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III. Das Formalprinzip der reformierten Kirchenverfassung.

 

Was nun die Verfassung selbst betrifft, so können wir an ihr ein Formal- und ein Materialprinzip unterscheiden.

Das Formalprinzip lautet: nur diejenige Verfassung ist die richtige und wahre, die aus Gottes Wort geschöpft ist und mit der Ordnung der apostolischen, überhaupt der christlichen Urkirche übereinstimmt. In einem Briefe an Farel vom 16. September 1541 (opp. XI p. 281) schreibt Calvin im Rückblick auf seine Bemühungen, eine rechte Kirchenverfassung in Genf zu begründen: Exposui non posse consistere ecclesiam, nisi certum regimen constitueretur, quale ex verbo Dei nobis praescriptum est et in veteri ecclesia fuit observatum.1)

 

Vor allem wird der erste Moment betont: Die Schriftmässigkeit


1) Vgl. Weseler Konvent von 1568 Cap. I art. 9 (Werken der Marnix-Vereeniging II, 3 p. 11f.): Haec autem (sc. ratio) visa est nobis quam proxime accedere tum ad Apostolorum doctrinam constitutionemque, tum ad vetustioris puriorisque ecclesiae exemplar inculpatum. Form of Government of the Presbyterian Church in the United States of America Chapt. VIII, 1: — we hold it to be expedient, and agreeable to Scripture and the practice of the primitive Christians, that the Church be governed etc. In dem Schreiben des General Assembly of the Church of Scotland an einige englische Geistliche vom 9. August 1641 (Acts of the General Assembly of the Church of Scotland 1638-1842 p. 50f.) heisst es mit Beziehung auf die Notwendigkeit einer Unterordnung der Einzelgemeinden unter Presbyterien und Synoden: And this dependencie and subordination we conceive not only to be warranted by the light of nature, which doth direct the Kirk in such things as are common to other societies, or to be a prudentiall way or reformation, and for the preservation of truth and peace against schisme, heresie, and tyranny, which is the sweet fruits of this government wheresoever it hath place, and which we have found in ancient and late experience, but also to be grounded upon the Word of God, and to be conforme to the paterne of the Primitive and Apostolicall Kirks. Ebenso wird von kongregationalistischer Seite behauptet, „that the Congregational Church polity ist the polity of the New Testament, and that its Churches are the nearest, and, with all their imperfections, the most faithful representatives now to be found on earth of the Churches of the days of the apostles”. (Dexter, A Hand-Book of Congregationalism p. 63).

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der rechten Kirchenverfassung. Um dies zu verstehen, muss man bedenken, dass der Calvinismus sich zur hl. Schrift etwas anders stellt als das Luthertum. Ihm sind nicht blos wie diesem die religiösen Gedankenkreise der hl. Schrift normativ, sondern auch die darin beschriebenen sozialen Ordnungen und Einrichtungen, insbes. der apostolischen Kirche, die der lutherische Christ schon deshalb nicht als verbindlich anerkennen kann, weil inzwischen die geschichtlichen Bedingungen, unter denen sie entstanden sind, sich völlig verändert haben. Die Bibel ist für den Calvinisten der Codex der von Gott für das öffentliche und private Leben seiner Erwählten gegebenen Gesetze und Ordnungen. Während lutherischerseits alles, was Gott in seinem Worte nicht verboten hat, für erlaubt gilt, schränkt der Reformierte den Kreis des Gottwohlgefälligen auf das ein, was Gott in der hl. Schrift ausdrücklich geboten oder erlaubt hat. Verwirft die lutherische Kirche Menschensatzung nur soweit, als sie nicht mit Gotteswort zusammenbestehen kann, so wird reformierterseits der Grundsatz ausgesprochen: es darf in der Kirche überhaupt keine Menschensatzung bestehen; nur Gottes Wort soll darin herrschen. So fordert das schottische First Book of Discipline chapt. I (Works of John Knox II p. 185f.), es sollen alle Fest- und Feiertage, die in der hl. Schrift keinen Befehl noch Grund haben, abgeschafft werden, wie das Christfest, das Epiphanienfest und andere. Diese Stellung zur hl. Schrift verleiht dem reformierten Protestantismus einen alttestamentlich-gesetzlichen, dem geschichtlich überlieferten Bestande gegenüber radikalen Zug.1)

