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Es sei uns in diesem Abschnitt gestattet, unsere bisherige Darstellung dadurch zu ergänzen und zu vervollständigen, dass wir diejenigen Einrichtungen, die der reformierten Kirchenverfassung ihr unterscheidendes Gepräge gegeben haben, die Presbyterien und Synoden, mit ähnlichen der modernen evangelischen Kirchenverfassung (insbesondere in Deutschland) vergleichen. Was uns dazu bestimmt, ist der Umstand, dass diese moderne Kirchenverfassung mit Vorliebe als eine Verbindung der lutherischen und konsistorialen Verfassungselemente mit den reformierten, presbyterialen und synodalen charakterisirt wird, wie man denn auch in der That seinerzeit bei Einführung von Presbyterien und Synoden in der evangelischen Kirche Deutschlands des guten Glaubens gewesen ist, lediglich reformierte Einrichtungen herüberzunehmen. Eine Untersuchung darüber, ob man zu dieser Annahme berechtigt ist oder nicht, dienst vielleicht dazu, die Eigenart der reformierten Presbyterien und Synoden noch schärfer hervortreten zu lassen, als dies bisher möglich gewesen ist.1)
Wir beginnen mit den Presbyterien und fassen sie nach ihrer Motivirung, ihrer rechtlichen Stellung und ihrem Wirkungskreise ins Auge.
1. Welches sind, so fragen wir zuerst, die Beweggründe gewesen, die in unserem Jahrhundert zur Einführung von Presbyterien und Ältesten in der evangelischen Kirche Deutschlands geführt haben? warum hat man geglaubt, sich mit den bestehenden Einrichtungen der lutherischen Verfassung nicht mehr begnügen zu können? Die Antwort auf diese Frage mögen uns einige offizielle Äusserungen geben, die wir in chronologischer Ordnung an einander reihen.
Auf der Berliner Generalsynode von 1846 sagt der Referent
1) Für die modernen Verfassungsgesetze der evangelischen deutschen Landeskirchen sei hier ein- für allemal auf Friedbergs Sammlung der geltenden Verfassungsgesetze der evangelischen deutschen Landeskirchen verwiesen.
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der Verfassungskommission, Stahl, in seinem Gutachten über die Fortbildung der Kirchenverfassung in den sechs östlichen Provinzen des Königreichs (Verhandlungen II S. 117): Die Beteiligung der Gemeinde ist an sich die entsprechende Form der Kirche, und namentlich ist ein näheres Band zwischen dem Pfarrer und der Gemeinde ein gegenwärtig vorhandenes dringendes Bedürfnis. Es ist die Regung nach einer freieren Kirchenverfassung jetzt eine bestehende, mächtige, einen grossen Teil der ganzen deutschen evangelischen Kirche erfüllende. Es ist eine vielfache Erfahrung, dass die äusserliche Beschäftigung mit dem Kirchenwesen nach und nach auch eine innere Beteiligung in ihrem Gefolge hat, desgleichen, dass, während die ordnungslose Menge gegen die Kirche andrängt, die geordnete Gemeinde zunächst wenigstens den kirchlichen Anstand bis zu gewissem Grade beobachtet, bis ein besserer Geist sie erfüllt. — Nach allen diesen Erwägungen müssen wir es für das Gerathene halten, das Verlangen nach Beteiligung der Gemeinde am Kirchenwesen nicht abzulehnen oder hinzuhalten, sondern wahrhaft und bald zu befriedigen u.s.w.
In der Denkschrift zum Entwurfe der Kirchenraths- und Synodalordnung, die den „Kommissionsentwürfen zur Einführung und Ausbildung von Presbyterial- und Synodaleinrichtungen in der evangelischen Kirche des Königreichs Hannover” 1849 beigegeben ist, lesen wir S. 73: Nachdem der Verfall der reinen Lehre eine einseitige Geltung und Herrschaft des Amtes und der Zucht über das Leben der Gemeinschaft hervorgebracht — hatte, da ward es Trieb und Aufgabe der Reformation, den so lange unterbrochenen Zusammenhang zwischen dem geistlichen amte und der Gemeinschaft aufs neue anzuknüpfen. Essollte wieder eine unmittelbare Berührung zwischen beidem, also eine Wechselseitigkeit, der Grundzug alles lebendigen Daseins, möglich gemacht werden. Dieses heischt ein Hereinziehen der Gemeinde in den Kreis des kirchlichen Dienens und Ordnens. Darum blieb es, selbst im Angesichte und im Eingeständnis der niederen Stufe, auf welcher damals die Gemeinden vielfach sich fanden, die stätige Forderung unserer Reformatoren, dass zu den hauptsächlichsten Beratungen über Angelegenheiten der Kirche fromme und tüchtige Männer sollten zugezogen werden. So steht hinsichtlich der Verfassung der Kirche als die eigentliche Aufgabe der Reformation fest, einen lebendigen Bund zwischen Amt und Gemeinde zu stiften.
Entwurf einer neuen Ordnung für die evangelische Kirche von Württemberg 1849 S. 35: In Sachen der Kirchenverfassung besteht die hauptsächlichste Berechtigung der Gemeindegenossen in der Teilnahme an der kirchlichen Selbstverwaltung. Dieselbe besteht, weil um der Ordnung willen zunächst einige Wenige mit Leitung der
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Gemeindeangelegenheiten betraut werden müssen, in dem Rechte die Gemeindevertretung mitzuwählen und in dieselbe gewählt zu werden. Diese gewählten Vertreter heissen nach altem Brauche wie nach den biblischen Vorgängen Älteste.
Kirchengemeindeordnung für das Grossherzogtum Sachsen-Weimar-Eisenach vom 24. Juni 1851 Eingang: Um dem in der evangelischen Landeskirche hervorgetretenen Bedürfnisse der Aufstellung besonderer Organe für die Leitung des kirchlichen Gemeindelebens durch Einführung einer Kirchengemeindeordnung Genüge zu leisten, und damit zugleich eine Grundlage für weitere Verbesserungen in der Verfassung dieser Kirche herzustellen, verordnen Wir u.s.w.
Entwurf einer Kirchenvorstands- und Synodal-Ordnung für die ev.-lutherischen Kirche des Königreichs Sachsen von 1865 S. 28: Den Schwerpunkt der früheren Vorlage (von 1860) bildeten ohne Zweifel die Abschnitte über die Vertretung der Gemeinde und der Gesammtkirche, oder die proponirten presbyterialen und synodalen Institutionen, welche bestimmt waren, die seitherige fast gänzliche Ausschliessung der kirchlichen Genossenschaft von der Mitverwaltung ihrer eigenen Angelegenheiten zu beseitigen und sie als Ganzes zu Wahrung der Interessen der Landeskirche zu befähigen.
Kirchenvorstands- und Synodalordnung für die ev.-lutherische Kirche des Königreichs Sachsen vom 30. März 1868 Eingang: Um den evangelisch-lutherischen Kirchengemeinden eine grössere Teilnahme an der Verwaltung ihrer Angelegenheiten durch von ihnen gewählte Vertreter zu gewähren u.s.w.
Kirchengemeindeordnung für die evangelische Landeskirche des Herzogtums Sachsen-Altenburg vom 8. Februar 1877 Eingang: Um den evangelischen Kirchengemeinden des Landes eine grössere Selbständigkeit und geordnete Beteiligung bei Verwaltung des kirchlichen Gemeindewesens zu gewähren u.s.w.
Die angeführten Beispiele genügen; sie offenbaren uns die durchaus praktischen Erwägungen, aus denen die Einführung der Presbyterialverfassung in der evangelischen Kirche des 19. Jahrhunderts hervorgegangen ist. Worauf wir aber hauptsächlich hinweisen möchten, das ist der Umstand, dass die Berufung auf die Norm der hl. Schrift und das Vorbild der apostolischen Kirche uns darin kaum begegnet. In der ganzen modernen Kirchenverfassungsbewegung bildet diese Instanz keinen Faktor von Bedeutung. Sie wird sehr selten angerufen, und auch dann gewöhnlich nur in den erbaulichen Ansprachen, die vom Kirchenregiment aus Anlass der Einführung des Ältesteninstituts
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an die Gemeinden gerichtet werden.1) Ja es wird sogar die Verbindlichkeit der hl. Schrift und des apostolischen Vorbildes in Verfassungsfragen geradezu geleugnet.2) Es dürfte deshalb kaum einem Widerspruch begegnen, wenn wir als moderne Ansicht den echt lutherischen Grundsatz bezeichnen: die Verfassung der Kirche ist ein Adiaphoron und darum gänzlich in das menschliche Ermessen gestellt. Ob die Kirche Ältesten haben soll oder nicht, das ist eine Frage der Zweckmässigkeit, nicht der Schriftauslegung.
Gerade umgekehrt gründet der Calvinismus das Ältesteninstitut, wie wir gesehen haben (S. 95ff.), auf die hl. Schrift und das Vorbild der Urkirche: weil die hl. Schrift Älteste kennt und die apostolische Kirche Älteste gehabt hat, muss jede Kirche, wenn anders sie richtig verfasst sein will, Älteste, ein Presbyterium haben. Wo Gott befiehlt, hört die Freiheit der Menschen auf und kommen Rücksichten der Zweckmässigkeit oder Unzweckmässigkeit nicht in Betracht.3)
1) Bezeichnend hiefür ist die Einführung von
Pfarrgemeinderäten in der württembergischen Landeskirche. Während
die K. Verordnung vom 25. Januar 1851 als Motiv derselben in
trockener und nüchterner Weise angiebt: Um dem in der
evangelischen Landeskirche hervorgetretenen Bedürfnisse der
Aufstellung besonderer Organe für die Leitung des kirchlichen
Gemeindelebens einstweilen in so weit, als der dermalige Stand
der Staatsgesetzgebung es gestattet, Genüge zu leisten, und damit
zugleich eine Grundlage für weitere Verbesserungen in der
Verfassung dieser Kirche herzustellen, verordnen und verfügen
Wir etc., beruft sich die K. evangelische Synode in ihrer
Ansprache an die evangelischen Gemeinden auf die hl. Schrift und
das apostolische Vorbild: es sollen mit dem von dem Herrn
eingesetzten Lehramte (Math. 28, 18ff.) auch die nach
apostolischem Vorgange von und aus der Gemeinde bestellten
Ältesten (Apostelgesch. 14, 23. 1. Petr. 5, 1ff. Jak. 5, 14. 1.
Timoth. 5, 17. Tit. 1, 5ff.) und Armenpfleger (Apostelgesch. 6,
3-6) jeder Gemeinde vorstehen, und in dem der
rhein.-preussischen Agende entlehnten Formular für die kirchliche
Einsetzung der Ältesten findet sich sogar die auf Grund von 1.
Tim. 5, 17. Röm. 12, 8. 1. Kor. 12, 28 entwickelte Theorie von
der zweierlei Ältesten: lehrenden und aufsehenden (Teaching and
Ruling Elders). (Die zitirten Aktenstücke finden sich im
Allgemeinen Kirchenblatt für das evangelische Deutschland 1852 S.
51ff.).
2) Auf der Berliner Generalsynode von 1846 sagte Stahl
als Berichterstatter der Kommission für die kirchliche
Verfassungsfrage (Verhandlungen der ev. Generalsynode zu Berlin
1846 I S. 360): „Von einem Vorbilde apostolischer
Kirchenverfassung auszugehen und danach die gegenwärtige
Einrichtung zu bestimmen, habe die Kommission nicht für
angemessen gehalten. Jeder trage in die apostolische
Kirchenverfassung hinein, was ihm als Ideal erscheine; darüber
könne überhaupt und habe also auch in der Kommission keine
Einigkeit stattfinden können. Es sei aber auch die Aufgabe, dass
jede Zeit nach ihren eigentümlichen Verhältnissen die
Kirchenverfassung gestalte, und nur der Geist der
Apostel-Verfassung aufnehme.” Später bemerkte ein Mitglied der
Synode (Dr. Möller, Generalsuperintendent in Magdeburg),
dass die hl. Schrift bei der grossen Verschiedenheit zwischen der
apostolischen und der gegenwärtigen Zeit in Ordnungsfragen nicht
für normativ gehalten werden könne (ib. S. 486).
3) Wie sehr aber auch der moderne reformierte Protestantismus von
dem ➝
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Die tiefe Kluft, die zwischen der kalvinischen und der modernen theoretischen Begründung des Ältesteninstituts befestigt ist, liegt vor aller Augen. Richard Rothe hat Recht, wenn er behauptet, dass für die evangelische Christenheit unserer Tage die theoretische Basis des Presbyterialsystems (im kalvinischen Sinne) unwiederbringlich zuammengebrochen sei: „Der wirkliche, der echte Presbyterialismus setzt als seine Grundlage schlechterdings voraus die göttliche Einsetzung des kirchlichen Amts, und zwar ausdrücklich der drei besonderen Ämter, der Hirten, der Ältesten und der Diakonen, nämlich als solcher, die für immer in der Kirche bleiben sollen, und nicht etwa blos für die speziellen Bedürfnisse der christlichen Gemeinden im Zeitalter ihrer ersten Bildung geordnet warn. — Ohne jenes Fundament gibt es einen wirklichen Presbyterialismus überhaupt nicht. — Was die göttliche Institution des kirchlichen Amtes (im angegebenen Sinne) betrifft, so glaubt die unermessliche Mehrheit unserer Kirchengenossen, sofern sie sich nur überhaupt die Frage wegen ihr aufwirft, nicht mehr an sie”.1)
—
2. Was weiter die rechtliche Stellung der Ältesten bezw. des Presbyteriums betrifft, so ist es heutzutage allgemein üblich, sie vom Standpunkt des Repräsentativ-Prinzips aus zu konstruiren: die
➝ lutherischen Grundsatz der Relativität jeglicher
Kirchenverfassung infizirt ist, mögen folgende Beispiele zeigen.
Der reformierte Theologe Achelis spricht in seinem
Lehrbuch der praktischen Theologie, 2. Aufl. Bd. II (1898) S. 529
von dem Calvinischen Irrweg, von der Idee der Gemeinde als
des Leibes Christi aus eine bestimmte Verfassungsform als
göttlich geboten in der hl. Schrift nachzuweisen und sagt S.
530f.: „Die Gestaltung der Kirchenverfassung und des
Kirchenregiments hat nicht irgend eine religiöse Quelle;
sondern wie die Verfassung und das Regiment notwendig ist
lediglich auf Grund der Ordnung, so ist die
besondere Gestaltung lediglich eine Sache des
geschichtlichen Gewordenseins und der
Zweckmässigkeit. — Kirchenverfassung und
Kirchenregiment ist kein Glaubensartikel; der
evangel. Kirche ist es prinzipiell gleichgültig, wer
über sie regiert und durch wen ihre Regierer ins Amt gekommen
sind, wenn nur so über sie und in ihr regiert
wird, dass dem Worte Gottes und seiner Kraft
Raum geschafft wird.” Robert Ellis Thompson, A
History of the Presbyterian Churches of the United States p. 286
(die Stelle wird S. 138 in extenso zitirt werden) behauptet, dass
das Prinzip des Presbyterialismus im N.T. noch nicht enthalten
sei. Und dass man auch in kongregationalistischen Kreisen
heutzutage nicht anders denkt, bezeugt Williston Walker
in seinem History of the Congregational Churches in the United
States p. 430: — unlike the founders, the great majority of
modern Congregationalists fail to find in the New Testament any
minute outline of what the church should be or any inflexible
patterns to which it must in all particulars conform. They gladly
recognize the true church character of organizations illustrating
other types of church government than their own.
1) Richard Rothe, Über Kirchenverfassung. Rede gehalten
in der badischen Generalsynode. 1863. S. 17f.
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Ältesten sind Vertreter, das Presbyterium ist das Organ der Gemeinde. Dieser Auffassung begegnen wir nicht nur in der modernen Literatur, sondern auch in den modernen Kirchenordnungen selbst, und zwar in den lutherischen und unirten wie in den reformierten.
So heisst es in dem Form of Government of the Presbyterian Church in the United States of America Chapt. V: Ruling Elders are properly the representatives of the people; das Book of Church Order of the Presbyterian Church (South) in the United States bezeichnet § 45 die Ruling Elders als the immediate representatives of the people;1) das Constitution of the Cumberland Presbyterian Church nennt die Ruling Elders bald the representatives of the people (§ 8), bald the immediate representatives of the people (§ 17). Auch auf den höheren Stufen der kirchlichen Organisation, den Synoden, erscheinen die Ältesten lediglich als Repräsentanten ihrer Kirchen.2)
Dieselbe Auffassung von der rechtlichen Stellung des Ältesteninstituts haben die modernen deutsch-reformierten Kirchenordnungen. So heisst es in der Kirchengemeinde- und Synodalordnung für die evangelisch-reformierte Kirche der Provinz Hannover vom 12. April 1882 § 13: Der Kirchenrath hat die Kirchengemeinde in ihren inneren und äusseren Angelegenheiten zu vertreten. die Gemeinde-Ordnung für die deutsche evangelisch-reformierte Gemeinde zu Frankfurt a.M. vom 9. November 1891 sagt von den kirchlichen Gemeindebehörden: sie dienen zur Vertretung der Gemeinde nach aussen etc. (§ 15). Ähnlich drückt sich die Kirchenordnung für die reformiert Gemeinde Stuttgart-Cannstatt vom 2. Juli 1893 § 8 aus: Die Gemeinde wird durch das Presbyterium vertreten. Auch die Rheinisch-Westfälische Kirchenordnung vom 5. März 1835 mag hierher gerechnet werden, obgleich sie nicht als reformierte Kirchenordnung bezeichnet werden kann. § 5 lesen wir: „Jede Ortsgemeine wird in ihren Gemeine-Angelegenheiten durch ein Presbyterium vertreten”, neben welchem nach § 18 in den grösseren Gemeinden noch eine grössere Vertretung steht.
Dieselben Bezeichnungen finden sich in den modernen Verfassungen
1) Dieselbe Kirchenordnung gebraucht § 97 den Ausdruck:
Since the government of the Church is representative,
etc.
