Die äußeren Formen der zivilen Eheschließung nach dem Personenstandsgesetz in ihrer geschichtlichen Entwicklung
1955
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von Ferdinand Blötz
Wenn man bedenkt, daß die Eheschließung von jeher von einem Kranz reicher und mannigfaltiger formen umgeben war, so wird man vermuten dürfen, daß der Gesetzgeber, der sich auf diesem Rechtsgebiet betätigen will, auch diesen Sachverhalt in den Kreis seiner Erwägungen einbeziehen wird. Es soll unsere Aufgabe sein, den Weg aufzuweisen, den die Gesetzgebung in dieser Hinsicht gegangen ist. Durch zwei bedeutende Gesetzgebungsakte ist das deutsche Rechtsleben auf diesem Gebiete gestaltet worden. Über ein halbes Jahrhundert ist das Reichsgesetz über die Beurkundung des Personenstandes und die Eheschließung vom 6. Februar 1875 (RGBl. 1 Seite 23) in Geltung gewesen, bis es durch das Personenstandsgesetz vom 3. November 1937 (RGBl. I Seite 1146), das mit dem 1. Juli 1938 in Kraft trat, abgelöste worden ist.
Bei einer Gegenüberstellung der gesetzlichen Regelung der äußeren Formen der Eheschließung, wie sie einmal im Jahre 1875, ein anderes Mal im Jahre 1937 vorgesehen worden ist, fällt sofort ein krasser Unterschied in die Augen.
Die Gesetzgebung des Jahres 1875 hat die kirchliche Trauung nicht beseitigen wollen, sondern ihr nur einen staatlichen Akt in Form der standesamtlichen Eheschließung vorgeschaltet. Der berühmte auf Wunsch Kaiser Wilhelms des Ersten eingefügte Kaiserparagraf (§ 82 altes PStG) stellte ausdrücklich fest, daß die „kirchlichen Verpflichtungen” in Beziehung auf Taufe und Trauung unberührt bleiben. Eine lebendige kirchliche Sitte bildete damals den selbstverständlichen Hintergrund dafür, daß der Akt vor dem Standesbeamten jedes zeremonialen Charakters entbehren mußte. Durch besondere landesrechtliche Ausführungsvorschriften wurde Vorsorge getroffen, daß alles zu vermeiden sei, was als eine Nachahmung kirchliche Gebräuche hätte angesehen werden können (Sächs. V. vom 6. Oktober 1899 Ziff. 14, Württ. AV. § 51, Mecl.-Schwer. u. Strel. DA § 10, Oldenb. DA § 30, J. f. Reuß ä. L. § 20, J. f. Reuß j. L. § 20, Brem. Anm. § 28). Die äußeren Förmlichkeiten, die bei der zivilen Eheschließung von dem Standesbeamten zu beachten waren, zählte § 1318 BGB (an die Stelle getreten von § 51 ff. des Personenstandsgesetzes von 1875) erschöpfend auf. Es war danach
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vorgesehen, daß der Standesbeamte den Eheschließungsakt zu leiten hatte, indem er an die Verlobten einzeln und nacheinander die erforderlichen Fragen zu richten hatte, und zwar in Gegenwart von Zeugen, die bestimmte Voraussetzungen hinsichtlich ihres Status zu erfüllen hatten.
Durch Ausführungsvorschriften der verschiedenen Bundesstaaten waren dann noch hinsichtlich des Ortes und der Zeit der Eheschließung besondere Bestimmungen getroffen worden. Danach war allgemein das Amtslokal des Standesbeamten für die Eheschließung grundsätzlich vorgesehen. Falls ein solches Amtslokal nicht vorhanden war, sollte ein Raum von der Gemeinde zur Verfügung gestellt werden, der der Bedeutung der Eheschließung angemessen sein mußte (so Bayrische Vollz. Anw. Ziff. 37b; Hessische AV. Art. 6). Auch war beispielsweise vorgesehen, daß während des Eheschließungsaktes andere Geschäfte und Verhandlungen nicht in demselben Zimmer vorgenommen werden durften (Bayer. Vollz. Anw. Ziff. 37b; Bad. DW § 258 Ziff. 3).
