Dombois, H.

Rechtsgeschichtliche und systematische Bemerkungen zum Eheschließungsrecht

1955

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Rechtsgeschichtliche und systematische Bemerkungen zum Eheschließungsrecht
(Strukturprobleme des Eheschließungsrechts, II. Teil)

 

Von Hans Dombois

 

I.

Rudolf Sohm entwickelt in seinem Buch von 1875 über die Eheschließung nach deutschem und kanonischem Recht die geschichtliche und grundsätzliche Trennung von Verlobung und Trauung, von eheschließender Abrede und Erfüllung des Heiratsversprechens. In der Rechtsgeschichte von Hübner befindet sich die nicht näher belegte Bemerkung, daß dieser Trennung ein Zustand vorausgegangen sei, in dem nur ein einheitlicher Rechtsakt vollzogen wurde. Die Auffassung Hübners hat gute Gründe in der Morphologie der Rechtsgeschichte. Alle alten Rechte kennen nur Realkontrakte und erkennen Consensualkontrakte nur widerstrebend und im Ausnahmefall an. Rechtsgeschäfte werden als objektive Kommunikation und Gewaltübertragung verstanden. Rechtsformen, in denen Consens und Vollzug geschieden sind, setzen bereits eine Differenzierung voraus, die nicht als ursprünglich angenommen werden kann. Andererseits berichtigt Siegfried Reicke (Weltliche und kirchliche Eheschließung, Band I, S. 27ff.) die Sohmsche Darstellung dahin, daß schon seit frühen Zeiten die Eheschließung als gestreckter Akt in mehreren, mindestens vier Abschnitten, herrschaftliche und genossenschaftliche Elemente vereinigte habe. Legt man diese Auffassung des geschichtlichen Befundes zugrunde, so ergibt sich bis zum Verschwinden der Sippenvertrags- oder Geschlechterehe ein doppelter Consensus: Der Vertragsschluß zwischen Gewalthaber und Bräutigam auf der einen un der Consens des Paares selbst, oder mindestens die nicht erzwingbare Zustimmung der Braut zur Muntübertragung. Zugleich ergibt sich in der Reickeschen Darstellung eine doppelte Publizität: Die öffentliche Umsippung der Braut zwischen den beiderseitigen Familien auf der einen, Heimführung und Beilager auf der anderen Seite. Der herrschaftliche wie der genossenschaftliche Teil der Eheschließung sind also jeweils in sich zweiaktig; sie umfassen jeweils Consens und Kundmachung, richtiger: Consens und öffentlichen Vollzug.

In diesen Rechtsbestand hat die Kirche im Laufe der Geschichte in ganz bestimmter Weise eingegriffen. Sie hat immer ein Interesse an der Ehe gehabt, nicht immer aber ein unmittelbares Interesse an

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der Gestaltung des Eheschließungsrechtes. Das wird schon bei Ignatius und Tertullian bezeugt; die bürgerlich geschlossene Ehe wird dem Bischof als dem Haupt der Gemeinde angezeigt. Es ist von daher verständlich, daß die Kirche, wenn auch in sehr verschiedener Weise, immer eine kirchliche Publizität der Ehebegründung angestrebt hat. Für die Gestaltung der Eheschließung selbst fehlten biblische Vorschriften und zunächst ein direktes theologisches Interesse. Das änderte sich mit der Ausbildung der Lehre von der Sakramentsnatur der Ehe, die mindestens seit Augustin die Theologie bewegte, aber erst auf dem IV. Lateran-Konzil 1215 förmlich dogmatisiert wurde. Die Consensehe entspringt einer Spiritualisierung, die mit dem Eindringen des kausalen Subjekt-Objekt-Schemas in das Denken zusammenhängt. Der rein innerliche Wille des Subjekts bringt die Rechtswirkung als Objekt hervor. Zugleich nimmt damit die Ehe entgegen ihrem früheren Charakter als realer Vergemeinschaftung zunehmend die typischen Merkmale des obligatorischen Vertrages, der Selbstverpflichtung zu einem Tun an; der Statuscharakter wird abgebaut und der institutionelle Gehalt der Verfügung der Partner zunächst im Ansatz, dann praktisch preisgegeben. Dem ethischen Mißverständnis der Ehe wird die Tür geöffnet. Diese Spiritualisierung des Instituts steht in direkter geistesgeschichtlicher Parallele zu dem gleichen Vorgang im Bereich des Eigentumsrechts (vgl. Dombois, Mensch und Sache, Zeitschrift für die gesamte Staatswissenschaft, 1954, Seite 239ff), im Kirchenrecht (absoluter ordo) und Staatsrecht (Ausbildung des Souveränitätsbegriffs).