 

Es kommt also bei der Verfassung der Kirche nicht darauf an, was zweckmässig oder was geschichtlich überliefert sei, sondern einzig und allein darauf, was Gott oder Christus in seinem hl. Worte angeordnet habe. Die Schriftmässigkeit bildet den ausschliesslichen Massstab zur Beurteilung bestehender oder zur Begründung neuer


1) Die freiere Stellung des lutherischen Protestantismus zur hl. Schrift war gewiss für die Ausbildung des geschichtlichen Sinnes viel günstiger als die unfreie Stellung des Calvinismus. Die anderen Zweige des reformierten Protestantismus nähern sich in diesem Punkte mehr dem lutherischen Standpunkt. So bekämpft der hervorragendste Verteidiger des Anglikanismus gegen den Presbyterianismus im 16. Jahrhundert, Richard Hooker, in seinem Hauptwerke, Laws of Ecclesiastical Polity, das starre Schriftprinzip seiner Gegner (vgl. bes. Book II Chapt. VII). Ebenso tritt der Zwinglianer Musculus in seinem Schreiben an Bullinger vom 29. Mai 1553 (opp. Calvini XIV p. 539), s.o. S. 65 Anm. 1, für eine freiere Stellung gegenüber dem Vorbilde der Urkirche ein. — Wie der Grundsatz der Schriftmässigkeit auch im Kultus von der Reformierten durchgeführt wird, zeigt die Schrift über „Geschichte, Wesen und Vorzüge der Presbyterialverfassung” von S. Miller — G. Lorimer — Hellmar. 1849 S. 59ff.

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Einrichtungen in der Kirche. Die Bibel ist das Gesetzbuch der Kirche,1) und zwar ein erschöpfendes, für alle Bedürfnisse der Kirchenregierung ausreichendes und genügendes Gesetzbuch.2)

Im vierten Buch seiner Institutio religionis Christianae, das von der Kirche und ihrer Verfassung handelt, beginnt Calvin das dritte Kapitel mit den Worten: Jam de ordine dicendum est, quo ecclesiam suam gubernari voluit Dominus, weiterhin spricht er von einer gubernandae ecclesiae ratio quam Deus in perpetuum sancivit (ib. 3, 3), von solchen, qui ecclesiae regimini secundum Christi institutionem praesunt (ib. 3, 4), von einem ordo gubernandae ecclesiae, ut nobis ex puro Dei verbo traditus est (ib. 4, 1), von is ordo et ea politiae forma, quam ipse (sc. Christus) praescripsit (ib. 6, 9), von einem regimen spirituale, quod ore Domini ipsius consecratum ecclesia recepit (ib. 5, 10). Dass jeder Pfarrer seine eigene Kirche habe und nicht in andere Kirchen einbreche: nec humanum est inventum, sed Dei ipsius institutum (ib. 3, 7). Von den jetzigen Einrichtungen der römischen Kirche urteilt Calvin: omnia a Christi institutione dissimilia sunt (ib. 5, 13).

Im Eingang der Ordonnances ecclésiastiques de Genève von 1541 heisst es: — il nous a semple advis bon que le gouvernement spirituel tel que nostre Seigneur la demonstre et institue par sa parole fust reduict en bonne forme pour avoir lieu et estre observe entre nous. Et ainsi avons ordonne et estably de suyvre et garder en nostre ville et territoire la police Ecclesiastique qui sensuit, comme voyons quelle est prise de levangile de Jesuchrist (opp. Calvini X, pars prior, p. 16, vgl. p. 92f.)

