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Anmerkungen

 

Zum ersten Abschnitt (S. 11 bis S. 21)

(1) Calvin, Institutio, IV, 1, 1; 1, 4.
(2) Calvin, ebenda, 1, 4.
(3) Calvin, ebenda, 1, 1; 1, 5. Craig, The Church, her nature and task (in The Universal Church in Gods design).
(4) Thornton, The common life in the Body of Christ.
(5) K.L. Schmidt, im Theol. Wörterbuch zum Neuen Testament, III, 515.
Darum ist es fraglich, ob man sagen darf, „zugespitzt wäre zu sagen, ein einziger Mensch könnte und müßte die Ekklesia sein, wenn er Gemeinschaft mit Christus hat”. Als „Zuspitzung” der Christusvertikale ist das richtig gegenüber jedem Versuch, die Ekklesia soziologisch zu deuten. Aber das Entscheidende in der Ekklesia ist eben gerade die unzertrennliche Einheit der christologischen Vertikale und der zwischenmenschlichen Horizontale. Bonhoeffer hat darum Recht, wenn er sagt, die Gemeinschaft mit Christus könne nur gefunden werden in der Ekklesia (Sanctorum communio, S. 88). Sehr eindrucksvoll und mit reichen biblischen Belegen ist das für die neutestamentliche koinonia gezeigt bei Thornton, a.a.O.
(6) So heißt es in der römisch katholischen Kirche (Denzinger, Enchiridion symbolorum, Nr. 1792).
(7) Luther WA, L, S. 625.
(8) WA, XXX, I, S. 189 f.
(9) Die vielen Äquivalente für Ekklesia im Neuen Testament bei Schmidt, a.a.O., S. 520.
(10) Das schweizerische Lexikon sagt darüber (Bd. IV, Sp. 445): „I . . . ist die wichtigste Form sozialer Ordnung. In der I . . . spricht sich ein ausdrücklicher Wille zur Regelung aus, durch den Beziehungen zwischen den Menschen und dinglichen oder ideellen Gegebenheiten geordnet werden . . .; wenn sie schriftlich fixiert ist, ist ihre höchste Form das Recht”.
(11) Typisch dafür ist der öffentliche Ausspruch eines Zürcher Theologen: „Das Zürcher Volk liebt seine Kirche.” Dieser [139] Ausspruch ist ebenso wahr, als er der Ausdruck des allgemeinen fundamentalen Mißverständnisses der Ekklesia ist.
(12) „Die selbstverständliche Gleichung Kirche = universitas christianorum ist natürlich auch auf katholischem Gebiet anerkannt”, sagt Loofs (Symbolik, S. 217) und fährt dann weiter „Die Formeln des spiritualistischen Kirchenbegriffs Augustins leben also teilweise noch im modernen Katholizismus”. Entscheidend aber ist, daß das Selbstverständnis der römischen Kirche durch die Institution, durch das Papsttum geprägt ist. Man kann nicht Christ sein, in der Kirche sein, ohne an den Papst in dem Sinne zu glauben, wie das Vatikanum es formuliert hat.
(13) Das Wort ecclesia invisibilis braucht, m.W., Augustin noch nicht, wohl aber unterscheidet er das corpus verum und das corpus permixtum und spricht vom numerus ille justorum qui secundum propositum coacti sunt und nennt diese einen hortus conclusus. Das heißt also, er hat den Begriff, aber nicht das Wort ecclesia invisibilis. Daß aber dieser Begriff in Calvins Verständnis der Kirche entscheidend ist, zeigen schon die ersten Paragraphen von IV, 1.

 

Zum zweiten Abschnitt (S. 21 bis S. 28)

(1) So mit Recht E.F. Scott, The nature of the early Church, wo betont wird, es sei den ersten Christen daran gelegen gewesen, als eine anerkannte Sekte zu gelten, S. 30 f.
Wenn Flew dagegen einwendet „A sect is a party or school within Israel . . . but the disciples were Israel” so hat er Recht, nur entspricht diese Erkenntnis bereits einem späteren Stadium der Urchristenheit, wo die Trennung bereits vollzogen war. (Jesus and His Church, S. 101.)
(2) Die Stellen bei Calvin und bei Irenäus habe ich zitiert in Offenbarung und Vernunft, S. 196.
(3) Diese Auffassung stimmt — wenn ich recht sehe — genau überein mit derjenigen von Ström, die R.Nelson in seiner Übersicht, The realm of redemption, referiert. Er bezeichnet die Jüngergemeinde vor Karfreitag und Ostern als ecclesia designata, entsprechend dem Messias designatus. Die Diskussion über die Echtheit von Matth. 16, 18 (und Matth. 18, 15-18), die einzigen Stellen, an denen das Wort ekklesia im Munde Jesu vorkommt, ist höchst kompliziert, sowohl was die Zahl der beteiligten Forscher als auch [140] die Verschiedenheit ihrer Meinungen betrifft (vgl. die Zusammenfassung bei Linton, das Problem der Urkirche, S. 157 ff. und die neueste zusammenfassende Behandlung bei Kümmel, Kirchenbegriff und Geschichtsbewußtsein in der Urgemeinde und bei Jesus, 1943). Trotzdem heute eine Neigung zur Bejahung der Echtheit der Stelle besteht und sehr kritische Forscher für diese eintreten, muß ich mich mit einem non liquet begnügen. Dagegen besteht ein weitgehender Consensus im Sinn des Satzes von Edwin Lewis „that there was in any profound sense no Church, until Christ had finished His work of conquering sin and death”, The ministry and the sacraments, p. 478. Die Christusgemeinde im strikten Sinn des neutestamentlichen Ekklesiabegriffes — nicht: Church! — beginnt erst mit Ostern und tritt hervor an Pfingsten. Anderseits stimmen viele sehr kritische Forscher mit der oben gegebenen Darstellung überein, daß der Messias Jesus auch schon in seinem irdischen Leben einen nucleus eines messianischen Volkes gebildet habe. So Dobschütz (ZNW, 1929), Cullmann, Die Königsbotschaft Christi, Fridrichsen, Eglise et sacrement dans le Nouveau Testament. Ähnlich Flew, Jesus and his Church. Dagegen hätte ich Bedenken gegen den Ausdruck von Craig, daß Jesus „redeemed the already existing Church”. The Universal Church in Gods Design, p. 33.
(4) Vgl. Kattenbusch, der Quellort der Kirchenidee, in Festgabe für Harnack, S. 169 ff.

