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Zum ersten Abschnitt (S. 11 bis S. 21)
(1) Calvin, Institutio, IV, 1, 1; 1, 4.
(2) Calvin, ebenda, 1, 4.
(3) Calvin, ebenda, 1, 1; 1, 5. Craig, The Church, her nature and
task (in The Universal Church in Gods design).
(4) Thornton, The common life in the Body of Christ.
(5) K.L. Schmidt, im Theol. Wörterbuch zum Neuen Testament, III,
515.
Darum ist es fraglich, ob man sagen darf, „zugespitzt wäre zu
sagen, ein einziger Mensch könnte und müßte die Ekklesia sein,
wenn er Gemeinschaft mit Christus hat”. Als „Zuspitzung” der
Christusvertikale ist das richtig gegenüber jedem Versuch, die
Ekklesia soziologisch zu deuten. Aber das Entscheidende in der
Ekklesia ist eben gerade die unzertrennliche Einheit der
christologischen Vertikale und der zwischenmenschlichen
Horizontale. Bonhoeffer hat darum Recht, wenn er sagt, die
Gemeinschaft mit Christus könne nur gefunden werden in der
Ekklesia (Sanctorum communio, S. 88). Sehr eindrucksvoll und mit
reichen biblischen Belegen ist das für die neutestamentliche
koinonia gezeigt bei Thornton, a.a.O.
(6) So heißt es in der römisch katholischen Kirche (Denzinger,
Enchiridion symbolorum, Nr. 1792).
(7) Luther WA, L, S. 625.
(8) WA, XXX, I, S. 189 f.
(9) Die vielen Äquivalente für Ekklesia im Neuen Testament bei
Schmidt, a.a.O., S. 520.
(10) Das schweizerische Lexikon sagt darüber (Bd. IV, Sp. 445):
„I . . . ist die wichtigste Form sozialer Ordnung. In der I . . .
spricht sich ein ausdrücklicher Wille zur Regelung aus, durch den
Beziehungen zwischen den Menschen und dinglichen oder ideellen
Gegebenheiten geordnet werden . . .; wenn sie schriftlich fixiert
ist, ist ihre höchste Form das Recht”.
(11) Typisch dafür ist der öffentliche Ausspruch eines Zürcher
Theologen: „Das Zürcher Volk liebt seine Kirche.” Dieser
[139] Ausspruch
ist ebenso wahr, als er der Ausdruck des allgemeinen
fundamentalen Mißverständnisses der Ekklesia ist.
(12) „Die selbstverständliche Gleichung Kirche = universitas
christianorum ist natürlich auch auf katholischem Gebiet
anerkannt”, sagt Loofs (Symbolik, S. 217) und fährt dann weiter
„Die Formeln des spiritualistischen Kirchenbegriffs Augustins
leben also teilweise noch im modernen Katholizismus”.
Entscheidend aber ist, daß das Selbstverständnis der römischen
Kirche durch die Institution, durch das Papsttum geprägt ist. Man
kann nicht Christ sein, in der Kirche sein, ohne an den Papst in
dem Sinne zu glauben, wie das Vatikanum es formuliert hat.
(13) Das Wort ecclesia invisibilis braucht, m.W., Augustin noch
nicht, wohl aber unterscheidet er das corpus verum und das corpus
permixtum und spricht vom numerus ille justorum qui secundum
propositum coacti sunt und nennt diese einen hortus conclusus.
Das heißt also, er hat den Begriff, aber nicht das Wort ecclesia
invisibilis. Daß aber dieser Begriff in Calvins Verständnis der
Kirche entscheidend ist, zeigen schon die ersten Paragraphen von
IV, 1.
Zum zweiten Abschnitt (S. 21 bis S. 28)
(1) So mit Recht E.F. Scott, The nature of the early Church, wo
betont wird, es sei den ersten Christen daran gelegen gewesen,
als eine anerkannte Sekte zu gelten, S. 30 f.
Wenn Flew dagegen einwendet „A sect is a party or school within
Israel . . . but the disciples were Israel” so hat er Recht, nur
entspricht diese Erkenntnis bereits einem späteren Stadium der
Urchristenheit, wo die Trennung bereits vollzogen war. (Jesus and
His Church, S. 101.)
(2) Die Stellen bei Calvin und bei Irenäus habe ich zitiert in
Offenbarung und Vernunft, S. 196.