Ebenso die Confessio Gallicana Art. 25: Or pource que nous ne jouissons de Jesus Christ que par l’Evangile, nous croyons que l’ordre de l’Eglise, qui a esté establi en son authorité, doit estre sacré et inviolable; ib. Art. 29: Quant est de la vraye Eglise, nous croyons qu’elle doit estre gouvernée selon la police que nostre Seigneur Jesus


1) Catechism on the Principles and Constitution of the Free Church of Scotland Qu. 85: Where are the laws of Christ to be found? A. In the Bible, which is the only statute-book of his Church. Wilson, Free Church Principles p. 53 nennt die Bibel the Statute Book of Heaven und stellt es in Parallele mit der Verfassungsurkunde eines Staatswesens. Treffend bemerkt Choisy, La Théocratie à Genève au temps de Calvin p. 257: Le système théocratique de Calvin comporte une conception juridique de la Bible. Les saintes Ecritures y sont envisagées comme un recueil de décrets. Vgl. überhaupt daselbst p. 255ff.
2) Catech. ib. Qu. 59: Are the laws of Christ, as contained in the Bible, sufficient for all purposes of Church government? A. Perfectly sufficient. It is impossible for any case to arise which may not be decided in conformity with Christ’s will, on a reference to the directions which the Bible affords, and the principles it lays down (2 Tim. 3, 16. 17. Ps. 119, 105).

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Christ a establie (womit der Art. 30 der Confessio Belgica fast wörtlich übereinstimmt).

Insbes. sind es die reformierten Kirchen englischer Zunge, die auf die volle Schriftmässigkeit der Kirchenverfassung den grössten Wert legen. Wir greifen aus der Fülle von Belegen einige besonders charakteristische heraus.

Second Book of Discipline of the Church of Scotland Chapt. I, 11: — this power and policie of the kirk, sould lene upone the word of God immediatlie, as the onlie ground tharof, and sould be tane frome the pure fountanis of the Scripturis, heiring the voce of Chryst, the onlie spirituall King, and being rewlit be his lawis.

Das von Thomas Cartwright, dem Haupte der englischen Presbyterianer im 16. Jahrhundert, aufgesetzte Directory of Church Government (in der New-Yorker Ausgabe von Daniel Neal’s History of the Puritans II p. 440ff.) beginnt mit den Worten: The discipline of Christ’s Church, that is necessary for all times, is delivered by Christ, and set down in the Holy Scriptures; therefore the true and lawful discipline is to be fetched from thence, and from thence alone; and that which resteth upon other foundation ought to be esteemed unlawful and counterfeit.

Das Form of Presbyterial Church Government der Westminster-Synode (bei Neal a.a.O. p. 468ff.) bemüht sich in umständlicher Weise, den Beweis der Schriftmässigkeit für alle Teil der presbyterial-synodalen Organisation zu liefern und macht dabei zwischen dem A.T. und dem N.T. keinen Unterschied. So werden nicht blos die Ämter der Pastoren, Doktoren, Ältesten und Diakonen, sondern auch die Presbyterien und Synoden aus Stellen des A.T. und N.T. als schriftmässig erwiesen.

In der gleichen Weise verfährt The Practice of the Free Church of Scotland in her several Courts p. 7. 23. 31. 73. 83 (z.B. The Constitution of a Kirk-Session in the Free Church of Scotland is founded on principles indicated in the Word of God — The Constitution of a Presbytery in the Free Church of Scotland is based upon scriptural principles u.s.w.

 

Bezeichnend sind auch die Fragen, die in den reformierten Kirchen den Geistlichen und Ältesten bei dem Antritt ihres Amtes vorgelegt werden.

Das schottische General Assembly von 1711 ordnete an, dass den Geistlichen bei ihrer Ordination unter anderem die Frage vorgelegt werde: Are you persuaded that the Presbyterian government and discipline of this Church are founded upon the Word of God, and

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agreeable thereto, and do promise to submit to the said government and discipline etc.?1)

In der Presbyterian Church in Ireland werden Geistliche und Älteste gefragt: Do you believe the Presbyterian form of Church government to be founded on and agreeable to the Word of God etc.?2)

In der United Presbyterian Church of North America lautet die an Geistliche und Älteste gerichte Frage: Do you approve the Presbyterial Form of Church Government and the Directory for Worship, received by this Church, as agreeable to, and founded on, the word of God, and are you resolved, by the grace of God, to maintain and defend them?3)

 