Die endgültige Fixierung der Lehre vom Ehesakrament im IV. Laterankonzil (1215) und ihre Einordnung in die Ordolehre bedeutet einen konservativen Versuch, die Objektivität der Ehe im Zeitpunkt einer tiefgreifenden Zersetzung und Subjektivierung zu sichern, wie denn die Scholastik weithin überhaupt einen solchen Versuch darstellt. Consensprinzip, Sakramentstheorie und kirchliche Beteiligung am Eheschluß sind jedoch in der römischen Theorie nie zu einem wirklich schlüssigen Ausgleich gekommen, zumal die kirchliche Mitwirkung wie auch die spätere Regelung des Tridentinischen Konzils grundsätzlich humani iuris ist. War nämlich die Ehe ein Sakrament und die Eheschließenden selbst, nicht der Priester Spender des Sakraments, so mußte die Kirche den Consens (mit oder ohne copula carnalis) als ausreichend zur Begründung einer gültigen Ehe annehmen und die gleiche Anerkennung vom weltlichen Recht fordern. Über das Sakrament hinaus durfte nach weltlichen und geistlichem Recht nichts mehr zur Gültigkeit des Eheschlusses gefordert werden. Ob man dies unter den Begriff des jus divinum oder des jus naturale brachte, war relativ gleichgültig. Alle kirchlichen Vorschriften, die trotzdem Publizität ds Eheschlusses verlangten, waren demgegenüber immer niederen Ranges, hatten nur disziplinaren Charakter und waren nicht geeignet, die Ungültigkeit des

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Eheschlusses zu begründen. Die Kirche war also gegen ihre eigenen Disziplinarordnungen gezwungen, die Gültigkeit der clandestinen Consensehen anzuerkennen. Sie griff andererseits in das Eherecht immer nur soweit ein, als der Sakramentsbegriff dies erforderte. Zur Auslegung und Geltendmachung dieser Rechtsgrundsätze jedoch fühlte sie sich berufen. Erst jenseits dessen nahm sie, soweit sie an der Eheschließung Anteil erlangte, eigentliche weltliche Funktionen wahr.

Luther verneinte die Sakramentsnatur der Ehe und erklärte sie zum weltlich Ding, welches der Regelung durch die weltlichen Obrigkeiten unterworfen sei. Er nahm sie damit aus dem System der scholastischen Ordolehre heraus, in welcher dem sacramentum clericorum, der Priesterweihe, das sacramentum laicorum, die Ehe entsprach. Daß hiermit nicht eine Profanität der Ehe gemeint war, ist oft verkannt worden. Daß auch die Ehe wie alle weltliche Ordnung unter Gottes Wort und Gebot stehe, war ihm selbstverständlich. mit der Abwehr dieses aufgeklärten Mißverständnisses ist jedoch der eigentliche Tatbestand noch nicht aufgedeckt. Er tritt eigentlich erst in Luthers Streit mit dem Kanzler Schürff und den Juristen hervor. Mit der ihm eigenen Schärfe wendet er sich gegen die rechtliche Anerkennung der bloßen Consensehen. Dabei macht er zwei Argumente geltend. Die (heimlichen) Consensehen verwirrten, so betont er, die Gewissen. Daß aus dem Mangel der Publizität die größten Mißstände, bigamische Verhältnisse, Heiratsschwindel, Verwirrung der Rechtsverhältnisse hervorging und die bischöflichen Gerichte damit nicht fertig wurden, ist vielfach dargestellt worden und war ganz unbestreitbar. Sicherlich aber machten diese streitigen und Mißbrauchsfälle doch nur einen Teil aus. Es fragte sich, ob die Juristen auf die persönliche Autorität und das seelsorgerliche Wort Luthers hin befugt waren, entgegen Gewohnheitsrecht und Rechtsprechung von Jahrhunderten, den Consensehen ohne Publizität einfach die Anerkennung zu versagen.

Man hat merkwürdigerweise die Konsequenzen dieser Forderung in den historischen Darstellungen nie erwogen. Die Sorge um die Minderheit seelsorgerlicher Fälle der Verwirrung und des Mißbrauchs führte zur Forderung neuer allgemeingültiger Rechtserfordernisse, zugleich aber zur Verneinung des Rechtsbestandes des bis dahin unbestrittenen Consensehen! Was de lege ferenda zu begründen war, war de lege lata ein Unrecht. Luther hat dies unbedenklich mit einem apodiktischen Urteil darüber, was Ehe sei und was nicht, vermengt. Erst die Kirchenordnungen und das tridentische Konzil haben durch positive Anordnung (siehe unten) diesen Widerspruch beseitigt. Es zeigt sich aber, daß man eine solche Stellungnahme Luthers nur unter genauer Beachtung der Rechtslage richtig verstehen und bewerten kann.

Der juristische Gesichtspunkt, der notwendig auf die allgemeine Regelung ging und sich von der positiven Rechtslage nicht einfach

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entfernen konnte, und das seelsorgerliche Bestreben, vielen einzelnen gerecht zu werden, stießen hier zusammen. Hier griff das zweite Argument Luthers ein. Er forderte unter Berufung auf das vierte Gebot grundsätzlich die Beteiligung der Eltern oder sonstiger Gewalthaber beim Eheschluß.