(3) Diese Auffassung stimmt — wenn ich recht sehe — genau überein
mit derjenigen von Ström, die R.Nelson in seiner Übersicht, The
realm of redemption, referiert. Er bezeichnet die Jüngergemeinde
vor Karfreitag und Ostern als ecclesia designata, entsprechend
dem Messias designatus. Die Diskussion über die Echtheit von
Matth. 16, 18 (und Matth. 18, 15-18), die einzigen Stellen, an
denen das Wort ekklesia im Munde Jesu vorkommt, ist höchst
kompliziert, sowohl was die Zahl der beteiligten Forscher als
auch [140] die
Verschiedenheit ihrer Meinungen betrifft (vgl. die
Zusammenfassung bei Linton, das Problem der Urkirche, S. 157 ff.
und die neueste zusammenfassende Behandlung bei Kümmel,
Kirchenbegriff und Geschichtsbewußtsein in der Urgemeinde und bei
Jesus, 1943). Trotzdem heute eine Neigung zur Bejahung der
Echtheit der Stelle besteht und sehr kritische Forscher für diese
eintreten, muß ich mich mit einem non liquet begnügen. Dagegen
besteht ein weitgehender Consensus im Sinn des Satzes von Edwin
Lewis „that there was in any profound sense no Church, until
Christ had finished His work of conquering sin and death”, The
ministry and the sacraments, p. 478. Die Christusgemeinde im
strikten Sinn des neutestamentlichen Ekklesiabegriffes — nicht:
Church! — beginnt erst mit Ostern und tritt hervor an Pfingsten.
Anderseits stimmen viele sehr kritische Forscher mit der oben
gegebenen Darstellung überein, daß der Messias Jesus auch schon
in seinem irdischen Leben einen nucleus eines messianischen
Volkes gebildet habe. So Dobschütz (ZNW, 1929), Cullmann, Die
Königsbotschaft Christi, Fridrichsen, Eglise et sacrement dans le
Nouveau Testament. Ähnlich Flew, Jesus and his Church. Dagegen
hätte ich Bedenken gegen den Ausdruck von Craig, daß Jesus
„redeemed the already existing Church”. The Universal Church in
Gods Design, p. 33.
(4) Vgl. Kattenbusch, der Quellort der Kirchenidee, in Festgabe
für Harnack, S. 169 ff.
Zum dritten Abschnitt (S. 28 bis S. 39)
(1) Diese Seite des Apostolates, die die entscheidende ist, wird
von Sohm und von all denen, die den pneumatisch-charismatischen
Charakter des Apostolates betonen, zu wenig beachtet. Nicht das
apostolische Charisma, sondern das geschichtlich kontingente
Offenbarungsfaktum, die Augenzeugenschaft oder Ur-zeugenschaft,
macht den Apostel. Freilich ist das exegetisch-historische
Problem des Apostels durch die Tatsache kompliziert, daß es
sowohl im Neuen Testament als auch später noch Apostel gibt, die
als Urzeugen nicht in Betracht kommen. Die Entdeckung der Didache
durch Bryennios, 1883, in der diese „Apostel” die maßgebenden
Männer der Kirche sind, ist wohl nicht nur von Harnack, sondern
auch von Späteren überschätzt worden; sie hat jedenfalls den
Anlaß gegeben zu dieser charismatischen Auffassung des
Apostolates. Anderseits geht es [141] natürlich auch nicht an,
die Didache in der Weise als unbedeutendes Apokryphon beiseite zu
schieben ,wie aus naheliegenden Gründen Gregory Dix und seine
anglokatholischen Freunde es tun (vgl. The Apostolic Ministry, S.
240).
(2) Vgl. dazu 1. Kor. 2, 10-15. Ein stärkeres Zeugnis als dieses
für die durch den Besitz des Heiligen Geistes begründete
Autonomie der Gemeinde ist kaum denkbar. Ausdrücklich stellt sich
hier Paulus mit den Geistbegabten in eine Reihe.
(3) Diese Erkenntnis verdanke ich, außer dem Aufsatz von Holl (s.
folgende Anm.), der Schrift von E. Schweizer, Gemeinde nach dem
Neuen Testament (Theol. Studien, hgg. von K. Barth, Nr. 26).
(4) Karl Holl, Gesammelte Werke II, S. 44-67.
