4. Schlüsselgewalt und Hirtenamt

Johannes Heckel hat das Verdienst, der Entwicklung der Rechtstheologie und Luthers in besonderen Forschungen nachgegangen zu sein. Zu der Gesamtkonzeption, die dabei herausgekommen ist, und die Zweifel an der „Objektivierbarkeit” Luthers erweckt, der in etwa doch ein Heckel-Luther geworden ist, wie wir ehedem einen Holl-Luther hatten, ist in Kap. XVI Stellung genommen. Geschichtlich und systematisch spielen nun bei Luther Schlüsselgewalt und Bußsakrament eine besondere Rolle, in der Entwicklung seiner Theologie wie seiner Kirchenrechtsanschauung. Deswegen werden beide auch in der ersten der beiden Arbeiten Heckels, den „Initia iuris ecclesiastici Protestantium”, in besonderem Maße thematisch. Freilich ist, wie Heckel mit Recht sagt, nicht einfach

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im Zusammenhang mit dem Ablaßstreit von 1517 alsbald eine neue Kirchenrechtskonzeption hervorgetreten. Eine solche wird erst im weiteren Verlauf sichtbar.

Dementsprechend kommt Heckel erst in Abschnitt IX (S. 33 ff.) zu unserer Frage. Schon in der Römerbriefvorlesung von 1515/16 und einer Predigt von 1516 erörtert Luther die Aufgabe des geistlichen Amtes als directio hominis interioris et rerum eius. Die äußere Kirchenleitung gehöre nicht dazu. Die obrigkeitliche Stellung des Bischofs und Priesters gehe auf dieselbe Wurzel zurück wie die der weltlichen Machthaber, auf den Gerichts- und Verwaltungsbann, nicht auf die Vollmacht Christi zur Leitung des inneren Menschen. Die potestas ecclesiastica beginnt sich in einen geistlichen und nichtgeistlichen Teil aufzuspalten (S. 33/34). „In den Thesen und Resolutionen ist diese Trennung vollzogen. In zwei Bestandteile tritt die äußere Leitungsgewalt auseinander: in die Schlüsselgewalt und die äußere Leitungsgewalt”. Wie schon die Ordinationslehre zeigte39, ist diese Trennung nur eine dialektische Umkehrung der scholastischen Spaltung von potestas jurisdictionis et ordinis.

Hier interessiert zunächst nicht direkt die Struktur und Ortsbestimmung der Leitungsgewalt40. Wichtig ist nur die Inhaltsbestimmung der potestas ecclesiastica schlechthin als Schlüsselgewalt. Kirchengewalt und Schlüsselgewalt decken sich nach dieser Anschauung vollkommen. Außerhalb ihrer gibt es kein opus proprium der Kirche göttlichen Rechts. Schlüsselgewalt ist aber nun einmal Behalten und Vergeben der Sünde. In dieser alternativen Aufgabe geht die geistliche Kirche auf. Dem entspricht, daß in den ganzen vorausgehenden Ausführungen in der Wiedergabe der katholischen Konzeption von der Schlüssel- und Hirtengewalt ohne eine Differenzierung beider Begriffe geredet wird.

Es gibt, so gesehen, kein apostolisches Amt, zu dessen Auftrag und Vollmacht auch die Ausübung der Schlüsselgewalt gehört. Vielmehr wird jedes geistliche Handeln — Verkündigung, Lehre, Sakramentsverwaltung von der dadurch geschehenden (oder auch zu verweigernden?) Sündenvergebung her (exklusiv) interpretiert. Dieser Stab Sanft und Wehe ist dann auch der alleinige Hirtenstab. Schlüsselgewalt ist gleich Hirtenamt. Es liegt auf der Hand, daß kein Mißbrauch, keine herrschaftliche Verweltlichung der Hirtengewalt diese streng grundsätzliche, systematische Aussage rechtfertigen könnte. Gibt es ein in der Schlüsselgewalt nicht aufgehendes (Hirten-)Amt oder Amt gleichviel in welchem Verstande göttlicher Stiftung, so bewiese kein päpstlicher Mißbrauch etwas dagegen. Deswegen nützt hier auch die Darstellung und Ausmalung der Zeitsituation Luthers gar nichts, ja sie verwirrt nur die Lage. Es geht vielmehr um die Frage: wo hat die Schlüsselgewalt, ganz abgesehen von jeder vorausgehenden Gestaltung, ihren legitimen Sitz im geistlichen Leben? Schließt sie alles geistliche Handeln im strikten Sinne ein, oder ist sie eine Teilerscheinung, die einen bestimmten Ort hat,

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und in einem bestimmten Verhältnis zu anderen Aufträgen und Vollmachten steht?