 

Zum dritten Abschnitt (S. 28 bis S. 39)

(1) Diese Seite des Apostolates, die die entscheidende ist, wird von Sohm und von all denen, die den pneumatisch-charismatischen Charakter des Apostolates betonen, zu wenig beachtet. Nicht das apostolische Charisma, sondern das geschichtlich kontingente Offenbarungsfaktum, die Augenzeugenschaft oder Ur-zeugenschaft, macht den Apostel. Freilich ist das exegetisch-historische Problem des Apostels durch die Tatsache kompliziert, daß es sowohl im Neuen Testament als auch später noch Apostel gibt, die als Urzeugen nicht in Betracht kommen. Die Entdeckung der Didache durch Bryennios, 1883, in der diese „Apostel” die maßgebenden Männer der Kirche sind, ist wohl nicht nur von Harnack, sondern auch von Späteren überschätzt worden; sie hat jedenfalls den Anlaß gegeben zu dieser charismatischen Auffassung des Apostolates. Anderseits geht es [141] natürlich auch nicht an, die Didache in der Weise als unbedeutendes Apokryphon beiseite zu schieben ,wie aus naheliegenden Gründen Gregory Dix und seine anglokatholischen Freunde es tun (vgl. The Apostolic Ministry, S. 240).
(2) Vgl. dazu 1. Kor. 2, 10-15. Ein stärkeres Zeugnis als dieses für die durch den Besitz des Heiligen Geistes begründete Autonomie der Gemeinde ist kaum denkbar. Ausdrücklich stellt sich hier Paulus mit den Geistbegabten in eine Reihe.
(3) Diese Erkenntnis verdanke ich, außer dem Aufsatz von Holl (s. folgende Anm.), der Schrift von E. Schweizer, Gemeinde nach dem Neuen Testament (Theol. Studien, hgg. von K. Barth, Nr. 26).
(4) Karl Holl, Gesammelte Werke II, S. 44-67.
(5) Vgl. Schweizer, a.a.O.
(6) Diese Auffassung ist, abgesehen von römischen Katholiken, in besonders eindrucksvoller Weise vertreten durch die anglokatholischen Theologen, die den Sammelband The Apostolic Ministry (1949) herausgaben, zu denen außer dem Bischof von Oxford, Kirk, ein so ausgezeichneter Denker wie A.M. Farrer, ein so gelehrter Patristiker wie Gregory Dix und andere tüchtige Gelehrte gehören. Hier sind die Gedanken wirksam, die in England der (ersten) Oxfordbewegung als die treibenden Kräfte zugrunde lagen. Leider sind diese auf dem europäischen Kontinent sehr wenig bekannt geworden. Es ist zu hoffen, daß die zum Teil bedeutenden Essays dieses Buches von unseren Theologen besser beachtet und ernster genommen werden als diejenigen seines Vorgängers, des von Bischof Gore herausgegebenen Essaybandes The Church and the Ministry, Neuausgabe 1936. Es wäre für das Verständnis des Neuen Testaments und des Kirchenproblems, darum auch für das ökumenische Gespräch entschieden von Nutzen, wenn die protestantische Theologie den katholischen Kirchengedanken nicht nur in der Form des römischen Katholizismus kennen lernte.
(7) Die biblische Begründung dieser Auffassung durch die Schaliach-theorie, die G. Dix gibt, ist nicht neu; schon vor ihm hat sie der Jude Vogelstein in interessanter Weise vertreten in den Schriften Die Entstehung und Entwicklung des Apostolates im Judentum, 1905 und The development of the Apostolate in Judaism and its transformation in Christianity, 1925.

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(8) Die Art, wie Farrer (a.a.O.) das neutestamentliche diakonein = dienen mit einem von ihm geschaffenen Kunstwort to deacon, das einen kirchenamtlichen Sinn hat, übersetzt, stellt wirklich die Dinge auf den Kopf. In diesem Zusammenhang ist auch zu beachten, daß das Neue Testament für die „Dienste”, von denen Paulus, 1. Kor. 12 spricht, gerade nicht das kirchenamtliche Wort leiturgia gebraucht, was von der LXX her das Gegebene gewesen wäre, sondern das völlig laienhaft-alltägliche Wort diakonia und diakonein, das ebenso den schlichten Bruderdienst meint wie den Dienst des Apostels. Dagegen die Ausführungen von T.W. Manson, The Churchs ministry, S. 26 ff.
(9) Dieser Gedanke ist gut ausgeführt von Jenkins, The nature of Catholicity, S. 24, und von Newbegin, The reunion of the Church, S. 164; daß die anglokatholische Auffassung nicht die der anglikanischen Kirche als ganzer ist, dafür zeugt der Sammelband The ministry of the church.

