Die Gegenläufigkeit und Zwiefältigkeit, die eine Untersuchung des Missionsbefehls und seiner Auswirkungen hervortreten läßt, findet sich auch im Geschehen des Abendmahls. Mit seiner Deutung als gesonderter Handlung (innerhalb der vielfachen Bezüge, in denen es steht), betreten wir ein Feld, auf welchem das liturgische Handeln der Kirche die außerordentlichsten kirchengeschichtlichen und kirchenrechtsgeschichtlichen Wirkungen sowohl hervorbringt wie ausdrückt.
Unter Verwendung von Aussagen Melanchthons in der Apologie Art. XXIV über den Begriff des Opfers sagt hierüber Peter Brunner:22
„Die Unterscheidung Melanchthons von Sakrament und Opfer im Gebiet der Zeremonien enthüllt uns die eigentümliche zwiefältige Struktur dessen, was unter den äußeren feststellbaren Handlungen des Gottesdienstes in verborgener, nämlich pneumatischer Weise geschieht: Gott übermittelt uns die Gabe des Heiles (,Deus nobis exhibet’), wir bringen
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Gott in Gebet, Bekenntnis und Lob Dankopfer dar (,nos Deo reddimus’). In Anlehnung an Melanchthons Terminologie hat man diese beiden Seiten des Gottesdienstes die sakramentale und die sakrifizielle genannt.”
Er bezieht sich dabei zugleich auf Theodosius Harnack und v. Zezschwitz.23 Im Zuge einer wesentliche übereinstimmenden Unterscheidung sagt Karl Rahner ganz unzweideutig, daß das Meßopfer der Gemeinde im römisch-katholischen Sinne kein Sakrament ist. (Kirche und Sakramente … S. 57).
In diesem Zusammenhang zitiert auch Brunner das Wort Luthers aus seiner Predigt zur Einweihung der Torgauer Schloßkirche von 1544. Er sagt dort, es gehe darum, daß in dieser Kirche
„nichts anderes geschehe, denn daß unser lieber Herr selbst mit uns rede durch seine heiliges Wort, und wir wiederum mit ihm reden durch Gebet und Lobgesang.”
Wenn sich dies nun nach neueren Forschungen nicht auf den Hauptgottesdienst, sondern auf das Stundengebet bezogen hat, so ist doch bemerkenswert genug, daß auch so der Dualismus des gottesdienstlichen Handelns deutlich hervortritt.24
Aus dem Gesagten ergibt sich, daß das gebotene Handeln der Kirche, ihr Dienst und Gottesdienst keine sekundäre Veranstaltung ist, die erst aus ihrer an sich vorhandenen Existenz folgt (operari sequitur esse), sondern der Vollzug des recht verstandenen Verhältnisses selbst ist, in welchem Herr, Jünger und Welt stehen. Durch diesen Dienst konstituiert und bewährt sich die Kirche. Aber er ist von vornherein nicht strukturlos, nicht gestaltlos. Seine Gestalt ist vielmehr mit jenem Verhältnis mitgegeben und deshalb in den wesentlichen Grundzügen nicht veränderbar.
Das ist eben — vorbehaltlich weiterer Strukturnachweise — diese Zwiefältigkeit und Gegenläufigkeit. Zugleich leuchtet ein, daß jedes abweichende Verständnis eben dieses Tatbestandes zu einer abweichenden Auffassung des Gottesdienstes führen muß. Darum scheiden sich die Geister an diesen Fragen des konkreten Dienstes und Vollzuges. Da aber die Kirche nur dazu Recht hat, was ihr im Anspruch auf den glaubenden Gehorsam der Gemeinde wie im Anspruch auf die Duldung durch die Welt geboten ist zu tun, so ergibt sich, daß die gottesdienstliche Gestaltung das Grundmaß und der Ausgangspunkt für die Bildung alles Kirchenrecht ist. Die Theologen brauchen also, wenn sie Kirchenrecht bilden, nicht auf einen ihnen fremden und unheimlichen Rechtsbegriff in einer unberechenbare Abstraktion zu reflektieren, sondern hätten sich — allerdings in größter Klarheit — darauf zu besinnen, was ihnen zu tun aufgetragen ist — und was sie faktisch tun.
Auch die evangelische Kirchenrechtslehre hat sich nicht von dem gottesdienstlichen Verständnis her begriffen, welches in jener melanchthonischen Formel ausgedrückt ist. Sie schwankt zwischen einer autoritativen,
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wesentlich lehrhaften Verkündigung, der gegenüber der Hörer zum Objekt wird, und einer Ableitung des Kirchenrechts aus der Gemeinde. Beides ist nicht miteinander ausgeglichen und verbunden worden. Die im neueren Luthertum oft verwendete Formel von „Amt und Gemeinde” ist selten klar auf ihre gottesdienstliche Wurzel zurückgeführt und ebensowenig folgerichtig durchgehalten worden. Melanchthon neigt mehr zu er einen, Luther zur anderen Linie. Dem entspricht die Unklarheit des Amtsbegriffes, welcher zwischen echter geordneter Vermittlung und funktionalen Vorstellungen schwankt und bis heute umstritten ist.25
Die Preisgabe und die Auflösung der pneumatischen Wechselbezüglichkeit zugunsten eines einseitigen hierarchischen Handelns am Objekt der Gemeinde ist der Punkt, von dem aus mit der Gestalt des Gottesdienstes schließlich auch die Einheit der Kirche zerstört wurde. Der vielzitierten protestantischen Zerstörung der gottesdienstlichen Formen geht eine jahrhundertelange Zerstörung des altkirchlichen Gottesdienstverständnisses und -gefüges in der Gotik voraus. Wir finden gerade bei hervorragenden katholischen Kennern der Liturgiegeschichte kritische Darstellungen dieser Entwicklung, wenn auch die Schlüsse nicht befriedigen, die sie daraus ziehen. Einige dieser Stimmen sind hier in der Anmerkung zitiert.26
Über denselben Sachverhalt sagt der bedeutendste Kenner der Geschichte der Messe, Josef Andreas Jungmann S.J.27 im Abschnitt über die Messe im Zeitalter der Gotik:
„Mindestens noch im 11. Jahrhundert haben im kirchlichen und
gottesdienstlichen Leben die Kräfte der Gemeinschaft deutlich das
Übergewicht. Neben den Domstiften sind an jedem größeren Ort und
oft auch auf dem Lande Kollegiatstifte vorhanden, an denen die
Kleriker unter der Leitung eines Propstes ein gemeinsames Leben
führen und vor allem gemeinsamen Gottesdienst halten … Für diese
Stiftskirchen und damit überhaupt für den romanischen Kirchenbau
war darum kennzeichnend der geräumige Chor mit den Sitzen der
Kleriker … Die tägliche Conventsmesse, die … in Anwesenheit der
ganzen Klerikergemeinschaft gemeinsam gefeiert wird, bildet den
Höhepunkt des Gottesdienstes. In den Meßordnungen und in den
Rubriken der liturgischen Bücher ist fast nur von diesem
gemeinschaftlichen Gottesdienst die Rede…
Um diese Zeit bricht eine
neue Ordnung der liturgischen Bücher Bahn, kraft deren der
Priester auch die Rollen von Lektor und Sängerschaft übernehmen
kann und somit auch unabhängig von ihnen seines Amtes walten
kann. Bindungen des Individuums lösen sich in der Liturgie
ebenso, wie um die gleiche Zeit die Verfassung der
Kanonikerstifte in der Richtung auf persönlich zuwendbare
Präbenden … gelockert oder gänzlich aufgelöst wird”
(137/8).
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„Es liegt in der Annäherung an die Privatmesse eine empfindliche Lockerung des liturgischen Gefüges vor, die allerdings den zentrifugalen Tendenzen des gotischen Zeitalters durchaus entspricht. Der Priester macht sich gewissermaßen unabhängig vom Sängerchor. Was dieser leistet, wird vom Altar nicht mehr als vollwertiger Beitrag zur gemeinsamen Feier betrachtet. Um so mehr kann nun der Zug zum Weltlichen über den Kirchengesang Gewalt gewinnen.” (141).
Sagen wir es deutlicher: die liturgische Struktur löst sich unter Erhaltung der Einzelelemente auf, indem sie zu einem zwar komplizierten, aber in einer Hand liegenden, einheitlichen Werk zusammenfließt. Es scheint mir ein wesentlicher Mangel der liturgiewissenschaftlichen Erörterung zu sein, daß sie erstens dem personalen Moment und zweitens dessen sozialgeschichtlicher Stellung nicht die gleiche Aufmerksamkeit zugewendet hat, wie dem Inhalt des Handelns selbst.
Es wird bei Jungmann deutlich, daß die bisherigen konstitutiven Elemente der Gemeinschaft fortfallen, möglich, aber nicht mehr nötig sind, und sehr bezeichnend, daß eben dies den Chor als aktives Volk der Säkularisation — schon innerhalb des gottesdienstlichen Geschehens selbst zutreibt. Die von Jungmann anderwärts ausführlich dargestellte Rolle des Volkes in der Messe (S. 306 ff.), vor allem die Akklamationen müssen dementsprechend mehr oder weniger ihre konstitutive Bedeutung verlieren. Die respondierende Salutatio „et cum spirito tuo” ist sozusagen der Vormerkepunkt, an dem noch deutlich wird, daß es sich um ein wechselseitiges mehrschichtiges Geschehen handelt, welches eben nicht von einem allein voll wahrgenommen werden kann.