2) Vgl. Form of Government of the Presbyterian Church in the
United States of America Chapt. X, 3: Every congregation
which has a stated pastor has a right to be represented
by one elder (sc. im Presbytery). Book of Church Order
of the Presbyterian Church (South) in the United States § 67:
(jedes Church Session ist befugt) to appoint
representatives to the Presbytery and the Synod. Book of
Church Order of the Presbyterian Church of England § 92: The
Session elects a representative Elder to the Synod
etc. (vlg. daselbst auch §§ 150. 271. 272).
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der unirten und lutherischen Kirchen. Die Kirchen-Gemeinde- und Synodalordnung für die östlichen Provinzen der preussischen Monarchie beginnt (§ 1): Die Kirchen-Gemeinden haben ihre Angelegenheiten innerhalb der gesetzlichen Grenzen selbst zu verwalten. Als Organe dieser Selbstverwaltung dienen die Gemeinde-Kirchenräthe und die Gemeinde-Vertretungen und in § 13 wird unter anderem als Beruf des Gemeinde-Kirchenraths angegeben: die Kirchengemeinde in ihren inneren und äusseren Angelegenheiten zu vertreten. Auch die Kirchengemeinde- und Synodalordnung für die evangelisch-lutherische Kirche der Provinz Schleswig-Holstein bezeichnet in § 2 die Kirchenvorstände und die Kirchenkollegien als Organe der Selbstverwaltung der Kirchengemeinden und nennt die Mitglieder des Kirchenkollegiums (der grösseren Vertretung) Gemeindevertreter (§ 3, 2.). Der Eingang der Kirchenvorstands- und Synodalordnung für die evangelisch-lutherische Kirche des Königreichs Sachsen vom 30. März 1868 lautet: Um den evangelisch-lutherischen Kirchengemeinden einer grössere Teilnahme an der Verwaltung ihrer Angelegenheiten durch von ihnen gewählte Vertreter zu gewähren und dem Bedürfnisse einer Vertretung der gesammten evangelisch-lutherischen Landeskirche durch Synoden zu genügen, wird nachstehende Kirchenvorstands- und Synodalordnung für die evangelisch-lutherische Kirche des Königreichs Sachsen erlassen.
Angesichts dieser allgemeinen Herrschaft des Repräsentativ-Prinzips in der Gegenwart darf es nicht auffallen, dass auch die altreformierte Presbyterialverfassung in der modernen Literatur daraus abgeleitet wird. So lesen wir bei Heppe, Die Presbyteriale Synodalverfassung der evangelischen Kirche in Norddeutschland, 1868, S. 55: Nach lutherischer (und katholischer) Anschauung ist die Gemeinde nichts anderes als der Komplex der innerhalb bestimmter örtlicher Grenzen zusammenwohnenden Parochianen. Für diese Anschauung ist die Gemeinde in keiner Weise Subjekt kirchlichen Lebens und kirchlichen Rechtes, sondern lediglich Objekt. — In der reformierten Kirche dagegen ist die Gemeinde nicht nur Objekt pastoraler Wartung und Leitung, sondern auch Subjekt kirchlichen Lebens. Hier ist die Gemeinde eine in ihrem Presbyterium organisirte und vertretene Persönlichkeit.” — Ebendas. S. 56: „Zunächst und wesentlich ist das Presbyterium eine Repräsentation der Gemeinde, welche letztere in dem Presbyterium als Person und Subjekt und als organisirtes eigentümliches Glied der Kirche erscheint.” — Ebendas. S. 58f.: „Es ist der nächste und unmittelbarste Beruf des Presbyteriums, die Gemeinde als eine solche, deren Glieder im Besitze des allgemeinen Priestertums
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sind, zu vertreten. Aus diesem Rechte der Vertretung der Gemeinde als einer priesterlichen, deren Glieder im persönlichen, freien Besitze des Heiles sind, ergibt sich aber sofort die Pflicht des Presbyteriums, die Gemeinde auch zu leiten, zu überwachen, indem das Presbyterium selbst (oder mit anderen Worten: die Gemeinde durch das Presbyterium) dahin wirken muss, dass es wirklich die Vertretung, das andere Ich einer Gemeinde ist, deren Glieder sich im Besitze des allgemeinen Priestertums, im persönlichen Besitze des Heiles befinden. — Alle sonstigen Obliegenheiten des Presbyteriums ordnen sich diesem primären Berufe desselben so unter, dass sie zu diesem nur im Verhältnis des Mittels zum Zweck stehen.”
In seinen Considérations historiques sur le développement du droit ecclésiastique Protestant en France, 1840, p. 42f. sagt Cunitz: Le réformteur français (sc. Calvin) regardait le pouvoir ecclésiastique comme appartenant à l’Eglise elle-même, c’est à dire à tout le peuple des fidèles; les ministres et des anciens choisis comme représentants de l’Eglise sont les organes par lesquelles elle exerce ses droits.
Stahl drückt den Unterschied zwischen der lutherischen und der reformierten Kirchenverfassung hinsichtlich der Beziehung des Gemeinde-Elements so aus (die lutherische Kirche und die Union. 2. Aufl. 1860. S. 320): „Nach lutherischer Kirchenverfassung, wenn sie zur Beteiligung der Gemeinde sich entwickelt, muss das Lehramt die Gemeinde aufnehmen, während nach der reformierte Kirchenverfassung die Gemeinde das Lehramt aufnimmt. Das heisst, dort mach das Amt als ursprünglicher Träger des Kirchenregiments die Gemeinde, die es gründet, zur Genossin, zum Mitträger, hier macht die Gemeinde als ursprünglicher Träger das Amt zum Genossen bezw. zu ihrem Vertreter (Abgeordneten) für dasselbe.”
Die Neueren stehen, soviel ich sehe, fast ausnahmslos unter dem Einflüsse der für sie massgebenden Autorität Kampschultes, der mit allem Nachdruck die demokratische Auffassung der kalvinischen Presbyterialverfassung vertritt. Er sagt in seiner Calvin-Biographie (Johann Calvin, seine Kirche und sein Staat in Genf I [1869] S. 268f.): „Die kirchliche Souverainetät liegt ihm (sc. Calvin) in dem Gesammtwillen der Kirche selbst, d.h. aller Mitglieder, aus denen sie besteht: selbstthätig und selbständig hat die Gemeinde ihr kirchliches Leben zu gestalten, ihren Glauben zu bewähren. Während in der lutherischen Kirche der Gedanke des allgemeinen Priestertums ein Prinzip über der Verfassung blieb, das auf ihren Bau nur geringen Einfluss ausübte, bildet er nach Calvin das oberste Prinzip der Verfassung selbst, von dem diese getragen wird.” Kampschulte weiss nun aber wohl, dass die Praxis in Genf mit der von ihm entwickelten Theorie nicht
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übereinstimmt; er greift daher zu dem auch sonst beliebten Auskunftsmittel, zwischen Theorie und Praxis des Reformators einen Widerspruch zu konstatiren: „Zwar hat der spätere Beherrscher von Genf, als er seine Theorie in die Wirklichkeit übersetzte, die souveraine Gemeinde ,wegen der Schwäche der Zeit’ thatsächlich in der Ausübung ihres Rechts in einer Weise beschränkt, dass das aufgestellte Prinzip in Wirklichkeit in sein Gegenteil umschlug; aber der Schein der Selbstregierung der Gemeinde wurde doch von ihm gewahrt, und nach wie vor die aufgestellte Theorie von der kirchlichen Souverainität der Gemeinde mit allem Nachdruck verkündet — das gesammte Kirchenregiment beruht nach Calvin durchaus auf demokratischer Grundlage.”
Der Auffassung Kampschultes schliessen sich an Erich Marcks und Dilthey. Marcks meint (Gaspard von Coligny I, 1 S. 296f.): „Die Theorie Calvins entwickelt die Kirche ganz aus der Gemeinde, — leitet aus der Volkwahl demokratisch alle kirchlichen Gewalten ab.
Ganz ähnlich spricht sich Dilthey in seinem Aufsatze „Die Glaubenslehre der Reformatoren” (in den Preussischen Jahrbüchern Bd. LXXV S. 79) aus: „Calvin hält an der Unabhängigkeit der religiösen Gemeinde vom Staatsverbande fest und bestimmt die Kirche als ,das Volk der Erwählten’. Die kirchliche Souveränität ruht auch nach ihm bei dem Gesammtwillen dieser Kirche, d.h. aller ihrer einzelnen Mitglieder. Die Geistlichen haben von dieser Gemeinde ihr Mandat (Instit. IV c. 3), das an den Inhalt der Bibel gebunden ist, und sobald sie dieses Mandat überschreiten, erlischt es.”
Auch den reformierten Geschichtsschreiber der presbyterianischen Kirchen Nordamerikas, Robert Ellis Thompson (A History of the Presbyterian Churches in the United States p. 286) sehen wir in denselben Bahnen wie die bisher Zitirten wandeln: the idea of representation, on which presbyterianism is based, was unknown to the ancient political world, and was not anticipated in the New Testament. It was developed in the rise of the Teutonic nationalities on the ruins of the Roman empire, making possible governments at once freer and more authoritative than antiquity had known. It was the great merit of Calvin, A Lasco, and Knox to have perceived that this principle of representation had been providentially developed for the benefit of the church no less than of the state etc. In den vierziger Jahren dieses Jahrhunderts erklärte ein Mitglied der Presbyterian Church in the United States, wie Thompson a.a.O. S. 141. 229 mitteilt, den Ältesten einfach für a lay representative of the people.1)
1) Kurz und bündig findet sich die moderne Auffassung des Presbyterialismus in The Presbyterian Review I (1880) p. 491 so ausgedrückt: Presbytery is constitutionalism in the ecclesiastical sphere.
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Wir beschliessen unsere Übersicht mit Sohm. Im Anschluss an die bekannte Stelle in Calvins Institutio (IV, 11, 6), wonach die potestas jurisdictionis ist penes consessum seniorum, qui erat in ecclesia quod in urbe est senatus, sagt er (Kirchenrecht I S. 649 Anm. 37): „Wie der Rat die Bürgerschaft, so vertritt das Ältestenkollegium die Kirche. Überall schlägt der Gedanke durch, dass die Kirche Christi nach weltlicher Art verfasst ist: wie eine Stadtverfassung, gerade so ist die Kirchenverfassung beschaffen. Es ist das bekanntlich die heute allgemein herrschende Auffassung.” S. 653f.: „Die Ältestenverfassung Calvins will eine Kirchenvertretung, welche in Wahrheit mit Kirchengewalt im Sinne der reformierten Kirche ausgerüstet ist. — Calvin hat die richtige Schlussfolge der reformierten Gedanke gezogen. Ist die Kirchengewalt eine rechtlich geartete Gewalt, und ist sie einer juristischen Person (der Kirchgemeinde) zuständig, zo kann und muss sie durch eine Kirchenvertretung ausgeübt werden.”
Vor allem müssen wir es für falsch erklären, wenn man, wie z.B. Heppe und Kampschulte thun, die Idee des allgemeinen Priestertums beizieht und aus ihr das Ältesteninstitut konstruirt. Davon findet sich weder bei Calvin noch bei einem seiner Schüler noch in einer der kalvinistischen Kirchenordnungen, soviel wir sehen, auch nur die leiseste Spur. Wenn Stahl (in der zitierten Schrift S. 263) den Unterschied zwischen der lutherischen und der kalvinischen Kirchenverfassung dahin bestimmt, dass das allgemeine Priestertum dort ein Prinzip über der Verfassung und in der Verfassung nur ein mitbestimmendes Moment, hier das konstituierende Prinzip der Verfassung selbst sei, so ist das mehr geistreich als richtig. Schon Lechler hat in seiner 1854 erschienenen Geschichte der Presbyterial- und Synodalverfassung seit der Reformation S. 48 darauf hingewiesen, dass weder bei Calvin noch einem seiner Zeit- und Gesinnungsgenossen das Priestertum aller Gläubigen das Motiv der Einführung von Ältesten gewesen sei. Auch K. Bähr in seiner manche treffende Bemerkungen über die reformierte Kirchenverfassung und ihr Verhältnis zu den modernen Verfassungsgrundsätzen enthaltenden kleinen Schrift über „die Revision der Evangelischen Kirchenverfassung im Grossherzogtum Baden, mit besonderer Rücksicht auf die geschichtlichen Grundlagen des Presbyterialsystems” 1861 S. 32 bemerkt richtig: „Als Prinzip und Grundgedanke presbyterial-synodaler Einrichtungen wird jetzt gewöhnlich das allgemeine Priestertum oder das Priestertum aller Christen aufgestellt, und dieses so aufgefasst, dass in der Kirche alle Christen gleiches Recht hätten, mitzuraten und mitzuthaten. — Ob die bekannte biblische Stelle: ‘Ihr seid das königliche Priestertum, das heilige Volk’ u.s.w. (1. Petr. 2, 5 und 9)
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auf die äussere Ordnung und Gestaltung der Kirche, auf ihre Verfassung überhaupt bezogen und angewendet werden kann, mag hier unerörtert bleiben; soviel aber steht jedenfalls fest, dass das Presbyterialsystem nicht vom allgemeinen Priestertum ausgeht, geschweige denn an ihm den alles durchdringenden und leitenden Grundgedanken hat. Weder Calvin selbst noch irgend eine spätere Presbyterialordnung beruft sich auf dasselbe, und die Petrinische Stelle wird gar nirgends nur zitirt, viel weniger erörtert oder an die Spitze gestellt.”
Was aber die Hauptsache betrifft, die Begründung des Ältesteninstituts auf das Prinzip der Vertretung, die Konstruktion der Kirche als der eigentlichen und ursprünglichen Inhaberin aller kirchlichen Gewalt und des Presbyteriums, insbes. der Ältesten als ihrer Repräsentanten, ihres Organs, so ist ja nicht zu leugnen, dass sich bei Calvin und anderen Häuptern des reformierten Protestantismus im 16. Jahrhundert gewisse Stellen finden, die in diesem Sinne gedeutet werden können. So wenn Calvin einmal sagt (Instit. IV, 1, 22): — clavium potestatem quam Dominus fidelium societati contulit, oder wenn er die Ältesten (und überhaupt die Mitglieder des Konsistoriums) als solche bezeichnet, qui totum corpus ecclesiae repraesentant (opp. Calvini XIV p. 681), oder wenn Johannes a Lasko die Ältesten nennt veluti os ac manus totius Ecclesiae apud verbi Ministros et alios omnes, qui publico quocumque munere funguntur (opp. II p. 56).
Allein derartige Stellen sind doch zu vereinzelt und zu allgemein, als dass darauf eine ganze Theorie gebaut werden könnte.1) Zum
1) Überdies ist der moderne Begriff der Vertretung jener älteren Zeit fremd. Wenn Calvin die Ältesten als Repräsentanten der Kirche bezeichnet, so denkt er hier nicht an eine formelle, sondern an eine materielle Vertretung. „Sie sind Vertreter der Gemeinde insofern, als sie vermöge ihres Amtes die zunächst der Gemeinde im Ganzen gestellten Aufgaben zu erfüllen und sonach die Vices der Gemeinde wahrzunehmen haben. Sie sind die Organe, durch welche die Gemeinde behufs Erfüllung ihrer Aufgaben sowohl innerhalb des gemeindlichen Bereich als auch auf den höheren Stufen der synodalen Verfassung wirksam wird” (Zeitfragen des christlichen Volkslebens Bd. I Heft 6: die Verfassung der evang. Landeskirche Preussens. Rückblicke und Aussichten von einem Mitgliede der ausserordentlichen Generalsynode. 1876 S. 15). Vgl. auch Stahl, die lutherische Kirche und die Union. 2. Aufl. S. 271 „Repräsentant anderer im echten Sinne ist derjenige, der ihr Wesen in sich trägt und in ausgezeichneter Weise in sich trägt, und aus diesem Grunde, nicht zufolge ihres Auftrags, berufen ist für sie zu handeln. — In diesem Sinne kann man die Einrichtung treffen, dass gottesfürchtige und tüchtige Laien Repräsentanten der Gemeinde seien, mögen sie von den Sämmtlichen gewählt sein, oder kooptirt oder nominirt, jedenfalls nicht kraft Vollmacht der Wähler, sondern wegen dieser ihrer vorzugsweisen Ausstattung mit den Gaben und Qualitäten der Gemeinde, und nicht um den Willen der Gemeindeglieder, sondern um den Beruf und Gesichtskreis derselben zur Geltung zu bringen”.
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richtigen Verständnisse insbesondere der von Sohm betonten kalvinischen Vergleichung des kirchlichen consessus seniorum mit dem Senat einer Stadt ist zu bemerken, dass der Senat hier für den Genfer Reformator weniger unter dem Gesichtspunkt der Vertretung der Bürgerschaft als unter dem der Obrigkeit der Stadt in Betracht kommt: gerade so wie die obrigkeitliche Gewalt einer Stadt nicht von Einem Menschen nach Willkür, sondern von einem Kollegium geführt wird, so auch die Kirchengewalt. Das Tertium comparationis ist nach dem ganzen Zusammenhange der Stelle die kollegiale Verfassung Hier wie so oft bildet die Abneigung gegen jegliche Art von Monarchie und Willkürherrschaft in der Kirche das eigentliche Motiv.1)
Calvin ist weit entfernt davon, in den kirchlichen Amtsträgern Vertreter der Gemeinde im modernen Sinne, Mandatare eines über ihnen stehenden Volkswillens zu erblicken. Er nimmt, indem er die Idee eines Kirchenregiments fasst, seinen Standort nicht unten, in der Gemeinde, sondern oben, über der Gemeinde: es handelt sich für ihn nicht darum, dass die Gemeinde Organe ihres Willens, Vertreter ihrer Interessen habe, sondern dass Christus, der Herr der Kirche, Diener habe, die seinen Willen in und an der Gemeinde vollstrecken. Darum sind ihm die Ältesten wie die Geistlichen Träger eines selbständigen, von Gott geordneten Amtes, Funktionäre Christi, des Herren der Kirche, die nach seinen Befehlen ihr Amt führen und ihm allein dafür verantwortlich sind. Nicht die Gemeindeglieder sind die Quelle, aus der die Vollmacht der kirchlichen Amtsträger fliesst, sondern Christus, das Haupt der Kirche, dem alle Gewalt gegeben ist.2) Nicht die Gemeinde,
1) Vgl. auch folgende Stellen, wo die Bezeichnung
Senatus Ecclesiae vorkommt: Calvini Institutio
Christianae religionis IV, 3, 8. Forma ac ratio tota
ecclesiastici ministerii etc. des Johannes a Lasco opp. II, 56.