 

Zum vierten Abschnitt (S. 39 bis S. 52)

(1) Man braucht ja nur an die Tatsache der einander gegenseitig verketzernden Päpste des 15. Jahrhunderts zu denken, oder, um ein heute näherliegenderes Beispiel zu wählen, an die Tatsache, daß unter den, angeblich in der apostolischen Sukzession stehenden anglikanischen Bischöfen sich immer wieder schwarze Schafe befinden, deren Rationalismus ihren orthodoxen Kollegen berechtigterweise ein Dorn im Auge ist.
(2) Vgl. Rademacher, Der Entwicklungsgedanke in Religion und Dogma, Rüstzeug der Gegenwart, herausgegeben von J. Frohberger, 1914, Alois Schmitt, Katholizismus und Entwicklungsgedanke, kathol. Lebenswerte 9. Bd. H. Ording, Untersuchungen über Entwicklungslehre und Theologie. Das alles sind römisch-katholische Schriften. Ganz ähnliche Gedanken spielen aber auch in das anglokatholische Denken hinein; man darf nie vergessen: Der Anglokatholizismus der Newman-Pusey-zeit ist ein Kind der Romantik.
(3) Die Unterscheidung von Altkatholizismus und Neukatholizismus in dieser Schärfe ist das ausschließliche Verdienst des großen evangelischen Juristen Rudolph Sohm; leider ist sie, da sie sich in dem postumen und unabgeschlossenen zweiten Band seines Kirchenrechts [143] findet, den Theologen zu wenig bekannt. Die folgenden Zitate stammen alle aus diesem Werk, Kirchenrecht, 2. Band. Katholisches Kirchenrecht.
(4) a.a.O., S. 78.
(5) S. 79.
(6) S. 83.
(7) S. 88.
(8) S. 103.
(9) S. 105.
(10) S. 107.
(11) S. 110.
(12) Loofs, Symbolik, S. 209.
(13) Conc. Vaticanum, Denzinger Nr. 1839.
(14) Sohm, a.a.O., S. 117. „Das Traditionsprinzip ist durch die Ausbildung eines verfassungsmäßigen unfehlbaren Lehramts auf gehoben worden” (S. 115).
(15) Ein erhellendes Beispiel dieser „Tradition”, die keine Tradition ist, aber als solche theologisch konstruiert und dogmatisch credendum proponitur, sind alle Dogmen über die Maria, besonders das neueste über die leibliche Himmelfahrt Mariae.
Der Benediktinerpater Benedikt Bauer schreibt: „Gerade dieser glorreichste Höhengang Mariens hüllt sich in das Geheimnis des Schweigens. Die Schrift weiß davon nichts” (Petitiones de Assumptione corporea B. V. Mariae, II, S. 422, Rom, Vatikanstadt 1942); ja, nicht nur das: „Die Geschichte schweigt, mehr als 500 Jahre schweigt sie”. Mit Recht sagt F. Blanke, dem ich diesen Hinweis verdanke: „Die katholischen Theologen sind also überzeugt, daß die leibliche Aufnahme Marias eine geschichtliche Tatsache war, aber sie lehren zugleich, daß kein Mensch jemals diesen Vorgang gesehen hat”. Die leibliche Himmelfahrt der Jungfrau Maria, Zürich 1950.

 

Zum fünften Abschnitt (S. 53 bis S. 62)

(1) „Hiernach ist klar, was die apostolische Zeit sich unter dem Geiste dachte: Die übernatürliche Kraft Gottes, welche im Menschen Wunder wirkt”, Gunkel, Die Wirkungen des heiligen Geistes, S. 25.
Ähnlich faßt Weinel zusammen: „die über Menschenmacht hinausgehende Kraft, die als solche etwas Geheimnisvolles hat und [144] auf eine höhere Ursache hinweist” (Die Wirkungen des Geistes und der Geister, S. 127).
(2) Es ist der Apostel Paulus, der den zum Teil noch unpersönlichen Dynamismus der Frühzeit, wie er namentlich in den ersten Stücken der Apostelgeschichte sich bezeugt, mit seiner christozentrischen Theologie verband und damit einerseits Geist und Gotteserkenntnis auf einander bezog (1. Kor. 2) und anderseits die Mannigfaltigkeit der Kraftwirkungen und Gnadengaben (Charismata) des Geistes aus derselben Quelle ableitete, ohne das eine durch das andere zu verkürzen.
(3) Es scheint mir, daß man neuerdings stark aneinander vorbeigeredet hat in der Frage, oh „Leib Christi” als Gleichnis oder aber als Realität gemeint sei. Zweifellos ist damit eine Realität gemeint, wie Thornton betont (The common life in the Body of Christ, S. 256); aber ebenso gewiß ist dieser reale Leib Christi nicht ein physischer Organismus, sondern diese Realität wird mit einem physischen Organismus verglichen, etwa Eph. 4, 12 ff. So meint es auch E. Schweizer, Das Leben des Herrn in der Gemeinde und ihren Diensten, S. 51. Wenn Rawlinson, Mysterium Christi, davon spricht, daß wir „wörtlich” in den Leib Christi inkorporiert werden (S. 235), so entspricht das zweifellos der neutestamentlichen Anschauung von der Taufe (s.o. S. 80 f.), hört aber deswegen nicht auf, eine uneigentliche, gleichnisartige Rede zu sein, weil dieser Leih ja nicht aus physischen Gliedern besteht, sondern aus Personen, die Glieder heißen.
(4) Das ist das Mißverständnis, dem Sohm immer wieder ausgesetzt war, er, der zum Verständnis dieser pneumatisch-charismatischen Ordnung der Ekklesia mehr als irgend ein anderer getan hat, im ersten Band seines Kirchenrechts.
Ich glaube mich darin in Übereinstimmung mit H. von Campenhausen, Recht und Gehorsam in der ältesten Kirche, und Kümmels Ausführungen dazu in Theol. Rundschau, Bd. 17, Heft 1, S. 47, nur würde ich, da nun einmal Recht und formales Recht dasselbe sind, den Begriff Recht für diese Ordnung vermeiden. Weil dem so ist, gilt die Hauptthese Sohms.
(5) Bohnhoeffer, Nachfolge, S. 160, bestreitet diesen Unterschied, weil er nur auf die theologische, bekenntnismäßige Einheit mit der Urkirche achtet, aber das im Neuen Testament entscheidende Moment der Dynamik des Heiligen Geistes übersieht. Darin, [145] würde ich meinen, hat die Sehnsucht und Bitte um den Pfingstgeist, die aus dem Schrifttum der beiden Blumhardt, Vater und Sohn, so ergreifend zu uns spricht, umso mehr Gewicht, als gerade sie in Möttlingen und Bad Boll mehr von dieser Dynamik erlebt hatten, als die übrige Kirche zu ihrer Zeit. Diesen unseren Geistesmangel sehen, heißt noch lange nicht die Ekklesia-wirklichkeit des Neuen Testaments idealisieren. Dazu siehe oben S. 95 f.