Ebenso deutlich aber wird, daß es sich nicht um eine spezialistische Entartung handelt, in der die Fachleute unter sich eigentümliche Sonderbildungen erzeugen, die sie nur allein verstehen und handhaben können. Es handelt sich um eine geistes- und sozialgeschichtliche Entwicklung im größeren Zusammenhang, und damit auch um eine rechtsgeschichtliche. Auch dies berührt Jungmann, wenn er von der Umwandlung der klerikalen Gemeinschaftsrechte in den Stiftern in losgelöste Einzelrechte spricht. Diese von ihrem geistlichen Ursprung und Ziel immer mehr losgelöste, ganz individualistisch-absolute Privilegienwirtschaft hat die nächsten Jahrhunderte zu einem undurchdringlichen Kirchenrechtsdschungel gemacht, mit dessen Wucherungen selbst das Trienter Konzil kaum fertig geworden ist, und dem eigentlich erst die Moderne ein Ende bereitet hat.
Aber die Verwandlung der Messe in das Opus eines einzelnen und allein dazu befähigten Priesters in Gestalt des Vollmissale liegt nun weiter parallel zu kirchenrechtlichen und rechtsgeschichtlichen Entwicklungen, die im einzelnen später zu erörtern sind.
Im Zentrum dieses Geschehens liegt die Verwandlung und Kontraktion der Messe als Gemeinschaftshandlung in das exklusive opus des
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Priesters, durch die Aufhebung ihrer liturgischen Struktur, während thetisch, geradezu nominalistisch-positiv alles stehen bleibt. Jetzt kommt es nur darauf an, daß dieses entscheidende dem Priester vorbehaltene Werk geschieht — dann werden sekundär seine Früchte ausgeteilt. Über die Früchte der Messe entsteht eine umfangreiche theologische Literatur, die durch den Auseinanderfall von Opfer und Gemeinschaft, sozusagen durch diesen hiatus bedingt ist. Jungmann sieht vieles davon; er ist durchaus nicht optimistisch, wie er denn gelegentlich vom „Herbst des Mittelalters” in diesem Zusammenhang spricht, freilich einem eigenartigen Herbst, der in der Hochblüte expansiver Machtentfaltung und Wirksamkeit sich gerade darstellt — aber er hütet sich ebenso, sich mit Lehre und Tradition der Privatmesse in förmlichen Gegensatz zu bringen.
War nun die Reformation daran interessiert, die Zerstörung der liturgischen Struktur wieder wettzumachen, deren Folgen sie als so unerträglich empfand? Keineswegs. So kann Rudolf Stählin in seiner „Geschichte des christlichen Gottesdienstes” 28 mit einer gewissen Resignation sagen:
„Was die Deutsche Messe anlangt, so werden wir nicht leugnen können, daß sie im Abendmahlsteil ein Torso ist, indem die alte Struktur teils zerbrochen, teils nivelliert ist (Ersetzung der Präfation durch eine Exhortation!). Wir werden die Grenzen Luthers als Liturgiker klar erkennen müssen. Luther erkennt weder die theologische Bedeutung der liturgischen Struktur noch hat er einen Blick für die Entfaltung des Heilsgeschehens im liturgischen Handeln. Aber auch das war wohl providentiell. Denn die Tatsache, daß im 16. Jahrhundert eine Tradition abbrach, die bis auf die Apostel zurückging, war ein Gericht über die Mißbräuche des Mittelalters. Die Reformation hat liturgisch den Anschluß an die Alte Kirche, den sie suchte, nicht gefunden. Sie hatte eine schwerwiegende Verarmung des Betens der Kirche zur Folge, und den endgültigen Verlust jener großen eucharistischen Zusammenschau des gesamten Heilsgeschehens, deren die Alte Kirche noch fähig war, für die dann freilich schon das Mittelalter keinen klaren blick mehr gehabt hat.”
Diese Sicht scheint mir noch zu sehr unter dem Schema Klassik und Verfall großer Stillbildung zu stehen. Es kommt auf die Beurteilung der aktiven Kräfte an, die sich an die Stelle setzen, und die in ihren Wirkungen heute noch von aktueller Bedeutung sind.
„Luther möchte gerne, daß der Pfarrer hinter dem Altar mit Blick auf die Gemeinde zelebriert. Durch die Deutsche Messe, die Luther für die einfältigen Laien geschrieben hat, … soll übrigens die Formula Missae keineswegs abgeschafft werden. Aber Luther denkt noch an eine dritte Ordnung für die, so mit Ernst Christen sein wollen. Er hat aber die Leute noch nicht dafür. Sie hätten keine ausführliche
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liturgische Ordnung mehr nötig, weil sie ihren Gottesdienst im Geiste haben.” 29
Von diesen drei Formen hat tatsächlich doch nur die eine, die Deutsche Messe mit ihren Abwandlungen Bedeutung erlangt. Sie hat die formula missae verdrängt. Zur Ausbildung jener dritten Form ist es nicht gekommen.30 Während nun die „formula missae” als Reformvorschlag neben anderen Stücken des Meßkanons die Präfation bewahrt, wird diese in der „Deutschen Messe” preisgegeben und durch eine Exhortation ersetzt. Hier werden die eigentlichen Intentionen und Triebkräfte sichtbar. Aber bemerkenswerterweise treten sie an Stellen hervor, die gerade nicht im Streit waren und sein konnten.
Gegen die Präfation — („wahrhaft würdig und recht, billig und heilsam ist es, daß wir Dir immer und überall danksagen …”) — ist so wenig einzuwenden, daß jede Polemik dagegen fehlt und dieselbe Formel heute wieder in allen lutherischen Agenden eingeführt worden ist. Dennoch wich sie einem stärkeren Interesse, einer anderen Blickrichtung und Struktur. Der Kampf um den Opferbegriff erweist sich als eine nur partielle Frage. Mit der Opfermesse wurden noch ganz andere Elemente und Perspektiven ausgeschieden, und die Verneinung des Opfers erklärt noch nicht das Bildungsgesetz der neuen liturgischen Schöpfungen.
Die Ersetzung der Präfation durch eine Exhortation hat ihre wichtige Parallele in der Ersetzung der Weihepräfation im Ordinationsformular durch die Zitation der auf das Amt bezüglichen Schriftworte (s. Kap. VIII).
Der Begriff der Präfation selbst ist freilich nicht sehr sachgemäß, ja fast schon eine Umdeutung. In der Sache enthält die Präfation Elemente des Lobpreises, der Doxologie und der Anrufung, des Gebets. Sie heißt wenigstens insofern mit Recht „Prae”-fation, als sie vor der eigentlichen Mahlhandlung steht, auf das folgende Mahl hinweist. Sie meint andererseits etwas, was auch unabhängig von der Messe „immer und überall” zu tun ist. Die Kirche versteht sich hier nicht in einem dauernden An-sich-Sein, nicht in einer weiterzugebenden Tradition, sondern in einer sich dauernd vollziehenden Hinwendung zu Gott, von der sie und in der sie lebt. Sie antwortet auch nicht allein auf die ihr in diesem Gottesdienst zukommende Gabe — denn die Präfation steht ja vor allem Geschehen der konkreten Versammlung. Die Kirche steht überhaupt in dieser Dimension des Dankens, Lobens, Bittens.
Eben diese Dimension ist durch eine entschieden applikative Handlungsrichtung abgelöst und verdrängt worden. Neben der Liturgie gibt der Katechismus die Belege. In Luthers kleinem Katechismus erscheint in der Erklärung des 3. Gebots kein Wort vom Lobe Gottes. Dafür kommt es im Credo heraus — aber allein beim 1. Artikel — bei Gott dem Schöpfer. Die umfängliche Erklärung des 3. Gebots im Großen Katechismus enthält ebenfalls davon nichts. Erst recht ist in der Erklärung des Abendmahls in beiden Katechismen weder vom Gemeinschaftscharakter
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desselben noch vom Lobpreis in seiner Feier irgendwie die Rede, sondern lediglich von der individuellen Zueignung, Sündenvergebung, von Würdigkeit und Glauben. Fehlen die Dimensionen der Gemeinschaft wie des Lobens und Dankens, so naturgemäß auch diejenige der Gemeinschaft des Lobens und Dankens über Raum und Zeit hinweg. Weiterbildungen des lutherischen Katechismus (Pfalz, Baden) streichen zielsicher auch das Wenige. Am Ende steht die liberale Gottesdienstlehre, nach welcher Gottesdienst überhaupt nur das ethische Handeln gegenüber dem Nächsten ist. Die Gegenläufigkeit des Lobopfers aber gerät beinahe in ein Folgeverhältnis: weil jetzt und hier Gott und freundlich begegnet ist, bringen wir unseren Dank. In einem ähnlich konsekutiven Sinne handelt der Heidelberger Katechismus in einem ganzen dritten Abschnitt von den Pflichten der Dankbarkeit. Der freie Raum des „immer und überall” — und deswegen natürlich besonders und erst recht hier im zentralen Geschehen des Gottesdienstes! — ist, wenn nicht ganz verloren, so doch beiseite getreten, eingeengt.
Die Präfation und andere ebenso unanfechtbare Stücke standen noch da. Sie mochten Züge des Verfalls bereits an sich tragen und nicht mehr recht verstanden werden. Sie sind jedoch nicht besser verstanden und besser gemacht, sondern beiseitegetan worden. Allein beherrschend wurde das Interesse an der applikativen Ausrichtung des Wortes Gottes. Eine Kirche, die dies „immer und überall” tut, steht freilich in einem Lebenszusammenhang über Raum und Zeit — aber in einem legitimen: denn daß sie dies alles tut, muß ihr gegeben sein und immer wieder gegeben werden, so wie sie immer wieder darum bittet. Wenn sie dies Stehen vor Gott in ihrem theologischen Selbstverständnis — hier noch keineswegs in ihrer liturgischen Aussage! — in eine metaphysisches esse verwandelt und umdeutet, dann mag man sie mit Recht daran erinnern, daß eben dies immer wieder ein Gnadengeschenk Gottes ist. Aber es rechtfertigt niemals die Abschaffung der Präfation oder anderer, ihr entsprechender Stücke. Denn damit wird stillschweigend dieses Herkommen von der früher erwiesenen Güte Gottes verdrängt durch einen jedesmaligen Neuanfang, die Neukonstitution durch das auszurichtende Wort Gottes. So wird das metaphysische Kontinuum nur durch eine kritische Diskontinuität ersetzt. In diesem Selbstverständnis der Kirche entsteht, zwischen dem jetzt und hier mir begegnenden Worte Gottes und dem in der Bibel Bezeugten ein zu überspringender, grundsätzlich gefährlicher und problematischer Hiatus. Die Geschichte der Kirche in ihrer ganzen Zweideutigkeit und Dialektik von Abfall und gnädiger Führung ist keine Lebensgemeinschaft mehr, sondern allenfalls ein Gegenstand des frommen Interesses, der Historie und der Wissenschaft. Die Mythologie des Abfalls zwischen der Urkirche und der Reformation, oder zwischen der Urkirche und heute, oder in die Kirche überhaupt, ist nur eine konsequente Rationalisierung dieser Haltung.
