|233|

Kapitel XIII

Der Hierarchie-Begriff Luthers

In dem programmatischen Sammelheft „Volkskirche — Kirche der Zukunft? Leitlinien der Augsburgischen Konfession für das Kirchenverständnis heute” 1 zeigt ein Aufsatz von Albrecht Peters,2 daß die Spiritualität der lutherischen Reformation in einem umfassenden Maße institutionalisiert worden ist. Der heuristisch fruchtbare Begriff der Spiritualität wird hier in einer besonderen Weise verwendet. Er umschließt ja komplexe Erscheinungen, Haltungen, Motive, Traditionen und Perspektiven einer geschichtlichen Bildung im geistlichen Bereich, deren Einzelmerkmale weder aufeinander reduziert noch voneinander getrennt werden können. Dabei entziehen sich diese Merkmale der Ableitung aus definierbaren Grundsätzen. Andererseits treten hier in der Regel institutionelle Momente zurück, weil sie wesentlich präziser beschrieben und für sich interpretiert werden können. Trotzdem hat Peters recht, wenn er auf eine eigentümliche Verbindung von Spiritualität und Institutionalität bei Luther verweist. Diese Verbindung ist freilich auffällig angesichts der Tatsache, daß der lutherischen Reformation eine besondere Tendenz zur Kritik und Einschränkung institutioneller Bildungen innewohnt.

Konkret handelt es sich hier um die Lehre Luthers von den Erzhierarchien. Diese kann in der heutigen Theologie schon wegen ihre Terminologie begreiflicherweise nicht mehr vertreten werden. Die daraus hervorgegangene Ordnungslehre der neuzeitlichen lutherischen Orthodoxie ist jedoch an der Metaphysik-Kritik ebenso gescheitert wie an ihrer historischen und soziologischen Unzulänglichkeit. Man kann daher, auch ohne religiöser Sozialist im Sinne von Tillich oder Wünsch zu sein, von einem „Zusammenbruch des Luthertums als Sozialgestaltung” sprechen. Infolgedessen ist aber auch über die theologiegeschichtliche Zitation hinaus die Struktur und Tragweite dieser Hierarchielehre nicht mehr geklärt und dargestellt worden. Ein plastisches und treffendes Bild der Intentionen der Lehre bietet hier nun Peters. Aus dieser Lehre kann jedoch wie bei der Aufdeckung eines verschütteten historischen Gebäudes eine Fülle wesentlicher Erkenntnisse erschlossen werden.

 

1. Die Erzhierarchien

Luther lehrt drei bzw. vier sog. Erzhierarchien, die als göttliche Stiftungen die chaotischen Kräfte der Menschheit abwehren sollen: das Predigtamt, das Amt des Hausvaters, des Ökonomen und des weltlichen Regiments. Sie alle werden als gottgegebene personale Autoritäten dargestellt. Mit dem religionssoziologischen und allgemeinsoziologischen Begriff der Hierarchie ist diese Vorstellung freilich nur schwer zu verbinden. Denn bei Luther ist zwar das Moment der

|234|

stiftungsmäßigen, apriorischen Autorität gewahrt, die Substruktur der Hierarchie als solche aber ausgefallen. Seine Begriffe umgreifen zwar einen abgegrenzten Bereich von Personen und Lebensgehalt, sind aber an dessen Innterstuktur desinteressiert. Die Unterschiedlichkeit der Positionen und Rechte der Unterworfenen wird dabei weder aufgehoben noch gewertet, ohne daß damit eine egalitäre Tendenz verbunden ist. Mit der Substruktur ist auch der dynamisch-prozessuale Charakter der Hierarchie verlorengegangen.

Der Begriff „Erzhierarchie” ähnelt formal dem in der Moderne entstandenen polemischen und affirmativen Begriff der „Volksdemokratie”. In beiden Wortbildungen wird ein und dasselbe Begriffselement — als Kritik und Verstärkung — zweimal verwendet. Der Häufung von „Volk” und „Demos” entspricht die Verdoppelung von „Erz” (archie) und „-archie”. Damit soll ausgedrückt werden, daß die historisch vorfindlichen Formen korrupt und mißbraucht sind, und ihnen eine wahre Form — der Hierarchie wie der Demokratie — entgegengestellt werden soll und muß. Von den Motivationen, Strukturen und der soziale Kultur, welche die historischen Bildungen, der antiken und der modernen Demokratie, wie auch der Formwelt der sakralen und weltlichen Hierarchien, wie etwa dem Heerwesen, zugrunde liegen, sind diese Gegenbildungen sachlich und psychologisch weit entfernt. Die Struktur der Hierarchie ist auf die bloße Autorität reduziert. Man müßte daher den Hierarchie-Begriff Luthers aus dem soziologischen Begriff der Hierarchie überhaupt als eine Verfremdung ausscheiden, wenn nicht eben diese Begriffsbildung eine Art Kontraposition zur kirchlichen Hierarchie darstellte. Die Reduktion des Hierarchie-Begriffs auf die bevollmächtigte Autorität ist die historische Frucht einer Selbstzersetzung der kanonischen Ordnung der Kirche durch die diskretionäre Vollgewalt des Papsttums, welche die verfassungsmäßigen Gliederungen und die einzelnen Ämter durch ihre Disponibilität selbst durchgreifend entwertet und diskreditiert hatte. Die Aufhebung der Hierarchie ist im wesentlichen Umfang durch die Hierarchie selbst vorbereitet und legitimiert worden. In der Hierarchie-Lehre Luthers wird dabei das ontologische Mißverständnis von Hierarchie — die Vorstellung übereinander gelagerter Seinsschichten — durch ein nominalistisches Element des Voluntarismus ersetzt und umgekehrt. Beiderseits wird der motorische Charakter von Hierarchie, ihre innere Dialektik zwischen einem Gefüge definierter eigenständiger Statusrechte und deren Konnexität und Autoritätsbindung verkannt. Aber während die Hierarchie typisch und allgemein an ihren Merkmalen, von den Tressen des Unteroffiziers bis zum Eichenlaub des Generals, in ihrem Aufbau und ihrem Sinnzusammenhang erkennbar ist, handelt es sich jetzt um ungegliederte Gesamtbereiche, die einer pflichtmäßig gebundenen, aber formell nicht beschränkten Autorität unterworfen werden.