Daneben ist dann freilich auch wieder eine gewisse Abschwächung des Prinzips der Schriftmässigkeit zu bemerken. So wenn das Westminster Confession of Faith Chapt. I, 6 zunächst sagt: The whole counsel of God, concerning all things necessary for his own glory, man’s salvation, faith and life, is either expressly set down in Scripture, or by good and necessary consequence may be deduced from Scripture: unto which nothing at any time is to be added, whether be new revelations of the Spirit, or traditions of men; dann aber fortfährt nevertheless we acknowledge — that there are some circumstances concerning the worship of God and government of the Church, common to human actions and societies, which are to be ordered by the light of nature and Christian prudence, according to the general rules of the Word, which are always to be observed.

Ebenso ist es anzusehen, wenn es in dem Introductory Statement of Church Government der Cumberland Presbyterian Church heisst: Although no detailed form of Church government is laid down in the New Testament, yet the general or fundamental principles of the same are clearly taught there in, oder wenn wir in dem Book of Church Order of the Presbyterian Church South in the United States § 7 lesen: This scriptural doctrine of Presbytery is necessary to the perfection of the order of the visible Church, but is not essential to its existence.

In einigen Kirchen lautet die an Geistliche und Älteste bei ihrer Ordination zu richtende Frage einfach: Do you approve of the


1) Acts of the General Assembly of the Church of Scotland 1638-1842. p. 455.
2) The Constitution and Government of the Presbyterian Church in Ireland p. 38. 87.
3) Form of Government of the United Presbyterian Church of North America Chapt. VI Art. II, 5, III. Chapt. VII Art. 4, III.

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government and discipline of the Presbyterian Church in the United States?1)

 

Frühe tritt im Calvinismus die Neigung hervor, die presbyterial-synodale Verfassung nicht blos auf die hl. Schrift, sondern zugleich auch auf die ratio, auf verstandesmässige Gründe, „auf das Licht der Natur” zu stützen. Schon Calvin argumentirt gerne mit dem Prinzip der Rationabilität. So schreibt er z.B. (opp. XIX, p. 246): D’exlure ceux qui sont au gouvernement civil, quils ne soyent aussi bien superintendens au regime spirituel, il me semble que ce seroit contre toute raison. Ähnliche Ausdrücke begegnen uns hie und da in den Schriften des Genfer Reformators.2) Die vorhin angeführte Stelle des Westminster Confession spricht von dem light of nature, nach dessen Regeln gewisse Verhältnisse der kirchlichen Verfassung geordnet werden sollen. John Milton beruft sich in seinen Schriften eben so oft auf die Vernunft und das Recht der Natur wie auf die hl. Schrift. In The Presbyterian Review I (1880) p. 491 lesen wir: we hold Presbytery to be the natural form, and therefore the natural law of the Church. Es ist eine richtige Beobachtung Sohms (Kirchenrecht I S. 697): „Die reformierten Grundgedanken waren von vornherein dem Anschauungen der Aufklärung verwandt”, woraus aber nicht der Schluss gezogen werden darf, dass die Grundgedanken des Calvinismus selbst rationaler, nicht religiöser Natur gewesen seien.

Neben der Schriftmässigkeit wird, wenn auch erst in zweiter Linie, der urchristliche Charakter der rechten Verfassung betont. Die apostolischen Gemeinden haben noch die von Gott und Christus eingesetzte Kirchenordnung gehabt. Darnach ist das Verderben in Gestalt von menschlichen Erfindungen und Einrichtungen in die Kirche eingeschlichen, und die göttliche Ordnung daraus verdrängt worden. In einem besonderen Kapitel seiner Institutio (IV, 4) handelt Calvin De statu veteris ecclesiae et ratione gubernandi quae in usu fuit ante papatum und schildert die veteris ecclesiae forma als divinae institutionis imago quaedam (§ 1); von den episcopi illorum temporum sagt er: totam suam oeconomiam composuerunt ad unicum illam verbi Dei normam, ut facile videas nihil fere hac parte habuisse a verbo Dei alienum (ib.); das folgende Kapitel trägt die


1) Vgl. z.B. Form of Government of the Presbyterian Church in the United States of America Chapt. XIII, IV, 3. Chapt. XV, XII, 3. Book of Church Order of the Presbyterian Church South in the United States § 112, 3. § 119, 3.
2) Vgl. Heiz in der Theologischen Zeitschrift aus der Schweiz X S. 14f.