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Analog zu der Kontinuitätsproblematik wird auch das Amt der Kirche aus dem priesterlichen esse des absoluten ordo31 in das wesentlich funktionale Amt verwandelt. Die römische Liturgie hat nicht in allen Punkten die Wandlung sichtbar durchgemacht, die zum isolierten Opferpriestertum führt.
Beide Haltungen aber ist ein deutliches Zweckmoment eigen. Das priesterliche Werk muß für das Volk vollbracht werden. Das ist das Entscheidende. Wort und Sakramente müssen ausgerichtet werden. Alles, was dem nicht erkennbar dient, nicht in diese Richtung weist, wird ausgeschieden — und dann freilich hat die Gemeinde Anlaß zu danken. Das bringt Verarmung. Aber es ist kein zufälliger Verlust. Es entsteht sogar ein starker puristischer Zug. Es ist vor allem eine vollkommene Veränderung des Lebensgefühls, welche der Wiedergewinnung gerade des Unanfechtbaren wirksam entgegensteht. Aber es wird deutlich, daß ohne Interpretation der Liturgie von Kirchenrecht nicht wohl geredet werden kann.
Die Isolierung des Opferpriestertums vom Kirchenvolk, welche Congar, Wagner, Jungmann feststellen und beklagen, bedeutet, daß hier also alles für das Volk, nichts durch es geschieht. Im Meßopfervollzug kehrt der Priester, für die Gemeinde handelnd ihr fast ständig — ideel und tatsächlich — den Rücken zu und entmündigt sie dadurch. Sie hat folgeweise keine konkreten aktiven Rechte in der Kirche, sondern nur ein allgemeines Mitgliedschaftsrecht, welches bis vor kurzer Zeit sogar nur als eine Art subjektiv-öffentliches Recht auf Sakramentsempfang und Seelsorge umschrieben wurde, bis es neuerdings mehr als Laienapostolat ohne eigentliche institutionelle Ordnung verstanden wird.
Wie ist es aber in der lutherischen Kirche geworden, sei Präfation, Anamnese und Offertorium beseitigt sind? Jetzt kehrt sich der Pfarrer ganz und gar der Gemeinde zu, ihr predigend, ihr die Sakramente darreichend. Zum Altare kehrt er sich als Vorbeter dieser Gemeinde, die insofern uno actu mit ihm handelt. In deutsch-reformierten Gemeinden ist selbst dieser Recht sakrifiziellen Handelns verdächtig und angefochten.
Aber das Unverständnis für eine solche Selbstverständlichkeit leiblicher Konkretion ist belanglos gegenüber dem Verlust jener umfassenden Dimension der Anbetung, von der das Opferproblem nur ein Teil ist. Aber gerade dies hat sich gerächt. Denn es hat verhindert, daß die Stellung der Gemeinde neu begründet wurde. Es hat im Gegenteil bewirkt, daß diese heute noch so ungeklärt ist wie in der Zeit der Reformation. Denn unzweifelhaft überwiegt auch im lutherischen Gottesdienst ganz entschieden die sakramentale Seite im Sinne unserer Unterscheidung (womit noch keineswegs ein sakramentales Verständnis der Verkündigung oder eine Betonung der Sakramente gemeint und gesichert ist). Eben aber in dieser Rolle des Hörens und Empfangens ist die
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Gemeinde wieder passiv, und von hier aus entfalten sich gewiß auch keine aktiven Rechte und Kräfte. Das heißt aber: bei höchst unterschiedlichen, geradezu kontradiktorischen liturgischen Auffassungen, aus ebenso entgegengesetzten Gründen ist das Ergebnis ein verzweifelt ähnliches: die Inaktivierung des Kirchenvolks, die Abbindung der Ansätze, aus denen Gliederung und Aktivität sich entwickeln könnten, die Priester- und Pastorenkirche, die sozusagen gegen ihre liturgische Konzeption mit sekundären Mitteln die Mängel ihrer Primärverfassung zu beheben sucht. Dabei ist der apostolische Eifer der katholischen Laien im Ganzen eher größer als derjenige der von alters her für mündig erklärten Evangelischen.
Sowohl die Exklusivität des Opfervollzugs wie seine Abschaffung, wie die Zertrümmerung und Verarmung der sakrifiziellen Seite des Gottesdienstes verdrängt das Volk in der Kirche, macht die Kirche zur Amtskirche.
Dieses Dilemma ist, wie mir scheint, von jeher mehr oder minder deutlich empfunden worden, und hat zu immer neuen Lösungsversuchen geführt. Nun kann man ihm freilich nicht durch die Aufstellung eines sog. Gemeindeprinzips entgehen, welches das Amt zur Verfügung durch die Gemeinde aus dieser hervorgehen läßt. Ein solches Prinzip ist, wie Ernst Wolf32 mit Entschiedenheit hervorhebt, völlig unreformatorisch. „Nicht die Gemeinde konstituiert … die Kirche, sondern das ,von oben her’ wirksam ausgerichtete Wort Gottes …” (171). Es wäre dies ja auch ein von außerhalb der gottesdienstlichen Ordnung und Sachstruktur eingeführtes, unechtes Prinzip. Daran haben sowohl die altlutherische wie die altreformierte Theologie eindeutig festgehalten.
Die lutherische Theologie hat sich, bei allen Wünschen und Forderungen der Laienaktivität und Gemeindegliederung weithin damit abgefunden. Der aktivere Calvinismus hatte zwei Richtungen, in welche der Druck abgeleitet wurde. Unbeschadet der hochgehaltenen Autorität des Predigtamtes wurde dieses bewußt sehr stark in den Kreis der übrigen klassischen Ämter und der Presbyter überhaupt hineingestellt, ihrer Mitwirkung, Zucht und Kritik anheimgegeben. Sodann aber richtete der Gedanke des Evangeliums als nova lex die Aktivität der Gemeinde in großer Kraft nach außen, in die Durchdringung der Welt wie in die persönliche Heiligung des Alltagslebens zur Mehrung des Ruhmes Gottes. Beides entnahm das Kirchenvolk in hohem Grade der Inaktivität und kehrte den Blick in einer unserem Problem abgekehrten Richtung. Aber es löste doch die Frage nicht! Jene Einbindung des Predigers ist eine höchst wünschenswerte und fruchtbare. Aber sie ist doch eine grundsätzlich sekundäre Erscheinung. Sie berührt die Struktur des gottesdienstlichen Vollzugs selbst nicht. Erst recht ist dies mit jener nach außen und in das persönliche Leben gerichteten Aktivität der Fall!
Der dritte Teil des Heidelberger Katechismus steht unter dem Titel
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„von der Dankbarkeit” und behandelt die zehn Gebote, das Vaterunser und die Bewährung im Berufe. Seine Hauptrichtung ist also eine ethische — die Dankbarkeit aber ist überhaupt eine Folgepflicht des verliehenen Heils. Auch diese in den ethischen Zusammenhang gestellte Anbetung ist aus ihrem gottesdienstlichen Zusammenhang gelöst. Sie findet auch rein räumlich in den reinen Predigtkirchen keinen Platz. Man kann heute noch Gottesdienste erleben, die von Anfang bis Ende von der Kanzel gehalten werden. Vollends die in der Präfation aufbewahrte Einsicht, daß Danken, Bitten und Empfangen in eins liegen, nicht konsekutive aufeinanderfolgen, ist verlorengegangen.
Ist, mit Barth zu reden, der Gottesdienst wirklich „die distinkte Mitte”, an der sich die Dinge entscheiden, so kann beides offenbar nicht helfen.
Mit der sakrifiziellen Seite des Gottesdienstes ist der neuralgische Punkt der Kirchenrechtsgeschichte getroffen, den man vorsichtig angehen muß: man kann den Krampf vielleicht lösen, oder aber nur noch mehr Schmerzen verursachen: ohne Schmerzen aber wird auch die heilende Behandlung nicht abgehen.
Jene paradoxe Parallelität der Lage in der römischen und lutherischen Kirche geht soweit, daß auch gegenläufige Restbestände und Neuansätze nicht fehlen. Wenn das Meßopfer im Canon missae auch als Opfer der circumstantes bezeichnet wird („qui tibi offerunt hoc sacrificium laudis”),33 wenn die liturgische reform, mit und ohne päpstliche Anerkennung in die Richtung der Gemeinschaftsmesse geht, so fehlt auf der lutherischen Seite durchaus nicht völlig ein sakrifizielles Moment, fehlen nicht die Problematik und die Versuche liturgischer Neubildung: aber das beiderseits (noch) Bestehende ist nicht eigentlich konstitutive, es geht durchaus aus ohne das, jeder Ausdehnung und Folgerung wird heftig widersprochen, das Neue aber setzt sich nur in einer ermäßigten, kompromißhaften Weise durch, welche eine eingreifende Revision des bisherigen Standpunktes sorgsam vermeidet.