|235|

2. Das anthropologische Programm

Das Programm Luthers, das sich in diesen drei bzw. vier Hierarchien ausdrückt, ist sehr umfassend. Es ist der Versuch, gerade das weltlich-bürgerliche Leben des Christen wirksam unter die Verpflichtungen der christlichen Existenz zu stellen, alles auszuschließen oder zurückzudrängen, was nicht im weltlichen Leben zum Nutzen und Dienste des Nächsten geeignet und bestimmt ist. Es ist derselbe Impetus, der, freilich in wesentlich anderer Weise, in der durchgreifenden Gemeindedisziplin des Calvinismus wirksam wird. An dieser parallelen, intensiven Wendung zur christlichen Durchdringung des ganzen Lebens wird deutlich, wie sehr die katholische Kritik mit dem Vorwurf der „Verweltlichung” die zentrale Motivation der Reformation verkennt.

Deutlich enthält diese Lehre die Spannung von Gesetz und Evangelium. Nach der Seite des Evangeliums zeigt sich die entschlossene, ja radikale Tendenz zur Reduktion auf ein einziges Amt, den neugebildeten Begriff des Predigtamts, die Institutionalisierung der Worttheologie. Für dieses ist das Problem der Autorität nicht völlig geklärt. Denn einerseits wird ihm hier eine eminente Dignität zugesprochen. Auf der anderen Seite wird es aber so instrumental verstanden, daß die Evidenz der viva vox Evangelii im Akte der Verkündigung für sich selbst steht. So kann auch mit einiger Konsequenz in demselben Band Philipp Meyer3 dem Predigtambt jede personale geistliche Autorität absprechen und die positiven Aussagen des Art. XXVIII CA als einen reinen Grenzfall problematisieren. Die Aussagen über die Hierarchien im weltlichen Bereich sind dagegen ausgesprochen expansiv entwickelt. Diese Expansion zeigt sich schon in der Pluralität der Aussagen.

Dieser umfassende Versuch freilich, das Ganze der Existenz des Christen zu umfassen, befindet sich zugleich in einer latenten und nicht auflösbaren Spannung zu den dialektischen Aussagen über die christliche Existenz, welche diese als „freie Herrschaft über alle Dinge und Unterworfenheit unter alle Dinge” oder auch als „Haben als hätte man nicht” definiert. Hier macht sich ein Gegensatz bemerkbar zwischen allgemeinen Bestimmungen, welche die einzelnen Lebensbereiche nicht ansprechen und erfassen, und den konkreten Begrenzungen der einzelnen Hierarchien.

Der Bestand dieser Lehre ist bei alledem nicht eindeutig. Neben dem Predigtamt stehen im weltlichen Bereich zwei oder drei Hierarchien. Während der Gedanke des Hausvateramts und des weltlichen Regiments eindeutig ausgeformt sind, bleibt der Gedanke der Ökonomie im Zwielicht.

Peters schildert die Einordnung der oeconomia wie folgt:

„Es sind … die Ehe und Familie (familia), welche das Haus als Lebens- und Wirtschaftsgemeinschaft umspannt (oeconomia) und insofern auch den Bereich von Arbeit, Eigentum und Handel einschließt, sodann das im Recht verfaßte weltliche Schwertregiment (politia), welches die Sippenverbände übergreift und die Blutrache eindämmt, schließlich das geistliche Wortregiment

|236|

(ecclesia) der öffentlichen Evangeliumsverkündigung und Sakramentsspendung (ministerium verbi divini).” 3a

Maurer und Heckel ordnen die Ökonomie jedoch dem weltlichen Regiment zu, ein Zeichen, daß diese Frage unausgetragen ist. Entscheidend ist dabei, daß dieser Bereich seine unmittelbare und eigenständige Existentialität verloren hat. Damit zeigt sich hier eine Verbindung von Nominalismus und bürgerlichem Lebensgefühl.