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Überschrift: Antiquam regiminis formam omnino pessumdatam fuisse tyrannide papatus. Nachdem er hier beschrieben hat, wie allmählich eine ganze Reihe von Ämtern und Würden entstanden, sagt Calvin: Omnes — ejusmodi ordines quibuscunque titulis insigniantur, novitii quum sint, certe nec Dei institutione, nec antiqua ecclesiae observatione suffulti, locum nullum habere debent in descriptione regiminis spiritualis, quod ore Domini ipsius consecratum ecclesia recepit (§ 10). Und an Bullinger schreibt Calvin in einem Briefe vom 21. Februar 1538, also ehe die Genfer Kirchenordnung aufgerichtet war: Hoc tamen obiter indicabo mihi videri, nos diuturnam ecclesiam non habituros, nisi restituta in integrum antiqua illa, hoc est apostolica disciplina, quae apud nos in multis partibus desideratur (Calv. opp. X pars secunda p. 154). Die reformierte Kirche macht den Anspruch, dass ihre Verfassung nichts anderes sei, als die Wiederherstellung der apostolischen Kirchenordnung. Sie legt weniger Wert auf den geschichtlichen Zusammenhang mit der bisherigen, mittelalterlichen Kirche, als dies lutherischerseits geschieht, um so mehr auf ihre Übereinstimmung mit der ältesten christlichen Kirche.1)

 

Manchmal wird auch der Umstand betont, dass die Verfassung der Kirche der im A.T. beschriebenen Ordnung des Volkes Israel und der Verfassung der jüdischen Synagoge entspreche. So bezeichnet The Practice of the Free Church of Scotland p. 7 als die zwei auf Gottes Wort gegründeten Prinzipien der Verfassung der Kirck-Session: 1) That the Scriptures of the New Testament describe an office of government or ruling in each Church or Congregation as an office which may be exercised by parties who are not set apart as teachers or pastors; and 2) That the evidence of the Old Testament writings and of relative history as to the constitution of the Jewish synagogue, combines with the apostolic references in the New Testament, and with the practice of the early Christian Church, in giving divine sanction to the existence of a body of Elders in each Congregation


1) In dem Vortrage, den Theodor Beza auf dem Religionsgespräch zu Poissy gehalten hat, heisst es: — nous declarons devant Dieu et ses Anges, devant vostre Maiesté, Sire, et toute l’illustre compagnie qui vous environne, que nostre intention et desir n’est sinon que la forme de l’Eglise soit ramenee à sa nayfve pureté et beauté, en laquelle iadis elle fut tant florissante du temps des Apostres de nostre Seigneur Jesus Christ (opp. Calvini XVIII p. 701). Viret schreibt an Bullinger den 20. Februar 1540 (opp. Calvini XI p. 20): Cupimus disciplinam, sed quoad eius fieri poterti, simplicissimam et nihil ab apostolica variantem e viris vere apostolicis. Constitution and Government of the Presbyterian Church in Ireland Chapt. I Sect. VI: The practice of the primitive Church, under the direction and sanction of the apostles, is the model for the Church in all ages.

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who are called, along with the pastor or pastors, to administer the laws of Christ in that Congregation.

Einige Kirchenordnungen behaupten geradezu, dass die Presbyterialverfassung der reformierten Kirche nichts anderes sei als die Verfassung der jüdischen Synagoge. So heisst es in dem Form of Government of the United Presbyterian Church of North America Chapt. I, 2: Government by elders, or Presbyterian church government, is the order of the New Testament. This was the original order of government in the Church. It was the sole order under the patriarchal dispensation. It was an important and the only permanent part of the Mosaic order. In the synagogue service, it was the exclusive order of government. The first congregations of the New Testament church were, by apostolic authority, organized after the model of the synagogue; and by the same authority, the principle of government by elders was applied to the organization of the church at large.1)

Wie werden nun in Anwendung des eben dargelegten Prinzips die Ämter, die in der Kirche nach Gottes Willen und Christi Anordnung bestehen sollen, gewonnen? Die für den reformierten Protestantismus bis auf den heutigen Tag vorbildliche und massgebende Theorie hat Calvin hauptsächlich in seiner Institutio religionis christianae geliefert. Jedoch ist die Calvinische Begründung nicht ganz einheitlich; es laufen in seinen Schriften zwei Theorien neben einander her.