Weit wichtiger als sein Argument selbst ist die Art seines Vorgehens. Auch hier greift ein göttliches Gesetz, in diesem Falle das geoffenbarte Gebot, in das konkrete Recht der Eheschließung ein, es nicht aufhebend, aber zum Teil verwandelnd. Auch hier hält sich der Diener der Kirche zur Auslegung und Geltendmachung dieser absolut geltenden Vorschrift gegenüber den weltlichen Gewalten berufen. Luthers Begründung ist eine völlig andere als die der Scholastik; die Art seines Vorgehens, sein Anspruch auf Mitbestimmung in dieser Frage ist genau der gleiche wie der der römischen Kirche mindestens seit 1215. Trotz der Erklärung der Ehe zum weltlichen Ding ist ihm seine Kompetenz, die der Kirche und des Theologen keinen Augenblick zweifelhaft. Sie wird gar nicht erörtert.

Die These von der Weltlichkeit der Ehe bedeutet also praktisch nur die Verneinung ihrer Sakramentsnatur und die Herausnahme aus der Heilsordnung, sonst nichts. Sie tritt, so verstanden, aus dem Bereich des 2. Glaubensartikels in den des 1. ein. Mit der gleichen theologischen Folgerichtigkeit hat umgekehrt das tridentinische Konzil die Lehre Melanchthons, daß zum Eheschluß außer dem Consens die Zustimmung der Gewalthaber erforderlich sei, förmlich verworfen. These und Antithese liegen auf der gleichen Ebene.

Die Gegenüberstellung von „weltlicher” Ehe und sakramentaler Ehe gerät jedoch in ein eigentümliches Licht, wenn wir über diese Formel hinaus die Äußerung Luthers vom 20. Juni 1544 (zitiert von Jordahn in Band VI, Seite 84) berücksichtigen. Es heißt dort an der entscheidenden Stelle:

„Nein Sed loquere cum parentibus, et ego, ut fiat ipsorum consensu, ut fiat autoritate divina, politica et oeconomica, ut sciant, das sich nicht verloben, i.e. sich selbst stelen, ut servent parentes bay der Macht quam Deus eis dedit” (20. Junii 1544 W 49; 321, 8-13).

Die Forderung nach der Zustimmung der Gewalthaber wird hier in Verbindung gebracht mit der Dreiständelehre, die von Luther schon im „Sermon vom Abendmahl” entwickelt worden ist. Die autoritas divina, politica et oeconomica werden nebeneinander gestellt. Im Sinne dieser lehre ist die autoritas divina die autoritas ecclesiastica, da die alle umfassende und tragende göttliche Autorität nicht mit den beiden anderen Autoritäten verglichen werden kann. Autoritas politica ist das weltlich-politische Regiment der Obrigkeit; Autoritas oeconomica ist die Hausvaterschaft. Dies kann entweder heißen, daß die Ehe sowohl dem geistlichen, wie dem weltlich-politischen wie dem familienhaften Bereich angehört — oder aber, daß die autorisierenden Eltern als solche in ihrer Person und in ihrem Handeln alle drei Stände in sich vereinen. Beide Deutungen

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aber führen jedenfalls zu der Folgerung, daß auch nach Luthers Auffassung die Ehe mehrere, und zwar gerade die drei Aspekte der Ständelehre einschließlich des kirchlich-geistlichen in sich vereinigt. Das ist auch zur Korrektur der glatten Formel von der Weltlichkeit der Ehe hervorzuheben. Es ist damit auch mehr gesagt, als die allgemeine und ins Ethische mißdeutbare Unterstellung der Ehe unter Gottes Wort, die ohnehin für beide Regimente und alle drei Stände gilt. Die Isolierung der Ehe zu einem Privatbereich, mit oder ohne elterliche Zustimmung, mit oder ohne glaubensmäßige Unterstellung unter das Wort Gottes, ihre Herauslösung aus dem kirchlichen und bürgerlich-öffentlichen Zusammenhang ist hier ausgeschlossen. Luthers Anschauung ist viel objektiver und zugleich differenzierter als die des modernen Protestantismus, der durch die Ablehnung der Sakramentsnatur der Ehe diese der Verfügung der Eheschließenden preisgibt. Denn gerade Luther macht klar, daß die Ehe nicht durch den Consens allein, sondern erst durch das Hinzutreten jener dreifachen Autorität vollständig wird, mag diese von den Eltern allein, oder von der Repräsentanten der drei Stände des corpus christianum gesondert ausgeübt werden. Was Luther entschlossen festzuhalten bestrebt ist, wird für uns heute nach langer Verkennung in dem etwas anderem Zusammenhang des Publizitätsproblems wieder deutlich.