Confessio Belgica art. 30. Niederländische Provinzialsynode vom
26. April 1563 Art. 1 (Livre synodal des Eglises wallones des
Pays-Bas I p. 4). Beschlüsse des Weseler Konvents IV, 1 (Werken
der Marnix-Vereeniging II, 3 p. 21), VIII, 4 (ib. p. 31). Vgl.
auch Confessio Helvetica posterior XVIII, 5: Presbyteri sunt
seniores, et quasi senatores patresque Ecclesiae, gubernantes
ipsam consilio salubri.
2) Vgl. von Mühler, Geschichte der evangelischen
Kirchenverfassung in der Mark Brandenburg (1846) S. 214: „die
Geistlichen, Gemeindeältesten und Diakonen (sc. der reformierten
Kirche) stehen nicht als Werkzeuge und Bevollmächtigte eines
über ihnen stehenden Volkswillens da, sondern
als Verwalter und Träger eines selbständigen Kirchenamts in der
Gemeinde, das sie im Namen des in der Kirchen waltenden heiligen
Geistes (einfacher und richtiger: im Namen Christi) versehen”.
Auch Stahl macht in seinem Buche „die lutherische Kirche
und die Union” die richtige Bemerkung: „Es ist auch in der
reformierten Kirche (sc. ebenso wie in der lutherischen) unser
Herr, welcher das Amt eingesetzt hat, nicht hat die Kirche oder
Gemeinde es geschaffen, und vom Herrn hat es danach seine
Vollmacht, nicht leitet es sie von der Gemeinde ab” (S. 270). —
„Calvin betrachtet seine Ältesten nicht als Bevollmächtigte der
Gemeinde, ➝
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sondern Christum vertreten die Geistlichen und Ältesten, gerade so wie in einem monarchischen Staate die Beamten die Person des Monarchen repräsentiren. Calvin drückt dies einmal so aus (Instit. IV, 3, 1): — ex hominibus sumit (sc. Dominus), qui pro se in mundo legatione fungantur, qui arcanae suae voluntatis sint interpretes, qui personam denique suam repraesentent. Dass diese Anschauung auch heutzutage noch in den reformierten Kreisen lebendig ist, zeigt eine Stelle des Catechism on the Principles and Constitution of the Free Church of Scotland (Qu. 100), wo gesagt wird, dass in dem Grundsatz des Headship of Christ enthalten sei, that the members of the Church are not the source of the power and authority of the office bearers, and that these are not conveyed by the congregational act of election.1)
Man wende gegen diese Darstellung nicht ein, sie betrachte das Ältesteninstitut der reformierten Kirche lediglich vom religiösen Standpunkte aus, daneben sei auch die rein juristische Konstruktion der Ältesten als Repräsentanten der Kirche nicht blos erlaubt, sondern geboten; die eine Betrachtungsweise schliesse die andere nicht aus. Eine derartige Argumentation wäre für Calvin und die übrigen Häupter des altreformierten Protestantismus unverständlich gewesen: der religiöse Standpunkt ist für sie nicht Ein Standpunkt neben anderen möglichen, sondern überhaupt der einzig mögliche. Sind ihnen die kirchlichen Amtsträger Organe des himmlischen Königs, so sind sie es in jeder Beziehung, auch in rechtlicher. Das ist ja eben dem strengen Calvinismus eigentümlich, dass er das Prinzip des Headship of Christ nicht blos religiös-moralisch versteht, sondern auch juristisch-politisch, dass somit für ihn die religiöse und die juristische Betrachtungsweise, die das Luthertum streng sondert, ineinander fliessen zu Einer.2)
➝ sondern als ein vom Herrn eingesetztes Amt an der
Gemeinde” (S. 271). Ebrard, Christian Ernst von
Brandenburg-Baireuth S. 11: „die Ältesten und Diakonen waren
nicht Gemeindevertreter —, sondern begleiteten ein von oben
herab, im Namen und Auftrag Christi ihnen übertragenes
Kirchenamt, nämlich eben das der Kirchenregierung, Kirchenzucht
und Liebesthätigkeit.” Auch M. Göbel, die evangelische
Kirchenverfassungslage 1848 S. 25 erklärt sich gegen die
landläufige Theorie von der Presbyterialverfassung als einer
Repräsentativverfassung in dem gewöhnlichen Sinne des Wortes.
1) Dass freilich auch in diese Kirche die moderne Auffassung des
Ältesteninstituts eingedrungen ist, erhellt aus der in dem
Practice of the Free Church of Scotland mehrfach (z.B. p. 17. 67.
181. 187. 188. 189) gebrauchten Bezeichnung
Representatives für Älteste.
2) Vgl. auch oben S. 59.
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Je mehr freilich im Laufe der Zeit der Begriff der sichtbaren Kirche in der von uns früher (S. 76) beschriebenen Weise sich verweltlichte und die Kirche unter den Gesichtspunkt einer Gesellschaft oder Gemeinschaft rückte, um so näher lag es, sie selbst als die ursprüngliche Trägerin aller kirchlichen Gewalt, und die kirchlichen Amtsträger, Geistliche, Älteste und Diakonen, als ihre Organe und Diener zu betrachten. Allein es muss auch hier wiederholt werden, dass der Standpunkt der altreformierten Anschauung wesentlich religiöser Art ist, und dass die naturrechtliche Konstruktion der Kirche und der kirchlichen Amtsträger einer späteren Periode angehört.
Aus der altreformierte Auffassung der Geistlichen und Ältesten als Diener Christi, als kirchlicher Amtsträger erklärt sich auch der auf den ersten Anblick befremdender Umstand, dass der Calvinismus keine bestimmte Theorie über ihre Bestellung ausgebildet hat, insbesondere dass er auf ihre Wahl durch die Gemeinde durchaus keinen Wert legt, im Gegenteil sich eher ablehnend als zustimmend dazu verhält. Wohl finden wir allenthalben den Grundsatz, dass kein Pfarrer, Ältester oder Diakon dem Volke, für das er bestellt wird, gegen seinen Willen aufgedrängt werden soll, aber dass das Volk das Recht der eigentlichen Wahl haben solle, ist eine dem altreformierten Protestantismus fremde Anschauung. Als Jean de Moreli, ein reformierter Gelehrter zu Paris und Bürger von Genf, ein Buch, Traité de la Discipline et Police chrétienne, herausgegeben hatte, worin er die Regierung der Kirche durch direkte Wahl der Gemeindemitglieder forderte, ermahnte die Nationalsynode von Orléans 1562 alle Gläubigen, vor dieser verkehrten und die Kirche mit Auflösung und Verwirrung bedrohenden Lehre sich zu hüten, und die Nationalsynode zu Paris 1565 verdammte die Schriften Morelis comme contenant de mauvaises et dangereuses opinions, par lesquelles il renverse la discipline, conforme à la parole de Dieu, qui est aujourd’hui réçue des Eglises Réformées de ce Roiaume; car en attribuant le Gouvernment de l’Eglise au Peuple, il veut introduire une nouvelle conduite tumultueuse et pleine de confusion populaire, dont il s’ensuivroit beaucoup de grands et scandaleux inconveniens etc.1) Als ein Consistoire des Hugenottenkirche beschlossen hatte, ein neues Consistoire aus einer allgemeinen Volkswahl hervorgehen zu lassen (de laisser l’élection du nouveau Consistoire à la voix du peuple), weil einige sich den Zensuren des bisherigen Consistoire nicht unterwerfen wollten, erklärte die Nationalsynode zu Vertueil 1567
1) Vgl. Aymon I p. 29. 58. 122f. Lechler, Geschichte der Presbyterial- und Synodalverfassung S. 78ff.
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dies für eine chose fort mauvaise et dangereuse, und ermahnte die Gemeinde, sich in diesem Punkt nach den übrigen Gemeinden zu richten.1) Ebenso wurden mehrere Gemeinden in Languedoc, die bei den Ältestenwahlen die Stimme des Volkes sammelten (recueillant la voix du peuple), von der Nationalsynode zu Rochelle 1571 an die Vorschrift der Discipline ecclésiastique erinnert.2) Farel schreibt einmal an Calvin unterm 19. April 1542 (opp. Calvini XI p. 390): Bucerus amicissime scripsit literas, quibus inter alia non probat, quod suffragiis vicerim, quum res mali sit exempli, ne dicam pessimi: quod sane mihi nunquam placuit. So konnte Calvin es zulassen, dass in Genf die Ältesten vom Kleinen Rate vorgeschlagen und vom Grossen bestätigt wurden. Sonst kam es vielfach vor, dass die Presbyterien sich durch Cooptation ergänzten.3)
Ganz anders die modernen Kirchenverfassungen! sie legen den grössten Wert darauf, dass die Ältesten vom Volke, d.h. von der Gemeinde gewählt werden. Warum? weil sie Vertreter der Gemeinde sind und ihren Amtsauftrag von ihr ableiten, weil ihr Beruf ist, den Willen, die Ansichten und Wünsche der Gemeinde auszusprechen, die kirchliche öffentliche Meinung darzustellen und zur Geltung zu bringen. Das Repräsentativ-Prinzip und die Wahl der Repräsentanten durch die Gemeinde hängen aufs engste zusammen: Since the government of the Church is representative, the right of the election of their officers by God’s people, either immediately by their own suffrages, or mediately through church courts composed of their chosen representatives, is indefeasible. Nor can any man be placed over a church, in any office, without election, or at least the consent of that church (Book of Church Order of the Presbyterian Church South in the United States § 97).
Dass vollends die Lebenslänglichkeit der Ältesten, die sich in manchen altreformierten Kirchen findet, mit der modernen Auffassung der Ältesten als Repräsentanten in Widerspruch steht, bedarf kaum bemerkt zu werden.
Auch darin können wir nur einen Ausfluss der Vertretungsgedankens erblicken, dass sehr viele moderne Kirchenordnungen in Deutschland
1) Aymon I p. 80. Lechler a.a.O. S.
80.
2) Aymon I p. 111. Lechler a.a.O. S. 80.
3) Als in Schottland in der ersten Hälft des 18. Jahrhunderts
einige Geistliche lehrten, dem Volke komme ein Recht zur Wahl
seiner Pfarrer zu, wurde dies als eine bis dahin in der
schottischen Kirche unbekannte Lehre bezeichnet (vgl. J.
Köstlin, Die schottische Kirche S. 291).
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neben das Presbyterium als Organ der Gemeinde noch ein zweites Kollegium als erweiterte Gemeindevertretung unter verschiedenen Namen (Grössere Repräsentation, Gemeindevertretung, Grosses Presbyterium, Gemeinde-Ausschuss u.s.w.) stellen. Das Vorbild hierfür war die „grösseren Repräsentation” der Rheinisch-Westfälischen Kirchenordnung. Es soll dadurch offenbar der Mandatscharakter des Presbyteriums noch schärfer zum Ausdruck gebracht werden, indem ihm ein zweites Kollegium aus der Mitte der Gemeinde zur Überwachung beigegeben wird.
Nach reformierten Grundsätzen soll es in jeder Gemeinde ein Konsistorium oder Presbyterium geben, wenn anders sie nach Gottes Wort und dem Vorbild der apostolischen Kirche richtig und vollständig verfasst sein will, und auf den Synoden hat der Vorsitzende darnach zu fragen, ob jede Kirche ein Konsistorium habe.1) Aber auf der anderen Seite darf es auch nach reformierten Grundsätzen in einer Kirche nur Ein Konsistorium geben, und daneben soll weder ein anderes Konsistorium noch ein anderer kirchlicher Rat bestehen. Ausdrücklich verwirft Calvin die Errichtung eines kirchlichen Kollegiums oder Rates neben dem Konsistorium als mit der Anordnung des Herrn selbst unvereinbar, ja er meint sogar, dass die Feinde des Evangeliums in einer solchen Organisation einen Angriff auf das Staatswesen (status politicus) erblicken; dagegen erklärt er es für zulässig, in ausserordentlichen Fällen erfahrene Männer zu berufen, die zusehen sollen, was der Kirche fromme, aber man dürfe daraus keine ständige Einrichtung machen.2) Vielleicht war diese Mahnung des Genfer Reformators an die Reformierten in Frankreich gerichtet; denn hier fanden sich mehrere Nationalsynoden veranlasst, den Grundsatz auszusprechen, es dürfe ausser dem Consistoire kein anderes Collegium zur Besorgung kirchlicher Angelegenheiten in einer Kirche bestehen (vgl. z.B. Aymon I p. 16 art. VII. p. 33 art. VI. p. 76 art. IV). Als auf der vierten Nationalsynode zu Lyon von 1563 der Vorschlag gemacht wurde, ausser dem Consistoire einen Rat zur Erledigung der kirchlichen
1) Vgl. z.B. Emdener Synode von 1571 De Classicis
Conventibus art. 2 (Werken der Marnix-Vereeniging II, 3 p. 106),
Dortrechter Nationalsynode von 1578 art. 29 (ib. p. 242f.) und
sonst.
2) Gutachten de administratione ecclesiastica (opp. Xa
p. 210f.): Iam vero praeter consessum illum ecclesiasticum
qui habetur in consistorio, instituere consilium aliquod
ecclesiasticum ut vocant, non videmus ut hoc cum ipsius Domini
institutione conveniat: imo mere novum opus illic agnoscendum
atque denunciandum est, ne variis mutationibus deinde fenestra
aperiatur. Ac praesertim illud nonnisi certam ruinam afferre
potest, quum qui adversantur veritati, inde occasionem insultandi
arrepturi sint, quasi eo nomine adversus statum politicum aliquid
fieret. Nec tamen improbamus ubi necessitas inciderit, eligi
viros consultos et experientia praeditos, qui videant, quid sit e
re ecclesiae: ita tamen ut hoc etiam munus sit ad tempus, et
extraordinarium, ordinarium vero nullo modo.
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Angelegenheiten (un Conseil pour vider les affaires de l’Eglise) zu errichten, erklärte die Synode: Le synode est d’avis que les Consistoires doivent decider de toutes les affaires de l’Eglise, sans avoir, pour cet égard, un conseil ordinaire, composé d’autres personages que de ceux qui sont en charge dans l’Eglise (Aymon I p. 38 art. VI).1) Das Ergebnis der Beratungen der verschiedenen Nationalsynoden über diesen Punkt ist Chapt. IV art. 4 der Discipline ecclésiastique des Eglises réformées de France: Il n’y aura qu’un Consistoire en chaque Eglise, et il ne sera permis d’établir un autre Conseil, pour aucune affaire de l’Eglise. Que si en quelque Eglise il se trouve un autre Conseil établi, séparé du Consistoire, il sera promtement ôté. Neanmoins, le Consistoire pourra appeller avec soi, quelque-fois, tels de l’Eglise que bon lui semblera, quand l’affaire le requerra, sans toutesfois, qu’on puisse traiter d’affaires Ecclésiastiques qu’aux lieux où le Consistoire s’assemble ordinairement.2)
Nun könnte man sich freilich, um den reformierten Charakter der modernen grösseren Repräsentation zu retten, darauf berufen, dass eine Erweiterung des Presbyteriums durch Beiziehung erfahrener Gemeindeglieder in besonderen Fällen, wie aus der angezogenen Äusserung von Calvin und der zuletzt erwähnten Bestimmung der hugenottischen Kirchenordnung erhellt, nicht als eine dem reformierten Prinzip widerstreitende Einrichtung beurteilt werden dürfe. So unleugbar dies ist, so muss doch darauf hingewiesen werden, dass die grössere Repräsentation der modernen Kirchenordnungen weit darüber hinausgeht. Sie ist nicht blos eine Erweiterung des Presbyteriums, sondern ein zweites Kollegium neben ihm, und wenn auch meist die Mitglieder des Presbyteriums ihm angehören, so bilden sie doch darin die Minderheit. Dass diese ganze Einrichtung nicht aus kalvinischen, sondern aus ganz modernen Ideen herausgewachsen ist, beweist der Umstand, dass die für die modernen Kirchenverfassungen vorbildlich gewordene grössere
1) In einem Briefe, den Jacques Sorel am 13.
Oktober 1561 von Troyes aus an die Geistlichen zu Neuchâtel
richtet, heisst es (Calv. opp. XIX p. 51): Il y a assez bonne
police en ceste eglise. Il y en a douze eleuz qui ont toute
charge de l’Eglise et sont appellez le Conseil et
assemblent souvent pour consulter des affaires de l’Eglise.
Oultre cela il y a le Consistoire ou assistent tous les
surveillans qui sont bien jusques au nombre de 15 avec les
ministres et s’assemblent un jour chasque sepmaine. Chasquun
surveillant a un advertiseur pour signifier a ceulx de sa
compaignie les lieux et heures de l’assemblée.
2) Vgl. auch die Bestimmung der Kirchenordnung für Jülich-Berg §
13 (bei Snethlage S. 24f.) und der für Cleve-Mark § 11
(bei Snethlage S. 88), wornach, wenn es sich um die Wahl
eines Predigers handelt, das Presbyterium mit den
abgegangenen Ältesten, wie auch nach Gelegenheit mit
einigen Vertretern des Magistrats oder wer sonst dazu eingeladen
würde, zusammentreten soll.
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Repräsentation der Rheinisch-Westfälischen Kirchen lediglich eine Nachbildung der städtischen Verfassung darstellt.1)
In noch höherem Grade muss als unkalvinisch bezeichnet werden das Institut der Gemeindeversammlung (Versammlung sämmtlicher stimmberechtigter Mitglieder der Gemeinde), wie es da und dort in modernen, nicht etwa blos lutherischen, sondern auch reformieren Kirchenordnungen2) vorkommt, hauptsächlich als Organ der Gemeinde für die Bestellung der Pastoren und die Wahl der Ältesten. Hier tritt das Presbyterium hinter der Gemeindeversammlung ganz zurück; ihm kommt nur die Aufgabe zu, diese Akte für die Gemeindeversammlung vorzubereiten, aber die entscheidende Stimme steht bei dieser. Die Gemeinde bezw. Gemeindeversammlung soll aber wohl nach kalvinischen Grundsätzen das Ältestenkollegium bei wichtigen Aktionen kontrolliren und seinen Konsens dazu geben, aber es soll nicht die Rolle des aktiven, ausschlaggebenden Faktors spielen: ut plebis multitudo non regat actionem, sed observet ut testis et custos, ne quid per libidinem a paucis (sc. der Ältesten) geratur (s.o. S. 126 Anm. 2).