Nun wäre freilich die Versagung der Taufe gegenüber dem Taufbewerber, die Ausschließung vom Abendmahl gegenüber dem Getauften als öffentlichem Sünder oder Verächter des Evangeliums unter den Begriff der Schlüsselgewalt zu bringen. Eine gleiche Beziehung zur Predigt ist jedoch nicht herzustellen. Auch wenn, mit Luther zu sprechen, der Prediger den Mund nicht aufmachen kann, ohne eine Absolution zu sprechen, könnte er irgend jemand von der öffentlichen, bes. missionarischen Verkündigung grundsätzlich ausschließen? Andererseits liegt hier die Sündenvergebung nicht in dem konkreten Akt des direkten Zuspruchs, sondern darin, ob der Hörer die Verkündigung aufnimmt, sich bekehrt. Zwischen Predigt und konkreter Absolution besteht ein Unterschied, den Luther selbst am allerwenigsten verkannt hat.

So sagt Roth41 mit Recht:

„Hier ist festzuhalten, daß die Schlüssel des Bindens und Lösens mit der allgemeinen Predigt der Vergebung für alle Welt nicht einfach gleichgesetzt werden kann. Bei letzterer handelt es sich vielmehr um eine Funktion des in Luk. 11, 52 verankerten ,Schlüssels der Erkenntnis’, welcher ,ist ein gantz und gar ein ander Schlüssel’ als die beiden aus Mt. 16, 19; 18, 18 und Joh. 20, 22. Mit dem Schlüssel der Erkenntnis meint Christus das ,predigen und leren, und dieser Schlüssel sey nichts anderes als der Lehre Schlüssel, das ist Lehrampt, … dadurch man die Leute zum erkenntnis führen soll, das sie lernen und wissen, wie sie Gott dienen und selig werden sollen.”

Würde man nun schon die Predigt aus der Fragestellung ausklammern und sie (problematisch genug) als eine Art Vorbereitungshandlung verstehen, die auf jene Entscheidung zuführt, so stoßen sich die Dinge nun vollends bei den Sakramenten. Ist die Verweigerung der Sakramente, die Ausschließung von ihnen ein Akt der Schlüsselgewalt, weil sie vor der durch sie zu wirkenden, zu empfangenden Sündenvergebung steht, wie ein Riegel, wie ein Cherub vor dem Paradiese gegenwärtiger Gottesgemeinschaft, so ist doch die Darreichung der Sakramente nicht ebenso das Lösen, welches in Antithese zum Binden und Behalten besteht. Christus hat nicht die Sakramente den Aposteln als Mittel der alleinigen Aufgabe der Sündenvergebung in die Hand gegeben, als Gnadenmittel in einem exklusiven und speziellen Sinne. Ihre Austeilung ist nicht ein Akt der Schlüsselgewalt der Jünger. Auf ihre positive Entscheidung wird hier gar nicht abgehoben. Sie wirken selbst an dem Glaubenden nach ihrer Stiftung, ohne das das an dieser Stelle expliziert zu werden braucht. Folglich steht die Schlüsselgewalt neben Predigt und Sakramentsspendung, freilich nicht numerisch, sondern mit ihnen doppelt darin verbunden, daß sie alle in einem wesentlichen Sinn mit der Sündenvergebung zu tun haben42 und daß die Ausschließung von den Sakramenten

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sehr wohl Schlüsselgewalt ist. Wenn aber nach ursprünglicher Abweisung ein Taufbewerber doch getauft wird, so liegt eben in der Taufe die Sündenvergebung.