Diese ursprüngliche Dreiheit ist aus dem Gegensatz zu den evangelischen Räten und den Profeßverpflichtungen des Mönchtums entstanden — Armut, Keuschheit und Gehorsam. Diese drei asketischen Verzichte umfassen die Gesamtexistenz des Menschen, der als homo genealogicus, oeconomicus und politicus in drei Dimensionen lebt, die, zugleich eigenständig und wechselbezüglich, aufeinander nicht reduziert werden können. Der Mönch hat keine Familie, kein Eigentum und kein Regiment, und es bedeutet für ihn eine metabasis eis allo genos, wenn er etwa als Bischof in ein Amt des Kirchenregiments gestellt wird. Entscheidend ist, daß damit die Gesamtexistenz des vorfindlichen Menschen als naturales und geschichtliches Wesen erschöpfend dargestellt ist.

Die Einschränkung der Gesamtkonzeption durch die Absorption des Elements der Ökonomie, der Arbeit, des Besitzes, der Aneignung führt außerdem zu einer Personalisierung, indem allein der Familienvater als Hausherr und Brotherr auf der einen, der Landesvater auf der anderen Seite angesprochen wird. Ein unmittelbares Verhältnis zu dem Bereich der Ökonomie als solcher ist damit aufgehoben, sie wird sekundär, Objekt oder Material. Damit wird zugleich die kosmologische und gesamtgeschichtliche, eschatologische Dimension des christlichen Glaubens zugunsten einer Zentrierung und Beschränkung auf das personale Heil des Menschen eingeengt oder gar preisgegeben. Dieser Vorgang steht im Zusammenhang mit der von Peters konstatierten Verbürgerlichung. Während dem Hausvater eine lehrende, bewahrende und fürsorgliche Funktion zugewiesen wird, wie parallel dem Landesvater das schützende und ordnende Regiment, fehlt ein drittes, der Ökonomie entsprechendes Element, welches wie ein Fremdkörper in einer Analyse herausgefällt worden ist. Damit hängt umittelbar die langsam fortschreitende, in den Gottesdienstformen institutionell sichtbare Aussonderung der Sakramente zusammen, welche aus dem Gesamtgefüge des Gottesdienstes isoliert werden, zugleich aber in einem einseitig personalen Verständnis als Bekräftigung, Sichtbarmachung und Bestätigung ihr kommunikatives proprium mehr oder minder verlieren. Andererseits erscheint im Verhältnis zu der unmittelbaren Personalität der familiären und häuslichen Bindung der schützende Landesvater bis zu einem gewissen Grade als sekundäres Element. Es zeigt sich fast eine Rangordnung: primär in die göttliche Stiftung der Ehe das Element der Familie, sekundär das umfassende Element der politischen Herrschaft, und beiden nur gegenständlich untergeordnet die Ökonomie. Die Ausschaltung der Ökonomie aus dem Gesamtgefüge hat vermöge der vielgerühmten Personalisierung wesentlich dazu beigetragen, daß gegen deren Vernachlässigung in einem

|237|

personalistischen Idealismus eine ideologische Deutung der Geschichte aus der Ökonomie vertreten wurde.

Man kann und darf eine solche Lehre nicht als eine gewiß auch zeitbedingte und nicht mehr aktuelle, aber doch zugleich grundsätzlich legitime und theologisch nicht zu überprüfende historische Gegebenheit vortragen. Man muß vielmehr
1. die zeitgeschichtlichen Implikationen ins Auge fassen,
2. die anthropologische Zulänglichkeit erwägen,
3. den ekklesiologischen Gehalt herausschälen,
4. die weitreichenden geschichtlichen Folgen bedenken.
H.D. Wendland hat vor langen Jahren schon ausgesprochen, daß Theologie eine Disziplin sei, in der Fehler nach Jahrhunderten sich in sozialen Katastrophen auswirken.

In der Hierarchielehre steckt ein altes feudales Element — der Gedanke des Rechtsschutzes für die Anvertrauten, welche sich nicht selbst zu behaupten vermögen. Und in der Tat — kein Inhaber eines öffentlichen Amtes wird in höherem Maße befriedigt sein, als wenn er kraft seiner Amtsgewalt denjenigen zu helfen vermag, die sich nicht selbst zu helfen vermögen — und nicht allein den Witwen und Waisen.

Das andere Moment ist die sich abzeichnende Entwicklung des Feudalstaats zum Verwaltungsstaat, welcher zur Landentwicklung selbst das betreibt, was dann „politische Ökonomie” genannt worden ist.

Anthropologisch ist zu urteilen, daß die drei Dimensionen der menschlichen Existenz durch theologische oder philosophische Postulate weder aufeinander reduziert noch isoliert werden können.

Beide reformatorischen Konfessionen haben das Mönchtum durch Verallgemeinerung asketischer Verhaltensweisen ersetzt — der Calvinismus durch die innerweltliche Askese der wirtschaftenden Menschen. Für das Luthertum ist dasselbe der Berufsgedanke. Dieser gilt und wirkt allgemein, wie das Kirchenlied „O Gott Du frommer Gott” ausweist. Hier gilt „Dein Befehl in meinem Stande” (v. 2). Institutionalisiert und ausgesondert, besonders ausgestaltet ist dies Modell im Amtsgedanken und Beamtentum. Hier wird der Erwerbstrieb durch bescheidene Sicherung ausgeschaltet und ganz auf das öffentliche Interesse gelenkt. Nicht der über dem Alltag stehende Gelehrte, sondern der tätige und geschäftskundige Amtsträger dient hier dem gemeinen Nutzen. Daraus entstehen dann so vorbildliche Leistungen wie in der Bergbauverwaltung, der Eisenbahn und Post. Mit der Festschreibung der Stände und durch den verwaltenden Amtsgedanken ist dieses Modell ein statisches und unpolitisches. Gute Verwaltung macht schlechte Politik nicht wett.