Was weiter für die rechtliche Stellung der modernen Ältesten als Repräsentanten der Gemeinde bezeichnend ist, das ist das geringe Mass von Anforderungen, das an die Person der zum Ältestenamt zu Berufenden gestellt wird. Je mehr die Ältesten in kalvinischer Weise als Organe Christi zur Regierung seiner Kirche, als kirchliche Obrigkeit der Gemeinde, als Vorbilder und Aufseher für die Gemeindegenossen betrachtet werden, um so höher wird die Qualifikation stehen, an die die Wählbarkeit zu diesem Amte geknüpft ist. Je stärker man dagegen den Mandatscharakter der Ältesten betont, um so weniger wird man die Freiheit der Wähler durch Bedingungen und Voraussetzungen des passiven Wahlrechts oder durch andere Einrichtungen, wie bindende Vorschlagliste, indirekte Wahl und dergleichen einzuschränken suchen. Die radikalste aller deutschen Kirchenordnungen
1) Vgl. Jacobson, Geschichte der Quellen des
evangelischen Kirchenrechts von Rheinland und Westfalen S. 908f.
Verhandlungen der vierten Rheinischen Provinzialsynode von 1844
S. 15. 23. Aktenstücke aus der Verwaltung des Evangelischen
Oberkirchenrats Bd. VI S. 221. Dagegen sieht Wolters,
Über die Prinzipien der rheinisch-westfälischen Kirchenordnung
1863 S. 19 in dieser Organisation „eine wesentliche und neue
Stärkung des Gemeindeprinzips durch unsere Kirchen-Ordnung.”
2) Vgl. z.B. Gemeinde-Ordnung für die deutsche ev.-reformierte
Gemeinde zu Frankfurt a./M. vom. 9. November 1891 § 40ff.
Kirchenordnung für die reformierte Gemeinde Stuttgart-Canstatt
vom 2. Juli 1893/1. Mai 1894 § 3ff. und sonst.
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des 19. Jahrhunderts, die Oldenburger von 1849, knüpft die Wählbarkeit überhaupt an keine Qualifikation und lässt die Kirchenältesten aus der Wahl der allgemeinen Gemeindeversammlung (d.h. der Versammlung sämmtlicher volljährigen Männer der Pfarrgemeinde) hervorgehen. Andere moderne Kirchenordnungen, wie z.B. die preussische Kirchengemeinde- und Synodalordnung vom 10. September 1873 § 35 wagen die Qualifikation zum Amt eines Kirchenältesten nur negativ zu beschreiben, indem sie für wählbar alle Wahlberechtigten erklären, die nicht durch beharrliche Fernhaltung vom öffentlichen Gottesdienst und von der Teilnahme an den Sakramenten ihre kirchliche Gemeinschaft zu bethätigen aufgehört haben.1)
Mit der schärferen Betonung des repräsentativen Charakters der modernen Ältesten hängt endlich die immer schwächere Betonung ihrer Pflichten zusammen. Während die altreformierten Kirchenordnungen den Ältesten nicht blos die gewissenhafteste Erfüllung ihrer eigentlichen Amtspflichten, sondern auch einen streng sittlichen und kirchlichen Lebenswandel als Vorbild für die Gemeinde zur heiligen Pflicht machen2), legen die modernen evangelischen Kirchenverfassungen darauf kein so grosses Gewicht; sie betonen wohl die Pflichten der Ältesten als Kollegium, dagegen weniger oder gar nicht die als Einzelner.3)
So geht die ganze neuere Entwicklung dahin, die altreformierten
1) Das Proponendum des Preussischen Evangelischen
Oberkirchenrats für die ausserordentlichen Provinzialsynoden von
1869 stellt sich auf den Standpunkt, dass, um die Legitimation
des Kirchenrats (Presbyteriums) als einer Vertretung der
Gemeinde ausser Zweifel zu stellen, die Wahl seiner Mitglieder
der zusammentretenden Gemeinde frei (d.h. ohne bindende
Vorschlagsliste) überlassen werde, und spricht von „der
schärferen Herausbildung des Mandats-Verhältnisses und
der freieren Bewegung der Gemeinde in der Auswahl der
Gemeinde-Kirchenrats-Mitglieder” (Aktenstücke aus der Verwaltung
des Evangelischen Oberkirchenrats, Bd. VI S. 212. 215).
2) Vgl. z.B. das schottische First Book of Discipline Chapt. VIII
(The Works of John Knox II p. 237): The Elderis and Deaconis
must be cairfull over thair office; and seing that thay ar
judgeis to the maneris of utheris, thair awin conversatioun aught
to be irreprehensible; Thay must be sober, humill, luifaris and
interteinaris of concord and peace; and, finalie, thay aught to
be the exempill of godliness till otheris.
3) So weiss der Pfälzer Kirchenverfassungsentwurf von 1849 § 62
gar nichts von Pflichten der einzelnen Presbyter, ebenso wenig
die Oldenburger Kirchenverfassung von 1849 art. 30. Vgl. jedoch
die preussische Kirchengemeinde- und Synodalordnung vom 10.
September 1873 § 14 Ziff. 1, sächsische Kirchenvorstands- und
Synodalordnung vom 30. März 1868 § 19. Wie sich übrigens auch in
streng reformierten Kirchen heutzutage die Ältesten ihr Amt
leicht zu machen verstehen, zeigt Thompson, A History of
the Presbyterian Churches in the United States p. 229.
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Ältesten durch moderne Vertreter zu ersetzen. Kaum ist in dieser Hinsicht etwas lehrreicher, als dass die moderne Genfer Kirchenverfassung überhaupt keine Ältesten mehr kennt, sondern nur noch „Laienmitglieder” des Consistoire, die von einem Wahlkörper gewählt werden, der aus allen im Genusse ihrer politischen Rechte stehenden protestantischen Bürgern gebildet ist.1) So ist das Ältesteninstitut gerade in seiner Heimat so gut wie ganz verschwunden!
Noch nach anderer Seite hin lohnt es sich, die rechtliche Stellung der Presbyterien alten und modernen Stiles mit einander zu vergleichen, nämlich was ihr Verhältnis zum Pfarrer betrifft. Nach kalvinischer Lehre ist der Pfarrer in mehrfacher Hinsicht seinem Presbyterium unterstellt: einmal führt dieses die Aufsicht über ihn, seine Amtsführung und seinen Lebenswandel2), und sodann ist er für die
1) Vgl. Constitution de la République et Canton de Genève,
vom 24. Mai 1847 (in der durch die Verfassungsgesetze von 25.
März/26. April 1874 und vom 6. Juli/7. August 1892 modifizierten
Gestalt): Art. 115 L’administration de l’Eglise nationale
protestante est exclusivement confiée à un Consistoire. Art. 116
Le Consistoire est composé de vingt-cinq membres laïques
et de six pasteurs, tous pris parmi les électeurs. Art.
117 Le Consistoire est nommé par un college unique, formé par
tous les citoyens suisses protestantes jouissant de leurs droits
politiques dans le canton de Genève. Nur in den
Landgemeinden des Genfer Kantons kommen noch Älteste vor (vgl.
Règlement général sur l’administration de l’Eglise nationale
protestante vom 22. Dezember 1874 art. 16). Die Loi
ecclésiastique du Canton de Vaud vom 19. Mai 1863 (modifiziert
durch Dekret vom 2. December 1874) kennt ebenfalls keine
anciens mehr, sondern nur conseillers (art.
14).
2) Vgl. z.B. das schottische Second Book of Discipline Chapt.
VIII (the Works of John Knox II p. 235): — the Seniouris
aught to tak heyde to the life, manneris, deligence, and studye
of thair Ministeris. Yf he be worthie of admonitioun, thei must
admonische him; of correctioun, thei must correct him: And yf he
be worthy of depositioun, thay with consent of the Churche and
Superintendent may depose him, so that his cryme so deserve.
In der Discipline ecclésiastique des Eglises réformées de France
heisst es Chap. I art. 45 ganz allgemein: Les Ministres sont
subjects aux censures, aber art. 47 und 50 zeigen klar, dass
die Zensur über die Geistlichen geübt wird von den consistoires,
die in schwereren Fällen das Colloque oder einige Pastoren
beiziehen. Art. 16 der Kirchenodnung der Middelburger
Nationalsynode von 1581 (Werken der Marnix-Vereeniging II, 3 p.
382) lautet: Seniorum officium est, praeter ea, quae communia
cum pastoribus illos habere diximus, aduigilare vt pastores,
caeterique collegae et Diaconi suas partes fideliter exequantur,
et cum administranda est coena Domini, illos qui communicare
solent, quo paratioribus id animis faciant visere, womit
Art. 21 der Kirchenordnung der Haager Nationalsynode (ebendas. S.
492) übereinstimmt. Nach der Kirchenordnung für Jülich und Berg
(Art. 47 und 49 bei Snethlage S. 34f.) und für Cleve und
Mark (Art. 45 und 47 bei Snethlage S. 96f.) ist der
Prediger zunächst der Zensur des Konsistoriums unterworfen. Die
Gemeinde-Ordnung für die deutsche evangelisch-reformierte
➝
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Vornahme gewisser Amtshandlungen, insbesondere die Handhabung der kirchlichen Disziplin (Ausschliessung vom hl. Abendmahl) an die Anordnung oder Zustimmung seines Presbyteriums gebunden.1)
Es ist ganz natürlich, dass in Folge dessen das Presbyterium (bezw. das Presbytery der schottisch-amerikanischen Kirchen) als eine dem Pfarrer vorgesetzte Behörde erscheint.
In der altlutherischen Kirche war der Pfarrer schon deshalb freier und unabhängiger, weil er kein Kollegium von Ältesten neben oder über sich hatte; nur wo das Institut der Kirchväter (Juraten) bestand, war er in der kirchlichen Vermögensverwaltung an deren Zustimmung gebunden; soweit er im Übrigen in seiner Amtsthätigkeit beschränkt und beaufsichtigt war, geschah dies lediglich durch kirchenregimentliche Behörden (Superintendenten, Konsistorien).
Die modernen Kirchenverfassungen haben nun zwar überall dem
➝ Gemeinde zu Frankfurt a/M. vom 9. November 1891 bestimmt
in § 60: Die dem Pfarramte unmittelbar vorgesetzte Behörde
ist das stehende Presbyterium. Es sind daher die Pfarrer
demselben für die gewissenhafte Führung ihres Amtes
verantwortlich. Noch schärfer drückt sich die Kirchenordnung
für die reformierte Gemeinde Stuttgart-Canstatt vom 2. Juli
1893/1. Mai 1894 in § 32 aus: Wegen Verfehlungen im Amte oder
im Wandel können dem Pfarrer von dem Presbyterium Verwarnungen
und Zurechtweisungen erteilt werden. — Eine Eigentümlichkeit
der schottisch-amerikanischen Kirchenordnungen ist es, dass sie
den Pfarrer von der Disziplinargewalt des Kirksession ausnehmen
und unmittelbar der des Presbytery unterstellen. Da aber dieses
ebenfalls eine Lokalkirchenbehörde ist und auch sonst vielfach
die Stellung einnimmt, die anderso dem Presbyterium
(Consistorium) zukommt (s.o. S. 86 A. 1), so macht das für
unseren Zweck nichts aus. Vgl. Acts of the General Assembly of
the Church of Scotland 1638-1842 p. 405: The minister of the
Word being in office above that of the ruling elder, cannot be
liable to the censure of the kirk-session, but to the superior
judicatories of the Church. The Practice of the Free Church
of Scotland p. 12: The Pastor or Minister is not responsible
to the Kirksession for the discharge of his own functions.
ib. p. 17: the Pastor is specially subject to the immediate
jurisdiction of the Presbytery. Ähnlich Book of Order of the
Presbyterian Church of England art. 78. Constitution and
Government of the Presbyterian Church in Ireland art. 271ff. Book
of Discipline of the Presbyterian Church in the United States of
America art. XVIII: Original jurisdiction, in relation to
Ministers, pertains to the Presbytery; in relation to others, to
the Session. Book of Church Order of the Presbyterian Church
(South) in the United States § 196ff. Government and Discipline
of the Cumberland Presbyterian Church art. 7. Constitution of the
Reformed Church (German) in the United States art. 64 (vgl.
jedoch auch art. 36).
1) Es genügt hier darauf hinzuweisen (es wird S. 153f. noch davon
die Rede sein), dass der ursprüngliche Zweck des von Calvin
begründeten Ältesteninstituts eben der ist, alle Willkür der
Geistlichen bei Handhabung der Kirchenzucht und insbes. bei der
Ausschliessung vom Hl. Abendmahl dadurch unmöglich zu
machen.
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Pfarrer ein Presbyterium zur Seite gestellt, allein das
rechtliche Verhältnis des Pfarrers zu diesem haben sie
nichtsdestoweniger im Sinne der altlutherischen Unabhängigkeit
des Pfarrers innerhalb seiner Gemeinde gestaltet. Es zeigt sich
dies in folgenden Bestimmungen:
1. Dem Presbyterium kommt keine Jurisdiktion oder
Disziplinargewalt gegen den Pfarrer zu, wenn ihm auch in vielen
Kirchenordnungen das Recht eingeräumt wird, auf Wandel und
Amtsthätigkeit des Pfarrers Acht zu geben und Verfehlungen, die
er sich zu Schulden kommen lässt, bei der zuständigen Behörden
zur Anzeige zu bringen.1)
2. In seinen eigentlichen Amtshandlungen, in der Lehre,
Seelsorge, Verwaltung der Sakramente und in seinen übrigen
Ministerialhandlungen, ist der Pfarrer von seinem Presbyterium
unabhängig.
Diese Bestimmung findet sich fast wörtlich gleich in vielen
modernen Kirchenverfassungen.2)
1) Vgl. Preussische Kirchengemeinde- und Synodalordnung
vom 10. September 1873 § 14 Ziff. 1 Abs. 3: Der
Gemeindekirchenrat ist wie berechtigt so verpflichtet, Verstösse
des Geistlichen und der Ältesten in ihrer Amtsführung
und ihrem Wandel in seinem Schoosse zu Sprache zu bringen. Jedoch
steht ihm behufs weiterer Verfolgung nur zu, der vorgesetzten
Kirchenbehörde davon Anzeige zu machen. Fast wörtlich
stimmen damit überein Kirchengemeinde- und Synodalordnung für die
ev.-lutherischen Kirche der Provinz Schleswig-Holstein vom 4.
Novbr. 1876 § 42 Abs. 2. Kirchengemeinde- und Synodalordnung für
die evangelischen Gemeinden im Amtsbezirke des Konsistoriums zu
Wiesbaden vom 4. Juli 1877 § 16. Presbyterial- und Synodalordnung
für die evangelischen Kirchengemeinschaften im Bezirke des
Konsistoriums zu Kassel vom 16. Dezember 1885 § 14 Ziff. 3.
Ähnlich die Kirchenvorstands- und Synodalordnungen für die
ev.-lutherische Kirche der Provinz Hannover vom 9. Oktober 1864 §
34, für die ev.-reformierte Kirche der Provinz Hannover vom 12.
April 1882 § 16. Kirchenvorstands- und Synodalordnung für die
ev.-lutherische Kirche des Königreichs Sachsen, vom 30. März 1868
§ 20 Abs. 3. Kirchengemeindeordnung für die evangelische
Landeskirche des Herzogtums Sachsen-Altenburg vom 6. Februar
1877. § 15. Einigermassen geht darüber hinaus die
württembergische Pfarrgemeinderatsordnung vom. 25 Januar 1851 §
27: Den Gliedern des Pfarrgemeinderats liegt ob, auf den
Wandel und die ganze Amtsführung sowohl der Geistlichen
als der Ältesten zu achten, eintretendenfalls, einzelne oder
in Gemeinschaft, brüderlich einander zu ermahnen, und wo es not
thut, an die nächste vorgesetzte kirchliche Behörde sich zu
wenden; hievon ist jedoch der Beteiligte vorher in Kenntnis zu
setzen.
2) Zum ersten Male, so viel ich sehe, findet sich eine derartigen
Bestimmung in der Kirchengemeinde-Ordnung für das Grossherzogtum
Sachsen-Weimar und Eisenach, vom 24. Juni 1851 § 12 Abs. 5,
sodann im Entwurf einer Kirchenordnung für die ev.-lutherische
Kirche im Königreich Sachsen vom Jahre 1860 § 39 Abs. 2, im
Entwurf einer Kirchenvorstands- und Synodalordnung für die
ev.-lutherischen Kirche des Königreichs Sachsen von 1865 § 20
Abs. 2 und in der Kirchenvorstands- und Synodalordnung für die
ev.-lutherische Kirche des Königreichs Sachsen vom 30. März 1868
§ 20 Abs. 2. Von hier aus kam die Bestimmung ➝
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Doch schränken einige von ihnen die Selbständigkeit des Pfarramtes da ein, wo es sich um die Zurückweisung eines Gemeindemitgliedes vom hl. Abendmahl handelt.
3. Auch soweit der Pfarrer in der Ausübung seines Amtes an die
Zustimmung oder Weisung seines Presbyteriums gebunden ist, kann
er in gewissen Fällen die Ausführung der vom Presbyterium
beschlossenen Massregel aussetzen oder die Entscheidung einer
höheren Instanz anrufen.
