenden metaphysischen Rest festzustellen, der aus der nichtigen Ordination verbleibt.
Es darf die Gemeinde auch aus der Hand des Unwürdigen im Glauben alles empfangen, was die Kirche zu geben hat: sie glaubt dem Herrn, und nicht dem Diener — der Diener aber handelt auch als Unwürdiger gültig. Die Ablehnung der Reordination ist deshalb mit Sicherheit unabhängig von der Theorie vom character indelebilis. D.h. also: wenn der Anlaß zur Entamtung weggefallen ist, tritt der Betreffende ohne erneute Ordination wieder in sein Amt. Der Amtsträger, der etwa in vollen Ehren aus dem Dienst scheidet, um ein weltliches Amt zu übernehmen, wird also bei Wiedereintritt in den kirchlichen Dienst auch bei vorherigen Verzicht auf die Rechte des geistlichen Standes nicht erneut ordiniert. Diese Einsicht stellt umgekehrt die Frage, ob ein freiwilliges, in der Selbstverfügung des Betreffenden begründetes
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Ausscheiden aus dem geistlichen Amte überhaupt möglich ist. Denn wenn die Berufung zum Amte eben keine Selbstverfügung ist, sondern eine Beschlagnahme durch die Erwählung Gottes, so ergreift sie den ganzen Menschen und für die ganze Zeit seines Lebens, solange ihm die Kräfte bleiben, zu dienen. Die Zulassung eines freien, jederzeitigen Amtsverzichts würde die Anerkennung der Anschauung bedeuten, daß der Amtsträger wesentlich aus dem Amte berechtigt sei, wenn auch sozusagen als Gegenwert zum Dienst verpflichtet. Die Resignation ist deshalb von der Annahme durch die Kirche abhängig, die ihn vom Amte entbinden muß und dies nur aus einem geistlichen Grunde tun kann. Wenn dem Verzichtenden ohne einen solchen rechtfertigenden Grund die Entlassung bei Resignation zugebilligt wird, so nur aus dem Gesichtspunkt, daß er nicht gegen seinen erklärten Willen im Amte gehalten werden kann, welches die aufrichtige Hingabe erfordert. Aber ein willkürlicher, geistlich nicht begründeter Austritt aus dem Dienstverhältnis ist der Bruch eines umfassenden Lebensverhältnis und erfordert die Prüfung, ob er selbst eine zu Amtsverlust führende Verfehlung darstellt.
Andererseits kann sich der Ordinator bzw. die konkrete Kirchengemeinschaft, in der jemand ordiniert wird, außer im Falle der Exkommunikation, der Fürsorge und Aufsicht über den Entamteten nicht einfach entschlagen. Sie bleiben einander verbunden. Die Bindung der Beschlagnahme für das Amt untersteht auf alle Fälle nicht einfach der einverständlichen Verfügung, die so wenig wie eine Konventionalscheidung zulässig ist.
Der ganz anders gelagerte Fall der zeitweiligen Entamtung tritt bei ernsthaften Verfehlungen auf, die das Verhältnis etwa eines Pfarrers zu seiner Gemeinde belasten, die aber bereinigt werden können. Führen sie etwa auch zur (zwangsweisen) Versetzung, um in einem neuen anderen Verhältnis einen neuen Anfang zu machen, so ist deswegen ebenfalls nicht neu zu ordinieren. Aber andererseits ist zu beachten, daß Sündenvergebung und Ordinationsfähigkeit zweierlei sind. Eine vergebene Verfehlung des Amtsträgers oder aber auch sein Versagen, bei welchem die Schuldfrage, die Vorwerfbarkeit nicht auftaucht oder nicht das wesentliche ist, können die Frage aufwerfen lassen, ob der Betreffende überhaupt zu Recht ordiniert worden ist. Am Dienst wie am eigenen Leben des Amtsträgers kann sich zeigen, daß er mit seinem eigenen Leben geistlich nicht fertig wird und also auch das Charisma der Leitung anderer, das charisma kyberneseos nicht besitzt.
Der Mangel des Charisma ist jedoch keine Schuld. Dieses ist freie Gabe Gottes. Aber die sehr nüchternen Anforderungen, welche der 1. Timotheusbrief (1. Tim. 3) stellt und welche in den apostolischen Konstitutionen sehr eindrucksvoll wiederholt und neu formuliert sind (s.o.), stehen durchaus nicht im Gegensatz zu den pneumatischen Charakter des Amtes.
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Geistliche wie sittliche Anforderungen werden hier ungetrennt miteinander verbunden.
Wer aber, obwohl ihm die Gaben gegeben sind, sich weigert, sie und die in ihnen liegenden Verpflichtung zum Wirken samt der Übernahme des konkreten Amtes anzunehmen, wird schuldig. Man kann also durch die unberufene und damit eigensüchtige Übernahme des Amtes ebenso schuldig werden wie durch die Weigerung. Daß menschliche Ehrgeiz und der ebenso menschliche Wunsch eines Begabten nach einer seinen Fähigkeiten entsprechenden Wirksamkeit vielleicht öfter durchschlagen als der ebenso menschliche Kleinmut und die Verantwortungsscheu: diese menschlichen Alternativen und Möglichkeiten sagen nichts dagegen, daß, geistlich geurteilt, die Frage der Berufung den von ihr Betroffenen vor die sehr schwerwiegende Entscheidung stellt, nach der einen oder der anderen Seite schuldig zu werden — durch Ungehorsam wie durch Anmaßung. Und so wenig die Ordination primär konfirmatorisch zu verstehen ist, so schließt sie doch das konfirmatorische Moment mit ein. Der Ordinierte darf darauf bauen, daß eben die Ordination die Verheißung des Geistes hat, der seiner Schwachheit aufhilft. Eine vergebene Verfehlung wie ein nicht schuldhaftes Versagen können, wiewohl in besonderen, sorgfältig zu prüfenden Fällen, der Grund zur Entamtung sein, weil sich die Unberufenheit evident herausstellt. Dies gerade in voller Erkenntnis, daß nicht die Tugend oder Leistung des Amtsträgers donatistisch die Kraft des Amtes ausmacht, sondern allein die Gabe Gottes. Die geistliche Beurteilung solcher Tatbestände ist deswegen so schwierig, weil sie eben gerade nicht gesetzlich, sondern im Blick auf eine Dialektik sich vollziehen muß — eben derjenigen zwischen dem sichtbaren Erweis der Unberufenheit in Gestalt eines tiefbegründeten Versagens — und dem Glauben, dem Vertrauen auf die Verheißung des Beistandes des Geistes.