Auch hinsichtlich der Zeit der Eheschließung hatte die bundesstaatliche Ausführungsgesetzgebung eine Fülle von äußerst verschiedenartigen Einzelbestimmungen vorgesehen. In manchen Bundesstaaten durften Eheschließungen an Sonn- und Feiertagen nur in dringenden Fällen (so z.B. in Sachsen, Württemberg, Baden u.s.f.), in Oldenburg überhaupt nicht vorgenommen werden, während nach der Hamburgischen Anweisung § 7 die Sonn- und Feiertage ohne Einschränkung gewahrt werden durften. In Baden war ausdrücklich angeordnet, daß die Stunde der Eheschließung tunlichst so festzusetzen sei, daß die religiöse Feierlichkeit noch am gleichen Tage sich anschließen könne.
Zusammenfassend muß der zivile Eheschließungsakt unter der Herrschaft der Personenstandsgesetzgebung jenes Zeitabschnittes, der mit dem Jahre 1875 beginnt und im Jahre 1937 sein Ende findet, als nüchtern und deutlich abgesetzt von jeder religiösen Feier gekennzeichnet werden. Es entbehrt unter allen Umständen eines zeremonialen Charakters.
Hierin schafft der nationalsozialistische Gesetzgeber des Jahres 1937 einen vollkommenen Wandel. Ganz bewußt wird der Akt vor dem Standesbeamten in seinem Wesen auch insofern gehoben, als er auch der äußeren Form nach feierlich und zeremoniell ausgestaltet wird. Durch § 8 PStG wird ausdrücklich angeordnet, daß die Eheschließung „in einer der Bedeutung der Ehe entsprechenden würdigen und feierlichen Weise vorgenommen” wird. Was unter der „würdigen und feierlichen Weise” zu verstehen ist, hat die Dienstanweisung für die Standesbeamten und ihre Aufsichtsbehörden näher geregelt. (Die Dienstanweisung ist ihrem rechtlichen Charakter nach ein allgemeiner Verwaltungsbefehl der obersten Staatsbehörde für Standesamtsverwaltung an die Standesbeamten und ihre Aufsichtsbehörde, also keine Rechtsanordnung durch die Gesetzesrecht
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geschaffen worden wäre; die Dienstanweisung muß sich daher innerhalb des Gesetzes selbst halten). Durch § 444 dieser Dienstanweisung wird z.B. angeordnet, daß das Zimmer, in welchem die Eheschließung vollzogen wird, mit Blumen geschmückt werden könne. Falls die Gemeinde aus finanziellen Gründen hierzu in Ausnahmefällen nicht in der Lage sein sollte, so wird weiter angeordnet, daß die Brautleute selbst für die Ausschmückung des Zimmers sorgen dürfen. Sofern die Diensträume des Standesbeamten unzulänglich sein sollten, ist von der Gemeinde möglichst anderer würdiger Raum „etwa ein Sitzungszimmer oder das Dienstzimmer des Bürgermeisters zur Vornahme der Eheschließung zur Verfügung zu stellen”. Schließlich wird der Gemeinde freigestellt (§ 444 Absatz 3 der Dienstanweisung) den Standesbeamten zur Anlage einer Amtstracht bei der Eheschließung anzuhalten. Die Amtstracht soll sich „in Schnitt und Farbe von andren eingeführten staatlichen oder kirchlichen Amtstrachten deutlich unterscheiden”.
Nachdem der Standesbeamte ausgesprochen hat, daß die Verlobten kraft Gesetzes rechtmäßig verbundene Eheleute seien, soll er laut § 449 Absatz 1 der Dienstanweisung den Ehegatten seine Glückwünsche aussprechen.