(5) Vgl. Schweizer, a.a.O.
(6) Diese Auffassung ist, abgesehen von römischen Katholiken, in
besonders eindrucksvoller Weise vertreten durch die
anglokatholischen Theologen, die den Sammelband The Apostolic
Ministry (1949) herausgaben, zu denen außer dem Bischof von
Oxford, Kirk, ein so ausgezeichneter Denker wie A.M. Farrer, ein
so gelehrter Patristiker wie Gregory Dix und andere tüchtige
Gelehrte gehören. Hier sind die Gedanken wirksam, die in England
der (ersten) Oxfordbewegung als die treibenden Kräfte zugrunde
lagen. Leider sind diese auf dem europäischen Kontinent sehr
wenig bekannt geworden. Es ist zu hoffen, daß die zum Teil
bedeutenden Essays dieses Buches von unseren Theologen besser
beachtet und ernster genommen werden als diejenigen seines
Vorgängers, des von Bischof Gore herausgegebenen Essaybandes The
Church and the Ministry, Neuausgabe 1936. Es wäre für das
Verständnis des Neuen Testaments und des Kirchenproblems, darum
auch für das ökumenische Gespräch entschieden von Nutzen, wenn
die protestantische Theologie den katholischen Kirchengedanken
nicht nur in der Form des römischen Katholizismus kennen
lernte.
(7) Die biblische Begründung dieser Auffassung durch die
Schaliach-theorie, die G. Dix gibt, ist nicht neu; schon vor ihm
hat sie der Jude Vogelstein in interessanter Weise vertreten in
den Schriften Die Entstehung und Entwicklung des Apostolates im
Judentum, 1905 und The development of the Apostolate in Judaism
and its transformation in Christianity, 1925.
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(8) Die Art, wie Farrer (a.a.O.) das neutestamentliche diakonein
= dienen mit einem von ihm geschaffenen Kunstwort to deacon, das
einen kirchenamtlichen Sinn hat, übersetzt, stellt wirklich die
Dinge auf den Kopf. In diesem Zusammenhang ist auch zu beachten,
daß das Neue Testament für die „Dienste”, von denen Paulus, 1.
Kor. 12 spricht, gerade nicht das kirchenamtliche Wort leiturgia
gebraucht, was von der LXX her das Gegebene gewesen wäre, sondern
das völlig laienhaft-alltägliche Wort diakonia und diakonein, das
ebenso den schlichten Bruderdienst meint wie den Dienst des
Apostels. Dagegen die Ausführungen von T.W. Manson, The Churchs
ministry, S. 26 ff.
(9) Dieser Gedanke ist gut ausgeführt von Jenkins, The nature of
Catholicity, S. 24, und von Newbegin, The reunion of the Church,
S. 164; daß die anglokatholische Auffassung nicht die der
anglikanischen Kirche als ganzer ist, dafür zeugt der Sammelband
The ministry of the church.
Zum vierten Abschnitt (S. 39 bis S. 52)
(1) Man braucht ja nur an die Tatsache der einander gegenseitig
verketzernden Päpste des 15. Jahrhunderts zu denken, oder, um ein
heute näherliegenderes Beispiel zu wählen, an die Tatsache, daß
unter den, angeblich in der apostolischen Sukzession stehenden
anglikanischen Bischöfen sich immer wieder schwarze Schafe
befinden, deren Rationalismus ihren orthodoxen Kollegen
berechtigterweise ein Dorn im Auge ist.
(2) Vgl. Rademacher, Der Entwicklungsgedanke in Religion und
Dogma, Rüstzeug der Gegenwart, herausgegeben von J. Frohberger,
1914, Alois Schmitt, Katholizismus und Entwicklungsgedanke,
kathol. Lebenswerte 9. Bd. H. Ording, Untersuchungen über
Entwicklungslehre und Theologie. Das alles sind
römisch-katholische Schriften. Ganz ähnliche Gedanken spielen
aber auch in das anglokatholische Denken hinein; man darf nie
vergessen: Der Anglokatholizismus der Newman-Pusey-zeit ist ein
Kind der Romantik.