Es wurde schon dargestellt, daß je nach Richtung und Art des Handelns ganz verschiedene Formen und Typen des Priestertums hervortreten. Der Streit um das allgemeine und das besondere Priestertum ist im Grunde der Streit um zwei entgegengesetzte Einheitsbegriffe einer geistlichen Vollexistenz, welche dann, wenn überhaupt, zu allem befähigt sein soll, ohne Rücksicht auf die Relation und Rolle, in der sie konkret-liturgisch steht.
Da wir mit dem nominalistischen „habent mandatum”, dem bloßen „Daß” des Gottesdienstes nicht weiterkommen, und selbst nicht zu deuten vermögen, wohin die im Gottesdienst wirkenden mächtigen Kräfte uns ziehen, so ist es nötig, tiefer als bisher die Rollenverteilung und Rollenbedeutung in diesem Handeln zu deuten. Es geht darum, das qualifizierte oder funktionale Einheitssubjekt der Liturgie und des Kirchenrechts wieder aufzulösen.
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Da die Frage am Abendmahl hervortritt, ist sie auch hier nachzuprüfen. Äußerlich gesehen bieten hierfür die Einsetzungsberichte nur wenig. Jesus feiert mit seinen Jüngern, bezeichnet, während des Mahls Wein und Brot, den Ritus verwandelnd oder sprengend, als seinen Leib und sein Blut und teilt ihn mit den Jüngern, welche über die Anteilhabe am Mahl, seinen Empfang hinaus in keiner erkennbaren Funktion erscheinen.
Zunächst fällt indessen schon auf, daß Jesus hier in zweifacher Gestalt vorkommt: hier der Vorsitzende des Mahls, der Hausvater mit seinen Tischgenossen — dort sein Körper, von ihm abgelöst, wie der Mensch selbst sonst seinem Körper niemals gegenübersteht. Dürfen wir den evangelischen Berichten zeitlich trauen, so ist es der lebende Herr und sein Leichnam,34 so wie er am nächsten Abend am Kreuze tot hängen wird. Auf alle Fälle setzt er sich selbst, gegenständlich-tot, aber doch von lebendigster, entscheidender Wirklichkeit, gegenwärtig. Er läßt die Elemente zusammen ihn selbst repräsentieren.
Diese auffällige und eigenartige Verdoppelung der personalen Anwesenheit verlangt nach Erklärung. Wird en Repräsentant eingesetzt, ein Gesandter von einem Herrscher beglaubigt, so ist er es gewiß schon in diesem Augenblick, aber er ist noch nicht in Funktion. Jedes Richteramt, welches die Gerichtshoheit des Königs repräsentiert, zessiert, wenn der König selbst anwesend ist. Hier wird unmittelbar an die Einsetzung anschließend auch die Anteilgabe an die Jünger vollzogen.
Indem Jesus im Gehorsam gegen den Vater sich opfert, sich dahingibt, vollzieht er selbst vice patris dieses Opfer in der Rolle35 des israelitischen Hausvaters, der den Seinen im sakralen Mahl Wein und Brot reicht. In dieser väterlichen Rolle scheint die repräsentatio patris per filium durch. Die höchste, freieste Aktivität, die Vollziehung des vorweltlich-innertrinitarischen Ratschlusses ist jetzt auf ihrer Höhe, sie kulminiert, während ihr die völlige Hingegebenheit, die reine Objektstellung der Elemente, des Leibes, des Leichnams gegenübersteht. In unseren gegenwärtigen Nöten geistiger Schizophrenie, des Auseinanderfalls von Mensch und Mensch, Mensch und Welt, Mensch und Dingen, Subjekt und Objekt, ist man versucht zu sagen, daß hier die extremste Lage dieser Spaltung überboten und zugleich überwunden ist, eine Lage, die in der Existenzsituation der biblischen Welt so noch gar nicht aufgebrochen war.
In dem Augenblick, in dem Er so vollkommen hingegeben ist, ist niemand da, der Ihn dahingeben kann, wenn nicht der Vater — in seine Rolle tritt er, kraft der Einheit, in der er mit ihm lebt.
Zu den Rollen, die beim Abendmahl zu erwägen sind, gehört auch der Dienst zu Tische. Ganz ohne Widerrede und Zweifel sitzt Jesus dem Mahl vor — es geht in der Versammlung allein um ihn. Aber er gibt sich nicht nur in den Elementen, sondern dient auch in der
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Fußwaschung (Joh. 13) und überhaupt zu Tische (Luk. 22), in beiden außerhalb der eigentlichen Mahlhandlung. Er setzt sich in eine Rolle, die dem des Vorsitzenden und Hausvaters gerade entgegengesetzt ist. Er ordnet sich ausdrücklich denen nach, die als seine Jünger mit ihm zu Tische sitzen. Die abstrakte Allgemeinheit des Dienstgedankens erfaßt nicht die Konkretheit dieser Rolle. Von da aus gewinnt auch der Diakonat der Kirche seine besondere Würde. So gibt es einen doppelten Vicariat Christi, einen solchen in den auftragsgemäßen Verrichtungen (wer euch hört, der hört mich …) und in der davon unterschiedenen Rolle des Diakonats. Die Formalisierung des Diakonats zur bloßen Durchgangsstufe in das Vollamt wie sein entsprechendes Verständnis als nachgeordnetes Predigtamt (pastor secundarius) ist ein höchst bedenkliches Zeichen der Verarmung kirchlichen Dienstes und kirchlicher Ordnung.
Weiteres über die Rollen in diesem Geschehen ergibt die Zweideutigkeit der bestimmenden und deutenden Worte Jesu: „Für euch”. Dieses „Für euch” heißt hier nicht nur „euch zum Heile”, zur Gemeinschaft mit mir und untereinander. Es ist im positiven Sinne zweideutig. Es heißt: zunächst und vor allem: dem Vater aufgeopfert zur Versöhnung. Es ist freilich die rational-konsekutive Deutung möglich, daß die Hingabe an den Vater zeitlich und logisch vorausgesetzt wird und daraus die Eignung hergeleitet wird, nunmehr den Jüngern zu dienen. Diese zeitlich-kausale Herleitung indessen zerreißt die Identität der ja gerade präsenten, ausdrücklich auch in den Elementen präsenten Person. Unser heilsegoistisches Greifen nach dem „pro nobis” macht unversehens den Christus praesens zum zwar verheißenden, aber doch von ihm schon wieder abgelösten und insofern gegenständlich werdenden Mittel.
Grund und Grenze des Opferelements, der sakrifiziellen Seite wird hier deutlich. Es ist nicht Sache des Kirchenjuristen, liturgische Formeln vorzuschlagen: er hat sie, wo vorhanden, mit zu erwägen. Aber er wird von der Interpretation der Rollen her sagen können: derjenige Gottesdienst, der nicht beide Elemente in wohlabgewogener, sachgemäßer Gleichwertigkeit und Entsprechung enthält, verkürzt Auftrag und Vollmacht der Kirche, den Inhalt der Stiftung. Der Dienst, den hier die Methodik des Rechtsdenkens der Theologie leisten kann, ist die in ihr geübte präzise Interpretation von Rollen und Vorgängen, von Vertretungsverhältnissen und Erklärungsinhalten gerade personaler Bedeutung.
Es wird hier auch das Interesse vollkommen deutlich, welches eine humanisierende, mit pelagianischen Neigungen behaftete Theologie an der spekulativen Ausbildung des Opferbegriffs und -vollzuges haben muß, indem sie mehr oder minder weit auf die naturale Fähigkeit des Menschen zu opfern zurückgreift. Aber wie so viele Mißbräuche zieht dieser seine stärkste Kraft daraus, daß diese Frage aus Furcht von dem Mißbrauch und der Überschreitung eben nicht gültig gelöst worden ist.
Zu der Interpretation der personalen Elemente der Abendmahlsstiftung
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gehört auch die Stellung der Jünger. So selbstverständlich passive sie erscheint, so wenig ist sie es. Wenn dies wirklich die Stiftung ist, von der die Bibel und das Dogma der Kirche reden, so ist es ja eben weder ein alltägliches gemeinsames Mahl, auch kein solches nur von herausgehobener kultischer Bedeutung; kein Akt natürlich-menschlicher Möglichkeit erklärt es, daß den Aposteln dieses Mahl zu dieser Gemeinschaft mit dem Herrn wird. Das muß ihnen gegeben werden im Glauben und im Geiste. Diese subjektive Möglichkeit des Empfangens, der Geist muß ihnen mitgegeben werden. So ist dieser, der „vom Vater und vom Sohne ausgeht” als gemeinschaftsstiftender und gemeinschaftermöglichender in diesem Vorgang mit dabei. Es ist für unsere Frage wie überhaupt für das Verständnis des opus proprium der Kirche wesentlich, daß sich in diesem Mahl die Mahl- und Lebensgemeinschaft des Herrn mit seinen Jüngern fortsetzt und vollendet, wie sie im nachösterlichen Mahl wieder aufgenommen, und dann in der Kirche perpetuiert wird. D.h.: alle die Handlungen, die spezifische der Kirche sind, jene schon genannten vier, stehen biblisch diesseits und jenseits, gleichsam rittlings der Todesgrenze und Todeslinie der Passion und Auferstehung. Das ist in der heutigen exegetischen Lage und gegenüber einem Stiftungspositivismus von großer Bedeutung. Das Herrenmahl ist nicht wegzudenken von der Tatsache, daß der Herr selbst schon vor dem letzten Mahl mit den Jüngern Mahlgemeinschaft gehabt hat, ja mit den Zöllnern und Sündern, und daß er nachösterlich ihnen das Brot bricht.