|238|

3. Hierarchie und Theokratie

Wenn also Luther diese pastorale Intention mit der personalen Autorität in der zugespitzten Form des Hierarchie-Begriffs verbunden hat, so wird damit eine religionsgeschichtlicher und weltgeschichtlicher Gegensatz deutlich. Trotz der Preisgabe der Substruktur ist in ihrer Grundkonzeption diese Lehre tatsächlich hierarchisch. Dies zeigt sich auch in der schon früher berührten Tatsache, daß man im Munde Luthers die umgekehrte Anschauung von der „bruderschaftlichen Christokratie” oder „christokratische Bruderschaft” sich nicht vorstellen kann. Der unbehebbare und bis in die Gegenwart wirksame Gegensatz zwischen Luthertum und Calvinismus ist darin begründet, daß das eine, wenn auch in nominalistischer Beschränkung, hierarchisch, das andere jedoch theokratisch vorgeformt ist. Dieser religionsgeschichtlich unschwer erhebbare Tatbestand ist in den gegenwärtigen Auseinandersetzungen über die Tragweite der Aussagen des Barmer Bekenntnisses, insbes. des Art. 3, nicht beachtet, noch weniger in den Kommentaren zur Leuenberger Konkordie zur Klarheit erhoben worden. Auch die heutige lutherische Kirche ist bereit, im Pfarramt und Bischofsamt ein Elemente personaler Representation durchzuhalten, während eben dies von der reformierten Seite mit wacher Folgerichtigkeit ausgeschlossen wird.

 

4. Einseitige Vertikalität

Zu den charakteristischen Merkmale dieser Konzeption gehört hier im Bereich der Familie wie in den anderen Ordnungen die reine Vertikalität des bestimmenden Willens, welche dienend das Wort Gottes wirksam werden lassen will, aber jedes horizontale Element, damit aber auch jede Divergenz und Pluralität der legitimen Interessen der Betroffenen ausschließt oder dissimiliert.

Während man zunächst in der Lehre von den Erzhierarchien von dem Nebeneinander mehrerer vergleichbarer Ordnungen ausgehen muß, dreht sich die Achse der Betrachtung aus der Horizontalen in die Vertikale: nach Heckels Darstellung ist für Luther die Ehe die Mutter aller irdischen Rechtseinrichtungen. Gerade auf diesem Gebiet auch zentralen Interesses hat Luther in vielfältiger Weise gewirkt und sich eingesetzt, ist daran aber — theologisch wie historisch betrachtet — gescheitert. Über die Ehelehre Luthers hat die Familienrechtskommission der EKD unter dem Aspekt der Eheschließung schon Anfang der 50er Jahre gründliche Forschungen angestellt.4 Luther sah sich dem Versagen der bischöflichen Ehegerichtsbarkeit gegenüber, welche an dem Problem der clandestinen (heimlichen oder formlosen) Eheschließungen scheiterte. Er versuchte, diesen Schaden dadurch zu heilen, daß er die Gültigkeit der Eheschließung von der Zustimmung der Eltern abhängig machte.

Er stützte diese Anschauung auf das vierte Gebot. Die klassische Stelle bei

|239|

ihm heißt: „Daß sie sich nicht selbs stellen, sed servent parentes bei der Macht quam deus iis dedit.” 5 Diese Lösung war schon damals ein rechtshistorischer Anachronismus, der zu vielfältigen Schwierigkeiten und Härten führte. Es handelt sich auch um weit mehr als die unglückliche pragmatische Lösung eines schwierigen Problems kirchlicher Jurisdiktion, auf welche Luther in der Entscheidung oder Begutachtung von Ehestreitigkeiten viel, nicht immer erfolglose Mühe hat aufwenden müssen. Diese Fragen waren besonders kompliziert und schwierig durch die Überkreuzung deutsch-rechtlicher, römisch-rechtlicher und kanonistisch-kirchlicher Traditionslinien und Wirkungen, die hier nicht entwickelt zu werden brauchen. Entscheidend ist vielmehr die Tatsache, daß diese Konzeption in flagrantem Gegensatz zur Heiligen Schrift selbst steht: Denn in Genesis 2, 24 heißt es: „Darum wird der Mann Vater und Mutter verlassen und dem Weibe anhängen.” Die gebotene Ehrung der Eltern hat also nicht die Folge, daß der Sohn bei der Wahl seiner Frau von deren Zustimmung abhängig ist; sie ist keineswegs gleichbedeutend mit einem solchen Kindesgehorsam, wie eingangs in Kapitel III entwickelt.