Eine Ausscheidung der „weltlichen” Ehe aus dem geistlich-kirchlichen Bereich, eine autonome Regelung durch die weltliche Gewalt ist auch im Bereich der lutherischen Reformation nicht erfolgt. Gedankengänge, wie sie der modernen Zivilehe zugrunde liegen, waren für sie überhaupt nicht vorhanden. Im Gegenteil: Der kirchliche Einfluß auf die Eheschließung verstärkt sich sogar fortschreitend, indem gleichlaufend die römische Kirche im tridentinischen Konzil und die reformatorischen Kirchenordnungen die kirchliche Eheschließung zur Norm erheben. Schon nach kurzer Zeit übernahmen mit auf Luthers Betreiben, wenn auch später nicht immer mit seiner Billigung im einzelnen — die lutherischen Konsistorien die Ehegerichtsbarkeit und damit praktisch die Zuständigkeit der früheren bischöflichen Gerichte. Die Ausnahme von dieser Entwicklung bilden die Niederlande und das Cromwellsche England als calvinisch-puritanische Länder. Die Niederlande waren das Gebiet der größten Konfessionsmischung. Hier wird 1580 für Reformierte die fakultative, für Dissidenten die obligatorische Zivilehe eingeführt. Cromwell führt 1653 die obligatorische Zivilehe ein, die jedoch schon nach zwei Jahren durch die Eheschließung vor der kirchlichen Gemeinde ersetzt wird. Der Calvinismus bereitet den Umschlag in rein säkulare Formen vor. Die nächste Etappe ist dann die Einführung der Zivilehe im revolutionären Frankreich.

Es ist wichtig und merkwürdig, daß die kirchlich-theologische Haltung in einer Parallele zur Tendenz der rechtsgeschichtlichen Entwicklung verlaufen ist. Die scholastische Consenstheorie setzt

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sich zur selben Zeit durch, in der durch den Zerfall der Geschlechtsverbände der herrschaftliche Teil des Eheschließungsvorgangs allmählich zum Verschwinden kommt. Diese Richtung hat sich aber nicht einfach gradlinig fortgesetzt, sondern erfährt vom 16. bis 18. Jahrhundert einen deutlichen Rückschlag. In diesen Jahrhunderten wird immer stärker der freie Consens der Ehegatten zugunsten einer Beteiligung der Gewalthaber oder des Priesters oder beider zurückgedrängt. Noch das aufgeklärte Allgemeine Landrecht von 1794 sieht eine Eheschließung ausschließlich durch den Priester, nicht vor ihm vor. Diesem rechtsgeschichtlichen Zuge entspricht genau der theologische. Über den Consens hinaus wird Beteiligung der Eltern und kirchliche Publizität des Aktes gefordert. Trotzdem sind die rechtliche und die theologische Entwicklung nicht einfach voneinander abzuleiten. Es haben weder die Theologen nachträglich die Argumente für die Rechtsentwicklung beigebracht, noch ist diese einfach aus der theologischen Entwicklung zu erklären. Das Mittelalter vom 13. bis 15. Jahrhundert war in einem für uns unbegreiflichen Maße zu gesetzlichen Regelungen außerstande. Es hatte an allgemein gültigen Gesetzen ebenso viel zuwenig wie wir heute zuviel haben. Willy Andreas hat dieses Chaos in seinem Buch „Deutschland vor der Reformation” sehr lebendig geschildert. Was man in jener Zeit zuwenig hatte, wurde dann vom 16. bis 18. Jahrhundert durch eine durchgängige autoritative und schließlich höchst staatsfreudige Tendenz nicht nur ausgeglichen, sondern überkompensiert.

Als letzteres rechtsgeschichtlich bedeutsames Moment ist die zweite, die rationalistische Welle des Naturrechts vom 17. Jahrhundert ab zu erwähnen. Alles Naturrecht lebt immer von dem naiven Glauben, zeitlos gültige Rechtssätze zu verwirklichen, während es in Wahrheit historische Gestaltungen durch ebenso geschichtsbedingte neue Gestaltungen ablöst. Das rationalistische Naturrecht war den Formen des späten römischen Rechts kongenial und gleichzeitig. Während das kanonische Recht die deutschrechtliche Doppelstruktur der Eheschließung nicht aufhob, sondern nur modifizierte, zerstörte die Willenstheorie der Aufklärung diese Doppelstruktur und machte sie zu einer eingleisigen (s. Dombois, a.a.O., Seite 99ff.).

 

II.

Wir sollten nicht versäumen, den systematischen Ertrag dieser geschichtlichen Entwicklung ebenso scharf im Auge zu behalten, wie es Sohm immer wieder getan hat. Schon in meinem früheren Aufsatz über Strukturprobleme des Eheschließungsrechts habe ich darzulegen unternommen, daß die Doppelung von Verlobung und Trauung nicht lediglich eine historische, zeit- und volksbedingte Form ist, sondern einen Sachbezug zum Wesen der Ehe überhaupt hat, zu Elementen, die in Gestalt von Ehehindernissen und Ehevoraussetzungen immer und überall wieder auftreten. Hinter der Rechtform

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stehen echte anthropologische Probleme. Diesen Gedanken gilt es weiterzuführen.