Es wurde schon gezeigt, daß die Opferfrage der neuralgische Punkt der Liturgie ist, und daß sowohl die Isolierung eines exklusiven Opferpriestertums wie die Ausscheidung des Opfergedankens und der Anbetung die geistliche und kirchenrechtliche Stellung der Gemeinde und der Laien nicht zur Entfaltung kommen läßt. Hier liegt auch der Grund dafür, daß unter formeller Annahme der Formel „Amt und Gemeinde” das Verhältnis beider sachlich ungeklärt bleibt. Erst mit dem Gleichgewicht zwischen beiden Seiten liturgischen Handelns wird auch das Gleichgewicht und die echte Korrelation zwischen Amt und Gemeinde ihre unverlierbare Darstellung finden. Erst von dort aus differenziert sich der Begriff des Priestertums in der gebotenen Weise jenseits der unzureichenden Unterscheidung „besonders” und „allgemeines” (vgl. Kap. IV).
Die Deutung der repraesentatio patris per filium löst nun eine Fülle von Problemen aus und erklärt ebensoviel. Die Kirchengeschichte zeigt sehr frühzeitig patriarchale Gestaltungen und Amtstypen — von den Patriarchen, den Kirchenvätern, dem zunächst für Bischöfe oder wenigstens Großbischöfe allgemeinen Vatertitel „papa”, den Äbten bis zu Abbés und Beichtvätern. Woher kommt dieses Element? Sicherlich ist daran die soziologische Umwelt einer ungebrochenen natürlichen Väterlichkeit, der monarchische Typus des spätantiken Staatsrecht, nach der griechischen Zeit der einschließende ungemein kräftige patriarchale Zug
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des Römertums (keine in der Kirche primäre Erscheinung) und weiter die äußere Notwendigkeit kraftvoll-einheitlicher Vertretung in Verfolgung und Glaubenskämpfen beteiligt gewesen. Auber auf der anderen Seite ist eine so breite, tiefangelegte Erscheinung aus Fremdwirkung und Abwehrreaktion ebensowenig zu erklären. So wie die Bekenntnisbildung eben auch nicht nur und nicht primär dogmatisch-apologetischen Bedürfnissen entstammt, ihre Wurzel im liturgischen Taufbekenntnis hat, so gewinnt hier der gemeindeleitende Presbyter und Bischof alsbald aus dem Vorsitz in der eucharistischen Feier die Vaterstelle, die schon Christus im Mahl mit den Jüngern als — wenn nicht weiter — Hausvater innegehabt hat. Aber eben diese Hausväterlichkeit hätte nicht weit gereicht, wenn nicht die repaesentatio patris dahintergestanden hätte.
Sie ist aber nicht repraesentatio patris an sich, sondern per Jesum Christum — und eben die Übergehung dieses trinitarisch-christologischen Charakters erklärt genau die geschichtlichen Mißbildungen dieser geistlichen Vaterschaft in der Kirche. Denn praeter Christum ist es eben dann nicht mehr der Vater Jesu Christi, sondern der Gott des Alten Bundes allein, der einen neuen Mose gesandt hat.
So wird auf dem Umwege über kausatives Schöpfungsdenken schließlich im Meßvollzug etwas, was der Theurgie gefährlich nahe rückt, wenn die vulgärtheologische Formel überhaupt nur gedacht und ausgesprochen werden kann, der Priester „mache Gott”. Es erklärt sich so die eigentümlich unentwirrbare Vermischung geistlichen Handelns echter Tradition mit imperialen Gebaren, geistlichen Dienstes und weltlicher Herrschaft unter den gleichen fatalen Zweckkategorien. Dabei ist es fast noch weniger der imperiale Stil des ökumenischen römischen Reichs und Rechts, als das härtere, ältere Urgestein der patriarchalen Formtradition des alten königlichen Roms, seiner am Boden haftenden archetypischen Kraft.36 Die orientalische Kirche hat ihre eigenen Schwächen und Versuchungen, aber sie zeigt doch in der patriarchalen altkirchlichen Tradition, daß etwas und was ohne dieses Gefälle mindestens im altkirchlichen Stil bis in die Gegenwart möglich war.
An diese Stelle gehören die Erkenntnisse, welche Peter Brunner über die kephalé-Struktur der Ekklesia formuliert hat.37 Er sagt:
„Bei dieser Einordnung und Unterordnung handelt es sich um ein Gefüge, das weit über das Verhältnis von Mann und Frau hinausgreift. Selbst das Verhältnis Christi zu Gott, das Verhältnis der Ekklesia zu Christus ist durch dieses ,Grundgesetz’ der Einordnung und Unterordnung in eine vorgegebene Ordnung bestimmt … Das Haupt ist ursprungsetzende Vollmacht, principium, arché.”
Er bezeichnet dies später unter den Stichworten „von-her” und „um-willen”.
Die Frage der Frauenordination mag hier vorerst beiseitebleiben. Es
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erscheint mir jedoch wesentlich, daß diese von Brunner erhobene Struktur nicht gleichsam an sich besteht, sondern sich im Handeln erweist und uns deutlich wird, in der Heilsgeschichte wie im Handeln der Kirche. Sie ist für uns in ihrem „An-sich-Sein” nicht erkennbar. Andererseits reicht es nicht aus, die in solchem Geschehen sich abzeichnenden Bezüge für formal als reine Relationalität zu verstehen. Das würde heißen, daß innerhalb der Relationen keiner der Partner eine unverwechselbare Rolle hat. Ohne diese Unterschiedenheit aber kann in der Relation nichts Geschichtliches, Unumkehrbares mehr geschehen. Ein rein formaler Relationsgedanke ist die verborgene Option für die materiale Struktur der Gleichheit, welche eben diese Relationalität wieder aufhebt, weil gleiche Größen nicht hinreichend unterschieden werden können. Um Aussagen zu entgehen, welche metaphysischen Charakter besitzen, zu besitzen scheinen oder sich dem nähern, wird in eine rein formale Struktur ausgewichen, welche keine inhaltliche Bestimmung mehr zuläßt, aber — unbewußt — um den Preis mechanisch-kausaler Begrifflichkeit. Mindestens hat die Ungleichheit die Versuchung zur Metaphysik, die Gleichheit zum kausalen Denken in sich: nur wenn man das weiß und im Auge behält, kann man diesen Gefahren begegnen. Gerade die kritische Besinnung auf die Begriffsmittel hat jedoch die Freiheit zu ihrer Verwendung und Begrenzung auf das stärkste beeinträchtigt: je mehr man auf die Begriffsmittel abhob, desto mehr traten sie an die Stelle dessen, was mit ihnen ausgedrückt werden sollte.
Es ist unbestritten und kein Gegenstand der Kontroverstheologie zwischen den katholischen und den reformatorischen Kirchen, daß derjenige, der im Vorgang des Abendmahls aktiv handelt, dies in Stellvertretung Christi, an seine Statt tut (ministri … vice Christi porrigunt). Es ist freilich fraglich, ob diese Anschauung in ihrer ganzen Tragweite festgehalten worden ist. Sie schließt zunächst aus, daß es sich um eine Selbstversammlung der Christen zum Gedächtnis Christi handelt, in welcher er in einem ideellen Sinne als Gegenstand der Besinnung oder so gegenwärtig ist, daß „in seinem Sinne” gehandelt wird. Die Betonung eines reinen Gemeinschaftsmahls, in dem das aktive Handeln bestimmter Personen ganz gegenüber der Gemeinsamkeit des Mahles zurücktritt, führt zu dieser Konsequenz, auch wenn sie es nicht ausspricht.
Ein Antipathos gegen jedes, legitime wie illegitime autoritative (Urheber-)Moment führt dann dazu, daß das Abendmahl aus der Stiftung Jesu zu autonomen Versammlung wird und damit sich selbst aufhebt, verneint.
Man kann dieser Frage zweitens aber auch nicht dadurch entgehen, daß man zwar die Vollzugsfunktion durch eine konkrete Person entschlossen bejaht, diese aber zugleich im Sinne der bloßen Externität in diese Funktion neutralisiert. Auch das durch Christi Stiftung vorgezeichnete und gebotene Handeln bleibt personale Vertretung, Vicariat.
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Das wird unabweislich deutlich durch die in CA XXVIII bezeichnete Schlüsselgewalt, welche die Verantwortlichkeit der Exkommunikation, also eine echte Entscheidung (Jurisdiktion) einschließt. Wir würden wieder dem falschen, widersprüchlichen Rechtsbegriff Bultmanns und Kleins38 anheimfallen, wenn wir diese Vikariatsstellung auf die negative Grenzbestimmung beschränkten. Drittens läßt sich die Struktur dieses Handelns nicht vom Inhalt trennen.
Die Tendenz, in diesen Richtungen der Vikariatsfrage auszuweichen, ist sehr stark. Sie wird nur durch ein hohes Maß der Unklarheit gehemmt.
Stellt sich also hier die Frage, wieso und wodurch dieses stellvertretende Handeln Handeln Christi wird, so zugleich die umgekehrte Frage, wie dieses Handeln Christi — nach seinen eigenen Worten — Handeln für uns wird und ist — in der doppelten Bedeutung — ad deum und pro hominibus. Denn sowenig jenes aktive Handeln eine naturale und funktionale Möglichkeit des Menschen an sich ist, sowenig ist es dieses „für uns”.
Diese Frage läßt sich wohl am ehesten durch die schon früher angeführten Begriffe des „Herkommens” und des „Zukommens” klären. Das aktive Handeln kommt auf alle Fälle von der bleibenden Stiftung Christi her, die auf immer neue Aktualisierung angelegt ist. Die Frage, ob wir hier auf eine formale Amtssukzession oder auf ein aktuales In-den-Dienst-Treten, oder auf weiter Ableitungsformen abheben, können wir hier vorläufig suspendieren. Denn ohne Rückbezug auf die Stiftung, ohne ihrer getreue Wahrung gibt es sicherlich kein Abendmahl. Trotzdem beantwortet dies noch nicht die Frage, ob und wie es uns den Versammelten im strengen Sinne „zukommt”. Aus dieser doppelten Frage ist die Problematik von Konsekration und Epiklese entstanden, deren liturgische und kirchenrechtliche Tragweite auf der Hand liegt. Freilich dürfen wir mit ihnen beiden nicht einfach als mit feststehenden Größen und Lösungen rechnen.