So ist z.B. nach § 14 Ziff. 1 der Preussischen Kirchengemeinde-
und Synodalordnung vom 10. September 1873, womit einige andere
Kirchenordnungen übereinstimmen, der Pfarrer verpflichtet, wenn
er ein Gemeindemitglied von der Teilnahme an einer von ihm zu
vollziehenden Amtshandlung, insbesondere vom hl. Abendmahle,
zurückzuweisen für notwendig hält, die Sache dem
Gemeindekirchenrats vorzulegen. Ist dieser damit einverstanden,
dann ist die Zurückweisung auszusprechen, gegen welche dem
Betroffenen den Rekurs an die Kreissynode offen bleibt.
Erklärt sich aber die Gemeindekirchenrat gegen die
Zurückweisung, so wird dieser Beschluss zwar sofort wirksam, aber
der Geistliche ist befugt, wenn er sich dabei nicht beruhigen
will, die Sache zur Entscheidung an die Kreissynode zu
bringen.1)
Nach § 28 Abs. 4 der Sächsischen Kirchenvorstands- und
Synodalordnung vom 30. März 1868 hat der Vorsitzende, d.i. der
Pfarrer, das Recht, Beschlüsse, die er bedenklich findet, nach
Beschaffenheit der Sache dem Superintendenten oder der
Kircheninspektion vorzulegen und die Ausführung bis zu deren
Entscheidung auszusetzen.2)
➝ in die Preussische Kirchengemeinde- und Synodalordnung
vom 10. September 1873 § 14 Ziff. 1 Abs 2 und in die ihr
nachgebildeten Kirchenordnungen.
1) Auf Antrag der Pommerischen Provinzialsynode hat die
Generalsynode von 1879 beschlossen, den zuletzt zitirten Satz des
§ 14 so zu fassen, dass bis zum Erlasse der Entscheidung der
Kreissynode die Ausführung des Beschlusses des
Gemeindekirchenrats ausgesetzt bleibe (Verhandlungen S. 523.
1032. 1099f.). Doch ist der Oberkirchenrat dem Beschlusse der
Generalsynode nicht beigetreten. Unstreitig liegt der Antrag der
Pommerischen Provinzialsynode und der Beschluss der Generalsynode
in der Linie der lutherischen Lehre von der Selbständigkeit des
Pfarramts. Über die Literatur, die die Frage hervorgerufen hat,
vgl. Theologischer Jahresbericht 1885 S. 437-441.
2) Ähnliche Bestimmungen finden sich in der
Kirchenvorstandsordnung für die lutherischen Gemeinden in Bayern
diesseits des Rheins, vom 7. Oktober 1850 § 22, in der
Kirchengemeindeordnung des Grossherzogtums
Sachsen-Weimar-Eisenach vom 24. Juni 1851 § 12 Abs. 4. Vgl. auch
das preussische Kirchengesetz betr. die Trauungsordnung, vom 27.
Juli 1880 § 13 Abs. 2. § 14 Abs. 2, das preussische Kirchengesetz
betr. die Verletzung kirchlicher Pflichten in Bezug auf Taufe,
Konfirmation und Trauung, vom 30. Juli 1880 § 11 Abs. 2. § 12
Abs. 3.
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Es ist kein Zweifel, dass auf Grund dieser Bestimmungen der modernen Kirchenordnungen sich die rechtliche Stellung des Pfarrers zu seinem Presbyterium freier, selbständiger, unabhängiger gestaltet als nach den Grundsätzen der reformierten Kirchenordnungen: das Presbyterium ist ihm nicht einfach übergeordnet als die vorgesetzte Behörde, sondern es ist ihm nebengeordnet, und in wichtigen Beziehungen ist er unabhängig von ihm. Ja, die modernen Kirchenordnungen bezeichnen die Aufgabe des Presbyteriums und der Ältesten mit Vorliebe so: sie sollen den Pfarrer oder das Pfarramt unterstützen, ihm beistehen oder zur Seite stehen.1) Es verrät sich darin die lutherische Anschauung, dass es innerhalb der Gemeinde nur Ein kirchliches Amt, das Pfarramt, gibt, und dass andere nur dadurch eine kirchliche Funktion in der Gemeinde ausüben können, dass sie den Träger des Pfarramts in seiner Thätigkeit als seine Gehilfen unterstützen. Nach kalvinischer Lehre jedoch haben die Ältesten ein durchaus selbständiges, ebenso von Gott gestiftetes Amt wie das Pfarramt, nämlich das Amt der Regierung der Kirche. Freilich kommen auch im Gebiete des reformierten Protestantismus, wie wir gesehen haben (s.o. S. 123f.), Ausdrücke vor, die die Ältesten mehr als Gehilfen des Pfarrers erscheinen lassen, aber sie geben nicht die genuin kalvinische Auffassung wieder.
—
3. Den letzten Punkt unserer Vergleichung des reformierten und des modernen Ältesteninstituts bildet seine Aufgabe und sein Wirkungskreis.
Der vornehmste Zweck des Presbyteriums alten Stiles ist die Handhabung der Kirchenzucht zur Herstellung und Erhaltung einer heiligen Gemeinde Christi. Um an den Ältesten ein Organ der kirchlichen Disziplin zu haben, ist dieses Institut von Calvin geschaffen worden.2) Wenn altreformierte Kirchenordnungen den Wirkungskreis
1) Vgl. z.B. Preussische Kirchengemeinde- und
Synodalordnung vom 10. September 1873 § 13: „Der
Gemeinde-Kirchenrat hat den Beruf, in Unterstützung der
pfarramtlichen Thätigkeit, nach bestem Vermögen zum
religiösen und sittlichen Aufbau der Gemeinde zu helften” etc.
Ganz ähnlich hannoverische Kirchenvorstands- und Synodalordnung
für die ev.-lutherische Kirche vom 9. Oktober 1864 § 33. Sächs.
Kirchenvorstands- und Synodalordnung für die ev.-lutherische
Kirche vom 30. März 1868 § 20 Abs. 1: „Die Kirchenvorsteher haben
die Geistlichen zu unterstützen.” Würrtb.
Pfarrgemeinderatsordnung vom 25. Januar 1851 § 26: „Die Ältesten
stehen dem Geistlichen in der christlichen Beratung der
Gemeindeglieder bei” etc. und sonst oft.
2) Dies geht hervor einmal aus der von den Geistlichen Genfs 1537
dem Rate eingereichten Denkschrift, deren Verfasser oder
jedenfalls Urheber Calvin ist, und worin verlangt wird, dass zum
Zweck der Handhabung einer strengen Zucht uns insbesondere des
Ausschlusses Unwürdiger vom hl. Abendmahl einige
➝
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der Ältesten beschreiben, geschieht es oft in der Weise, dass sie als solchen lediglich oder in erster Linie das Wachen über die Gemeinde und die Gemeindeglieder angeben.1)
Allerdings lässt sich nicht leugnen, dass frühe schon das Presbyterium als Organ nicht blos der Sittenzucht, sondern überhaupt der Regierung der Kirche auftritt. Wiederholt bezeichnen Calvin und andere Häupter des reformierten Protestantismus das Presbyterium als den Senat der Kirche und beschreiben die Aufgabe der Ältesten als ein gubernare oder regere Ecclesiam, als eine solche Funktion, die penes verbi Ministros ad externam quandam Ecclesiae gubernationem magis quodammodo spectare videtur (Johannis a Lasco opp. II p. 56). Insbesondere tritt diese Auffassung des Presbyteriums in der von Viret und Genossen für das Waadtland angestrebten Kirchenverfassung hervor.2) Die Kirchenordnung der Frankfurter Fremdengemeinde (bei Richter, Evangelische Kirchenordnungen II S. 159) sagt von den Ältesten: Seniores sunt ex tota Ecclesia praestantissimi viri, digni quos
➝ Personen verordnet und erwählt werden von guten
Lebenswandel und gutem Leumund unter allen Gläubigen, desgleichen
von rechter Standhaftigkeit und nicht leicht zu verführen, die in
den verschiedenen Quartieren der Stadt verteilt ein Auge auf das
Leben und die Führung eines Jeden haben (die ganze
Denkschrift ist abgedruckt bei Herminjard,
Correspondance des réformateurs dans les pays de langue
française, Tome IV p. 154-166). Sodann lautet einer der Artikel,
die Calvin und Farel nach ihrer Vertreibung aus Genf der im Mai
1538 zu Zürich abgehaltenen Synode vorlegten und deren Annahme
sie zur Bedingung ihrer Rückkehr machten (Art. IX): Ut
germanus excommunicationis usus restituatur eo quem
praescripsimus modo (in der eben erwähnten Denkschrift),
nempe ut a Senatu eligantur ex singulis urbis regionibus
probi et cordati viri, quibus in commune nobiscum ea cura
incumbat (bei Herminjard a.a.O. V p. 3-6). Endlich
ist noch anzuführen, dass Calvin, als er nach seiner Rückkehr
nach Genf sein Ziel erreicht hatte, in einem Briefe an Myconius
vom 14. März 1542 (opp. Calvini XI p. 379) schrieb: Nunc
habemus qualecunque presbyterorum judicium et formam disciplinae,
qualem ferebat temporum infirmitas.
1) Ordonnances ecclésiastiques des Eglises de Genève von 1541
(opp. Calvini X pars prior p. 22): Leur (sc. des
anciens) office est de prendre garde sur la vie dun
chascun. Discipline ecclésiastique des Eglises réformées de
France chap. III art. 3: L’office des anciens est de veiller
sur le troupeau avec les pasteurs etc. Schottisches Second
Book of Discipline chapt. VI, 11: Thair office is, as weill
severallie as coniunctlie, to watche diligentlie upoon the flok
committit unto thair charge, bayth publicklie and privatlie, that
no corruption of religoun or maneris enter thairin. Vgl.
auch die Beschreibung des Ältestenamtes in den Beschlüssen des
Weseler Konvents Cap. IV, 1. 2 (Werken der Marnix-Vereeniging II,
3 p. 21f.).
2) Vgl. Calvini opera XVII p. 292-295. Hundeshagen, Die
Conflikte des Zwinglianismus, Luthertums und Calvinismus in der
Bernischen Landeskirche von 1532-1558. S. 347ff.
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etiam privatos omnes revereantur, qui Ministris adjunguntur in administratione, ut causas omnes judicent et praesint omnibus in rebus, quae ad Ecclesiasticam politiam pertinent. Auch Ökolampads Absicht war, die Verwaltung der kirchlichen Angelegenheiten überhaupt in die Hände der Sittenbehörde zu spielen.1) Allein nichtsdestoweniger bildet doch die Kirchenzucht den Kern des Ältestenamtes, und alles andere kommt erst in zweiter Reihe.
Wenn man dagegen die Beschreibung nimmt, die die modernen Kirchenverfassungen von dem Wirkungskreis des Presbyteriums geben, so fehlt darin allerdings die Übung der Kirchenzucht gewöhnlich nicht ganz, allein — und das ist das Bezeichnende — sie erscheint nur als eine unter den mancherlei Funktionen des Ältestenkollegiums und wird von diesen fast erdrückt; eine viel grössere Rolle spielen andere Aufgaben, die die rechtliche Vertretung der Gemeinde nach aussen und überhaupt gegen Dritte und vor allem die kirchliche Vermögensverwaltung. Und dass die Übung der Kirchenzucht in der heutigen Praxis der presbyterialen Organe hinter jenen mehr weltlichen Obliegenheiten so gut wie ganz verschwindet, ist eine unleugbare Thatsache. Ob dies zu allen Zeiten so gewesen ist, wie Richard Rothe meint, wenn er sagt,2) die Kirchenzucht sei in der evangelischen Kirche von jeher nur ein frommer Wunsch gewesen und auch in den streng presbyterianisch verfassten Kirchen selbst im Reformationszeitalter nur höchst annäherungsweise zur Wirklichkeit geworden, können wir dahingestellt sein lassen; aber darin dürfte Rothe Recht haben, dass in unseren Tagen ihre Übung, nämlich ihre konsequente und unparteiisch gerechte Übung, eine völlige Unmöglichkeit sei, die sich mit allem Klagen und Schelten nun einmal nicht wegbringen lasse. Und wenn Rothe daraus den Schluss zieht, dass eben damit die unerlässlichen Voraussetzungen einer echt presbyterianischen Verfassung uns unwiederbringlich abhanden gekommen seien, so wird dies durch der geringe Bedeutung bestätigt, die der disziplinären Thätigkeit unserer heutigen Ältesten sowohl nach dem Buchstaben der modernen Kirchenverfassungen wie auch in der Wirklichkeit zukommt.
Unsere modernen Presbyterien sind also keine Sittenzuchtbehörden; sie sind vielmehr die Organe der Kirchengemeinden zur Verwaltung aller ihrer Angelegenheiten, insbesondere der ökonomischen. Gerade dieser Punkt spielt aber bei den streng reformierten Presbyterien
1) J. Herzog, Das Leben Ökolampadius’ und die
Reformation der Kirche zu Basel II S. 198.
2) Richard Rothe a.a.O. S. 19f.
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gar keine Rolle; ja zum Teil wird die kirchliche Vermögensverwaltung geradezu für etwas, das mit dem Ältestenberuf unverträglich sei, erklärt. So heisst es in den Beschlüssen des Weseler Konvents von 1568 V, 16: Senioribus autem ecclesiae facultatum qualescunque tandem sint aut undecunque obvenerint erogationem administrationemque ab eorum munere ducimus esse penitus alienam. Neuere reformierte Kirchenordnungen bezeichnen die Diakone als Organ zur Verwaltung der ökonomischen Angelegenheiten der Kirche.1) Das Act anent the duties of Elders and Deacons der schottischen Freikirche von 1846 zählt unter den peculiar duties of Deacons an erster Stelle auf: That they give special regard to the whole secular affairs of the congregation (Practice of the Free Church of Scotland p. 173); in derselben Kirche besteht für die weltlichen Angelegenheiten ein besonderes Kollegium, the Deacons’ Court (zusammengesetzt aus den Geistlichen, Ältesten und Diakonen der Gemeinde ib. p. 23f.). Eine ähnliche Einrichtung besteht in der Presbyterian Church of England (Book of Order Chapt. IV: The Deacons’ Court, or The Board of Managers) und in der Presbyterian Church in Ireland (Constitution and Government Chapt. V: The Board of Deacons). In den presbyterianischen Kirchen Nordamerikas ist die kirchliche Vermögensverwaltung zum Teil besonderen Beamte, Trustees, übertragen.2)
1) Man kann daran zweifeln, ob dies im Sinn des
Calvinismus sei, der in dem Diakonat wie in dem Amt der Pfarrer
und der Ältesten eine Funktion geistlicher Natur erblickt und ihm
lediglich die Fürsorge für die Armen, die von jeher für eine
Pflicht der Kirche gegolten hat, zuweist. Vgl. Calvini opp. LIII
p. 291: — cognoissons que les Diacres, c’est à dire les
hospitaliers et les procureurs des povres, ne sont point
seulement en office terrien, mais qu’ils ont une charge
spirituelle qui sert à l’Eglise de Dieu. — Il est vray que ceux
qui sont en estat de justice, seront aussi bien au service de
Dieu: et de faict il leur imprime sa marque, et leur attribue son
titre, et les appelle ses enfans, ses lieutenans et officiers.
Mais cestuy-ci appartient au regime spirituel que Dieu a establi
en son Eglise, c’est asçavoir les Diacres. ib. p. 202: —
non seulement ils (sc. les Diacres) sont en estat
public, mais qu’ils appartiennent au regime spirituel de
l’Eglise, et qu’ils sont là comme officiers de Dieu. — ib.
p. 295: cest office appartient au regime spirituel de
l’Eglise. Nach den Beschlüssen des Weseler Konvents von 1568
cap. V, 12 (Werken der Marnix-Vereeniging II, 3 p. 26) sollen für
gewisse Geschäfte wie Einsammlung des Gehalts der Geistlichen,
Bau der Gotteshäuser etc. neben den Diakonen besondere
erprobte Männer aufgestellt werden.
2) Vgl. Form of Government of the Presbyterian Church in the
United States of America Chapt. VI: The Scriptures clearly
point out Deacons as distinct officers in the Church, whose
business it is to take care of the poor, and to distribute among
them the collections which may be raised for their use. To
them also may be properly committed the management of the
temporal affairs of the Church. (Damit stimmen fast wörtlich
überein The Book of Church Order of the Presbyterian Church
[South] in the United States § 23, ➝
|157|
Was ergibt sich also aus unserer Vergleichung des kalvinischen und des modernen Ältesteninstituts? Dass beide kaum mehr mit einander gemeinsam haben als den Namen. Die modernen Presbyterien und Ältesten sind weder ihrer Begründung noch ihrer rechtlichen Stellung noch ihrem Wirkungskreise nach dasselbe, was die genuin reformierten sind; zwischen beiden ist eine tiefe Kluft befestigt, die durch die Gleichheit des Namens nicht überbrückt wird.1)
—
Bedeutend kürzer können wir uns über die reformierten und die modernen Synoden fassen. Unser Blick richtet sich einmal auf ihre Zusammensetzung, sodann auf ihre rechtliche Stellung.
1. Was die Zusammensetzung der modernen Synoden betrifft, so sind diese den altreformierten darin ähnlich, dass sie nicht blos Geistliche, sondern auch Laienmitglieder enthalten. Geistlichkeitssynoden, wie sie früher besonders zur Zeit der Reformation im Gebiet des Luthertums nicht so selten gewesen sind, bilden heutzutage eine Ausnahme.2) Umgekehrt besteht heutzutage da und dort die rechtliche
➝ Constitution of the Cumberland Presbyterian Church §
19). Dazu vergleiche man, was Robert Ellis Thompson, A
History of the Presbyterian Churches in the United States p. 228
sagt: The Scriptural diaconate for men (nachher spricht
er von dem diaconate for women) has been replaced by
trustees, who have only the duties of collecting pew-rents,
paying salaries and bills, and keeping the churchbuilding in
repair. Über diese trustees ist zu vergleichen The
Presbyterian Digest of 1886, by William E. Moore p.
108ff. Digest of the United Presbyterian Church of North America
from 1859 to 1891 p. 329.