Auf verschiedenen Ebenen der Betrachtung ergibt sich nun in der konkreten Gestaltung des Eheschließungsrechts eine Doppelung der Phänomene:
Verlobung (negative Ehewirkungen) — Trauung (positive Ehewirkungen)
Ehehindernisse (Geschlechtstabu) — Ehevoraussetzungen (connubium).

In der Verlobung werden alle anderen einzelnen Personen, durch die Ehehindernisse bestimmte Gruppen ausgeschlossen. In der Trauung wird die Ehefrau in den sozialen und rechtlichen Status des Mannes hineingenommen; die potentielle und generelle Gemeinsamkeit des Status wird im Connubialverhältnis begründet bzw. vorausgesetzt. Die beiden Begriffspaare unterscheiden sich also dadurch, daß das eine auf der individuellen, das andere auf der sozialen Ebene liegt. Danach läßt sich nunmehr das juristische Gesamtproblem der Eheschließung systematische auf das Verhältnis von Consensus und Publizität zurückführen.

Was heißt jedoch Publizität? Nach dem früher Gesagten und schon eben Angedeuteten ist hier unter Publizität weit mehr zu verstehen, als die nur zweckhafte Kundmachung des Consensus zur Ausschaltung von Zweifeln an dem rechtlichen Bestande der Ehe. Im Gegenteil ist dieses Verständnis seinerseits eine rationalistische Verkümmerung. Durch diese Publizität erlangen vielmehr erst die Eheschließenden innerhalb der sie tragenden Rechtsgemeinschaft den Status als Ehegatten, erlangt die Frau Teil an dem rechtlichen, sozialen und wirtschaftlichen Status des Mannes. Wenn die Bettdecke über dem Kopf zusammenschlägt, sind beide gleich reich, sagt das alte Recht; selbst das Beilager war noch ein öffentlicher Akt. Das Mädchen hat nach alter Rechtsanschauung gegen den Vater einen Anspruch auf standesgemäße Verheiratung. Diese öffentliche Seite der Ehe ist deutlich in der schönen Definition der Ehe in den Digesten enthalten, wo es heißt:

„nuptiae sunt conjunctio maris et feminae et consortium omnis vitae, divini et humani iuris communicatio D 32, 2. I, 21”

Durch die Publizität, d.h. durch die öffentliche und verantwortliche, nicht ohne weiteres lösbare Vergemeinschaftung des gesamten Lebens, unterscheidet sich die Ehe vom Konkubinat, vom freien Liebesverhältnis und von der „Ehe auf Probe”. Mit Recht sind daher alle diese Formen immer minderbewertet worden, weil in ihnen der institutionelle Charakter und die Verantwortlichkeit der Partner fehlen, oder unzulänglich entwickelt sind.

Erst durch die Publizität gewinnt die konkrete Ehe ihren vollen institutionellen Charakter. Institutio ist nicht nur eine statische Größe, eine Art rechtlicher Rahmen, sondern zugleich ein Vorgang, nämlich des Hineinsetzens in einen Status. Deswegen muß einem

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privatistischen Verständnis der Ehe klar entgegengetreten werden. Die Publizität der alten Geschlechterehe gehört noch einem Zeitbereich an, in welchem die fragwürdige Scheidung von öffentlichem und Privatrecht im heutigen Sinne noch nicht vollzogen war. Der hier verwendete Begriff der Publizität ist sofort in dem Sinne mißverstanden worden, als handle es sich vorzugsweise um die Kundmachung eines an sich vollständigen Rechtsaktes. Wie ausgeführt, handelt es sich aber um den Statuscharakter der Ehe als status publicus. Jener komplementäre Gegensatz von Consensus und Publizität kann daher auch als Akt und Status begriffen und bezeichnet werden. Gegen die Neigung, Rechtsinstitute zweckhaft zu mißdeuten, ist nur sehr schwer anzukämpfen.

Es ist nun wichtig, festzustellen, daß die Träger dieser Publizität geschichtlich gewechselt haben. Zunächst waren es die beteiligten Geschlechtsverbände, damit praktisch wohl immer in gewissem Umfange die bäuerliche Gesamtgemeinde. An die Stelle der Geschlechtsverbände trat dann, soweit die Ehe nicht überhaupt sich zu Unrecht privatisierte und in der Clandestinität versank, in erster Linie die Kirche. Eine staatlich-obrigkeitliche Mitwirkung und Publizität ist erst in der Linie 1580 (Holland), 1653 (Cromwell), 1789 (Frankreich) festzustellen. Die weltliche Eheschließung auch im Reformationszeitalter durch öffentliche Aufführung der Braut durch die Straßen mit Musik, geschieht völlig ohne öffentlich-rechtliche Mitwirkung der Obrigkeit als solcher; insbesondere fehlt jede weltliche Registrierung. s besteht also immer ein echtes Publizitätsproblem; aber dieses ist nicht gleichbedeutend mit einem staatlichen Anteil an der Eheschließung. Ferner ist zu erkennen, daß Eheschließung und Ehegerichtsbarkeit nicht ohne weiteres zusammenhängen. Wenn in alten Volksrechten eine Witwe zur Wiederverheiratung erst durch das Königsgericht ihrer Irregularität entkleidet werden mußte, so besagte das nichts für die Eheschließung selbst. Zu dieser waren die Geschlechtsverbände ohne Königsgewalt imstande. Die Publizität ist nun ausgesprochen unterentwickelt zur Zeit der clandestinen Ehen vom 13. bis 16. Jahrhundert; sie wird umgekehrt überentwickelt durch die Tendenz zur Eheschließung durch Priester oder Staat vom 16. bis 19. Jahrhundert. Aber das Moment der Publizität ist immer da und sein Mangel macht sich dort, wo es vernachlässigt wird, sehr störend bemerkbar.

