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Grundsätze
§ 1
Das Familiengesetzbuch der Deutschen Demokratischen Republik regelt die persönlichen Beziehungen und die Vermögensverhältnisse zwischen Ehegatten, zwischen Eltern, Kindern und anderen Verwandten, zwischen Vormund und Mündel mit dem Ziele der Entwicklung und Festigung der Familie und der Erziehung der Kinder im Geiste der Demokratie, des Sozialismus, des Patriotismus und der Völkerfreundschaft.
§ 2
Die Ehe ist eine für das Leben geschlossene Gemeinschaft zwischen Mann und Frau, die, gegründet auf Gleichberechtigung, gegenseitige Liebe und Achtung, der gemeinsamen Entwicklung der Ehegatten und der Erziehung der Kinder dient.
§ 3
Die volle Gleichberechtigung der Geschlechter kann nur durch die Mitarbeit der Frau in Staat, Wirtschaft und auf allen anderen Gebieten des gesellschaftlichen Lebens verwirklicht werden. Deshalb gibt dieses Gesetz der Frau in der Familie eine Stellung, die ihr Recht auf Berufsausbildung und Berufsausübung mit ihren Pflichten als Frau und Mutter in Übereinstimmung bringt.
§ 4
Die Sorge für die Kinder ist nicht nur das Recht der Eltern, sondern zugleich ihre Pflicht gegenüber dem Staat, der Gesellschaft und den Kindern. Die Eltern können ihre verantwortungsvolle Pflicht der Erziehung der Kinder nur dann voll erfüllen, wenn sie dabei mit Schule und Jugendorganisation eng zusammenwirken.
Erster Teil
Die Ehe
1. Kapitel: Die Eheschließung
§ 7
Eine Ehe darf nicht schließen
1. wer schon verheiratet ist;
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2. wer mit dem anderen in gerader Linie verwandt oder dessen
Bruder, Schwester, Halbbruder oder Halbschwester ist;
3. wer wegen Geisteskrankheit, Geistesschwäche oder Trunksucht
entmündigt ist; von diesem Verbot kann in Ausnahmefällen der Rat
des Kreises Befreiung erteilen.
2. Kapitel: Die Ehegemeinschaft
§ 8
Lebensgemeinschaft
(1) Die Ehegatten sind einander zu ehelichen Lebensgemeinschaft
verpflichtet. Sie haben das Recht getrennt zu wohnen, wenn ihre
Ausbildung oder ihr Beruf es erfordert.
(2) Die sich hieraus für beide Teile ergebenden Rechte dürfen
nicht mißbraucht werden.
§ 9
Entscheidungen
Alle Angelegenheiten des gemeinschaftlichen Lebens sind von den Ehegatten in beiderseitigem Einverständnis zu regeln. Jedoch steht jedem Ehegatten die Entscheidung über das Erlernen oder die Ausübung eines Berufes, oder die Ausübung einer gesellschaftlichen Tätigkeit selbständig zu.
§ 10
Namen
(1) Die Ehegatten können entweder einen gemeinsamen Familiennamen
führen oder ihre bisherigen Familiennamen behalten. Als
gemeinsamer Familiennamen kann der Name des Mannes oder der Name
der Frau gewählt werde.
(2) Wollen beide Ehegatten ihren bisherigen Familiennamen
behalten, so haben sie bei der Eheschließung eine Entscheidung
darüber zu treffen, ob die gemeinschaftlichen Kinder den Namen
des Mannes oder den Namen der Frau tragen sollen. Die Kinder
müssen den gleichen Namen tragen.
(3) Die Entscheidungen nach Absatz 2 sind bei der Eheschließung
zu erklären und in das Familienbuch einzutragen. Sie sind
unwiderruflich.
2. Titel: Das Vermögender Ehegatten
§ 17
Grundsatz
(1) Das von jedem Ehegatten nach der Eheschließung durch Arbeit oder mit Hilfe von Arbeitseinkünften erworbene Vermögen, das gemeinsam genutzt wird oder sonst der gemeinsamen Lebensführung der Familie dient, ist gemeinsames Eigentum der Ehegatten (gemeinsames Vermögen). Bei Erwerb können die Ehegatten vereinbaren, daß ein Gegenstand nicht gemeinsamen Vermögen werden soll.
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(2) Eigentum jedes Ehegatten ist, was er sonst während der Ehe oder was er vor der Eheschließung erworben hat. Es unterliegt seiner Verwaltung und freien Verfügung.
§ 18
Gemeinsames Vermögen
Die Verwaltung des gemeinsamen Vermögens steht den Eheleuten gemeinschaftlich zu. Über seinen Anteil an dem gemeinsamen Vermögen oder am Recht an den einzelnen Gegenständen kann ein Ehegatten nicht verfügen.
§ 19
(1) Verfügungen eines Ehegatten über Gegenstände des gemeinsamen
Vermögens bedürfen der Zustimmung des anderen Ehegatten, soweit
sie nicht in Ausübung der gegenseitigen Vertretung (§ 11)
erfolgen.
(2) Verfügt ein Ehegatte ohne die erforderliche Zustimmung des
anderen Ehegatten über Gegenstände des gemeinsamen Vermögens, so
ist die Verfügung wirksam es sei denn, daß der Erwerber das
Fehlen der Zustimmung kannte oder kennen mußte.
§ 20
Bei Beendigung der Ehe erhält jeder Ehegatte die Hälfte des gemeinsamen Vermögens. Über die Verteilung entscheidet, falls eine Einigung nicht zustande kommt, das Gericht unter Berücksichtigung der Lebensverhältnisse der Beteiligten. Es kann insbesondere einem der Ehegatten das Alleineigentum an bestimmten Gegenständen gegen Erstattung des anteiligen Wertes an den anderen zusprechen.