1) Nur beiläufig sei hier darauf aufmerksam gemacht, dass auch
die Ältesten, die in Schriften und Kirchenordnungen des
Altluthertums vorkommen (bekannt sind die Aussprüche Melanchthons
über die laici idonei ad judicandum, vgl. die Zusammenstellung
bei Höfling, Grundsätze ev.-lutherischer
Kirchenverfassung 3. Aufl. S. 118f.), mit den Ältesten im Sinne
Calvins wenig gemein haben. Sie haben nicht den
biblisch-dogmatischen Charakter, den diese haben. Sie treten
nicht als solche auf, denen ein besonderes, gottgeordnetes
Amt in der Gemeinde aufgetragen ist. Es darf daher nicht
Wunder nehmen, wenn Älteste in diesem Sinne in gut lutherischen
Kirchenordnungen sich finden (wie z.B. in den neuestens
entdeckten und herausgegebenen Beschlüssen der Leipziger
Konferenz Lätare 1544 bei Sehling, Die
Kirchengesetzgebung unter Moritz von Sachsen 1544-1549 und Georg
von Anhalt. 1899. S. 126). Vgl. auch die guten Bemerkungen über
diese lutherischen Ältesten bei Stahl, die
Kirchenverfassung nach Lehre und Recht der Protestanten 2. Aufl.
S. 116ff.
2) Als eine solche kann die Synode des Kantons Graubünden
evangelischen Teils bezeichnet werden, sofern sie nach § 16 der
kirchlichen Verfassung für den Kanton Graubünden evangelischen
Teils (s.o. S. 3 Anm. 1) die konstituirte Versammlung der
bündnerischen evangelischen Geistlichkeit ist; allerdings treten
hinzu mit Sitz und Stimme die drei vom Grossen Rate dazu
abgesandten politischen Assessoren als Repräsentanten der
evangelischen Landesbehörde.
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Möglichkeit reiner Laiensynoden.1) Dass diese beiden Arten von Synoden den Grundsätzen reformierter Kirchenverfassung widersprechen, bedarf kaum der ausdrücklichen Erwähnung. Weitaus die meisten modernen Synoden bestehen, und zwar in der Regel zu gleichen Teilen, aus Laien und Geistlichen.
Nun ist es aber weiter reformierter Grundsatz, dass die Laienmitglieder aller Synoden, der niederen wie der höheren, Älteste sein müssen. Denn die Ältesten sind diejenigen, die von Christus mit den Geistlichen zur Regierung der Kirche berufen sind, sowohl in den Presbyterien wie in den Synoden. An diesem Grundsatz wird von fast allen reformierten Kirchen bis auf den heutigen Tag festgehalten, wenn auch die Praxis hie und da davon abgewichen ist.2)
Als es sich in unserem Jahrhundert um Ergänzung der Konsistorialverfassung in Deutschland durch eine sog. Presbyterial- und Synodalverfassung handelte, musste auch zu der Frage Stellung genommen werden, ob zu Laiensynodalmitgliedern nur Älteste berufen werden sollen oder auch andere? Die preussische Generalsynode von 1846 adoptirte den reformierten Grundsatz, jedoch mit der nicht unwesentlichen Einschränkung, dass auch Ehrenälteste d.h. solche, die zweimal das Amt eines Ältesten bekleidet haben und nicht mehr fungiren, zu Synodalmitgliedern gewählt werden dürfen (vgl. Verhandlungen der evangelischen Generalsynode zu Berlin 1846 II S. 129 § 4 und I S. 444). Von den amtlichen Gutachten, die Verfassung der evangelischen Kirche betreffend, die der Kirchenrechtslehrer Richter im Auftrage zum Druck befördert hat (1849), tritt das Gutachten der
1) Die Mitglieder der Synode der evangelischen
Landeskirche des Kantons Zürich werden nach dem Züricher Gesetz
vom 3. November 1895 § 2 und 3 in den Kantonsratswahlkreisen in
der Art gewählt, dass jeder Wahlkreis auf je 2000 reformierte
schweizerische Einwohner ein Mitglied wählt, und dass dabei
stimmberechtigt alle im Wahlkreise niedergelassenen Aktivbürger
reformierter Konfession, wählbar aber alle Stimmberechtigten
sind, auch wenn sie ausserhalb des betreffenden Wahlkreises
wohnen. Ganz ähnlich ist die Organisation der
evangelisch-reformierten Kirchen-Synode des Kantons Bern (vgl.
Gesetz über die Organisation des Kirchenwesens im Kanton Bern,
vom 18. Januar 1874) und der evangelischen Synode des Kantons St.
Gallen (vgl. Organisation der evangelischen Kirche des Kantons
St. Gallen, vom 20. Juni 1892 Art. 22). In allen diesen Fällen
besteht die rechtliche Möglichkeit, dass nur Laien zur Synode
gewählt werden.
2) Mit Beziehung auf eine Spaltung der Presbyterian Church in the
United States of America in den dreissiger Jahren dieses
Jahrhunderts sagt R.E. Thompson, A History of the
Presbyterian Churches in the United States p. 141: The four
Synods had been exscinded not because of any defect in the
Standing of their ministry, but because they admitted to seats in
Synod and Presbytery men who had never been ordained to the
eldership, and who were no more than elected representatives of
congregations.
|159|
evangelisch-theologischen Fakultät zu Bonn am entschiedensten für den presbyterialen Grundsatz ein, „dass leitende und gesetzgebende Mitglieder in ihr (d.h. der Kirche) nur diejenigen sein können, welche zugleich Älteste sind” (a.a.O. S. 237, vgl. S. 263). Auf der im Jahre 1856 zu Berlin abgehaltenen kirchlichen Konferenz (sog. Monbijou-Konferenz) wurde die Frage: Soll nur der Dienst an der Kirche die passive Wählbarkeit auf allen Stufen des Synodalverbandes begründen? mit 37 gegen 4 Stimmen bejaht (Aktenstücke aus der Verwaltung des Evangelischen Oberkirchenrats Bd. IV S. 590).
Die modernen Kirchenverfassungen haben im Grossen und Ganzen jenen reformierten Grundsatz nur für die Bildung der Kreis- oder Diözesansynoden1), nicht aber für die der höheren, Provinzial- und General- oder Landessynoden, aufgenommen. So erfolgt z.B. in der preussischen Landeskirche die Wahl zur Provinzialsynode in der Weise, dass in jedem Wahlkreise (d.i. Kreissynodalbezirke) 1. ein Abgeordneter aus dem innerhalb des Wahlkreises in geistlichen Ämtern der Landeskirche angestellten Geistlichen, 2. ein Abgeordneter aus solchen Angehörigen des Wahlkreises gewählt wird, welche in Kreissynoden oder in den Gemeindekörperschaften desselben als weltliche Mitglieder zur Zeit der Kirche dienen oder früher gedient haben, 3. das letzte Drittel der Abgeordneten von den an Seelenzahl stärkeren Kreissynoden und Wahlverbänden aus den angesehenen, kirchlich erfahrenen und verdienten Männern des Provinzialbezirks gewählt wird (Preussische Kirchengemeinde- und Synodalordnung § 62 Ziff. 3). Und die 150 von den Provinzialsynoden gewählten Mitglieder der preussischen Generalsynode werden in der Weise bestellt, dass die Provinzialsynoden 1. ein Drittel aus den innerhalb der Provinz in geistlichen Ämtern der Landeskirche angestellten Geistlichen, 2. ein Drittel aus solchen Angehörigen der Provinz, die in Kreis- oder Provinzialsynoden oder in Gemeindekörperschaften derselben als weltliche Mitglieder entweder zur Zeit der Kirche dienen oder früher gedient haben, 3. ein Drittel überhaupt aus den angesehenen, kirchlich erfahrenen und verdienten Männern der evangelischen Landeskirche wählen (Preussische Generalsynodalordnung § 3).2)
1) In der preussischen Landeskirche gilt auch dies nicht:
hier wird die Hälfte der gewählten Mitglieder der Kreissynode aus
den derzeitigen oder früheren Ältesten, die andere Hälfte aus den
angesehenen, kirchlich erfahrenen und verdienten Männern des
Synodalkreises von den an Seelenzahl stärkeren Gemeinden gewählt
(Preussische Kirchengemeinde- und Synodalordnung § 50 Ziff.
3).
2) Bemerkenswert ist, dass auch in der Kirchengemeinde- und
Synodalordnung für die evangelisch-reformierte Kirche
der Provinz Hannover vom 12. April 1882 der reformierte
Grundsatz, dass nur Älteste zu Synoden deputirt werden sollen,
aufgegeben worden ist (vgl. § 58. 69). Auch die
rheinisch-westfälische ➝
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Auch in einem anderen Punkte widerstreitet die Bildung der modernen Synoden der reformierten Anschauung, nämlich darin, dass bei der Festsetzung der Zahl der Synodalmitglieder vielfach, wenn auch nicht immer, das Kopfzahlprinzip zu Grunde gelegt wird, d. h. dass eine Gemeinde oder eine Diözese, je grösser sie ist, um so mehr Synodale zur Diözesan- oder Provinzial- oder Generalsynode entsendet. Für die preussische Landeskirche genügt es, auf die bereits (s.o. S. 159) mitgeteilten Bestimmungen der Kirchengemeinde- und Synodalordnung und der Generalsynodalordnung hinzuweisen. Dasselbe Kopfzahlprinzip begegnet uns in der Kirchengemeinde- und Synodalordnung für die evangelisch-lutherische Kirche der Provinz Schleswig-Holstein vom 4. November 1876 in § 74 und § 87, in der Kirchengemeinde- und Synodalordnung für die evangelischen Gemeinden im Amtsbezirke des Konsistoriums zu Wiesbaden vom 4. Juli 1877 § 57 und § 67, in der Kirchengemeinde- und Synodalordnung für die evangelisch-reformierte Kirche der Provinz Hannover vom 12. April 1882 § 58 und § 68 und sonst. Aber auch in der Bestimmung tritt das Kopfzahlprinzip zu Tage, dass jede Gemeinde zur Diözesansynode ihre sämmtlichen Pfarrer und ebensoviele Älteste oder Laienvertreter entsenden soll.1) Denn dadurch werden die grösseren Gemeinden mit mehreren Geistlichen vor den kleineren bevorzugt: sie gemessen eine stärkere Vertretung auf der Synode als diese.
Diese ganze Anschauung ist dem Calvinismus fremd. Auf der Diözesansynode (Klassikalversammlung, Colloque, Presbytery) sind nicht die Mitglieder der Kirche nach ihrer Seelenzahl in der Diözese, sondern die Gemeinden als solche vertreten; sie ist ein Verband nicht von einzelnen Kirchgenossen, sondern von Gemeinden. Demgemäss gingen die Colloques der Hugenottenkirche, die Klassen der niederländischen Kirche dergestalt aus den Presbyterien (Kirchenräten) hervor, dass jedes von diesen zu dem Colloque, dem es zugeteilt war, Einen Geistlichen und Einen Ältesten entsandte.2) Von einer Berücksichtigung der Seelenzahl ist hier nirgends die Rede. Auf dem gleichen Standpunkt stehen die schottisch-amerikanischen Kirchenordnungen.3)
➝ Kirchenordnung von 1835 hält in der neuen Gestalt, die
ihr das Kirchengesetz vom 27. April 1891 gegeben hat, jenen
Grundsatz nicht mehr in seiner vollen Strenge fest (vgl. § 35 und
45).
1) Belege hierfür finden sich allenthalben, vgl. z.B. die
preussische Kirchengemeinde- und Synodalordnung § 50 Ziff. 3.
Kirchenverfassung der ev.-prote-stantischen Kirche des
Grossherzogtums Baden vom 5. September 1861 § 47. Auch die
Rheinisch-Westfälische Kirchenordnung § 35 gehört hierher.
2) Vgl. Discipline ecclésiastique des Eglises réformées de France
Chap. VII art. 1. Dortrechter Nationalsynode von 1618/19 art.
41.
3) Vgl. z.B. The Constitution and Law of the Church of Scotland
p. 32. ➝
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Was hier von den niederen Synoden gesagt ist, gilt in gleicher Weise von den höheren, hauptsächlich auch von der obersten, der General- oder Landessynode: in ihr stellt sich nicht die Gesammtzahl der Mitglieder der Landeskirche dar, sondern die Gesammtheit ihrer Gemeinden und Kreise.1)
2. Wir sind damit bereits von der Bildung der Synoden zu ihrer rechtlichen Stellung hinübergeführt worden.
Hier ist nun vor allem zu betonen, dass die reformierten Synoden eigentliche Kirchenregimentsbehörden, kirchliche Regierungskollegien sind. Was in der lutherischen Kirche die Konsistorien, General Superintendenten und Superintendenten sind, das sind in der reformierten Kirche die Synoden. Richtig bemerkt daher Richter in seinem Lehrbuche des Kirchenrechts (8. Aufl. S. 553): „Der Grundgedanke der reinen Synodalverfassung ist der, dass die Synoden vorzugsweise dem Bedürfnisse der kirchlichen Regierung dienen. Sie sind wahre Behörden.” Damit stimmt überein K. Bähr in einem gediegenen Referate auf der Eisenacher Kirchenkonferenz des Jahres 1855 über Organisation, Komposition und Aufgabe der Bezirks- oder Diözesansynoden: „Es ist zur Verhütung von Missverständnis und Verwirrung von grosser Wichtigkeit, daran festzuhalten, dass das Presbyterial- und Synodalsystem seinem Ursprung und Wesen nach kirchliches Regierungssystem ist. — Die Presbyterial- und Synodalverfassung ist nicht aus dem Bedürfnis kirchlicher Repräsentation oder Vertretung, sondern aus dem Bedürfnis des Kirchenregiments hervorgegangen.”2)
Von selbst ergibt sich daraus, dass in den deutschen Landeskirchen, deren Kirchenregiment dem Landesherrn zusteht und von ihm mittelst der Konsistorien und Superintendenten ausgeübt wird, von Synoden im eigentlichen, reformierten Verstände nicht die Rede sein kann. Es würden ja sonst zweierlei Kirchenregimente, ein landesherrliches
➝ The Practice of the Free Church of Scotland p. 178 f.
Form of Government of the Presbyterian Church in the United
States of America Chapt. X, II.
1) Vgl. dagegen K. Verordnung betr. die Einführung einer
Landessynode in der evangelischen Kirche von Württemberg vom 20.
Dezember 1867 § 1 Abs. 1: Die Landessynode ist zur Vertretung
der Genossen der evangelischen Landeskirche gegenüber
von dem landesherrlichen Kirchenregiment bestimmt (in der
neuen Redaktion vom 11. September 1888 lautet aber Art. 1 Abs. 1:
Die Landessynode bildet die Vertretung der Gesamtheit
der Kirchengemeinden). Vgl. auch die guten Bemerkungen von
K. Bähr im Allg. Kirchenblatt für das ev. Deutschland
1855 S. 497.
2) Allgemeines Kirchenblatt für das evangelische Deutschland,
1855 S. 491. 492. Vgl. auch den Kommissionsbericht zu den §§ 60
und 61 des hannoverischen Entwurfs einer Kirchenvorstands- und
Synodalordnung in den Protokollen der Vorsynode des Königreichs
Hannover. 1863 1 p. 479 f.
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und ein synodales, neben einander bestehen, was doch ein Unding ist. Zwar hat man die unteren Synoden (Kreis- und Provinzialsynoden) doch in der Weise zu organisiren versucht, dass sie eine kirchenregimentliche Behörde darstellen, indem man die Organe des landesherrlichen Kirchenregiments, Superintendenten und Generalsuperintendenten, mit den Vertretern der Gemeinden und Kreise, Pfarrern und gewählten Laien, zu Einer Körperschaft vereinigte. Aber was sich auf der unteren Stufe der synodalen Verfassung zur Not einrichten Hess, war auf der obersten unmöglich: die Landes- oder Generalsynode ist nirgends eine Kirchenregierungsbehörde, sondern eine Vertretung der Kirche gegenüber dem Kirchenregiment. Die Analogie mit dem Landtag lässt sich hier nicht abweisen, und es ist etwas Wahres daran, wenn Richard Rothe in den modernen Kirchenverfassungen gerade auch um der rechtlichen Stellung der obersten Synode willen das Prinzip des kirchlichen Konstitutionalismus verwirklicht findet.1)
Zwar wird der rechtliche Charakter der obersten Synode als einer Vertretung gegenüber dem Kirchenregiment nicht in allen modernen Kirchenverfassungen so offen bekannt wie in der württembergischen Synodalordnung vom 20. Dezember 1867 § 1 Abs. 1 (siehe oben S. 161 Anm. 1). Gewöhnlich tritt vielmehr das Repräsentationsprinzip in etwas verhüllter Gestalt auf. So heisst es in dem revidirten Verfassungsgesetz der evangelisch-lutherischen Kirche des Herzogtums Oldenburg vom 11. April 1853 Art. 57: Die Gesammtheit der Kreisgemeinden bildet die Landesgemeinde, welche durch die Landessynode vertreten wird, oder kürzer und einfacher in dem Edikt, die Verfassung der evangelischen Kirche des Grossherzogtums Hessen betr., vom 6. Januar 1874 § 87: Die evangelische Kirche des Grossherzogtums in ihrer Gesammtheit wird durch die Landes-Synode vertreten, und ähnlich in anderen Verfassungen. Allein damit ist nicht viel gewonnen. Denn man fragt unwillkürlich: wem gegenüber ist die Landessynode die Vertretung der Kirche? und die Antwort kann nicht anders lauten als: dem landesherrlichen Kirchenregiment gegenüber. Denn die Vertretung der Landeskirche gegen andere Faktoren wie den Staat oder die katholische Kirche ist, wie niemand bestreitet, Sache des Kirchenregiments, nicht der Landessynode.2)
1) Richard Rothe a.a.O. S. 15ff. und in den
Verhandlungen der badischen Generalsynode vom Jahr 1861 (Sitzung
vom 2. Juli) S. 281 f.
2) Über die Verhandlungen, die seinerzeit in der zweiten
württembergischen Landessynode über das „gegenüber dem
Kirchenregiment” stattfanden, berichtet meine Schrift „Die
evangelische Kirche Württembergs in ihrem Verhältnis zum Staat”,
1887, S. 62ff.