Consens und Publizität sind das dritte Begriffspaar neben dem schon genannten oder ihre letzte Reduktion. Für unser Problem der fakultativen Zivilehe ist nur die Frage entscheidend, wer der legitime Träger dieser Publizität ist. Vom konkreten Consens und vom Consensprinzip überhaupt aus kann diese Frage nicht beantwortet werden. Es ist kein sozusagen naturrechtliche Forderung, daß die consentierenden Ehegatten sich die Publizität suchen können, die ihnen genehm ist. Denn indem sie den Eheconsens schließen, bestimmen sie nicht den Inhalt der Ehe; dieser ist vielmehr in der

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Institution vorgegeben. Die Publizität ist ein selbständiges, dem Consens gleichwertigen Moment; keines von beiden kann das andere ersetzen oder bestimmen. Der Wille der Eheschließenden bestimmt nicht den Inhalt des Instituts, und keine öffentliche Macht bestimmt als solche den Eheschließungswillen oder kann ihn ersetzen. Auch der Entschluß des Geschlechtsvormunds, seinem Mündel einem Manne zur Ehe zu geben, ist sozusagen ein privater. (Vgl. hierzu die Ausführungen a.a.O., S. 101.)

Nun haben aber weltliche und kirchliche Publizität der Ehe seit Beginn der Christenheit nebeneinander in sehr verschiedenen Mischungen und Verhältnissen bestanden. In der frühchristlichen Zeit wird die Ehe nach weltlichem Recht öffentlich geschlossen, aber dem Bischof als dem öffentlichen Repräsentanten der Gemeinde angezeigt. Die germanische Geschlechterehe wird nach der Hochzeit kirchlich benediziert. Später übernimmt die Kirche vor dem Kirchgebäude die weltliche Publizitätsaufgabe und vollzieht die kirchliche in der Trauung. Auf die öffentliche Aufführung der Braut in der Reformationszeit wurde schon hingewiesen. Erst später setzt sich die Tendenz durch, zunächst die Ehe nur durch und in der Kirche schließen zu lassen (so noch ohne Rücksicht auf Dissidenten die Vorschrift des Allgemeinen Landrechts von 1794); umgekehrt die Tendenz, die Ehe nur durch den Staat zu schließen, der die kirchliche Trauung völlig ignoriert. Es ist schon eine Milderung dieser Ausschließlichkeit, wenn unter dem Zeichen des Abbaus des Kulturkampfes das Personenstandsgesetz 1874/75 dahin verändert wird, daß die Ehe nicht durch, sondern vor dem Standesbeamten geschlossen wird. Beide Formen, auch die für alle verbindliche ausschließliche kirchliche Eheschließung sind im Grunde Formen des Auseinanderfalls von weltlichem und kirchlichem Bereich, der Auflösung ihres echten Beziehungsverhältnisses — gegen den äußeren Anschein.

Im Grunde richtet sich nun die Gestaltung des Eheschließungsrechts nach der jeweiligen Vorstellung des Verhältnisses von Kirche und Staat im allgemeinen. Der absolutistische Territorialstaat betrachtet die Kirche als in territorio und de territorio und stellt eine scheinbare Einheit her, indem er die Geistlichen aller Bekenntnisse als Eheschließende benutzt. Eine rein profane Staatsauffassung privatisiert die Existenz der Kirche und verhält sich ebenso mit der kirchlichen Eheschließung. Anders sieht es sich wieder vom Standpunkt der Kirch an. Solange und soweit die Kirche (die römische Kirche, aber auch lange Zeit die evangelischen Landeskirchen) als Staatskirche den Staat zu beherrschen und damit Positionen zu halten versucht, versucht sie auch die Ausschließlichkeit der kirchlichen Eheschließung gleichviel unter welchem Titel zu halten. Wo das nicht mehr möglich ist, sucht insbesondere die römische Kirche die Bedeutung der weltlichen Publizität möglichst herabzusetzen. Sie tut so, als ob nur der private Consens und die kirchliche Publizität

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vorhanden seien. Dieser Standpunkt findet eine relative Rechtfertigung nur darin, daß ja der Staat in der Tat erst spät und stellvertretend in die Rolle des vorstaatlichen Geschlechtsverbandes eingetreten ist, und daß der Vater Staat der leiblichen Vater, die konkrete personale Autorität in wesentlichen Dingen gerade nicht zu ersetzten vermag. Dies verkennt eine gewisse etatistische Tendenz des Liberalismus, welche oft vielfach fälschlicherweise für evangelisch gehalten wird.