Die Konzeption Luthers theologisiert erkennbar eine Form der Familie, welch sich zeit- und rechtsgeschichtlich beschreiben läßt. Die Rechtsgeschichte kann die Großfamilie als Sippenverband oder Clan nicht als notwendige Stufe der Menschheitsgeschichte allgemein voraussetzen. Aber sicherlich hat die Großfamilie außerordentlich weitreichende soziale Wirkungen gehabt, auch wenn andere Formen neben ihr bestanden haben. Diese ältere Familienform aber kennt keine Autorität, die mit dem Verständnis Luthers zur Deckung zu bringen ist. Sie ist gerade kein Patriarchat mit diskretionärer Entscheidungsgewalt, sondern eher ein Seniorat, welches dem Ehrenprimat des Ältesten durch vielfältige Beispruchs- und Mitwirkungsrechte bedeutende Schranken auferlegt. Erst relativ spät läßt sich eine Familienform feststellen, auf welche die Vorstellungen Luthers einigermaßen passen. Auch diese für unsere Begriffe noch vorhandene Großfamilie des 16. Jahrhunderts mit Alten und Hausgenossen ist im Gegensatz zum Sippenverband bereits eine Kleinfamilie. Nur deren bereits vollzogene Isolation ermöglicht das auf den einzelnen Hausvater zielende Verständnis, welches Luther kanonisiert. Aber selbst dieses ist schon durch längst vorausgehende Rechtsbildungen, wie insbes. die Ausbreitung der sippenfreien Friedelehe, wesentlich eingeschränkt.

Trotz der Sakramentalisierung der Ehe, ja eher gerade durch diese hatte sich bis dahin die Tradition der Kirche aus einer Dogmatisierung der familiären Strukturen in langer Tradition weitsichtig herausgehalten. Das gewiß autoritätsfreudige Papsttum hat niemals daran gedacht, in der Auslegung des Gesetzes eine solche Gehorsamsforderung auch nur in Betracht zu ziehen. Im Gegensatz dazu bildet das Decretum Tametsi6 mit einer gesetzlichen Regelung der Eheschließungsform durch rein kirchliches Recht dann, in gewissem Umfange der Staatsgewalt vorgreifend, eine Art Standesamtwesen aus. Vom Elternrecht ist hier nicht die Rede.

Die kirchengeschichtliche Entwicklung dieser Probleme wird dadurch besonders

|240|

qualifiziert, daß das Christentum mit zwei patriarchalisch besondre profilierten Traditionen, der jüdischen wie der römischen, verwachsen ist — ein Wesenszug, der schon in der orientalischen Kirche deutlich ermäßigt ist und seine Schärfe eingebüßt hat. Die Verfassungsgeschichte der Kirche zeigt diese Unterschiede. Die universale Kirche läßt sich als Familie von Patriarchatskirchen betrachten; jedoch sie hat kein Universalbistum eines einzelnen Bischofssitzes, sondern nach der nicaenischen Ordnung abgestufte Ränge legitimierender Apostelsitze wie eine Bergkette mit verschieden hohen Gipfeln. Ein Papsttum im heutigen Sinne ist für diese Kirche nicht vorstellbar.

Wichtig ist jene Fehlleitung der Soziallehre jedoch nicht allein wegen ihres objektiven Scheiterns in der Rechtsgeschichte und ihres regressiven Charakters, sondern vor allem prinzipiell wegen der deutlichen Parallelität zur Ekklesiologie. Auf der Seite des Gesetzes wird hier in einem Mißverständnis der zehn Gebote eine apodiktische personale Autorität — bis zur Unterordnung unter „wunderliche” Träger mit gelegentlicher Abgrenzung gegen Mißbräuche — zugesprochen. Im Bereich der Ekklesiologie finden wir das Gegenteil. Obwohl in der Schrift eindeutig von der Berufung und Bevollmächtigung der Apostel gesprochen wird, wird der Begriff des Apostolats in den Bekenntnisschriften konsequent vermieden. Es ist die tendenzielle Ausschaltung personaler Vollmacht im Verhältnis zu der jederzeitigen Präsenz und unmittelbaren Wirksamkeit des Wortes Gottes.

Wir werden im weiteren Zusammenhang dieselben Verhaltensweisen von Gloege in der Gegenüberstellung von Nomismus und Antinomismus mit unmittelbarer Evidenz dargestellt finden.7 Ein strikter personaler Imperativ — in der Traditionsfolge —, gedeckt durch die Autorität des Gesetzes auf dieser Seite, die Beiseitestellung personaler Vollmacht und Tradition bei Unterdrückung sogar des Begriffs und Problems auf der Seite des Evangeliums. Diese Verhaltensweise kommt also nicht nur im Raum der Ekklesiologie vor, sondern charakterisiert auch die praktische Anwendung des Verhältnisses von Gesetz und Evangelium mit den dort beschriebenen Wirkungen, ein Ansatz, der Luther selbst in Denkstruktur und theologischer Methode zuzurechnen ist.8

Die Verkennung der Lage beruht auf der nunmehr durch den verkündeten Glauben postulierten Annahme, daß der Inhaber einer solchen Autorität in sich das legitime Lebensinteresse der ihm Nachgeordneten zu vertreten berufen und imstande sei. Aber selbst das gemeinsame Lebensinteresse von Eltern und Kindern begrenzt sich in dem Maße, in dem diese Kinder zur Mündigkeit heranwachsen. Das Phänomen der Mündigkeit spielt aber in dieser Konzeption keine Rolle. Hier wird eine immanente Dialektik verkannt. Denn einerseits bleibt der Angehörige der Familie diesem Verbande lebenslang verpflichtet und zugewandt, auf der anderen Seite aber entsteht eine unabweisbare Eigenständigkeit. Daß diese Dialektik eben kein planer Gegensatz, sondern eine auszutragende Beziehung ist, wird verdrängt. Hier wird die verhängnisvolle Neigung deutlich, thetisch eine Ordnung an ein einziges Schriftwort zu binden,

|241|

welches dann ungeachtet des Kontextes als zulängliche Begründung für weitreichende Folgerungen stehen muß.