 

Zum sechsten Abschnitt (S. 62 bis S. 67)

(1) Seit Albert Schweitzers bahnbrechendem Werk Die Mystik des Apostels Paulus hat sich diese Erkenntnis vom „mystischen” Charakter der Ekklesia durchgesetzt. Leider hat A.S. die Einheit der Rechtfertigungslehre des Paulus und seiner Christusmystik nicht erkannt; die entscheidende Stelle, Gal. 2, 20, 21, die das klassische Zeugnis für beides in einem, bezw. zwei Versen ist, kommt, so viel ich sehe, in Schweitzers Buch nicht vor. Darum, weil er die Einheit von Glaube und sog. Mystik nicht sieht, muß er diese eine „naturhafte” nennen, S. 214f. u.ö., und die Rechtfertigungslehre wird ihm aus dem centrum paulinum zu einer polemischen Nebenvorstellung. Aber abgesehen davon ist aus Schweitzers Buch für die Erkenntnis der Ekklesia Wesentlichstes zu lernen.
(2) Die genannte Galaterstelle (2, 20 f.) zeigt auch, wie unrichtig es ist, wenn Schweitzer behauptet, für die „Christusmystik” des Paulus sei nur der Tod, nicht der Sühnetod Jesu Voraussetzung (a.a.O., S. 216 ff.).
(3) Bei Schweitzer heißt es statt magisch „naturhaft”, weil er die Einheit von Kreuz und Mitgekreuzigtsein nicht erkennt, die bekanntlich nicht erst im Römerbrief, sondern schon im Galalerbrief vorliegt (Gal. 2, 19; 6, 14).
(4) Diese zum theologischen Schlagwort gewordene Bezeichnung des Zustandes der Ekklesia stammt von Dodd; die darin ausgesprochene Erkenntnis ist heute fast ein Gemeingut der neutestamentlichen Wissenschaft geworden; doch ist Dodds Reaktion gegen die nur futurische Eschatologie (die sog. konsequente Eschatologie) insofern über das Ziel hinausgeschossen, als Dodd nun seinerseits das Moment der Erwartung neben dem des Besitzes des (vollen) messianischen Heils zu wenig berücksichtigt. Darüber die folgenden Anmerkungen.

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(5) Vgl. Kümmel, Verheißung und Erfüllung.
(6) Dies zeigt sehr schön die bereits genannte Schrift von Ed. Schweizer, wo auch nachgewiesen wird, wie die verschiedene Betonung des „jetzt schon” und des „noch nicht” je eine verschiedene Einstellung zur kirchlichen (Amts)ordnung mit sich bringt, die aber gerade darum, weil überall neben dem „jetzt schon” auch das „noch nicht” erkannt wird, nicht zu einem wirklichen Gegensatz wird.
(7) Dies ist wiederum eine der Einsichten, die wir wesentlich A. Schweitzer verdanken, die Mystik . . . S. 164 ff.

 

Zum siebenten Abschnitt (S. 67 bis S. 85)