Denn eben diese Unterscheidung ist ursprünglich nicht vorhanden. Das, was den Becher dieses Mahles von jedem anderen Becher eines gewöhnlichen Mahles unterscheidet, ebenso das Brot von jedem anderen Brot, liegt in der eulogia (Mark. 14, 1. Kor. 10).39 Dank und Segen fallen untrennbar zusammen, er Dank an Gott den Vater, wie der Segen über das Mahl. Der Dank geht also dem Mahl voraus, und es wäre befremdlich, wenn wir den Dank Jesu rezitierten, aber nicht selbst ebenso dankten.
Dieses wesentliche Handeln hat die Kirche in den ersten Jahrhunderten ohne weitere Unterscheidung allgemein dem Dankgebet (eulogein, eucharistein, hagiazein, telein, epitelein, benedicere, sanctificare, consecrare) zuerkannt.40 Wie Dank und Sagen zusammenfallen, so auch Herkommen und Zukommen. So zentral dieses Handeln erschien, so
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bestand doch kein Interesse an einer zeitlichen aktmäßigen Fixierung — es wurde im Gesamtzusammenhang der ganzen Feier verstanden. Auf alle Fälle werden immer die Stiftungsworte zitiert und es wird eulogiert.
Dann aber entsteht ein Interesse an der Erfassung bestimmter zentraler Formeln mit spezifischem Sinne: im Osten der Epiklese, der Herabrufung des Heiligen Geistes auf die Mahlelemente, im Westen auf die Einsetzungsworte, welche im Sinne der Konsekration rezitiert werden, beides in Verbindung mit dem alten eucharistischen Gebet.
Es ist freilich sehr die Frage, ob die unterschiedliche Lehre der östlichen und westlichen Kirchenväter über das Abendmahl im gleichen Maße auch das tatsächliche liturgische Handeln verändert hat, oder ob sie dieses nur umdeutet und mit anders gerichteten Zusätzen versehen hat. Dies braucht hier jedoch nicht weiterverfolgt zu werden.
Obwohl der Streit formell und scheinbar um die gemeinsame Frage nach dem gegangen ist, was das Mahl zum Abendmahl macht, haben doch in Wahrheit beide Teile Verschiedenes oder zwei verschiedene Seiten derselben Sache vor Augen gehabt. Den einen ging es wesentlich um die Identität mit dem Handeln Christi, den anderen um das Handeln Christi für uns. Die einen setzten dabei voraus, daß bei Wahrung dieser Identität dieses Handelns auch für uns da sei, die anderen, daß dieses für uns selbstverständlich nachzuvollziehende Handeln Christi für uns nicht da sei, wenn es uns nicht durch den Heiligen Geist zugänglich gemacht werde.
Beide Linien führen in der rationalen Konsequenz zur Auflösung des Abendmahls. Die eine führt zu einer Konsekration der Elemente an sich, welche als pneumatische Gegenstände dann unabhängig von der Gemeinde, der sie gewidmet sind, Gott als Opfer dargebracht werden können, führt zur Transsubstantiation, zu Fronleichnam, zu Sakramentshäuschen, Aussetzung extra usum usf., Lehren und Frömmigkeitsformen, welche der griechische Kirche immer fremd geblieben sind. Die andere läßt das Geschehen unscharf verlaufen, und die Realpräsenz in eine pneumatische Personalpräsenz in der Gemeinschaft oder in der Subjektivität der einzelnen auflösen und verlaufen. Dieser Gegensatz zwischen westlicher und östlicher Kirche kehrt mutatis mutandis ziwschen lutherischer und reformierter Abendmahlstradition wieder und ist bisher noch unbewältigt.
Man kann freilich fragen, ob hier ein Komplementaritätsverhältnis vorliegt, welches hindert, beides miteinander unverkürzt in den Blick zu bringen, weil bei scharfer Erfassung jeweils das eine das andere verdrängt und unerkennbar macht.
Kinder irrt freilich, wenn er meint, daß die durch den Gedanken der Epiklese repräsentierte Frage durch eine Bereinigung des Konsekrationsverständnisses in der Beschränkung auf den usus, die Zuwendung schon gelöst sei. Er (und so wohl im ganzen die lutherische Theologie)
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bleibt in der Linie der abendländischen Tradition, führt sie hier wie anderwärts zu Ende. Die gegenteilige Behauptung, daß er alles damit „drinhabe”, ist der Versuch, sich an dem eigenen Schopfe aus dem Sumpfe zu ziehen — im besten Falle eine Hinweis, daß man die beiden (komplementären?!) Seiten der Sache nicht gleichzeitig folgerichtig erfassen kann. Aber wie die Exegese durchaus nicht die Denkmittel erschöpft hat, um die scheinbaren und tatsächlichen Widersprüche in der Schrift recht zu sehen, so auch nicht die Dogmatik. Die im geistlichen Handeln von der Aussendung der Jünger ab immer wieder sich deutlich abzeichnende Struktur institutioneller Vorgänge vermag uns auch hier einen Schritt weiterzuhelfen.
Die Behauptung, daß die Einsetzungsworte die Doppelfunktion des die Mahlelemente in Dienst nehmenden Konsekrationswortes und des die Empfänger anredenden Zusagewortes habe, das sie auf diese Gaben aufmerksam macht und zum Glauben ruft,41 übersieht, daß dieser Glaube und dieses rechte Empfangen eine Gabe des Heiligen Geistes ist. Die Reduktion der Kommunikation auf Anrede, Glaubensforderung und Zusage ist genau die gleiche, die wir bei der Reduktion der Ordination auf die Vokation finden werden.42 Dieser Satz ist ein Postulat, der aus der Voraussetzung der notwendigen Suffizienz jedes einzelnen Stiftungs- und Setzungsaktes hervorgeht.43 Es wird hier zwar eine Doppelfunktion zugegeben, aber die sich immer wieder stellende Frage nach der Möglichkeit des „für uns” wird nicht aufgenommen, sondern abgeschnitten.
In der Konsekration vollzieht sich ein Akt der Aussonderung der Elemente aus der übrigen geschöpflichen Welt durch eine Beschlagnahme und Indienstnahme für die Repräsentation Christi. Sie sind es nicht in einem elementaren und symbolhaften Sinne an sich, sondern werden hierfür ganz und gar erst repräsentationsfähig gemacht. Damit ist aber diesem Handeln eine sehr bestimmte Richtung aufgeprägt, welches noch keineswegs selbst kommunikatorischen Charakter trägt. Umgekehrt aber bedarf der die Elemente empfangende Mensch des Geistes, der ihn hierfür empfangsfähig und bereit macht, der die Dinge eben ihm zum Leib und Blute Christi macht und allen zusammen ebenso zur Gemeinschaft untereinander wie zur Gemeinschaft des einzelnen mit dem Herrn. Konsekration und Epiklese sind also aufeinander gerichtet: die Konsekration findet ihre geschichtliche Fortsetzung in der Epiklese. Beides darf nun nicht auseinandergerissen oder gegeneinandergestellt werden. Es ist verhältnismäßig leicht, durch Überbetonung des einen das andere in Frage zu stellen oder das Ganze zu sprengen. Das geschieht gerade da, wo man sich der Mehraktigkeit solcher Vorgänge verschließt und in der Einaktigkeit das Eigentliche und das Merkmal der Vollgültigkeit sieht. Aber je radikaler eine Konsekrationstheologie ausgebildet wird, um gleichsam den „Effekt” zu sichern, mit möglichster Eindeutigkeit auf einen Punkt, eine Formel, gewisse absolut gesetzte Mindesterfordernisse
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festzulegen, um so mehr tritt zugleich die kommunikatorische Seite zurück. Jener reinen Akthaftigkeit der abendländischen Tradition haften und heften sich kausative, quasikausale Momente an. Wird ein Gesamtgeschehen ohne klare Sonderung und Akzentsetzung in unübersehbarer Vielfalt und Ausdehnung gestaltet, welches keine distinkte Mitte mehr hat, so wird es Mysteriendrama und anderes, aber eben nicht mehr das christliche Abendmahl. Die lutherische Theologie ist in bedenklichem Maße einseitig auf die begrenzte Konsekrationsformel der verba testamenti abgekommen, ohne zu sehen, daß auch diese jedenfalls in einem Gesamtgeschehen steht, und daß diese eigentümliche Korrelation und Komplementarität nicht vernachlässigt werden darf. Dieser Frage ist ein nur symbolistisches, signifikatorisches Sakramentsverständnis naturgemäß überhoben. Diese Art der konstituierenden subjektiven Geistpräsenz bedarf weder der Konsekration noch der Epiklese.
Der Epiklese entspricht die betonte und entschieden festgehaltene Gemeinschaftsstruktur der ostkirchlichen Messe, die den gemeindelosen Vollzug nicht kennt, und der entsprechende ebenso bewußt festgehaltene Gemeinschaftscharakter ihres Kirchenrechts zwischen allen hierarchischen Elementen wie zwischen Hierarchie und Kirchenvolk. Der westlichen Konsekrationstheologie entspricht eine entschiedene Ausprägung des Amtes und der Amtskirche, ohne Rücksicht, ob die consecratio zur Darbringung als Opfer oder zur Austeilung an die Gemeinde gedacht wird.