Die positive Seite der Schlüsselgewalt hat ihren legitimen Gegenstand in der Wiederzulassung zum Abendmahl. Hier wird die positive Seite der Schlüsselgewalt konkret. Gerade aber ihr wird, wenn Exkommunikation vorausgegangen ist, eine ausdrückliche Absolution und Wiederaufnahme vorausgehen, wenn auch nicht auszuschließen ist, daß diese sich mit der stillschweigenden Wiederzulassung uno actu verbindet.

Ich finde auch im Neuen Testament keinen Anhalt für eine inklusive Interpretation der Schlüsselgewalt und fühle mich nicht verpflichtet, einen Gegenbeweis gegen eine These zu liefern, die gar nicht von einer solchen Fragestellung ausgeht, sondern im wesentlichen mit der Verweltlichung und Herrschaftlichkeit der Papstkirche argumentiert. Ich finde aber auch in der Geschichte der Theologie und der Kirchenrechtslehre aller Konfessionen keine explizite Auffassung vergleichbarer Art, noch nicht einmal in den lutherischen Bekenntnisschriften selbst. Denn diese setzen die Absolution als drittes Sakrament neben Taufe und Abendmahl. Die einzige Anknüpfung liegt darin, daß zwar die potestas ecclesiastica in CA XXVIII explizit im Sinne der Schlüsselgewalt definiert ist, daß aber in CA V dem ministerium ecclesiasticum keine Hirtengewalt oder etwas ähnliches vindiziert wird. Sie wird rein von der Funktion her bestimmt. Die ausdrückliche Verteidigung der Notwendigkeit des verbum externum im zweiten Absatz läßt die Deutung offen, das Amt abgesehen von der Schlüsselgewalt eben auf da verbum externum zu beschränken und zu gründen, es wesentlich so zu verstehen. Aber zwingend notwendig ist das nicht. Wie schon gesagt, ist das Verhältnis von CA V und XXVIII offen. Eine solche Implizierung der Sakramente in die Schlüsselgewalt würde am ehesten einer engsten, anstaltlichen Auffassung der römischen Kirche entsprechen, ist aber gewiß nicht deren offizielle oder auch nur praktisch herrschende Auffassung. Heckel selbst ist im Zuge der Darstellung vielzusehr der Kontroverslage zur Zeit Luther verhaftet, um die Frage in völliger Grundsätzlichkeit zu stellen. Er führt sie auch nicht konkret in einer Verhältnisbestimmung der Handlungen des Amtes durch und überdeckt sie mit den Unterscheidungen zwischen ecclesia spiritualis und universalis.

Freilich ist das Hirtenamt mehr als Predigt und die aus ihr folgende Erkenntnis. Es handelt sich bei beiden Verrichtungen auch um mehr als um „Glaubenszucht und Ordnungszucht”43. Trotzdem ist Roths Zuordnungsbestimmung bei Luther als „geschlossener Blutkreislauf”44 recht glücklich. Das wird an den Verschiebungen deutlich, welche Roth bei Calvin aufweist. Dieser teile die einheitlichen Stellen über Binden und Lösen in zwei verschiedene Schlüsselgewalten: Mt. 16, 19 und Joh. 20, 23 als Schlüssel der Lehrautorität, Mt. 18 als Schlüssel der

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Rechtsprechungsgewalt. Die erstere sei als Predigt Dienst des ministeriums verbi, die letztere eine dem Synhedrium der Gemeinde gehörende Amts-, Rechtsprechungs- und Regierungsgewalt, also Regiment. Beides sucht er möglichst weit zusammenzuhalten. Trotzdem liegt hier ein durchgreifender Bedeutungswandel: für die lutherische Auffassung geschieht das Weiden durch Predigt und Sakramente: die Schlüsselgewalt ist eine notwendige Grenzbestimmung. Bei Calvin wird gewiß nicht mit geringerem Ernst gepredigt. Aber in der Linie der prädestinatorischen Gesamtanschauung ist doch alles, was auf dieser Seite geschieht, Bezeugung, Verkündigung des Geschehenen, nicht selbst Geschehen. Das ganze Gewicht des Regiments der Kirche fällt auf die andere Seite der durch die Schlüsselgewalt geübten Gemeindezucht zur Durchsetzung des nachfolgenden Gesetzes. Dem entspricht die schon früher45 vorgeführte Stellung Calvins zu den traditionellen Unterscheidungen von potestas ordinis und potestas jurisdictionis (gegen deren Zerreißung ich mich nicht selbst zu verteidigen brauche). Bei ihm ist nicht nur die potestas ordinis (das wäre nicht entscheidend), sondern die ordinatorische Seite des Handelns wesentlich reduziert, wenn nicht ausgefallen. Wie in allen rationalen Systemen wird auch hier die ultima ratio zur prima.