Hochbedeutsam aber ist vor allem das Recht des Standesbeamten auf eine Ansprache, die die Bedeutung der Ehe und der Familie zum Gegenstand haben soll. Diese Ansprache kann sowohl vor wie nach der Eheschließung von dem Standesbeamten gehalten werden. Ob der Standesbeamte zu solchen Ausführungen das Wort nimmt, ist allerdings in sein Belieben gestellt. Es heißt insoweit in § 449 Absatz 1 Satz 2 der Dienstanweisung, daß es ihm „unbenommen” sei „in kurzen Worten auf die Bedeutung der Ehe und der Familie hinzuweisen”. Durch eine Generalklausel ist endlich vorgesehen, daß der Standesbeamte auch noch etwaigen besonderen persönlichen Wünschen der Verlobten um Ausgestaltung der Eheschließung im Rahmen vorhandener Möglichkeiten entsprechen kann (§ 449 Absatz 1 Satz 3 der Dienstanweisung). Während diese Bestimmungen heute geltendes Recht sind, ist der Runderlaß des Reichs- und Preußischen Ministers des Innern vom 10. April 1936, durch den bei der Eheschließung jedem Ehepartner das Buch Adolf Hitlers, „Mein Kampf”, ausgehändigt werden sollte, nur noch von historischer aber dennoch für den Gang der Entwicklung kennzeichnender Bedeutung (vergleiche Ministerialblatt des Reichs- und Preußischen Ministeriums des Innern 1936, Seite 538).
Im Hinblick auf diese äußere Ausgestaltung der Eheschließungsförmlichkeiten vor dem Standesbeamten war es nur folgerichtig, wenn das Ehegesetz des Jahres 1938 den § 18 (jetzt wiederholt durch § 14 des Kontrollratsgesetzes des Jahres 1946), durch den die Eheschließung im Sinne des alten § 1318 BGB geregelt wurde, ausdrücklich den Titel „TRAUUNG” beilegt.
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Demgemäß wird in der Dienstanweisung für die Standesbeamten und ihre Aufsichtsbehörden fast überall da, wo von Eheschließung die Rede ist, das Wort „TRAUUNG” daneben gesetzt. In dem 1939 von Otto Stölzel herausgegebenen Kommentar zum Personenstandsgesetz (Verlag für Standesbeamtswesen G.m.b.H., Berlin) wird zu § 8 (Seite 193 a.a.O.) diese Gesetzgebung dahin zusammenfassend gekennzeichnet daß nunmehr der standesamtliche Akt „als der Nachfolger der deutschen Trauung” angesehen werden müsse. Unterstreichend hebt Stölzel ausdrücklich hervor, daß der standesamtliche Akt „auch volksmäßig der eigentliche Heiratsakt” sei.
In der Linie dieser Entwicklung mußte es liegen, daß das Personenstandsgesetz aus dem Jahre 1937 den Kaiserparagraphen, § 82 a, altes PStG, ersatzlos beseitigte. Von den kirchlichen Verpflichtungen wird daher im Zusammenhang mit der Eheschließung nicht einmal mehr andeutungsweise geredet.
Der schlichte Formalakt, mit welchem sich die obligatorische Zivilehe des Jahres 1875 in das Rechtsleben des Volkes einführte, ist mithin durch die Personenstandsgesetzgebung des Jahres 1937 in eine „Eheschließungsfeier” umgestaltet worden (siehe Maßfeller, Kommentar zum gesamten Personenstandsrecht 1951, Überschrift zu § 8).
Wenn man zu diesem rechtsgeschichtlichen Ereignis von wahrhaft besonderer Bedeutung eine Anmerkung machen will, dann wäre die Aufmerksamkeit auf die Tatsache zu lenken, in welch geringem Maße die führenden Schichten der Nation von diesem Ereignis Kenntnis genommen haben.