§ 21
Die Vermögensgemeinschaft kann auf Antrag eines Ehegatten durch das Gericht aufgehoben werden, wenn es zum Schutze seiner Interessen erforderlich ist, insbesondere wenn sich die Ehegatten trennen, sofern dies die Lösung der ehelichen Gemeinschaft bezweckt oder zur Folge hat.
§ 22
Ausgleichung
Wenn eine Ehefrau durch die Erfüllung ihrer Pflichten als Hausfrau und Mutter nicht oder nur in geringem Maße in der Lage ist durch berufliche Tätigkeit einen Arbeitsverdienst zu erzielen, so kann ihr das Gericht bei Beendigung der Ehe außer ihrem Anteil am gemeinsamen Vermögen auch einen Anteil an dem während der Ehe durch Arbeit oder mit Hilfe von Arbeitseinkünften erworbenen Vermögen des Mannes zusprechen, der die Hälfte dieses Vermögens nicht übersteigt. Der Anspruch kann nach Ablauf eines Jahres nach Beendigung der Ehe nicht mehr geltend gemacht werden und ist nicht übertragbar und nicht vererblich.
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3. Kapitel: Die Beendigung der Ehe.
3. Abschnitt: Scheidung der Ehe.
§ 29
(1) Eine Ehe kann nur geschieden werden, wenn ernstliche Gründe
hierfür vorliegen und wenn das Gericht durch eine eingehende
Untersuchung festgestellt hat, daß die Ehe ihren Sinn für die
Eheleute, für die Kinder und für die Gesellschaft verloren hat.
Die eine Scheidung rechtfertigenden Umstände können auch vor der
Eheschließung eingetreten sein.
(2) Unter diesen Voraussetzungen kann das Gericht durch Urteil
die Ehe scheiden:
1. Auf übereinstimmende Anträge beider Ehegatten; sind
minderjährige Kinder vorhanden, so haben die Eheleute dem Gericht
einen gemeinsamen Vorschlag zur Regelung der elterlichen Sorge
vorzulegen, die das Wohl des Kindes sichert;
2. auf den Antrag eines Ehegatten, auch gegen den Widerspruch des
anderen, wenn die Folgen der Scheidung für den anderen Teil keine
unzumutbare Härte bedeuten und auch das Wohl der minderjährigen
Kinder einer Scheidung nicht entgegensteht.
Zweiter Teil
Eltern und Kinder
2. Abschnitt: Elterliche Sorge
1. Titel: Allgemeine Bestimmungen
§ 38
Inhalt der elterlichen Sorge
Die elterliche Sorge umfaßt das Recht und die Pflicht der
Eltern,
1. das Kind zu betreuen und für seine Gesundheit zu sorgen;
2. das Kind zu einem selbständigen und verantwortungsbewußten
Bürger des demokratischen Staates, der seine Heimat liebt und für
den Frieden kämpft, zu erziehen;
3. dem Kinde eine Berufsausbildung zu geben, die seinen
Fähigkeiten entspricht und es auf eine gesellschaftlich nützliche
Tätigkeit vorbereitet;
4. das Vermögen des Kindes zu seinem Besten zu verwalten;
5. das Kind zu vertreten.
§ 39
Ausübung der elterlichen Sorge
(1) Die elterliche Sorge ist Sache beider Elternteile, sie regeln
alle sich hieraus ergebenden Angelegenheiten gemeinsam.
(2) Ist ein Elternteil verhindert, so ist der andere berechtigt,
die elterliche Sorge allein wahrzunehmen. Dauert die Verhinderung
voraussichtlich nur kurze Zeit, so beschränkt sich diese
Berechtigung auf unaufschiebbare Angelegenheiten.
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(3) Steht einem Elternteil die elterliche Sorge nicht zu oder ist ein Elternteil verstorben oder für tot erklärt, so hat der andere allein die elterliche Sorge.
§ 44
Entziehung der elterlichen Sorge
(1) Der Rat des Kreises hat, wenn die Eltern die ihnen kraft der
elterlichen Sorge obliegenden Pflichten verletzen oder wenn das
Wohl oder die wirtschaftlichen Interessen des Kindes aus anderen
Gründen gefährdet sind, die erforderlichen Anordnungen zu treffen
und für ihre Durchführung zu sorgen.
(2) Der Rat des Kreises kann, wenn andere Maßnahmen nicht
ausreichen, die Unterbringung des Kindes in einer geeigneten
Familie oder in einem Heim anordnen. Nötigenfalls kann der Rat
des Kreises den Eltern oder einem der Eltern die elterliche Sorge
teilweise entziehen.
(3) Bei schwersten Versäumnis der elterlichen Pflichten kann als
äußerste Maßnahme die Entziehung der elterlichen Sorge auch in
vollem Umfange angeordnet werden. Die Entziehung wird auf Antrag
des Rates des Kreises durch das Gericht ausgesprochen.
4. Titel: Vertretung des Kindes
§ 58
(1) Die Vertretung des Kindes steht den Eltern gemeinsam zu.
Verweigert ein Teil seine Mitwirkung, so kann diese auf Antrag
des anderen Teils durch eine Entscheidung des Rates des Kreises
ersetzt werden, falls es im Interesse des Kindes erforderlich
ist.
(2) Bei Verhinderung eines Elternteils gilt § 39 Abs. 2.
(3) Ist dem Kinde gegenüber eine Willenserklärung abzugeben, so
genügt die Angabe gegenüber einem Elternteil.