Die Verkennung dieser Dialektik wird noch wesentlich härter als an den Unzuträglichkeiten einer überzogenen elterlichen — oder obrigkeitlichen — Autorität im ökonomischen Bereich sichtbar.

Denn der Knecht und Geselle ist gewiß an das gemeinsame Interesse am Nutzen der Arbeit und damit an gewissenhafte Treue gebunden. Er ist und bleibt aber trotzdem selbst ein homo oeconomicus mit einem legitimen Eigeninteresse an seiner Familie und seiner wirtschaftlichen Existenz. Man wird an die aus harten Zwängen hervorgegangene Beschränkung der Niederlassung selbständiger Handwerker und die Limitierung der Eheschließung für bestimmte abhängige Schichten erinnert.

Bei Zuordnung zum weltlichen Regiment: Bildungen auf der horizontalen Ebene, von der Genossenschaftsbildung bis zur ständischen Repräsentation und den gemeindlichen Mitwirkungsrechten, werden zwar als eine implizite Freiheit nicht ausgeschlossen, aber als ein sekundäres Moment der primären Autoritätsbildung nachgeordnet. Verbund ist entweder nur Epiphänomen oder Eigenmacht autonomer, der Autorität feindlicher Selbstverwirklichung, hinter der der Verdachtsschatten der Werkgerechtigkeit und Selbsterlösung steht. Man vergleiche die Ungezwungenheit, mit der die mittelalterliche Kirche eine Überfülle autonomer genossenschaftlicher Verbände in ihr geistliches Leben einbezogen hat.

Die Ausscheidung der beschriebenen Dialektik zeigt sich mit gefährlichen Wirkungen im Verständnis des weltlichen Regiments. Dieses erscheint primär in seiner Wirkung ad intra, als Wahrung des Rechtsfriedens und hausväterliche Verwaltung der öffentlichen Angelegenheiten, nur sekundär auch ad extra. Daß aber jedes politische Gemeinwesen zunächst schon durch das Verhältnis von Repräsentation und Repräsentierten konstituiert wird, aber in einem ebenso dialektischen Verhältnis zur politischen Umwelt steht und lebt, wird nicht mehr sichtbar. Gerade die friedliche Selbstbeschränkung entwertet die notwendige, aber ambivalente Verbindung mit gleich Legitimen und die Einbettung in eine gemeinsame Rechtsordnung als Friedensordnung. Die primäre religiöse Dignität allein der Autorität — und damit der Eigenständigkeit — entwertet die horizontalen Verbände aller Art einschließlich des Völkerrechts. Dadurch tritt eine ebensolche Einseitigkeit des sozialen und politischen Weltbildes hervor wie die bis in Formen der Schwärmerei ausgedehnte Vorstellung einer allgemeinen konfliktlosen Bruderschaft, welche emanzipatorisch weder Autorität noch relevante Identität mehr anerkennt. Die tief eingeprägte Psychologie des Luthertums treffen wir hier wieder: Die Lutheraner halten Eigenständigkeit für eine theologische, Gemeinschaft für eine soziologische Größe. Die Kirche lebt von einer Art Kernspaltung, deren sie sich nicht bewußt ist — Autorität ohne communio, communio ohne Legitimität.

Aber diese Antithese bezeichnet wesentlich die Formalstruktur. Die Reformation ist die erste geschichtliche Bewegung, in der das Machtproblem als

|242|

solches thematisiert worden ist. Denn die Autorität des Predigtamts versteht sich allein als die Autorität des Wortes. Daher auch die Vorstellung, daß die Kirche mit dem Worte Gottes regiert werde. Auf diese Weise ist der Ambtsbegriff in der Verbindung von Wort und Person zweideutig. Die auffällige und als solche theologisch nicht näher geklärte Verbindung von Wort und Geist in Art. V CA verstärkt diese Verbindung und zugleich ihre Problematik. Dem Konflikt zwischen Autorität und intendierter Machtlosigkeit wird historisch zunächst durch die willige Abtretung des Kirchenregiments an die weltliche Autorität ausgewichen und er zugleich durch die Partikularisierung entschärft — es entsteht das Ideal der Gemeinde, der überschaubaren Verbände, der Provinzialität. Melanchthon kann noch vom Amt als einer „achtbaren Aristokratie” sprechen — ein Hilfsmittel zur Bewältigung der immanenten Spannung.

Wo in dieser Hierarchie das Wort steht, steht in der Theokratie der Geist. Calvin zunächst sucht menschlicher Eigenmacht durch eine weltkluge Balance zwischen Personalität und Kollegialität zu begegnen — mit einem gesunden Mißtrauen gegen beide — Aristokratie wie Demokratie. Das ist jedoch so zeit- und situationsgebunden, daß es aus dem reformierten Schriftverständnis verschwunden ist. Es bleibt bei der Immanent des Geistes in verpflichteten Kollegien. Die religiöse Verklärung der personalen Autorität wie der autoritätsfremden Demokratie bis hin zur Fundamentaldemokratie sind die säkularen Ausläufer und Alternativen dieser Vorentscheidung. Heute differenziert sich der gleiche Gegensatz in divergenten ekklesiologischen Grundkonzeptionen: Das Programm der Volkskirche repräsentiert die Vorgegebenheit des Wortes Gottes in der Geschichte gegenüber dem Gedanken der Kirche als Gemeinde von Brüdern (Barmen III). Die Volkskirche vertritt und übernimmt, fürsorglich wie ein Landesvater, den inneren Haushalt des Ganzen, — die emphatische Ersetzung des Kirchenbegriffs durch den der Gemeinde greift auf die immanente Bewegtheit zurück.