(1) So Karl Barth, Die Kirche, die lebendige Gemeinde des lebendigen Herrn Jesus Christus (in: Die Kirche in Gottes Heilsplan).
(2) Es ist von höchster Bedeutung, daß Paulus, wo er vom praktisch-alltäglichen Leben jedes einzelnen Christen spricht, Rom. 12, 1 ff., die kultischen Worte „Opfer” und „Gottesdienst” (latreia) gebraucht, während er das letztere gerade vermeidet, wenn er vom Gottesdienst im kultischen Sinne handelt.
(3) Cullmann, Urchristentum und Gottesdienst, S. 23 f.
(4) Cullmann, a.a.O., S. 24 ff.
(5) Die von Cullmann energisch vertretene Auffassung, daß jede Gottesdienstfeier — abgesehen von der Taufe — eo ipso auch Mahlfeier war, wird von vielen Gelehrten nicht akzeptiert, weil sie, mit Recht, darauf Gewicht legen, daß an dieser die Ungläubigen — von denen 1. Kor. 14 die Rede ist —, wahrscheinlich nicht teilnehmen durften; die Mahlfeier war, in diesem Sinne, von Anfang an esoterisch.
(6) Ein weiteres Moment für diese paradoxe Einheit des Exklusiv-Sakralen und des Alltäglich-Werktäglichen ist darin zu sehen, daß die Mahlfeier in allerältester Zeit offenbar nicht nur sonntags, sondern täglich und nicht an einem zentralen Ort, sondern „hin und her in den Häusern” gefeiert wurde. Sie schloß sich ja auch an die Chabura, das tägliche Mahl an, wie es Jesus mit seinen Jüngern zu halten pflegte; dies ist noch sehr deutlich Lukas 24.
(7) So besonders Cullmann, a.a.O., S. 31.
(8) Die Frage, ob Johannes durch die Geschichte der Fußwaschung sein Desinteressement an der Mahlfeier zeigen wollte (Bultmann) oder ob im Gegenteil das Johannesevangelium geradezu [147] sakramental aufgebaut und vom Sakramentsgedanken beherrscht sei (Cullmann), dürfen wir unentschieden lassen.
(9) Cullmann, a.a.O., S. 31, unterstreicht die Aufbau-bedeutung der Mahlfeier in einem Maße, das die andere Tatsache fast aus dem Gesichtsfeld geraten läßt, daß die Ekklesia Christusgemeinde und Christusleib auch da ist, wo sie nicht das Mahl feiert, sondern wo überhaupt „zwei oder drei in seinem Namen versammelt sind”, daß darum vom Leib Christi im Neuen Testament auch ganz ohne jeden Zusammenhang mit der Mahlfeier gesprochen wird und die Spärlichkeit der direkten Erwähnung der Mahlfeier jedes sakramentalistische Verständnis der Ekklesia ausschließt.
(10) Die Diskussion über die Taufe ist neuerdings wieder sehr lebhaft geworden und hat zu erheblichen Kontroversen geführt. Außer den bekannten Schriften von K. Barth, Die kirchliche Lehre von der Taufe, Cullmann, Die Tauflehre des Neuen Testaments, erwähne ich noch H. Großmann, ein Ja zur Kinderlaufe, Leenhardt, Le Baptème chrétien, P.C. Marcel, Le baptème, sacrement de l’alliance de grace, welch letzteres Werk sich durch eine gewisse reformiert-scholastische Gründlichkeit und zugleich durch die Abwesenheit des kritisch-historischen Gesichtspunktes von all den anderen unterscheidet.
Der kausative Charakter der Taufe (Schlier, Leenhardt, Cullmann, Kümmel) gegenüber dem bloß kognitiven (Barth) dürfte feststehen; mit Schlier ein opus operatum und Heilsnotwendigkeit der Taufe im Neuen Testament zu finden (zur kirchlichen Lehre von der Taufe, Th.Lit.Zeitg., 1947, S. 321-336), dürfte dagegen unmöglich sein.
In der Apostelgeschichte kommt bekanntlich auch die Anschauung vor, daß man Heiligen Geist empfangen konnte, ohne getauft zu sein (Apg. 10, 44). Solche Stellen zeigen mindestens das eine, daß zwischen Geistempfang und Taufe kein notwendiger Zusammenhang bestand.
(11) Vgl. dazu besonders Marcel, a.a.O., S. 145 ff.
(12) Die Unterscheidung Cullmanns (Die Tauflehre des Neuen Testaments) zwischen dem Glauben vor und dem Glauben nach der Taufe entspricht dem, was wir im Abschnitt V über die paralogischen Wirkungen des Heiligen Geistes in der Ausbreitung der Ekklesia ausführen.

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(13) Daß die symbolische Auslegung Zwinglis in bezug auf das Abendmahl, das Jesus mit seinen Jüngern feierte, exegetisch recht hatte, muß auch der Lutheraner W. von Loewenich zugeben (Vom Abendmahl, S. 23 ff.), obschon er im übrigen, mit Recht, die Anschauung von der Realpräsenz Christi vertritt, wie dies nicht bloß Luther, sondern auch Calvin getan hatte.
(14) So auch Cullmann, Urchristentum und Gottesdienst, S. 31.
(15) Darin dürfte Cullmann, a.a.O., S. 27, recht haben, auch wenn man seine These von der Einzigkeit des urchristlichen Gottesdienstes nicht für richtig hält.
(16) Die Beziehung der urchristlichen Taufe zur Taufe Jesu haben unabhängig von einander sowohl kontinentale wie englische Forscher in den Vordergrund gerückt, so Jeremias, Cullmann, Leenhardt, wie auch Flemington, The New Testament doctrine of Baptism. Mindestens seit Matthäus ist die Beziehung der Taufe Jesu auf das stellvertretende Tragen der Sünde in der Ekklesia gebräuchlich; Johannes 1, 29 ff. ist nur der krönende Abschluß einer lange vor ihm beginnenden Entwicklung der Erkenntnis.
(17) Die überaus spärliche Erwähnung der Mahlfeier im Neuen Testament und die Art, wie Paulus 1. Kor. 1, 14 ff. über sein eigenes Taufen spricht, verbietet jede sakramentalistische Überschätzung von Taufe und Abendmahl. Gewiß, in beiden geht es um das Zentrale, um den gekreuzigten und auferstandenen Herrn der Gemeinde, das Haupt des Leibes; aber niemand, der ohne Kenntnis der späteren Kirchengeschichte das Neue Testament liest, würde auf den Gedanken kommen, die „Sakramente” seien das Wesentliche der Gemeinde.