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Dieses Bemühen, die rechtliche Stellung der obersten Landessynode als einer Vertretung gegenüber dem landesherrlichen Kirchenregiment zu verdecken und die sich unwillkürlich aufdrängende Vergleichung der Landessynode mit dem Landtag zu hintertreiben, ist aber nur ein schlagender Beweis dafür, dass man seinerzeit ein wenn auch nur dunkles und schwaches Bewusstsein davon gehabt hat, wie wenig Ähnlichkeit doch im Grunde die moderne Synodalverfassung mit der reformierten habe, die man sich zum Vorbild genommen hatte!
Aus diesem Gefühl heraus ist auch eine Einrichtung zu erklären, die die Bestimmung hat, die kompromittirende Ähnlichkeit der Landessynode mit ihrem Zwillingsbruder, dem Landtag, etwas zu verwischen, nämlich die sog. landesherrlichen Mitglieder, und die eine Eigentümlichkeit so ziemlich aller modernen Landes- oder Generalsynoden bildet. Ihr Zweck ist, wie aus ihrer Genesis hervorgeht, den Gegensatz, der zwischen dem Kirchenregiment und der Landessynode als einer rein repräsentativen Körperschaft besteht, zu ermässigen.1) Diese Absicht
1) Über die Genesis des Instituts der landesherrlichen Synodalmitglieder sei hier Einiges in Form eines Exkurses bemerkt. In der Zeit vor 1848 begegnet uns die Idee von landesherrlichen Mitgliedern nur ganz vereinzelt. Einer der frühesten Hinweise darauf findet sich in der 1845 erschienenen Schrift des württembergischen Archidiakonus Albert Hauber: „Grundzüge einer Repräsentation der evangelischen Kirche in Württemberg”. Hier heisst es S. 27f.: „Es kann die Frage sein, ob nicht die Mitglieder des Konsistoriums von selbst auch Synodalmitglieder werden sollten. Ich meine, dass die beiderseitige Stellung freier wäre, wenn sie nur als Kommissäre des Kirchenregiments Anteil nehmen würden, und möchte eher der Regierung das Recht vorbehalten wissen, auf die Vorschläge des Konsistoriums etwa zehen weitere Stellen in der Synode ohne Rücksicht auf Stand zu besetzen”. In den „Grundzügen einer Kirchenverfassung für die evangelische Kirche in den sechs östlichen Provinzen der Monarchie”, wie sie die Berliner Generalsynode im Jahr 1846 entworfen hat, finden sich unter den Mitgliedern der Provinzialsynoden und der Landessynode zwar vom Landesherrn ernannte Geistliche und Beamte (Generalsuperintendenten, Superintendenten, Hofprediger, der Feldpropst, die Präsidenten der Konsistorien), die als solche (geborene) Mitglieder der Provinzial- oder Landessynode sind, aber nicht eigentliche landesherrliche Mitglieder im formellen Sinne. Bei den Verhandlungen über die Zusammensetzung der Landessynode bemerkte zwar der Bonner Kirchenrechtslehrer Blume, es scheine ihm in den Grundzügen eine Bestimmung zu fehlen, die dem königlichen Vertrauen Spielraum lasse, um vielleicht einzelne Männer, welche das königliche Vertrauen genössen, in die Synode berufen zu können, wie dieses in anderen Sphären des staatlichen Lebens wohl vorkomme. Allein ein dahin gehender Antrag Blumes fand in der Synode nicht einmal die nötige Unterstützung; es wurde gegen ihn vorgebracht, es sei dem Prinzipe der kirchlichen Vertretung entgegen, wenn dem Landesherrn noch die Ernennung anderer Mitglieder überlassen würde, und die Analogie politischer Verhältnisse passe hier nicht, da es sich auf der Landessynode nicht um die landesherrlichen Rechte, sondern um den Dienst für eine Sache handle (Verhandlungen I S. 587f.). Sehe ich recht, so kommen landesherrliche Synodalmitglieder im formellen Sinne ➝
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wäre freilich gründlicher und sicherer erreicht worden, wenn jene Richtung in der kirchlichen Verfassungsbewegung durchgedrungen wäre, die die oberste Synode sich als eine Erweiterung der Oberkirchenbehörde
➝ zum ersten Male in den „Kommissionsentwürfen zur Einführung und Ausbildung von Presbyterial- und Synodaleinrichtungen in der evangelischen Kirche des Königreichs Hannover” (1849 im Drucke veröffentlicht) vor. Der Entwurf der Verordnung betr. die Berufung einer Vorsynode zählt als Mitglieder der lutherischen Vorsynode neben 21 von den Geistlichen zu wählenden geistlichen Mitgliedern, einer gleichen Zahl von den Kirchengemeinden zu wählender weltlicher Mitglieder, einem theologischen und einem juristischen Professor der Landesuniversität, auch „einige, jedoch nicht mehr als 12 von Uns zu ernennende Mitglieder” (§ 1). Ebenso finden sich unter den Mitgliedern der reformierten Vorsynode „einige, jedoch nicht mehr als 6 von Uns zu ernennende Mitglieder” (§ 13). Lehrreich ist es zu hören, wie der Verfasser der den Entwurf begleitenden Denkschrift, Professor Dr. Herrmann in Göttingen, diese Zusammensetzung der Vorsynode motivirt. Im allgemeinen werde dafür, meint er, der Grundsatz leitend sein müssen, „dass sie (d.h. die Zusammensetzung der lutherischen Vorsynode) auf Grund der bestehenden Kirchenverfassung und nach Massgabe derjenigen Grundbestandteile erfolge, welche das protestantische Kirchenrecht in dem kirchlichen Ganzen unterscheidet. Diese sind aber Kirchenregiment, Lehramt und Gemeinde. Auf diese Unterscheidung sieht sich die Kirchenregierung zugleich durch das Verfassungsgesetz [vom 5. September 1848 § 23, wodurch § 66 des Landesverfassungsgesetzes von 1840 aufgehoben und ersetzt wird] verwiesen, in dessen Vollziehung zunächst die Berufung der Vorsynode geschieht, indem dasselbe eine Zusammensetzung der Versammlung aus geistlichen und weltlichen Personen verlangt, welche teils von dem Könige bestimmt, teils von den Geistlichen und Gemeinden erwählt werden sollen” (S. 30f.). Unverkennbar verrät sich in der Dreizahl der Stände in der Kirche {Kirchenregiment, Lehramt, Gemeinde) eine Nachwirkung der alten protestantischen Dreiständelehre. Bezeichnend ist nun aber, dass dasselbe Prinzip der Zusammensetzung, das für die lutherische Vorsynode massgebend ist, ohne Weiteres auch für die reformierte Vorsynode zu Grunde gelegt wird, und dass die Denkschrift darauf verzichtet, die Berufung von landesherrlichen Mitgliedern für sie zu motiviren. Das Institut der landesherrlichen Mitglieder findet sich auch in dem Entwurf der Kirchenraths- und Synodalordnung für die evangelische Landeskirche lutherischen Teils (Provinzial-synode § 56, Landessynode § 64 Ziff. 5), der aber auch vom Könige ernannte Geistliche und Beamte als geborene Mitglieder der Synode kennt (vgl. § 56. § 64 Ziff. 1 u. 2). Aus der von Ehrenfeuchter verfassten begleitenden Denkschrift geht hervor, dass hiebei auch der Gesichtspunkt massgebend gewesen ist, „unbeschadet der prinzipiellen Auffassung, wornach nur das Amt (sc. in der Kirche als Geistlicher oder Kirchenvorsteher vgl. § 56 und § 64 Ziff. 3) zum Eintritt in die Synode berechtigt, eine Einrichtung zu gewinnen, wodurch bedeutsame Kräfte, lebendige, in Glauben und Weisheit gereifte Männer auf den höheren Synoden wirksam sein können” (S. 109). Hier ist also durch die strenge Durchführung des Ältestenprinzips nahegelegt, auf dem Wege der landesherrlichen Berufung „das Fehlende zu ergänzen, das Einseitige auszugleichen” (S. 110). Der hannoverische Vorgang hat bald Nachfolge gefunden, zuerst wohl in dem benachbarten Oldenburg. Das revidirte Verfassungsgesetz der ev.-luth. Kirche des Herzogtums Oldenburg vom 11. April 1853 bestimmt in Art. 58 § 2: „Ausserdem (d.h. ausser den von den Kreissynoden gewählten geistlichen und weltlichen Abgeordneten) haben Sitz und Stimme ➝
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dachte. Das war die Meinung Friedrich Wilhelms IV. von Preussen, wenn er in der an den Minister der geistlichen Angelegenheiten gerichteten Allerhöchsten Ordre vom 30. Dezember 1850 sich dahin aussprach: „Auch Ich wünsche die Bildung einer Synodalverfassung und werde eine solche aus allen Kräften befördern, aber die Synoden dürfen nicht als Vertreter der Kirche gegenüber den kirchlichen Behörden — nach Analogie konstitutioneller Kammern — sondern sie müssen selbst als Behörden, als Vertretung der Kirche nach aussen gedacht werden” (Aktenstücke aus der Verwaltung des Evangelischen Oberkirchenrats Bd. III S. 6).1) Ebenso hat der württembergische
➝ in der Landessynode fünf vom Grossherzog auf Vorschlag
des Oberkirchenraths zu benennende Mitglieder”. Wir entdecken
hier ein neues Motiv der Berufung landesherrlicher Mitglieder:
„die Synode soll durchaus keinen Gegensatz zum Kirchenregimente
bilden; ihr eigenster Charakter soll sein: das Zusammentreten des
Kirchenregiments mit der Kirche (richtiger gesagt: mit dem
Lehramt und der Gemeinde, oder mit der Vertretung der Kirche)
darzustellen und so das gesamte kirchliche Leben in der
Landeskirche zu vertreten” (vgl. Th. von Wedderkopp, die
Verfassung der ev.-luth. Kirche des Grossherzogtums Oldenburg.
1853 S. 123). Ähnlich spricht sich der Oldenburgische
Oberkirchenrat in seiner dem Grossherzog überreichten Erklärung
über den Entwurf eines revidirten Kirchenverfassungsgesetzes aus:
„es wird dadurch ein Zusammenwirken des ganzen Kirchenregiments
mit dem Lehramt und der Gemeinde in der Synode erreicht”
(Allgemeines Kirchenblatt für das evangelische Deutschland 1853
S. 391). Also damit die Landessynode nicht als der Gegensatz zum
Kirchenregiment erscheine (nach Analogie des Landtags im
Verhältnis zur Staatsregierung), sollen der Landessynode auch
landesherrliche Mitglieder angehören. — Von Oldenburg aus kam das
Institut der landesherrlichen Synodalmitglieder in die
badische evangelische Kirchenverfassung vom 5. September
1861 § 61 Ziff. 2, der die oldenburgische im Ganzen wie im
Einzelnen als Vorbild gedient hat, und von hier aus in alle
evangelischen Landeskirchen Deutschlands, auch in die reformierte
Kirche der Provinz Hannover (vgl. Kirchengemeinde- und
Synodalordnung für die evangelisch-reformierte Kirche
der Provinz Hannover vom 12. April 1882 § 66) und des Fürstentums
Lippe (Verordnung, die Einführung einer Landessynode betr., vom
12. September 1877 § 2). Massgebend war dabei überall wohl
weniger die von Herrmann betonte Idee, als vielmehr die
beiden von Ehrenfeuchter und in den Materialien der
Oldenburger Kirchengesetzgebung hervorgehobenen Gesichtspunkte:
die landesherrliche Berufung von Synodalmitgliedern soll einmal
das Fehlende ergänzen und das Einseitige ausgleichen, und sodann
verhindern, dass die Landessynode als der Gegensatz zum
Kirchenregiment erscheine (vgl. auch Preussische
Generalsynodalordnung vom 20. Januar 1876 § 5: „Die Generalsynode
hat mit dem Kirchenregimente des Königs der Erhaltung und dem
Wachstum der Landeskirche auf dem Grunde des evangelischen
Bekenntnisses zu dienen; Regiment, Lehrstand und Gemeinden zur
Gemeinschaft der Arbeit an dem Aufbau der Landeskirche zu
verbinden” etc.). Daneben mag auch das Vorbild der ersten Kammer
mitgewirkt haben, wie die oben mitgeteilten Worte Blumes auf der
Berliner Generalsynode von 1846 und eine Äusserung Hitzigs in der
badischen Generalsynode von 1861 (Verhandlungen S. 280) vermuten
lassen.
1) Friedrich Wilhelm IV. von Preussen hat überhaupt, wie sein
ganzes ➝
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evangelische Synodus in seinem Anbringen vom Jahr 1858 eine von dem Kirchenregiment abgesonderte und ihm gegenüberstehende Landessynode für mehrfach bedenklich erklärt und statt dessen vorgeschlagen, die Landessynode nur durch eine Erweiterung des bestehenden Synodus zu bilden (Allgemeines Kirchenblatt für das evangelische Deutschland 1858 S. 145. 150).
Auf eine eigentümliche Schranke der Gesetzgebungsgewalt der Generalsynode schottisch-amerikanischer reformierter Kirchen sei hier nebenbei aufmerksam gemacht, das sog. Barrier Act, welches bedeutet, dass die Generalsynode gewisse von ihr gefasste Beschlüsse erst dann zum Gesetz erheben darf, wenn die Mehrheit der presbyteries ihre Zustimmung dazu erklärt hat. In der Church of Scotland wurde diese Einrichtung durch das Act anent the Method of passing Acts of Assembly of general concern to the Church, and for preventing of Innovations von 1697, gemeiniglich the Barrier Act genannt (in den Acts of the General Assembly of the Church of Scotland 1638-1842 p. 260 f.) eingeführt. Das Gesetz lautet wörtlich so: The General Assembly, taking into their consideration the overture and act made in the last Assembly concerning innovations, and having heard the report of the several commissioners from Presbyteries to whom the consideration of the same was recommended, in order to its being more ripely advised and determined in this Assembly; and considering the frequent practice of former Assemblies of this Church, and that it will mightily conduce to the exact obedience of the Acts of Assemblies, that General Assemblies be very deliberate in making of the same, and that the whole Church have a previous knowledge thereof, and their opinion be had therein, and for preventing any sudden alteration or innovation, or other prejudice to the Church, in either doctrine or worship, or discipline, or government thereof, now happily established; do, therefore, appoint, enact, and declare, that before any General Assemby of this Church shall pass any acts, which are to be binding rules and constitutione to the Church, the same acts be first proposed as overtures to the Assembly, and being by them passed as such, be remitted to the consideration of the several Presbyteries of this Church, and their opinions and consent reported by their commissioners to the next General Assembly following, who may then pass the same in acts, if the more general opinion of the Church thus had agree thereunto. Dieses Barrier Act haben auch reformierte Kirchen in Nordamerika adoptirt; vgl. Form of Government of the Presbyterian Church in the United States of America Chapt. XII, VI: Before any overtures or regulations proposed by the Assembly to be established as constitutional rules shall be obligatory
➝ Verhalten zu der evangelischen Kirchenverfassungsbewegung seiner Zeit beweist, für den inneren Unterschied zwischen den modernen und den eigentlich reformierten Verfassungsideen ein schärferes Auge gehabt als die meisten seiner Zeitgenossen, woraus seine abwartende und zurückhaltende Stellung zu jener Bewegung zu erklären ist.
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on the churches, it shall be necessary to transmit them to all the Presbyteries, and to receive the returns of at least a majority of them, in writing, approving thereof. Government and Discipline of the United Presbyterian Church of North America Part I Chapt. V Art. IV, 5: Before any regulation affecting the doctrine, worship or government of the church shall be adopted or made binding on the church, it shall be transmitted in overture to all the Presbyteries, and be approved by at least a majority of the votes of the whole church. These votes are to be taken in the Presbytery, each minister and ruling eider in the Presbytery being entitled to vote. The vote shall be taken yea or nay, carefully recorded, and reported by the clerk of the Presbytery to the General Assembly at its next meeting. When a clear majority of the votes of the whole church is in the affirmative, the General Assembly shall enact such regulations, unless peculiar circumstances should, in the view of two-thirds of the whole delegation to the Assembly, render it inexpedient.
—
Was ist das Ergebnis unserer Vergleichung der modernen Presbyterien und Synoden mit den reformierten?
Man bat behauptet, dass die reformierte Presbyterial- und Synodalverfassung im 19. Jahrhundert ihren Einzug in die lutherische Kirche gehalten, dass die ganze Kirchenverfassung der Gegenwart ein reformiertes Gepräge empfangen habe, dass die moderne Kirchenverfassung eine Verbindung der lutherischen Verfassungselemente mit den reformierten Presbyterien und Synoden darstelle.1)
Aus unserer Vergleichung ergibt sich die Unhaltbarkeit dieser Auffassung. Die modernen Presbyterien und Synoden sind etwas anderes als die reformierten Einrichtungen gleichen Namens.
Es ist dies nur zu natürlich. Die Presbyterien und Synoden modernen Stiles sind auf einen seit Jahrhunderten bestehenden kirchenregimentlichen Organismus aufgepfropft worden, während die Presbyterien und Synoden alten Stiles seinerzeit an die Stelle des durch die Reformation beseitigten Organismus des päpstlichen und bischöflichen Kirchenregiments getreten sind. Darum stellen die reformierten Presbyterien und Synoden eigentliche und wahre Kirchenregimentsbehörden dar, was die modernen Einrichtungen gleichen Namens nicht sind. Diese sind überall in Deutschland neben ein bereits vorhandenes und festgewurzeltes Kirchenregiment getreten und haben ihre Kompetenz und Stellung von diesem empfangen. Dadurch ist ihr ursprünglicher Charakter von Grund aus verändert worden. Man kann zwei
1) Vgl. z.B. Sohm, Kirchenrecht I S. 697f. Simons, Niederrheinisches Synodal- und Gemeindeleben „unter dem Kreuz” S. 1. Tollin, Geschichte der französischen Kolonie von Magdeburg, III, 1, C S. 1262.