Der Christ kommt immer schon von einer geschichtlichen Konkretion der Gemeinschaft mit Gott her und geht ebenso auf sie zu. In diesen Geschehensraum ist auch Buße und Bußsakrament eingespannt. Dieses Zuordnungsverhältnis nötigt nun, neben, ja vor der Schlüsselgewalt ein Hirtenamt und eine Hirtengewalt anzunehmen. In dieser Frage besteht vermöge der geschilderten Unklarheit eine Lücke, welche die Arbeiten des „Theologischen Convents augsburgischen Bekenntnisses” in den letzten Jahren mit Behutsamkeit auszufüllen unternommen haben, ohne freilich diese Lücke in aller Klarheit aufzudecken. Denn jene Hirtengewalt ist eben nicht eine regimentliche Gewalt per analogiam der staatlichen Gewalt, modifiziert durch die Grundsätze der Dienstbarkeit, der Brüderlichkeit, ihren Vertretungs- und Auftragscharakter, sondern sie ist etwas sui generis. Die von Heckel nach Luther aus der gleichen Quelle wie die Staatsgewalt abgeleitete Regimentsgewalt über das äußere Kirchenwesen ist freilich schon eine Karikatur der Staatsgewalt selbst, mit der sie in Vergleich gestellt wird. Diese Gewalt im ursprünglichen Verstande ist weder nur äußerlich noch auch primär Zwang. Sie ist freilich konkret und leibhaft — sie ordnet nicht nur zu, gestaltet, sondern scheidet damit ipso facto auch das Widerstrebende und Störende aus. Der integrierende, bindende, zuordnende, vereinende Charakter politisch-staatlicher Leitung ist von der modernen Staatslehre, nicht allein Smends, sondern auch anderer, herausgearbeitet worden. Die Charakterisierung des Staates in der Lehre von den drei Gemeinschaften, von den auch Luther nach Heckel ausgeht, als „rein körperliche” ist stoisch, aber nicht christlich — und vor allem einfach sachlich falsch.

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Wenn man, wie oben, ausgehend von dem Vergleich mit der (auch positiv gefaßten) Staatsgewalt, dem „Gerichts- und Verwaltungsbann” die Kirchengewalt in ihrer Besonderheit beschreiben will, so sieht man bereits, daß diese Umstrukturierung alsbald etwas wesentlich anderes hervorbringt, und daß der etwa bei Barth beliebte Gedanke von der Kirche als der wahren polis als reziproker Vergleich seine sehr deutlich innezuhaltenden Grenzen hat. Schon „Gerichts- und Verwaltungsbann” ist als Formulierung verfehlt. Denn die Königsgewalt ist eben mehr als Verwaltung, sie ist Regierung, Regiment, Gestaltungsrecht, Führungsrecht. Die unwillkürliche Gleichsetzung von Regiment und Verwaltung ist ihrerseits die Frucht einer Vorentscheidung der lutherischen Theologie auf diesem Felde, keine Beschreibung des Tatbestandes. Und der Gerichtsbann, die kritische, abweisende, abgrenzende Seite der Regimentsgewalt kehrt in einer ganz spezifischen Weise ja gerade in der Schlüsselgewalt wieder, deren judizieller Charakter unbestreitbar ist, und doch in der Ambivalenz von Ausschließung und Versöhnung, ja in dem Heilsziel selbst der Ausschließung auch wieder gegen alle Rechtsmetaphysik steht.