 

Zum achten Abschnitt (S. 84 bis S. 95)

(1) Daraus ergibt sich, wie bedenklich die Methode der (Anglo-)Katholiken ist, durch Rückschlüsse aus dem Späteren die Lücken unserer Erkenntnis des apostolischen Zeitalters zu füllen. Das gilt auch, explizit, von G. Dix (a.a.O., S. 191).
(2) Die Wirkung dieser Verschiebung, das beginnende Interesse an den Elementen Brot und Wein als solchen, hat Albert Schweitzer (Die Mystik, S. 264 ff.) sehr gut beobachtet; leider verführt ihn seine Auffassung der paulinischen Mystik als „naturhaft” zu einer unrichtigen Entgegensetzung von johanneischer und [149] paulinischer Heilsauffassung und läßt ihn das Johannesevangelium im Lichte des Ignatius von Antiochien lesen. Wie groß aber der Abstand zwischen Ignatius und dem Johannesevangelium ist, hat neuerdings Chr. Maurer (Ignatius von Antiochien und das Johannesevangelium, 1949) gezeigt.
(3) Rud. Sohms These (Kirchenrecht I, § 13), daß in der urchristlichen Zeit die Ekklesia eine ist und die ekklesiai von Korinth oder Thessalonich nur je eine „Erscheinungsform der Gesamtgemeinde” seien (S. 22) ist unwiderleglich, weil sie allein dem Begriff des Leibes Christi entspricht (ganz im Sinn dieser Sohmschen Erkenntnis: K.L. Schmidt, a.a.O., S. 508). Darum denkt Paulus, wo er von der Ordnung der Ekklesia spricht, nicht an die Lokalgemeinde, sondern an die Ekklesia als ganze (1.Kor. 12, 27 ff.) und nennt als Dienste dieser Ekklesia nur solche, die gesamtgemeindlichen Charakter haben, die Apostel, die Propheten und die Lehrer.
In der Gemeinde von Jerusalem gab es Versammlungen für die Mahlfeier kat’oikon, hausweise (Apg. 2, 46). Freilieb setzt 1. Kor. 11, 20 voraus, daß die Christen von Korinth „an einem Ort” zusammenkommen; aber es ist erst der 1. Clemensbrief, der den Grundsatz aufstellt, daß nur an einem Ort rechtmäßig das Mahl gefeiert werden könne (1. Clem. 40, 41), weil (!) ja auch das jüdische Opfer nur im Tempel von Jerusalem dargebracht werden durfte. Wir sehen also schon hier die Vergleichung der Mahlfeier mit dem alttestamentlichen Opfer. Im übrigen macht es keinen großen Unterschied, ob man den monarchischen Bischof-priester als Ursache oder als Wirkung der Konzentration der Lokalgemeinde ansieht; es besteht eben eine Wechselwirkung zwischen der Tendenz zur bischöflichen Institution und der zum Sakramentalismus. Aus alledem ist ersichtlich, daß nicht etwa der Kongregationalismus, bei dem die Kirche als Gesamtheit der Einzelgemeinden verstanden wird, der neutestamentlichen Ekklesia entsprich!; die Apostelzeit kennt überhaupt die „Einzelgemeinde” nicht. Die Ekklesia in Korinth ist nicht „eine Ekklesia”, sondern sie ist Manifestation, Erscheinungsform der Ekklesia.
(4) Diese an sich wahrscheinliche Wechselwirkung von eucharistischem Sakramentalismus, monarchischem Episkopat und Forderung der Einheit der lokalen Gemeinde ist deutlich erkennbar bei Ignatius.

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(5) Diese gegenseitige Bedingtheit von Sakramentalismus und Institutionalismus ist von Sohm nicht recht erkannt worden. Trotzdem verdanken wir keinem anderen so viel für die Erkenntnis der Ekklesia wie diesem christlichen Juristen. Seine große Erkenntnis war: das frühzeitige Eindringen des Kirchenrechts, also des Institutionalismus. Die „heresy Harnacks” (Farrer, Apostolic Ministry, S. 145) besteht nach Farrer gerade in dem, was Sohm als erster richtig erkannt hat; Sohm übernimmt aber von Harnack die gutbegründete Auffassung, daß in frühester Zeit die Episkopen diejenigen waren, die die Danksagung für die Opfergaben der Gemeinde darzubringen und das „Kirchengut” zu verwalten hatten. Aber mit Recht läßt er es nicht gelten, daß sie deswegen nur Administrativbeamte, nicht geistliche Beamte gewesen seien. Auch die Verwaltung des Kirchenguts ist in der apostolischen Gemeinde eine pneumatische Sache; sie geschieht im Auftrag Gottes, durch einen Lehrbeauftragten (Sohm a.a.O., S. 84). Die Danksagung und Verwaltung der Spenden ist durchaus geistliche Aufgabe. Die Übertragung von Lehraufgaben an den Bischof in den Pastoralbriefen ist darum keine völlige Neuerung. Die Neuerung liegt aber deutlich vor in den Briefen des Ignatius, wo der Bischof, darum weil er die Eucharistie als Heilsgut spendet, als Priester den Laien gegenübersteht und Christus repräsentiert.
(6) Sollten die Thesen von Chr. Eggenberger (Die Quellen der politischen Ethik des 1. Klemensbriefes, Zürich 1951) durchdringen, daß der 1. Klemensbrief von Dion von Prusa, dem Verherrlicher des römischen Imperiums abhängig, darum gar nicht der von Irenäus gekannte 1. Klemensbrief, sondern ein zweiter, pseudonymer Brief sei, so würde das die Bedeutung des Briefes als eine Etappe in der Kirchwerdung der Ekklesia, wie sie Sohm aufgezeigt hat (Kirchenrecht I, § 13), nicht vermindern, sondern es würde damit nur eine außerchristliche Quelle dieser Veränderung, und als solche bezeichnenderweise eine politische, heidnisch-römische Anschauung aufgedeckt.
(7) Die von Euseb erwähnten Bischofslisten Hegesipps, auf die sich vor allem die Lehre von der apostolischen Sukzession stützt, gehen freilich nicht sicher auf die apostolische Zeit zurück, wie sogar der Anglokatholik G. Dix zugibt (The apostolic ministry, 208); aber darüber kann ja wohl kein Zweifel bestehen, daß einzelne Gemeinden noch lange im Gedächtnis hatten, daß ihre [151] Vorsteher einmal von Aposteln eingesetzt waren; die Pastoralbriefe sind als Symptome des erwachenden Interesses an der apostolischen Sukzession zu würdigen.
(8) Vgl. das schöne Ordinationsgebet in der Kirchenordnung Hippolyts (Neutestamentliche Apokryphen, hrsg. von Hennecke, S. 574 f.). In dieser Schrift scheint bereits cheirotonia so viel zu heißen als Ordination unter Handauflegung.