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kirchliche Verfassungssysteme, die aus ganz verschiedenen Grundgedanken erwachsen sind, nicht ohne Weiteres mit einander kombiniren. Die lutherische Konsistorialverfassung und die reformierte Presbyterial-und Synodalverfassung stellen aber unvereinbare Gegensätze dar; eine „organische” Verbindung beider, wie man es früher gerne bezeichnet hat, ist unmöglich.1) Das Eine von beiden Systemen muss sich dem anderen anpassen und ihm seine Eigenart zum Opfer bringen. In Deutschland aber hat sich das lutherische Verfassungssystem als das stärkere erwiesen und das reformierte hat sich ihm anpassen müssen. Es wäre freilich auch der umgekehrte Fall denkbar gewesen: dass nämlich den Konsistorien und Superintendenten die Stellung von Vollzugsorganen der obersten Synoden, einer Art von Synodalausschüssen wäre angewiesen worden. Dann wäre das Kirchenregiment in die Hände der Synoden gekommen und der Landesherr mit seinen
1) Einige Beispiele von dieser Unverträglichkeit der beiden Verfassungssysteme mögen hier angeführt werden. Als in Brandenburg-Preussen die Verfassung der französisch-reformierten Kirche auf den Fuss der deutschen Kirchenverfassung gesetzt, d.h. ein französisches Oberkonsistorium mit Inspektoren (nach Analogie der lutherischen Konsistorialverfassung) eingerichtet wurde, da wurden die französischen Synoden abgeschafft und an ihre Stelle eben das französische Oberkonsistorium gesetzt (vgl. von Mühler, Geschichte der evangelischen Kirchenverfassung in der Mark Brandenburg. 1846. S. 216f.). Nicht etwa, weil man (wie v. Mühler a.a.O. S. 217 meint) für eine „organische Verbindung beider Systeme” kein Verständnis hatte, sondern weil eine solche unmöglich war. — Ein anderes Beispiel bietet der dreizehnte Abschnitt der Rheinisch-Westfälischen Kirchenordnung in seiner ursprünglichen Gestalt, der die Überschrift trägt „Von der Staatsaufsicht über das Kirchenwesen”, und darin als Aufsichtsbehörden nicht nur das Kultusministerium und die Regierungen, sondern auch die Konsistorien und Generalsuperintendenten aufzählt Es hat dies seinen Grund nicht blos in dem damals noch blühenden Territorialismus, in der staatlichen Stellung der damaligen Konsistorien und Generalsuperintendenten, sondern auch noch in etwas anderem. Die kirchlichen Organe, wie Presbyterien, Kreissynoden, Provinzialsynoden und deren Vorstände sind in dieser Kirchenordnung eigentliche Kirchenregierungsbehörden im reformierten Sinne, neben denen Konsistorien und Generalsuperintendenten keinen Raum zu wirklich kirchenregimentlicher Thätigkeit finden, wie sonst in lutherischen Kirchenordnungen ihnen zukommt. So blieb für sie, die ein jus in sacra auszuüben durch die Konkurrenz jener presbyterialen und synodalen Organe verhindert waren, nichts anderes übrig, als sich auf die Wahrnehmung des jus circa sacra zu beschränken. Es konnte nicht ausbleiben, dass die Konsistorien unter dem Druck dieses unnatürlichen Zustandes in der Praxis eine Erweiterung ihrer Kompetenz in der Richtung von eigentlich kirchenregimentlichen Befugnissen anstrebten, zumal da für das rheinische und das westfälische Konsistorium dieselbe Instruktion galt, die für die Konsistorien der östlichen Provinzen erlassen war. Daraus ist der von rheinischen Synoden wiederholt geäusserte Wunsch zu erklären, es möchte die den Konsistorien gegebene Instruktion mit der Kirchenordnung von 1835 in Einklang gebracht werden (vgl. Vierte Rheinische Provinzialsynode S. 24f.).
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Behörden auf die Übung der Staatsaufsicht beschränkt worden.1) Allein diesen Weg, der einen völligen Umsturz der bisherigen Konsistorialverfassung bedeutet hätte, hat man in Deutschland nirgends eingeschlagen. Wenn man in früheren Jahrzehnten sich der Hoffnung hingegeben hat, die beiden Verfassungssysteme lassen sich ohne Verkürzung des einen von ihnen zu Einem Ganzen verbinden, ja sie fordern sogar ihre Vereinigung, weil jedes für sich einseitig sei und nicht das leiste, was man von einem kirchlichen Verfassungssystem erwarte,2) so hat man dies nur thun können, weil man damals für den grundsätzlichen Gegensatz der beiden historischen Verfassungssysteme noch kein Auge gehabt hat. Das Interesse an der Union hat die Erkenntnis dieses Gegensatzes gehindert. Heutzutage, da die Union festgewurzelt ist und durch wissenschaftliche Untersuchungen über den ursprünglichen Unterschied des Luthertums und des Calvinismus nicht mehr gefährdet werden kann, darf man es ruhig aussprechen, dass das lutherische und das kalvinische Verfassungssystem auf prinzipiell verschiedenen Grundgedanken beruhen und nicht mit einander verbunden werden können, ohne dass das eine zu Gunsten des andern zurücktritt.3)
In Deutschland, sagten wir, haben die Grundgedanken der lutherischen Kirchenverfassung über die reformierten Verfassungsgrundsätze den Sieg davon getragen.
Man wende hiegegen nicht ein, dass in der rheinisch-westfälischen Kirchenordnung, die den modernen Kirchenverfassungen zum Modell gedient hat, doch das reformierte Verfassungsprinzip überwiege.
1) So z.B. Zorn, Die Reform der evangelischen
Kirchenverfassung in Bayern, in der Zeitschrift für Kirchenrecht
XIV S. 328: „Wir wollen die Konsistorien lediglich als Amt der
Ordnung, als Vollzugsbehörde des Kirchenregiments beibehalten
wissen; das Kirchenregiment aber ist bei der Generalsynode bezw.
dem Synodalrat unter Sanktion des Königs bezw. der in Evangelicis
deputirten Minister”.
2) So bes. Emil Herrmann, Die notwendigen Grundlagen
einer die konsistoriale und synodale Ordnung vereinigenden
Kirchenverfassung. 1862. Jacobson, Das Evangelische Kirchenrecht
des Preussischen Staats und seiner Provinzen. 1866 S. 333: „Beide
Verfassungen stehen an sich so wenig in unlösbarem Widerspruche,
dass vielmehr das ihnen zu Grunde liegende Prinzip ihre
Vereinigung fordert: denn in einseitiger Konsequenz durchgeführt,
leiden beide an Mängeln, deren Beseitigung nur dadurch bewirkt
werden kann, dass die eine das ihr fehlende Element der andern
sich aneignet”. Auch der von Richter auf der Eisenacher
Kirchenkonferenz 1852 gehaltene Vortrag über die Frage: Wie lässt
sich mit Beibehaltung des Summepiskopats eine Synodal- und
PresbyterialVerfassung einrichten? gehört hieher.
3) Otto Mejer hat schon 1869 in der dritten Auflage
seines Lehrbuchs des Deutschen Kirchenrechts, S. 243
ausgesprochen: „beiderlei Prinzipien in theoretischen Einklang zu
bringen, ist ein vergeblicher Versuch.”
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Gewiss kann das nicht geleugnet werden, allein daraus folgt noch nicht, dass es sich mit den ihr nachgebildeten Kirchenordnungen ebenso verhalte. Trotz aller Ähnlichkeit besteht zwischen den modernen Kirchenordnungen und der rheinisch-westfälischen ein grosser Unterschied: in dieser überwiegt das presbyterial-synodale Prinzip im reformierten Sinne, es ist das wesentlich Bestimmende und Charakteristische darin, und das konsistoriale Verfassungselement erscheint mehr wie ein Anhängsel. In den modernen Kirchenverfassungen dagegen überwiegt das ursprüngliche, geschichtlich überlieferte Verfassungselement, der Organismus des landesherrlichen Kirchenregiments; zu diesem sind Presbyterien und Synoden nachträglich hinzugetreten, ohne dass sie den konsistorialen Typus der Verfassung hätten aufheben oder wesentlich alteriren können. Der Grund aber, warum in der rheinisch-westfälischen Kirchenordnung das reformierte Prinzip vorherrscht, ist einfach darin zu suchen, dass in ihrem Gebiete wirklich reformierte Bevölkerungsteile in starker Zahl vorhanden sind, was von den Gebieten der meisten modernen Kirchenordnungen nicht gesagt werden kann.
Wenn nun aber trotz des von uns behaupteten Sieges der lutherischen Verfassungsideen über die reformierten in den modernen Kirchenordnungen die heutige Verfassung der evangelischen Kirchen in Deutschland nicht mehr ein rein lutherisches Gepräge an sich trägt, vielmehr der moderne Kirchenverfassungstypus als ein dritter, neuerer neben den beiden älteren, dem lutherischen und dem reformierten, angesehen werden muss, so ist dies hauptsächlich daraus zu erklären, dass die politischen Ideen, die um die Mitte unseres Jahrhunderts die öffentliche Meinung beherrschten, sich nicht auf das staatliche Gebiet beschränkt haben, sondern auch in die Kirche eingedrungen sind. Die sog. reformierten Einrichtungen sind vielfach nur die Maske gewesen, welche die modernen, zunächst auf dem politischen Gebiete wirksamen Ideen, wie Volksvertretung, Anteil des Volkes an der Regierung, Selbstverwaltung, Volkswahl der Beamten u.s.w. vorgesetzt haben, um unerkannt in das Gebiet der Kirche Eingang zu finden und es sich zu erobern. Dass man dies seinerzeit, solange man mitten in der Kirchenverfassungsbewegung stand, nicht so deutlich erkannt hat, hat nichts Auffallendes an sich.1) Heutzutage, da jene Bewegung bis zu einem gewissen Grade abgeschlossen hinter uns liegt, sehen wir klarer in ihre treibenden Kräfte und betrachten es als eine allgemein anerkannte Wahrheit, dass diese zu einem guten Teil dieselben waren, die auf dem staatlichen Gebiete zur Einführung von Volksvertretungen, Organisation von Selbstverwaltungskörpern u.s.w. geführt haben.
1) Immerhin haben dies einige gleich von Anfang an erkannt. In seinem Referate über die Kirchenverfassung auf der Berliner Generalsynode von 1846 ➝
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Mit alledem aber soll nicht bestritten werden, was ja auch unbestreitbar ist, dass das Vorbild der reformierten Verfassung den Anstoss zur Einführung von Presbyterien und Synoden in den Organismus der lutherischen Kirchenverfassung gegeben hat, dass der modernen Kirchenverfassungsbewegung reformierte Einrichtungen als Muster gedient haben. Wir finden in der Geschichte der kirchlichen Verfassung auch sonst Beispiele davon, wie Institute einer Kirche auf eine andere oft
➝ sagt Stahl (Verhandlungen II S. 117): „Die Bewegung nach einer Kirchenverfassung geht doch häufig mehr aus dem allgemeinen natürlichen und in unserer Zeit besonders in allen Gebieten angeregten Drange nach Freiheit und Selbstthätigkeit hervor als aus dem spezifischen christlich-religiösen Sinn, der überall nicht das Mitraten und Mitordnen, sondern nur Raum und Gelegenheit für hingebende, ja gebundene Thätigkeit sucht”. Durchaus stimmt damit überein Richter in seiner Ausgabe der Verhandlungen der genannten Synode, 1847 S. 21: „Hierin (d.h. in den Klagen über die Unvollkommenheit der Verfassung der Kirche) lag ohne Zweifel zu einem Teile ein Rückschlag einer auf dem politischen Gebiete ausgebrochenen Bewegung; viele und gerade die lautesten Stimmführer für eine sog. freie Verfassung der Kirche waren nicht von dem Vorwurfe freizusprechen, dass sie ihre Forderungen anstatt aus der Tiefe der christlichen Anschauung und des kirchlichen Bewusstseins, nur von der Oberfläche politischer Theorien geschöpft hatten”. Lechler in seiner 1854 erschienenen Geschichte der Presbyterial-und Synodalverfassung seit der Reformation S. 277 nennt die Zeit von 1830 an die „Epoche des politischen Konstitutionalismus und der kirchlichen Repräsentativverfassung" und weist auf den Zusammenhang der kirchlichen Verfassungsbewegung mit der gleichzeitigen politischen hin. In den sechziger Jahren bezeichnet Richard Rothe schon ganz offen das Prinzip der neuen Verfassung der evangelischen Kirche als das des kirchlichen Konstitutionalismus. Aus neuerer Zeit sei hingewiesen auf Karl Köhler, der in seinem Lehrbuche des deutsch-evangelischen Kirchenrechts 1895 S. 146 sagt: „Die Analogie der — aus konsistorialen und presbyterial-synodalen Elementen gemischten kirchlichen Verfassung mit den konstitutionellen Formen des heutigen Staates ist nicht zu verkennen und braucht nicht abgestritten zu werden, wenn man bedenkt, dass sich die kirchliche und die politische Verfassungsentwicklung immer parallel bewegt haben”. — Was nebenbei der sog. Presbyterial- und Synodalverfassung in unserem Jahrhundert Anhänger zugeführt hat, ist ein gewisses ästhetisches Wohlgefallen an ihr. Das verrät uns z.B. eine Äusserung von Hundeshagen (Beiträge zur Kirchenverfassungsgeschichte und Kirchenpolitik insbes. des Protestantismus I S. 59f.): „Unter den Kirchen unter dem Kreuze baut sich die ansehnlichste, die französische Hugenottenkirche, in wahrhaft klassischer Regelmässigkeit schon von ihren Anfängen an schrittweise auf von unten nach oben”. Es ist das Wohlgefallen, das wir an einem Kunstwerke der Architektur empfinden, etwa an einem Dome, der auf breiter Grundlage in durchsichtiger Gliederung aufsteigt und sich nach oben immer mehr verjüngt. Ein derartiges Wohlgefallen vermag allerdings die lutherische Konsistorialverfassung niemandem zu bereiten. Vgl. auch die richtige Bemerkung in Hengstenbergs Evangelischer Kirchenzeitung 1850 S. 659: „Während der Schematismus der presbyterialen und synodalen Gliederungen dem Verstände so leicht zugänglich ist, fordert die harte, vom Territorialismus überwucherte Schale des Konsistorialprinzips ernste und nachhaltige Bemühungen, um zu seinem Kerne durchzudringen”.
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mit ganz verschiedener dogmatischer Basis eine Anziehungskraft ausüben und von ihr adoptirt werden. Aus der Geschichte der alten Kirche sei hier an den uniformierenden Einfluss erinnert, den die episkopale Verfassung Roms auf die anders verfassten Kirchen ausgeübt hat.1) Vor allem aber bestätigt die Geschichte der evangelischen Kirchenverfassung unsere Behauptung. Die sächsische Konsistorialverfassung ist im Laufe der Zeit so ziemlich von allen evangelischen Landeskirchen nachgeahmt worden, auch von denen, die in der ersten Zeit der Reformation Ansätze zu einem anderen Verfassungstypus (dem bischöflichen oder dem synodalen) entwickelt haben.2) Die reformierten Kirchen in Deutschland haben fast ohne Ausnahme lutherische Verfassungselemente angenommen und nirgends den rein presbyterial-synodalen Verfassungstypus entwickelt. Umgekehrt haben die lutherischen Kirchen am Niederrhein und in den Niederlanden von ihrer reformierten Umgebung reformierte Einrichtungen entlehnt, wie insbesondere die Clevische und Märkische evangelisch-lutherische Kirchenordnung von 1687 (bei Snethlage S. 119 ff.) zeigt.3) Am lehrreichsten ist jedoch in dieser Hinsieht wohl Nordamerika. Die Verfassungsgrundsätze und Verfassungseinrichtungen des Kongregationalismus haben sich über die Grenzen der kongregationalistischen Gemeinschaft hinaus ausgebreitet. Der Verfassungstypus in New England (the New England Way) war a Congregationalized Presbyterianism.4) Baptisten, Unitarier, Lutheraner sind in der kirchlichen Organisation kongregationalistisch geworden.5) Eines der merkwürdigsten Beispiele der Anziehungskraft des presbyterianischen Verfassungstypus bietet die Protestant Episcopal Church (die anglikanische Kirche) Nordamerikas. Sie hat von ihrer presbyterianischen Umgebung eine Einrichtung angenommen, die mit ihrem innersten Wesen im Widerspruch zu stehen scheint, die Mitwirkung des Laienelements: in jeder Diözese besteht
1) Darauf macht Friedberg in seinem Lehrbuch des
Kirchenrechts, 4. Aufl. S. 14 f. aufmerksam.
2) Vgl. Friedberg a.a.O. S. 81 Anm. 7: „So kann man wohl
sagen, dass die Konsistorialverfassung der spezifisch sächsische
Typus der (evangelischen) Kirchenverfassung war, welcher die
anderen Typen allmälig überwunden hat und zum gemeingültigen
geworden ist. Es liegt hierin geradezu eine Analogie zu den
kirchlichen Verfässungsverhältnissen der Urzeit vor, wo auch der
episkopal-monarchische Typus sich zur Alleinherrschaft
durchrang”. Über die anderen Typen der evangelischen
Kirchenverfassung im Reformationszeitalter vgl. Rieker,
Die rechtliche Stellung der evangelischen Kirche Deutschlands S.
178 ff.
3) Lechler, Geschichte der Presbyterial- und
Synodalverfassung S. 224ff.
4) Vgl. R.E. Thompson, A History of the Presbyterian
Churches in the United States p. 14. S. auch oben S. 46.
5) Vgl. Williston Walker, A History of the
Congregational Churches in the United States p. 427.
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eine Synode (convention), die aus dem Klerus der Diözese und Laienrepräsentanten unter dem Vorsitze des Bischofs gebildet ist; an der Spitze der ganzen Kirche steht eine Generalsynode (general convention) mit zwei Häusern, dem Hause der Bischöfe und dem Hause der von den Diözesansynoden gewählten Geistlichen und Laiendeputirten; diese Körperschaft hat die oberste gesetzgebende, vollziehende und richterliche Gewalt.1)
Aber — und das sei hier noch einmal betont — nie vollzieht sich eine solche Aneignung fremdartiger Verfassungselemente, ohne dass diese in ihrem ursprünglichen Charakter alterirt und genötigt würden, sich der Verfassung der Kirche, von der sie adoptirt werden, anzupassen.
1) Vgl. H.K. Caroll, The Religious Forces of the United States p. 319f.