Die Programme der Volkskirche einerseits, der Kirche als Gemeinde von Brüdern andererseits, geschichtlich orientiert an Augsburg 1530 oder an Barmen 1934, streben unvermittelt auseinander, in ihrer Gegensätzlichkeit unbewußt präjudiziert. Da es aber nicht um die Eigenmacht und Identität der Konsensträger, sondern um das der Kirche aufgetragene Mandat geht, bedarf der Konsens selbst der kritische Begrenzung. Dieser selbst muß eine Autorität bestellen, der ihm als Gegenüber frei sagt, worin er irrt. Denn wer irrt, weiß nicht, daß er irrt. Es bedarf also einer Autorität, die nicht durch die Gemeinsamkeit gebunden, vielmehr dieser kritisch zugewendet die Vorgegebenheit repräsentiert. Die Kirche als Gemeinde von Brüdern liefert sich selbst ihrer Eigenmacht ebenso aus wie eine konsensfreie Autorität.

Was sich hier antinomisch vollzieht, liegt auch heute unterhalb der Bewußtseinsschwelle. Wenn im Zusammenhang der Rechtfertigungslehre ebenso wie hier bei den Erzhierarchien auf Genesis 2, 24 hinzuweisen ist, so ist dies hier zufällig. Denn — nach Johannes Heckel — hat Luther als die beiden ursprünglichen

|243|

göttlichen Stiftungen Ehe und Kirche angesehen. Dies bestätigt sich hier. Denn Institution ist nicht formale autoritative Setzung, sondern Bundesstiftung in der auch hier deutlich werdenden Form der personalen Institution als mehraktiger Vorgang. Daher erscheinen auch an beiden Stellen bei Luther die nicht identischen, wohl aber analogen Verkürzungen.

Schließlich ist diathéké wesentlich mehr als Disposition, Willenskundgebung, erst recht nicht letztwillige Verfügung, sondern — alter und neuer — Bund, und es wäre an der Zeit, mit aller Klarheit und Folgerichtigkeit die kainé diathéké als Neuen Bund auszulegen.

Die Stiftung des Bundes ist ein zielgerichteter, damit geschichtlicher, mehraktig-prozessualer Rechtsakt. Stiftung und Bund können nicht voneinander getrennt, nicht in Gegensatz gebracht oder als bloßes Folgeverhältnis verstanden werden, ohne ihren Sinn zu verlieren oder zu verkehren. Deswegen müssen auch Vertikale und Horizontale, Autorität und Bruderschaft miteinander bestehen.

Der Hierarchie-Begriff Luthers — ohne Substruktur und Geschichte — ist kaum mehr als ein Torso, eher ein Mißverständnis, auch wenn und weil er eine gottgegebene Autorität bezeichnen soll. Denn Hierarchie ist nicht allein die Ausrichtung göttlicher Weisungen von oben nach unten, sondern sie besteht auch analogisch in dem Auftrag zur Bestellung konkreter Personen in diese Kompetenz. Dies kann in der Rezeption von Kandidaten in eine Gemeinschaft anderer Autoritätsträger oder die gemeinsame Erhebung zu einer überragenden Kompetenz durch einen zur Wahl legitimierten Kreis sein. Das geht von der Akklamation des charismatischen Königs bis zur Wahl durch geschlossene Gremien (Kurfürsten, Kardinäle). Es gibt aber Hierarchie nicht ohne konsensuale Basis. Die völlige Beiseitestellung der Fragen der Bestellung und Legitimation, wie wir sie in der CA, sekundär bedingt durch die Streitlage, vorfinden, ist also bei Verwendung des Hierarchie-Begriffs unmöglich. An diesem Punkte wird auch die Begrenzung der Maurerschen Konzeption vom synodalen Bischof deutlich. Denn dieser bezieht sich auf die immer nur je einzelnen Partikularkirchen und entbehrt der korrespondierenden Gemeinschaft der Bischöfe selbst.

Luther dachte durchaus nicht grundsätzlich antiinstitutionell — dies ist eine liberale Mißdeutung, welche Heckel zurecht aufgeklärt hat. Luther verkannte auch nicht, modern gesprochen, die Existentialität der Institutionen, die Institutionalität des Menschen. Aber er wollte nur diejenigen Institutionen anerkennen, für die er eine Setzung oder Stiftung in der Positivität des Wortes Gottes nachweisen zu können glaubte. Er verkannte dabei aber die Strukturiertheit der Institutionen. Hier hatte die spekulativ-ontologische Scholastik sozusagen die Preise verdorben; er kompensierte deren Fehler mimt der logisch entgegengesetzten und entsprechenden Tradition des Nominalismus.