 

Zum neunten Abschnitt (S. 95 bis S. 106)

(1) Es ist ja auch der Alten Kirche nicht verborgen geblieben, daß die im Kanon zusammengefaßten Urzeugnisse nur zum Teil Schriften von Aposteln waren; sie hat auch Schriften von Apostelschülern wie die Evangelien des Markus, des Lukas und die Apostelgeschichte als kanonisch-apostolische Urzeugnisse anerkannt. Damit ist aber die Norm der Urzeugenschaft nicht verletzt, sondern nur weitherzig interpretiert (vgl. dazu Kümmel, Notwendigkeit und Grenze des neutestamentlichen Kanons, Zeitschr. f. Theol. und Kirche 1950, S. 277-312).
(2) „So muß man den Bischof betrachten wie den Herrn selbst”, Ignatius, Eph. 6, 2. „Dem Bischof Untertan als Gottes Gnade, dem Presbyterium als Jesu Christi Gesetz” (Magn. 3, 1). „Seid Untertan dem Bischof wie Jesu Christo” (Trall. 2, 1), „unzertrennlich vom Gott Jesus Christus und vom Bischof.” (7, 1.) Es ist bei Ignatius über allen Zweifel deutlich, daß der Bischof diese Bedeutung hat als der Mann des Altars, des Tempel- oder Altarraumes (etwa Trall. 6, 2; Phil. 4): „ein Altar, ein Bischof”; „nur die Eucharistie gelte als die rechte, die unter dem Bischof stattfindet” (Smyrn. 8, 1). „Wer den Bischof ehrt, wird von Gott geehrt, wer ohne den Bischof etwas tut, der dient dem Teufel” (9, 1). „Haltet zum Bischof, auf daß Gott zu euch halte” (an Pol. 6, 1).
Auch wenn wir verstehen können, daß in jenen Kampf- und Sturmzeiten die Einheit und Festigkeit, die ein Bischof der Gemeinde bieten konnte, sehr wichtig war, so ist es doch erschütternd zu sehen, wie schon am Anfang des zweiten Jahrhunderts die Institution, das Bischofsamt, zu solch gottähnlicher Würde emporgestiegen ist. Die Kraft, die es hoch trug, war „der Altar”, das Sakrament.

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(3) Wir dürfen wohl die Vorgänge in Korinth, auf die Clemens von Rom in seinem Brief Bezug nimmt, als eine solche Opposition gegen die bischöfliche Verkirchlichung der Ekklesia auffassen.

 

Zum zehnten Abschnitt (S. 107 bis S. 121)