Im Grunde handelt es sich um das Verhältnis von Gesetz und Evangelium, von Kirche und Welt und erst spät von Kirche und Staat im speziellen. Das Gesetz gilt für alle; und auch die natürliche Ehe ist theologisch unbestritten eine echte und volle Ehe. Das Evangelium ist für alle verkündigt, aber es wirkt nicht ohne den Glauben; dieser aber kann dem Ungläubigen nicht als Gesetz auferlegt werden. Freilich wird für den Christen das wahre Wesen der Ehe erst durch die Unterstellung unter das Wort Gottes aufgedeckt.

In einer grundsätzlichen Vorentscheidung ist sich allerdings die christliche Kirche in allen ihren Zweigen zu allen Zeiten einig: an der Ehe kann und soll kirchlich gehandelt werden, und zwar in einer ganz spezifischen Weise. Dieser Grundsatz ist ein gemeinchristlicher in Lehre und Kirchenrecht. Es gilt ohne Rücksicht auf alle theologischen Unterschiede in der Lehre von der Ehe, insbesondere unabhängig vom Sakramentsgedanken. Die Bibel gibt kein Zeremonialgesetz für die Schließung der Ehe, aber sie sagt in Matth. 19 etwas viel Wichtigeres, daß nämlich Gott bei aller Willkür menschlicher Eheschließung in dieser auf geheimnisvolle Weise mithandelt. Mit ethischen Begriffen kann dies nicht deutlich gemacht, sondern nur mißdeutet werden.

Nun zeigt die sehr unterschiedliche Haltung der einzelnen Teilkirchen und Bekenntnisse zur Eheschließungsfrage ein sehr eigenartiges und aufschlußreiches Gefälle, von der griechischen über die römische, lutherische bis zur reformierten Kirche. Die rechtsvergleichende Darstellung von Bergmann in diesem Bande zeigt in anderem Zusammenhang bei näherer Untersuchung, daß in der griechischen Kirche die Bedeutung der weltlichen Eheschließung am weitesten zurückgedrängt ist. Die Ehe ist am stärksten in die Kirche hineingenommen — und zwar noch stärker als in der römischen. Die römische Kirche hat den Bestand der natürlichen Consensehe nie bestritten und lediglich de jure humano im Tridentinischen Konzil die Ausschließlichkeit der Eheschließung vor dem Priester verfügt; diese Vorschrift ist dispensabel und auch tatsächlich für große Gebiete außer Kraft gesetzt, in denen die Möglichkeit zur katholisch-kirchlichen Eheschließung nicht ausreichend gewährleistet ist. Natürlicher Consens und kirchliche Mitwirkung sind so streng verbunden, bleiben aber dem Wesen nach geschieden. In der griechischen Kirche sind sie miteinander völlig verschmolzen, ist die weltliche Seite in die kirchliche hineingenommen. Das entspricht dem Verständnis der

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orthodoxen Kirche von der mystischen Heiligung des Weltlichen durch das Geistliche und deren Harmonie. Im Bereich der westlichen Kirchen dagegen handelt es sich um wesentliche Akzentverschiebungen in der Zusammenordnung beider getrennten Elemente. Die Sakramentslehre der römischen Kirche setzt das Schwergewicht auf die geistliche Seite. Daraus erklärt sich auch zum Teil die Abwehrhaltung gegen die weltlich-staatliche Publizität. Im bewußten (und zum Teil polemischen) Gegensatz dazu verlagert sich in der lutherischen Kirche das Gewicht nach der weltlichen Seite.

Die reformierte Kirche unterscheidet sich davon erkennbar nicht wesentlich; der vor jedem eigentlichen Säkularismus im heutigen Sinne schon früh auftretende Gedanke der Zivilehe (1580/1653), für den jeder vergleichbare Ansatz im lutherischen Bereich fehlt, zeigt jedoch, daß die Ehe hier der reinen Weltlichkeit doch noch um einen Grad nähergerückt ist. Der Anspruch auf die Ehe wird sicherlich hier nicht ermäßigt, aber ein kirchliches Handeln bei der Eheschließung selbst verliert in mehr oder minder hohem Grade Realität und damit Bedeutung. Alle denkbaren Beziehungsformen zwischen Kirche und Welt zeichnen sich also in diesem Gefälle ab. Mit sehr bedeutenden Unterschieden neigen die griechische und die römische Kirche mehr zur Verbindung, die reformatorischen Kirchen zur Trennung der Bereiche.