Die subjektive Seite des Geistelements liegt in der Richtung auf die sumptio und communio. Auch ihr Verhältnis zur Konsekration unterliegt mutatis mutandis einer ähnlichen Problematik wie die Epiklese: von sumptio und communio aus kann das Abendmahlsgeschehen so interpretiert werden, daß es sich gleichsam von dieser Seite her stellt, sumptio und communio so zur konstituierenden Bedingung gesetzt werden, daß die Konsekration sich mehr oder minder in die sumptio auflöst. Die Verdrängung des christologischen Elementes durch das pneumatologische wird in den Erörterungen über die Arnoldshainer Abendmahlsthesen sehr deutlich.44
Von der vorzugsweise pneumatologischen Konzeption her begründet sich folgerichtig eine Zurückdrängung und Infragestellung der Realpräsenz — richtiger: der repraesentatio — damit aber auch die Tendenz zu einer amtslosen, synodal-kongregationalen Richtung des Kirchenrechts, aber auch eine eigentümliche Nähe und Verbindung von Pneuma und Vernunft als Möglichkeiten der Apperzeption. Die subjektiv-synodale Linie der Sumptiotheologie berührt sich mit der objektiv-synodalen Linie der Epiklesentheologie.45 Von hier aus wird eine verhältnismäßig starke Ausfächerung und Ausgliederung der Ämter und Verrichtungen in der Kirche möglich, während die Konsekrationstheologie im weitesten Sinne verstanden die Dinge auf das eine Amt konzentrieren muß.
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Dabei ist die Säkularisierung der subjektiven Linie, wie mir scheint, durch die Anlage bedingt und rigoristisch nicht zu unterbinden. Von dieser Linie her entsteht die Kirche wieder als ein kräftig sich bermerkbar machendes Subjekt in durchweg kollegialen Formen, wobei sich der pneumatologische Grund mit der demokratisch-säkularen Furcht vor dem pouvoir personel unkritisch verbindet. Aber es bleibt bei alledem der legitimite Titel der repraesentatio spiritus sancti durch die versammelte Gemeinde, die congregatio sanctorum bestehen.
Abendmahlslehre und Ordinationslehre laufen hier durchaus parallel. Wie die Ausbildung des absoluten ordo der Anfang vom Ende der Ordination ist, so die äußerste Steigerung der Konsekrationslehre in der Transsubstantiationslehre der Anfang vom Ende des Abendmahls. Es wird ein Gefälle gesetzt, in welchem die Sache selbst zwischen Objektivität und Subjektivität bis zur Aufhebung in die letztere zerrieben wird. Die Lutheraner sitzen hier etwas weiter oben am Berge als andere, aber sie vermögen auf ihre Weise das Gefälle nicht außer Kraft zu setzen. Unter Vorantritt der Theologie ist die abendländische Menschheit in die Aporien des Denkens geraten, welche Gerhard Krüger so klar geschildert hat — und das Spitzenproblem ist die Sakramentstheologie und das Sakramentsrecht.
Die Rolleninterpretation unter Vergleich der liturgischen, theologischen und kirchenrechtlichen Ausdrucksformen und Tendenzen entschlüsselt über eine Deutung ex eventu hinaus doch ein zusammenhängendes Gesamtbild. Systematische und historische Erwägung sind nicht voll trennbar.
Von der Durchsetzung der gemeinschaftslosen Messe in der abendländischen Kirche in Gestalt der Vollmissale bis zu den gestaltlosen kongregationalistischen Kirchenformen ohne Amt und Liturgie ist die Geschichte der Kirche liturgisch und rechtlich ein ungeheures Drama der Desintegration der Elemente der eucharistischen Feier der älteren Christenheit, der Ur- und Alten Kirche. Der Ansatz der neuen Entwicklung hat sich, wie Rudolf Sohm für das Ordinationsrecht im „Decretum Gratiani” gezeigt hat, sehr lange vorbereitet, hat sich dann aber innerhalb des 12. Jahrhunderts in einem fast dialektischen Umschlag so durchgesetzt, daß die kanonistischen Kommentare, die bis dahin galten, nunmehr verboten wurden. Der innere Zusammenhang dieser Erscheinungen erlaubt es uns, von der einen weitgehend auf die andere zu schließen.
Dieses Drama läuft in dem großen, aber doch auch wieder übersehbaren Zeitraum vom 12. bis zum 17. Jahrhundert mit großer Folgerichtigkeit so ab, daß die drei trinitarischen Elemente nacheinander erscheinen. Ein kraftvolles Wahrheitselement, lebendig erfaßt, vereinseitigt sich durch rationale Konsequenz bis zur Verdrängung der anderen und treibt damit wiederum diese in eine durchaus analoge
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Vereinseitigung. Keine Form der Verwirklichung aber kann infolgedessen die anderen in sich begreifen, integrieren, aber auch nur begreifen und geistlich und geschichtlich überwinden.
Demnach zeigt der Gesamtvorgang des Abendmahls sechs voneinander
abhebbare, unterscheidbare Vorgänge und Rollen:
1. die repraesentatio patris (im handelnden Vorsitz),
2. den diakonischen Dienst zu Tische,
3. das Opfer Christi, welches dem Vater dargebracht wird,
4. damit zugleich die Heilsgabe, welche den Jüngern dargeboten,
verkündigt und ausgeteilt wird,
5. vermöge der Einheit von Vater und Sohn im Geist die
gemeinschaftstiftende Mitwirkung des Heiligen Geistes, welche von
uns erbeten werden muß,
6. der Akt des Empfangens (sumptio) und die durch ihn sich
bildende communio.
Von den sechs Rollen, welche eine Interpretation der Abendmahlsfeier erkennen lassen, sind also im protestantischen Bereich voll ausgebildet lediglich die auf den Menschen bezüglichen (Dienstgedanke, Verkündigung und Austeilung, sumptio/communio). Das Opfer ist bestritten oder wesentlich reduziert. Repraesentatio patris, Opfer, Epiklese sind nicht ausgebildet. Der Gottesdienst gewinnt einen anthropozentrischen Charakter. Die römische Messe beschränkt sich demgegenüber auf einen eigentümlichen geschlossenen Zirkel von repraesentatio patris und Opfer, der in sich verläuft und alle übrigen Momente sekundär werden läßt.46
Die Desintegration der Gottesdienstformen hat nun gegensätzliche Kirchenrechtsformen hervorgebracht, die mit dem Absolutheitsanspruch vertreten werden, während sie in Wahrheit nur Bruchstücke sind. Dieser Vorgang kann mit den letztlich biologischen Kategorien Spenglerschen Stils, der Jugend, des Alters, der Reife oder des Verfalls nicht zulänglich und höchstens in sekundären Zügen gedeutet werden. Auch die romantische Vorstellung des alten Ur- und Vorbildes und des modernen Verfalls kann das nur verfälschen. Dazu sind es viel zu schwerwiegende, existenzielle Entscheidungen, welche uns immer noch und von neuem aufgelastet sind, und nicht nach dem Gesetz der Entwicklung ablaufen.
Wenn jede romantische Verklärung des Vergangenen streng ausscheidet und manches auf das ungeklärte Beieinandersein gegensätzlicher Kräfte in frühen Zeiten anzurechnen ist, so muß man doch die geistliche Vollmacht, die theologische, liturgische, kirchenrechtliche Leistung bewundern, die jenes großartige Ganze des Gottesdienstes mit seinen trinitarischen, christologischen und pneumatischen Elementen zunächst überhaupt ausgebildet und dann gegen Vereinseitigung als Einheit durchgehalten hat. Denn wie gewaltig die Kräfte sind, die hier
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gebunden und gestaltet werden, hat erst die Härte der Kämpfe und Gegensätze gezeigt, die die Auflösung ihrer Zusammenordnung mit sich gebracht hat. Nur eine unendliche meditative und theologische Arbeit, lebendiges Leben im Vollzuge selbst über viele Generationen hinweg die Gestaltung weiterbildend, und doch von einem Geiste geleitet, erklärt eine solche Lebensform.
Zugleich mit dem Prozeß der Auflösung läßt sich an allen Punkten zeigen, wo dann die Vereinseitigungen mit großer Folgerichtigkeit anschließen. Menschlich-gesetzliches Herrschen, funktionale Selbstentäußerung, autonome Vernünftigkeit — in Kürze: die abendländischen Konfessionen römisch-katholisch, lutherisch, reformiert bilden sich als Vereinseitigung des geistlich Gemeinten aus. Diese Erkenntnis bedeutet zugleich eine Kritik kirchenrechtlicher Leitbilder, der papalen, funktionalen, synodalen Strukturen. Diese Einsicht relativiert diese Formen nicht gegeneinander, sondern richtet sie alle an sehr bestimmten Entscheidungspunkten. Für das grundsätzliche Anliegen jener kenotischen Haltung des Luthertums gibt Oskar Cullmann in seiner Studie über die Legitimität des Apostels zu 2. Kor. 10-13 eine bedeutsame Rechtfertigung: „kai gar asthenoumen en autoo, alla zesomen syn autoo ek dynameoos theou eis hymas” (2. Kor. 13, 4). Aber eben diese eigentümliche Verbindung — um nicht zu sagen Dialektik von Schwachheit und Macht — kann nicht aufgelöst werden: der geistesmächtige Apostel rühmt sich jener Schwachheit, um seine Legitimation entschlossen zu verteidigen. Es ist im vollen Sinne des Wortes eine Tragik, daß diese wahrhaft evangelische Einsicht und Wiederentdeckung der Kraft in den Schwachen eben nicht die paulinische Verbindung von Schwachheit und apostolischer Vollmacht wiederherstellt, sondern die Schwachheit zu einem Grundsatz kirchlicher Selbstentäußerung hat werden lassen.