Die Hirtengewalt als besondere geistlich-kirchliche Gestalt der Leitung neben die Schlüsselgewalt zu stellen, ist solange schwierig, als sie nicht eben in ihrer spezifischen Gestalt verstanden und gefaßt wird, solange sie als eine Form des Generalbegriffs Leitung — Unterabteilung: geistlich — gegenüber der Unterabteilung: weltlich, begriffen wird. Es wird so verständlich, warum gerade der unterscheidende Vergleich die geistliche Leitung wieder unter das Formengesetz einer eben doch vorfindlich-innerweltlichen Begriffsform „Leitung” bringt. Auch die an sich nicht falsche Entgegensetzung: „non vi sed verbo” begründet gerade diese Abhängigkeit, abgesehen davon, daß die Charakterisierung der weltlichen Gewalt als vis phänomenologisch falsch ist. Die Struktur des Wortes selbst, und zwar nicht im Sinne einer ontischen Aussage über das  Wort als ein Seiendes, sondern die Struktur des auszurichtenden Wortes Gottes selbst muß die Struktur der Hirtengewalt abgeben. Denn ein anderes als das an uns ergehende und von uns auszurichtende, weiterzugebende Wort betrifft uns nicht. Die Richtung einer solchen Betrachtung ist in CA V und VII durchaus eröffnet, vorgezeichnet. Jene für sich allein durchaus nicht falschen Antithesen zur vis, zur Weltlichkeit und Selbstmächtigkeit kirchlichen Herrschens ziehen den Blick von dieser Frage ab.

Wenn das an uns geschehende und von uns auszurichtende Wort den Grund und seine Struktur, die Struktur der Hirtengewalt ausmacht, so heißt das, das Hirtengewalt liturgisches Recht ist. Wenn die Kirche sich also gegen die Formen weltlichen Leitens und Herrschens absetzen will, so kann sie dies nicht nur durch den kritischen Vergleich ihres Dienstgedankens mit den Weisen weltlichen Handelns, denen der Dienstgedanke

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ja durchaus nicht fehlt, sondern sie muß durch die ständige genaue Interpretation des ihr aufgetragenen Handelns selbst die Maßstäbe ihres Aufbaus gewinnen. Auf diese Weise stehen Hirtengewalt als liturgisches Recht und Schlüsselgewalt als bekennendes Recht in Korrespondenz. In beiden ist das an uns ergehende und das von uns auszurichtende Wort enthalten, aber doch in verschiedener Akzentsetzung. Das liturgische Recht als Recht der Hirtengewalt zu entwickeln ist deshalb unerläßlich, weil es sich nicht um bloße Funktionen einer in abstracto vorzustellenden Dienststelle, sondern um Repräsentationsvorgänge handelt.

Die Lehre von der Kirche und vom Kirchenrecht stehen zu Recht immer wieder vor der Frage, mit welchen spezifischen Mitteln das Regiment der Kirche auszurichten ist. So kann mann sagen, daß die Kirche mit dem Sakrament geleitet wird, mit dem Wort der Predigt (Thimme), mit der Visitation (Diem) usf. Die Frage ist die grundsätzlich gleiche. Daß sie primär durch Predigt und Sakrament geschieht, also in der versammelten Gemeinde, demnach liturgisches Recht, und daß das Leitungsrecht wesentlich sich von daher bildet, ist offenbar. Aber es ist die Frage, ob das Hirtenamt strikt und vollständig so abgeleitet und beschrieben werden kann. Gerade das missionarische Wort, wie es die Apostel mit der Leitungsbefugnis verbinden, geht darin doch nicht einfach auf. So wird man sagen müssen, das Hirtenamt habe auch seine bekenntnisrechtliche Seite, ist Bekenntnisrecht und -pflicht. Diese Seite der Hirtengewalt und die Schlüsselgewalt stehen also gemeinsam unter dem Begriff des Bekenntnisrechts. In beiden Seiten der Kirchengewalt, der liturgierechtlichen wie der bekenntnisrechtlichen ist jedoch die Doppelheit von Jurisdiktion und Ordination, von Scheidung und Zuordnung enthalten (s. auch Kap. XIII).