Durch jene Beschränkung des Begriffs und des Bestandes schuf er eine Art Kahlschlag und wirkte, obwohl er weder geschichtslos noch traditionsfeindlich war, ungeschichtlich. Anstelle der konkreten Geschichtlichkeit setzte er als ein

|244|

radikaler Denker die große Antithese von päpstlicher und Wortautorität. Luther versperrte mit dieser Position zugleich die Fortentwicklung seines eigenen geschichtlichen Erbes und der Gestalt der lutherischen Kirche, der nunmehr und deshalb Organe, Fähigkeit und Wille für eine verbindliche gemeinsame Aussage und Fortbildung fehlen. Denn schon die Korrektur des beschriebenen Kurzschlusses in CA V über das Verhältnis von Wort und Geist würde das ganze Gebäude ins Wanken bringen, weil eine Diversität der Vollzüge die Kontraktion in einen einheitlichen Vorgang und die sola-Formeln als Strukturprinzip ebenso in Frage stellen würde wie die Unüberholbarkeit des Bekenntnisses und seine konsensuale Gültigkeit.

Der eigene Strukturfehler verhindert so die Selbsterkenntnis. Die strenge Norm und die zuweilen fast panische Gesetzesfurcht bildeten so eine widerspruchsvolle und hinderliche Verbindung und zerstörten nachhaltig die Unbefangenheit der Entscheidung.9

In dieser historischen Lage berufen sich seine Erben nunmehr auf das einzige, was sie als — innergeschichtliche — Rechtfertigung ausschließen müßten: ihre bloße Identität als solche, ihr historisches Dasein und Sosein.

 

Anmerkungen zu Kapitel XIII

1 Wenzel Lohff/Lutz Mohaupt (Hg.), Volkskirche — Kirche der Zukunft? Zur Sache — kirchliche Aspekte heute 12/13, Hamburg 1977.
2 Albrecht Peters, Die Spiritualität der lutherischen Reformation, in: Wenzel Lohff/Lutz Mohaupt, a.a.O., 132-148.
3 Hans Philipp Meyer, Die Vollmacht des Amtes und die Ordnung der Ämter in der Kirche, in: Wenzel Lohff/Lutz Mohaupt, a.a.O., 211-217.
3a Albrecht Peters, Die Spiritualität der lutherischen Reformation, in: Wenzel Lohff/Lutz Mohaupt, a.a.O., 132-148, hier: 137.
4 H. Dombois — F.K. Schumann, Weltliche und kirchliche Eheschließung, Gladbeck 1953, Glaube und Forschung 6 und RdG I, Kap. IX.
5 Bruno Jordahn, Zur Entwicklung der evangelischen Trauliturgie, in: Dombois/F.K. Schuman, Weltliche und kirchliche Eheschließung, Glaube und Forschung 6, Gladbeck 1953, 72-98, hier: 84. Vgl. WA 49, 324, 8 f.
6 Decretum Tametsi de reformatione matrimonii des Trienter Konzils (Denz., 1813 ff.). Vgl. Dombois, Das Decretum Tametsi de reformatione matrimonii von 1563 des Trienter Konzils. Entstehung und Bedeutung, in: KuD 9, 1963, 208-222 und in: ders., Kirche und Eherecht, Forschungen und Berichte 29, Stuttgart 1974, 117-134.
7 Vgl. Kap. XVIII.
8 Die Ergebnisse des oben genannten Forschungen sind enthalten in den Bänden: Dombois/F.K. Schumann (Hg.), Weltliche und kirchliche Eheschließung, Glaube und Forschung 6, Gladbeck 1953; dies. (Hg.), Familienrechtsreform,

|245|

Glaube und Forschung 8, Witten 1955; Dombois, Kirche und Eherecht, Forschungen und Berichte 29, Stuttgart 1974.
9 Diese Erkenntnisse sind nicht neu. Daß sie sich nicht allein auf die Sozialgestaltung des weltlichen Lebens aus dem Glauben beziehen, sondern zugleich Schädigungen der Kirche selbst bezeichnen, ist schon vor mehr als einem Jahrhundert ausgesprochen werden:

„… die Schwierigkeiten (sc. der kirchlichen Organisationsfähigkeit) entspringen aus der allgemeinen Schwäche des deutschen Protestantismus überhaupt in Sachen seiner gesellschaftlichen Organisation, welche freilich eine Nachwirkung der Versäumnisse in der Vorzeit genannt werden muß. … So … haben sich die Folgen … der Zurückgezogenheit der lutherischen Frömmigkeit von dem öffentlichen Rechtsleben in jeder seiner Gestalten, die Scheu vor der Betheiligung an nationalen Interessen bis auf unsere Tage gezeigt, wo dergleichen endlich angefangen hat, in seiner Schädlichkeit für das religiöse Leben selber begriffen und beklagt zu werden” (Karl-Bernhard Hundeshagen, Beiträge zur Kirchenverfassungsgeschichte und Kirchenpolitik insbesondere des Protestantismus, 1. Bd., Wiesbaden 1864 (Neudruck Frankfurt/Main 1963, 485 f.
Zitiert in: Christoph Link, Die Grundlagen der Kirchenverfassung im lutherischen Konfessionalismus des 19. Jahrhunderts insbesondere bei Theodosius Harnack, Ius Ecclesiasticum, Bd. 3, München 1966, 41.