Die hier aufgewiesenen Folgen für die Verfassungsgeschichte der Kirche zeigen, daß die Kirchengewalt ihren Quellpunkt wie ihren Gestaltungsmaßstab im Abendmahl und seiner differenten Gestaltung und Auslegung hat. Von hier geht die väterliche Autorität aus, die in so vielfältigen Formen — legitimen wie illegitimen — sich in der Geschichte der Kirche ausprägt. Hier wird als gemeinsame Teilhabe am Heiligen die Gemeinschaft der Heiligen begründet, die nicht weniger legitime wie illegitime formen und Vorstellungen hervorgerufen hat. Aber eine väterliche Autorität, die ihre diakonale Seite verloren und sich ausdrücklich und bewußt von der communio abgelöst hat, steht einer im falschen Sinne mündig gewordenen communio gegenüber, welche keine konkrete, personale väterliche Autorität anerkennt. Die lutherische Kirche aber, welche Amt und Gemeinde als Doppelheit nie ganz aus dem Blick verloren hat, hat sich dieser Frage als fälschlich „äußerer” so sehr entäußert, hat so wenig Gestaltungswillen und Gestaltungskraft bewahrt, daß sie diese große Aufgabe niemals wirklich
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angehen konnte. So überlastete sie zeitweilig das „Amt”, verfiel aber überwiegend dem Funktionalismus, congregationalen Einflüssen oder überließ die Dinge der weltlichen Gewalt.
Bemerkenswert ist, daß auch die nicht im dezidierten Sinne sakramentalen Kirche ihre kirchenrechtliche Grundlage im Sakramentsrecht der sanctorum communio suchen. Im regelmäßigen Vollzug des Abendmahls liegen die eigentlichen Ansatzpunkte der Kirchengewalt im ganzen und in den gegensätzlichen Auffassungen und Gestaltungen: es ist das a priori des Kirchenrechts. Die potestas ecclesiastica von CA XXVIII als Gewalt zum Ausschluß ist nur die Grenzbestimmung, welche jene Kirchengewalt als positive bereits voraussetzt. Eine primäre Begründung der Kirchengewalt vom Ausschlußrecht her würde jener schon wiederholt aufgewiesenen verhängnisvollen Überbetonung des jurisdiktionellen Moments entsprechen, so gewiß die kritische Grenzfrage ein Element der Bewegung ist.
Die Erforschung der Urkirche ist seit Generationen unter verfassungsgeschichtlichen Kategorien versucht worden. Linton hat in seiner schon zitierten Arbeit deutlich gemacht, in welchem Maße hier zeitbedingte rechtliche und soziologische Begriffe eingetragen worden sind. Er selbst hat mit dem Begriff der „ungleichmäßig beschließenden Versammlung” wenigstens einen angemesseren soziologischen Begriff eingeführt. Aber der wesentliche Ertrag seiner Arbeit ist mit der Ausscheidung falscher Begriffe und Gewinnung besserer doch nicht bezeichnet. Der von ihm aufgewiesene Mißerfolg jener Bemühungen sollte das Ende dieser Betrauchtungsweise überhaupt bedeuten. Es ähnelt die Lage derjenigen, welche durch Albert Schweitzers „Geschichte der Leben-Jesu-Forschung” eingetreten ist. So wie ein zulängliches Bild Jesu auf jenem Wege grundsätzlich nicht zu gewinnen ist, so auch nicht das Bild der Urkirche in einem soziologischen und verfassungsrechtlichen Gesamtbegriff. Wie die Leben-Jesu-Forschung Jesus einem bestimmten Personbegriff unterstellt, so die Erforschung der Urkirche diese einem bestimmten (ganz neutral gesprochen) Verbandsbegriff, als einer geschlossenen Einheit, deren Gefüge zu erheben ist. Die Kirche wird so unversehens zur Quasi-Person mit gewissen Merkmalen. Auch Campenhausen47 folgt noch dieser Arbeitstradition. Für diese Betrachtung ist das, was in der Kirche geschieht, primär nicht entscheidend. Es taucht zwar immer wieder auf, ohne doch bestimmend zu werden. Das Bild ändert sich sofort, sobald wir nicht auf die Verfassungsstruktur der Kirche, sondern auf das Geschehen in der Kirche abheben. Das zeigt sich sofort in der Betrachtung der biblisch bezeugten Amtsformen. Daß die Apostel in der Besonderheit unmittelbarer Augenzeugen und Vollmachtträger auf ihren Kreis und damit eine Generation beschränkt sind, liegt auf der Hand. Die wirkliche Frage ist jedoch die, ob ihre Stellung im Sinne des schaliach, der personalen Repräsentation auch nach dem Tode der Apostel für
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konkrete Personen gegeben ist und sein kann. Diese Frage ist mit der Bejahung des Vikariatsgedankens eindeutig entschieden.
Aber ob eine Amtsform aus dem Viakariat und in der Struktur des Vikariats entsteht, das hängt durchaus davon ab, in Bezug auf welches konkrete Tun sich eine solche Repraesentatio vollzieht. Wie eine Gruppe verfaßt wird, so könnte man sagen, hängt davon ab, was in ihr oder in Bezug auf was sie verfaßt wird. Wenn Campenhausen in der frühen Kirchenverfassung zwei Formen konstatiert, eine Formtradition des Ältestenamts aus dem Judentum und das heidenchristliche Bischofsamt, so hängt doch ihr Sitz im Leben und ihre durchhaltende tradierbare Bedeutung davon ab, welche Verrichtungen sich mit ihnen verknüpften. Stellt man die Allgemeinheit des Begriffs „Leitung” voran, so kann man natürlich kollegiale oder monarchische Formen haben. Fragt man danach, worin und in Bezug auf was denn geleitet wird, wird die Leitungsform auch alsbald konkret.
Das Herrenwort „wer euch hört, hört mich”, welches ja auch ein Repräsentationsverhältnis im Sinne von Kap. II bedeutet, enthält zweierlei: ihr werdet mein Wort bewahren und wem ihr es verkündigt, wird dadurch vor die gleiche Existenzentscheidung gestellt werden wie durch mich selbst — und so soll es auch sein. Infolgedessen gilt diese Repräsentation überall dort, wo das apostolische Kerygma bewahrt ist. Es ist aber nicht gesagt, wodurch diese zuverlässige Tradition gewährleistet ist. Andererseits bildet sich durch den Abendmahlsvorsitz eine andere Repraesentatio, jeweils die eines einzelnen, welche die eigentliche Quelle des monarchischen Episkopats ist. Die missionarisch-lehrende Kirche hat also ihr „Herkommen” von der Gemeinschaft der Apostel und hat daher die patriarchale Struktur der Ältesten, der im Glauben Bewährten, die es zuerst empfangen haben und weitergeben, die dann zur Mission auswählen, abordnen. Die sakramentale Kirche hat diese patriarchale Struktur in der Einzigartigkeit des Gegenübers von Gegen und Empfangen im immer erneuten Feiern des heiligen Mahles. Wo also Verkündigung, Lehre und Mission im Vordergrund stehen, bilden sich die Formen des Ältestenamtes aus, wo das Sakrament, da der Bischof.
So beschreibt W.D. Marsch die Intention des Ignatius:48
„Sein bekannter Satz ,ubi episcopus, ibi ecclesia’ (Smyrn. 8, 2) meint nicht eine hierarchische Exponierung des Episkopats, sondern die Sichtbarkeit des sakramentalen Einheit der Kirche. Dadurch kommt ein Element kirchlicher Gestaltung zum Ausdruck, das bei Paulus wohl vorhanden, aber nicht so prägnant formuliert war: Die Kirche als Leib Christi und neuer Kosmos (Magn. 7) wird im Sakrament Ereignis und ihre Einheit repräsentiert sich im Bischofsamt: wie Christus (Eph. 6, 1), wie Gott selbst (Magn. 3, 1; Pol. 6, 1) steht der Bischof der Gemeinde gegenüber, von allen anderen Ämtern radikal
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unterschieden (Magn. 3, 1). Also das Gegenüber von Bischofsamt
und Gemeinde wird in Analogie vom Gegenüber von Christus (= Gott)
und Gemeinde entwickelt. Die Kirche lebt davon, daß ihr das
Fundament ihres Daseins immer neuzugesprochen wird und das
geschieht durch das bischöfliche Amt, das stellvertretend die
Herrschaft des Auferstandenen ausübt und dadurch die Einheit des
Leibes Christi repräsentiert …
… ein gefügtes ,Oben’ und
,Unten’ scheint also notwendig gewesen zu sein, um die Kirche als
irdische Gemeinschaft zu erhalten. Aber mit einem theologischen
Inhalt gefüllt wird diese Ordnung erst durch das sakramentale
Gegenüber von Amt und Gemeinde, Episkopat und Kirche.”
Die hier beschriebene Grundsituation ist freilich auch im Verkündigen und Hören gegeben. Aber ihre monarchische Konzentration erfährt sie wesentlich durch den Sakramentsvollzug. Wo das Sakrament zurücktritt, geht deshalb auch der Episkopat verloren, während der Episkopat begreiflicherweise auch zum Vereinigungspunkt und Haupt der Ältesten wird. Das Zwielicht der Mittelposition des lutherischen Amtsbegriffes liegt darin, daß dieser zwar sehr entschieden den monarchischen Charakter in jeweiliger Einzahligkeit festhält, ohne das sein Dienst so entschieden vom Sakrament her bestimmt ist, wie es diese Amtsform voraussetzt. Diese Position ist nicht echte Vermittlung, sondern Unklarheit, zumal sie sich über die in ihr beschlossene Antinomie selbst nicht klar ist und deshalb auch anderen nicht zur Klarheit dienen kann.
Das Judentum, welches das Gesetz tradiert und lehrt, aber auch die Kirche, welche wesentlich verkündigt, lehrt, hat in dieser Lage und Rolle noch nicht die aktuale Präsenz des Herrn, wie sie im Sakrament sich vollzieht. Deswegen judaisiert eine wesentlich verkündigende Kirche auch in ihren Amtsformen. Diejenige Amtsform, welche die jüdische Ältestentradition mit aufnimmt, sie aber grundsätzlich als Neubildung überschreitet, ist das Bischofsamt. Verliert freilich das sakramentale Handeln seine eschatologische Dimension und wird sein präsentischer Charakter einseitig (so wie eine isolierte Verkündigung auf Geschehenes und Zukommendes zeigt, ohne die Präsenz darstellen zu können), so gräcisiert ein solches Amt.