Danach ist die Ehe eine doppelseitige Größe, nicht eine res mixta im Sinne substantieller Vorstellungen, sondern eine res bilateralis.

Diese Mehrschichtigkeit hat auch Luther im Auge, wenn er im Rahmen der Dreiständelehre von der dreifachen autoritas spricht, die für den Eheschluß notwendig sei. Hier gabelt sich die weltliche Seite in zwei Zweige, den status politicus und den status oeconomicus. Der status oeconomicus ist durch die Mündigkeit der Eheschließenden, die im Regelfall der elterlichen Zustimmung nicht mehr bedürfen, zur Autonomie der Partner aufgehoben. Die autoritas im Ganzen ist sachlich nichts anderes als das, was hier als Publizität dargestellt wurde, als die objektive Seite der Ehe, die in diesen status hineingeschlossen wird.

Sie hat eine weltlich-gesetzliche Seite, die von der weltlichen Öffentlichkeit und ihrem Träger auch in aller Unvollkommenheit, und eine geistliche Seite, die von der Kirche zu vertreten ist und die dem Ungläubigen verborgen bleibt. Insofern ist die als profan verstandene, rein weltliche Ehe eine unvollkommene. In der alten vorchristlichen Sakralität fällt beides zusammen, was in der Christenheit weder vermischt noch getrennt werden darf. Deswegen kann in der Antike eine nur profane Ehe gar nicht gedacht werden. Eine völlig profane Ehe ist nur aus der Opposition gegen den christlichen Glauben, nicht von der Sache selbst her denkbar. Eine profane Ehe ist im Grunde genomen eine Not und Verlegenheit, wie sich in dem wohlmeinenden ethischen Gerede der Standesbeamten deutlich widerspiegelt. Die kirchliche Eheschließung als solche kann jedoch

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die weltliche Publizität von ihrem eigenen Ansatz aus nicht, sondern höchstens stellvertretend übernehmen. Insofern muß man also die Scheidung von Eheschließung und Trauung und ihre Aufteilung zwischen weltlichen Öffentlichkeit und Kirche, wie sie in dem vorigen Aufsatz in sachlichem Anschluß an Sohm entwickelt wurde, noch ergänzen durch eine besondere Betrachtung des Verhältnisses von Kirche und Staat als Publizitätsträger.

Das liberale Verfassungsrecht kennt weder Geburts- noch Berufsstände, noch einen vorgegebenen öffentlichen Bekenntnisstand mehr. Es kennt aber im Grunde auch keinen Status der Geschlechter mehr, sondern nur noch gleichberechtigte Menschen verschiedenen Geschlechts. Diese Verschiedenheit soll nicht hervorgehoben, sondern so viel als möglich rechtlich ihrer Bedeutung entkleidet werden. Damit ist zugleich das Ende der Geschlechterordnung erreicht, welche Träger der Wertmaßstäbe auch für die Ehe gewesen ist. Sie ist aus dem Bereich des Rechtlichen in die relative Unverbindlichkeit der Gewohnheit und Sitte abgesunken. Die Allgemeinheit der rechtsgleichen Staatsbürgerschaft ist kein Ersatz für die Sippe, der Staat kein Ersatz für den leiblichen Vater. Die Kirche kann nicht unterlassen zu sagen, daß hier auf dem Boden einer liberalen Pseudoeschatologie auch eine eschatologische Aufhebung der Geschlechter vollzogen wird, deren Tragweite auch im kirchlichen Raum weithin verkannt wird. Dennoch ist der Staat in einem Rest immer noch Repräsentant des Gesetzes im theologischen Sinne, wenn er auch nichts mehr als nur eine Notordnung für die zerfallenen vorstaatlichen Verbände ist. Gerade deshalb wird die Eigentlichkeit und Objektivität der Ehe in steigendem Maße fast nur noch in der Kirche aufgezeigt und ernstgenommen. Auch von dem hier entwickelten, weitergefaßten Gesichtspunkt ist demnach eine Teilung zwischen weltlicher Eheschließung und kirchlicher Trauung angezeigt, wobei in der weltlichen Eheschließung bei genauer Interpretation Consens und Publizität zusammenfallen, freilich eine Publizität, die im liberalen Sinne aufs äußerste entleert ist. Die kirchliche Trauung vermag, wie die Geschichte zeigt, den bürgerlichen Consens in sich aufzunehmen, ihn sozusagen mitzutragen. Aber sie ist nicht notwendig mit ihm verbunden. Die bürgerliche Rechtswirksamkeit der kirchlichen Trauung ist für die Wahrung des Geheimnischarakters der Ehe grundsätzlich gesehen nicht wesentlich; daß er praktisch in der Verbindung beider Elemente weithin besser bewahrt worden ist, ist eine ernste Mahnung, das Wesen kirchlicher Trauung deutlicher herauszustellen. „Das Geheimnis ist groß; ich spreche aber von Christus und der Gemeinde” (Eph. 5, 32). —