Das Eine Mal geht Calvin von einigen Stellen der Brief des Apostels Paulus aus. Diejenigen, die nach der Anordnung Christi der Regierung der Kirche vorstehen, werden von Paulus an einer Stelle (Eph. 4, 11ff.) zuerst Apostel, dann Propheten, drittens Evangelisten, viertens Hirten und zuletzt Lehrer genannt. Von diesen haben nur zwei ein ordentliches Amt (ordinarium munus) in der Kirche; die übrigen drei Funktionen, nämlich die der Apostel, der Propheten und der Evangelisten sind nicht als dauernde Ämter eingesetzt worden, sie haben in ecclesiis rite constitutis keinen Platz; ihrer hat der Herr zur Begründung seines Reiches auf Erden bedurft und sie lässt er


1) Dieselbe Theorie begegnet uns in dem Introductory Statement on Church Government der Cumberland Presbyterian Church: In the synagogues Christ and his apostles generally taught. The synagogue was under the control of a minister, ruler, and a bench of elders. Neither Christ nor his apostles introduced any radical change into this mode of religious worship and government, but adopted it, as they found it. The polity of the synagogue and of the Jewish ecclesiasticism generally wa simply and purely Presbyterian in form — a government by presbyters.

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zuweilen wieder aufleben, je nachdem die Zeit es fordert. Calvin nennt sie temporaria ministeria oder munera extraordinaria. Die Funktionen der Hirten und Lehre dagegen sind für immer angeordnet worden (ministeria ideo instituta, ut perpetuo durent); ihrer kann die Kirche nie entbehren. Der Unterschied zwischen beiden ist der, dass die Lehrer (doctores) weder der Disziplin noch der Verwaltung der Sakramente noch den Ermahnungen oder Ermunterungen obliegen, sondern lediglich der Auslegung der Schrift, während das Amt der Hirten (pastores) dies alles in sich begreift. Die Hirten haben dasselbe Amt wie die Apostel (mit denen man die Evangelisten zusammenstellen kann), nur dass sie im Unterschied von diesen nicht die ganze Welt, sondern eine bestimmte einzelne Kirche zum Arbeitsfeld haben. Die Doktoren dagegen entsprechen den alten Propheten; Art und Ziel der Funktion ist bei beiden gleich. Die Ämter der Pastoren und Doktoren haben das gemeinsam, dass sie beide auf das Wort beziehen (in verbi ministerio consistunt). Von anderen Funktionen spricht der Apostel an jener Stelle überhaupt nicht.1)

Dagegen zählt er im Brief an die Römer (12, 7) und im ersten Brief an die Korinther (12, 28) noch andere Funktionen auf, wie die Wundergaben, die Gabe der Heilung, die Auslegung, die Regierung und die Armenpflege. Von diesen kommen die, die nur vorübergehend waren, nicht weiter in Betracht, zwei davon aber sind bleibende Ämter: die Regierung und die Armenpflege. Regierer waren, wie ich glaube, sagt Calvin, Älteste, aus dem Volke erwählt, die der Sittenaufsicht und der Übung der Disziplin zugleich mit den Bischöfen oblagen. Jede Kirche hatte von Anfang ihren Senat, zusammengesetzt aus frommen, würdigen und heiligen Männern, bei denen die Jurisdiktion in der Bestrafung der Laster war. Dieses Regieramt ist ein für alle Zeiten notwendiges Amt.2)

 

An anderen Stellen seiner Institutio dagegen entwickelt Calvin eine von der bisherigen etwas abweichende Theorie.3) Er