(1) So etwa die koptische Kirche der Monophysiten, seit 563, oder die nestorianische Kirche, seit 483, die für die Ausbreitung des Christentums in den mittleren und fernen Osten sehr wichtig wurde.
(2) E. Troeltsch bezeichnet die nachreformatorischen Freikirchen des Westens kurzerhand als „neucalvinistisch” (vgl. Die Soziallehren, S. 733 ff.).
(3) Wie Luther die Ekklesia eigentlich verstand, d.h. wie er sich deren Verwirklichung dachte, wird am deutlichsten in seiner, leider noch viel zu wenig beachteten Schrift Deutsche Messe und Ordnung des Gottesdienstes von 1526 (WA, XIX, S. 72 ff.). Er bekennt aber „ich kann und mag noch nicht (!) eine solche Gemeinde oder Versammlung ordnen oder einrichten. Denn ich habe noch nicht die Leute oder Personen dazu” (S. 75).
(4) Vgl. dazu K. Holl, Luther und das landesherrliche Kirchenregiment (Ges. Werke, I, S. 326-89). Leider ist Holls Auffassung von Luthers Kirchenidee bestimmt durch den Luther fremden augustinischen (zwinglisch-calvinischen) Gedanken der unsichtbaren Kirche (vgl. Die Entstehung von Luthers Kirchenbegriff, a.a.O., S. 288-306). Das Beste, was bisher über Luthers Denken von der Kirche geschrieben worden ist, ist m.E. die kleine und wenig beachtete Schrift von Ernst Rietschel, Das Problem der unsichtbar-sichtbaren Kirche bei Luther, 1932.
(5) Freilich ist der lutherische Amtsbegriff komplex. Als rechtliche Ordnung ist das Amt weltlich; dagegen ist es im Sinne des der Gemeinde von Christus gegebenen Auftrags der Verkündigung des Evangeliums selbstverständlich geistlich. Hinwiederum ist es aber geistlich irrelevant, wie und wem die Gemeinde dieses Amt überträgt, vorausgesetzt, daß es einer aus der Gemeinde ist. Die Gemeinde aber soll darüber wachen, daß der von ihr Gewählte ihr auch wirklich das Wort Gottes und nicht fremde Lehre predigt.
(6) Sehr aufschlußreich für das treibende Motiv dieser anglokatholischen Reformbewegung ist Newmans Apologia pro vita mea; [153] was Newman von seinem frühesten Mitarbeiter und Inspirator Froude erzählt ,,he was powerfully drawn to the medieval church, but not to the primitive” (S. 47) und „he made me look with admiration towards the church of Rome and in the same degree to dislike the Reformation” (S. 48), ist um so bemerkenswerter, als es die Zeit vor dem eigentlichen Beginn des anglokatholischen Vorstoßes betrifft. Das Neue Testament (the primitive church) war nicht — und ist bis heute nicht — die Norm und der eigentliche Orientierungspunkt des anglokatholischen Denkens.
(7) Sofern die katholischen Kirchen diese Letztinstanzlichkeit der Schrift als Norm anerkennen, ist ein wirkliches Gespräch mit ihnen immer wieder möglich. Die Kirche von Rom hat sich von diesem Gespräch ausgeschlossen durch das Dogma, daß allein der Papst maßgebender Ausleger der Schrift sei; sie hat ebenso wie die Tradition auch die Schrift als kritische Norm außer Kraft gesetzt.
(8) Der Begriff vera ecclesia wurde von Melancbtlion eingeführt. (Vgl. Otto Ritschl, Dogmengeschichte des Protestantismus I, S. 311 ff., der mir die Wendung, die mit Melanchthon in der lutherischen Kirchenauffassung eintritt, klarer erfaßt zu haben scheint als Seeberg, Dogmengeschichte V, S. 450 ff., trotzdem Seeberg einige Lutherzitate zu seinen Gunsten zu geben vermag). Das, worum es Luther ging und das, worum es Melanchthon ging, war in der Tiefe etwas anderes. Melanchthon ist der Schöpfer der durch die orthodoxe, reine Lehre als die wahre empirisch ausgewiesenen Kirche.
(9) Von dem, der einmal das Wesen der Ekklesia des Neuen Testaments erkannt hat, kann die Art, wie Farrer am Schluß seines Aufsatzes über The ministry in the New Testament (Additional note: St. Peter, S. 181 f.) sich von Rom abgrenzt, nur mit einem gewissen Humor zur Kenntnis genommen werden: Die Apostel bildeten ein „Kollegium” mit Petrus „als Präsident”; und anderseits über den römischen Gebrauch von Matth. 16, 18: „you cannot squeeze canon law out of poetry”. Dazu können wir nur ein herzliches und zugleich ironisches „indeed not!” hinzufügen.
(10) Vgl. dazu die Anm. 2, zu IV. genannten Werke.
(11) Wenn man heute oft, und mit Recht, betont, daß Calvin eine vom Staat unabhängige Kirche gewollt und zum Teil auch wirklich geschaffen habe, so darf man darüber nicht übersehen, daß auch er, wie seine schottischen und späteren englisch-amerikanischen [154] Nachfolger an dem Prinzip cujus regio, ejus religio unentwegt festhielten. Erst John Milton und Roger Williams haben dem Prinzip der Toleranz Bahn gebrochen; faktisch ist dieses ein Produkt der Aufklärung und der französischen Revolution.

 

Zum elften Abschnitt (S. 121 bis S. 133)

(1) Ein besonders eindrucksvolles Beispiel solcher nichtkirchlicher Ekklesia-bewegung ist mir in Japan bekannt geworden. Dort existieren, hervorgerufen durch die machtvolle Persönlichkeit des ersten japanischen Evangelisten, Kanzo Utschimura, eine ganze Reihe von Kreisen, meistens bestehend aus Universitätsprofessoren und Studenten, in denen das Evangelium gepredigt und in schlichtester Weise Gottesdienst gehalten wird, von denen die vielleicht besten Bibelstudien und eine ganze Reihe von Zeitschriften von innerem Format herausgegeben werden und die für das Eindringen Christi in Japan vielleicht ebenso viel geleistet haben wie die anerkannten Kirchen Japans.
(2) Man hat in gewissen Kreisen der Oekumene oft das Wort von der „Wiederentdeckung der Kirche” als einem der größten Ereignisse unserer Zeit gehört; ich meine, daß es sich hier gar nicht um Wiederentdeckung der neutestamentlichen Ekklesia, sondern um etwas ganz anderes handelt, nämlich um ein Wiedererstarken jener falschen Kirchlichkeit, deren letztes Ende — das man jetzt noch nicht sieht — kein anderes sein kann als die römische Kirche. Für ebenso gefährlich halten wir das in denselben Kreisen oft gehörte, von theologischer Seite kommende Wort: Laßt die Kirche Kirche sein! Dieses Wort hatte seine tiefe Berechtigung in der Zeit des deutschen Kirchenkampfes gegen Hitlers Programm der Gleichschaltung der Kirche mit dem Nazistaat. Es kann aber, zum Schlagwort geworden und losgelöst von jener akuten Not der Kirche, zur gefährlichen Verführung im Sinn eines neuen Klerikalismus und Eklesiastizismus werden. Caveant consules! Schon dem blossen Wort Kirche haftet der Eklesiastizismus und Klerikalismus an; darum hüten wir uns, dieses gefährliche Wort doppelt zu unterstreichen, wenn wir denn nicht imstande sind es zu vermeiden!