1) Institutio von 1543 cap. VIII, 37-42. Institutio von 1559 Lib. IV, cap. 3 § 4-8. Vgl. auch Calvins Commentarius in Epistolam ad Ephesios opp. LI p. 197f.
2) Instit. von 1543 Cap. VIII, § 42. Inst. von 1559 IV, 3, 8. Gubernatores fuisse existimo seniores e plebe delectos, qui censurae morum et exercendae disciplinae una cum episcopis praeessent. — Habuit igitur ab initio unaquaeque ecclesia suum senatum, conscriptum ex viris piis, gravibus et sanctis, penes quem erat illa, de qua postea loquemur, iurisdictio in corrigendis vitiis.
3) Instit. von 1543 Cap. VIII § 51: Quemadmodum tradidimus, triplices ministros nobis commendari in scriptura, ita quidquid ministrorum habuit vetus ecclesia, in tres ordines distinxit. Nam ex ordine presbyterorum partim

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unterscheidet im Anschluss an 1. Timoth. 5, 17 zweierlei Arten von Presbytern: solche, die im Wort arbeiten, und solche, die dies nicht thun und doch Vorsteher der Kirche sind. Unter den letzteren hat man solche zu verstehen, die zur Sittenaufsicht und zum Gebrauch der Schlüssel verordnet sind. Damit werden die Ältesten den Geistlichen gleichgestellt: beide sind Presbyter und als solche geistlichen Charakters; jeglicher Vorrang der Pfarrer vor den Laienältesten wird damit gründlich beseitigt. Diese Theorie begegnet uns in Calvin Sermons sur la Première à Timothée wieder.1)

In den schottisch-amerikanischen Kreisen des Calvinismus ist die zuletzt dargestellte biblische Begründung der kirchlichen Ämter besonders beliebt. Man nimmt nur zweierlei kirchliche Amtsträger an, die Ältesten und die Diakonen, und innerhalb der Ältesten unterscheidet man dann lehrende Älteste (Teaching Elders) und regierende Älteste (Ruling Elders).2)


eligebantur pastores ac doctores; reliqua pars censurae morum et correctionibus praeerat. Diaconis commissa erat cura pauperum et eleemosynorum dispensatio. ib. § 169: Ad Timotheum — duplices facit presbyteros (1. Tim. 5, 17): alis qui laborant in verbo, alios qui verbi praedicatione non fungunter, et tamen bene praesunt. Hoc posteriore genere non dubium quin eos intelligat, qui ad inspectionem morum et totum clavium usum constituti erant. Diesen Stellen entsprechen in der Instit. von 1559 Lib. IV cap. 4 § 1 und cap. 11 § 1.
1) Hier sagt Calvin bei der Auslegung der Stelle 1 Tim. 5, 17 (opp. LIII p. 505): — nous avons à noter ici que sainct Paul met deux especes de gouverneurs d’Eglise. It met ceux qui travaillent en la Parole, et ceux qui sont pour penser des moeurs, et pour veiller sur les dissolutions qui se peuvent faire, afin qu’il y ait quelque police, et que les gens ne soyent point dissolus. Voilà doncques deux especes d’Anciens que met ici sainct Paul; il les appelle tous Prestres, ou Anciens. (Folgt eine Polemik gegen das Priesterum der päpstlichen Kirche). On ne sçavoit que c’estoit de ceste prestrise — là du temps du sainct Paul: mais quand il parle des Anciens, il monstre que ce sont ceux qui sont approuves de Dieu, et desquels on ne sçauroit passer si on veut avoir un regime spirituel, tel que Dieu l’establi du commencement, et qu’il veut estre observé iusques en la fin du monde. Ebenso Calvin in seinem Commentarius in Epistolam Pauli ad Timotheum I bei Auslegung derselben Stelle (opp. LII p. 315).
2) Vgl. z.B. Catechism on the Principles and Constitution of the Free Church of Scotland Qu. 434. The Practice of the Free Church of Scotland p. 7. The Constitution and Government of the Presbyterian Church in Ireland art. 9-11. Book of Church Order of the Presbyterian Church (South) in the United States § 33. Constitution of the Cumberland Presbyterian Church § 8. Government and Discipline of the United Presbyterian Church of North America Part I Chapt. IV art. I, 2.