(3) Die Unterscheidung von Altkatholizismus und Neukatholizismus
in dieser Schärfe ist das ausschließliche Verdienst des großen
evangelischen Juristen Rudolph Sohm; leider ist sie, da sie sich
in dem postumen und unabgeschlossenen zweiten Band seines
Kirchenrechts [143] findet, den Theologen zu
wenig bekannt. Die folgenden Zitate stammen alle aus diesem Werk,
Kirchenrecht, 2. Band. Katholisches Kirchenrecht.
(4) a.a.O., S. 78.
(5) S. 79.
(6) S. 83.
(7) S. 88.
(8) S. 103.
(9) S. 105.
(10) S. 107.
(11) S. 110.
(12) Loofs, Symbolik, S. 209.
(13) Conc. Vaticanum, Denzinger Nr. 1839.
(14) Sohm, a.a.O., S. 117. „Das Traditionsprinzip ist durch die
Ausbildung eines verfassungsmäßigen unfehlbaren Lehramts auf
gehoben worden” (S. 115).
(15) Ein erhellendes Beispiel dieser „Tradition”, die keine
Tradition ist, aber als solche theologisch konstruiert und
dogmatisch credendum proponitur, sind alle Dogmen über die Maria,
besonders das neueste über die leibliche Himmelfahrt Mariae.
Der Benediktinerpater Benedikt Bauer schreibt: „Gerade dieser
glorreichste Höhengang Mariens hüllt sich in das Geheimnis des
Schweigens. Die Schrift weiß davon nichts” (Petitiones de
Assumptione corporea B. V. Mariae, II, S. 422, Rom, Vatikanstadt
1942); ja, nicht nur das: „Die Geschichte schweigt, mehr
als 500 Jahre schweigt sie”. Mit Recht sagt F. Blanke, dem ich
diesen Hinweis verdanke: „Die katholischen Theologen sind also
überzeugt, daß die leibliche Aufnahme Marias eine geschichtliche
Tatsache war, aber sie lehren zugleich, daß kein Mensch jemals
diesen Vorgang gesehen hat”. Die leibliche Himmelfahrt der
Jungfrau Maria, Zürich 1950.
Zum fünften Abschnitt (S. 53 bis S. 62)
(1) „Hiernach ist klar, was die apostolische Zeit sich unter dem
Geiste dachte: Die übernatürliche Kraft Gottes, welche im
Menschen Wunder wirkt”, Gunkel, Die Wirkungen des heiligen
Geistes, S. 25.
Ähnlich faßt Weinel zusammen: „die über Menschenmacht
hinausgehende Kraft, die als solche etwas Geheimnisvolles hat und
[144] auf eine
höhere Ursache hinweist” (Die Wirkungen des Geistes und der
Geister, S. 127).
(2) Es ist der Apostel Paulus, der den zum Teil noch
unpersönlichen Dynamismus der Frühzeit, wie er namentlich in den
ersten Stücken der Apostelgeschichte sich bezeugt, mit seiner
christozentrischen Theologie verband und damit einerseits Geist
und Gotteserkenntnis auf einander bezog (1. Kor. 2) und
anderseits die Mannigfaltigkeit der Kraftwirkungen und
Gnadengaben (Charismata) des Geistes aus derselben Quelle
ableitete, ohne das eine durch das andere zu verkürzen.
(3) Es scheint mir, daß man neuerdings stark aneinander
vorbeigeredet hat in der Frage, oh „Leib Christi” als Gleichnis
oder aber als Realität gemeint sei. Zweifellos ist damit eine
Realität gemeint, wie Thornton betont (The common life in the
Body of Christ, S. 256); aber ebenso gewiß ist dieser reale Leib
Christi nicht ein physischer Organismus, sondern diese Realität
wird mit einem physischen Organismus verglichen, etwa
Eph. 4, 12 ff. So meint es auch E. Schweizer, Das Leben des Herrn
in der Gemeinde und ihren Diensten, S. 51. Wenn Rawlinson,
Mysterium Christi, davon spricht, daß wir „wörtlich” in den Leib
Christi inkorporiert werden (S. 235), so entspricht das
zweifellos der neutestamentlichen Anschauung von der Taufe (s.o.
S. 80 f.), hört aber deswegen nicht auf, eine uneigentliche,
gleichnisartige Rede zu sein, weil dieser Leih ja nicht aus
physischen Gliedern besteht, sondern aus Personen, die Glieder
heißen.
(4) Das ist das Mißverständnis, dem Sohm immer wieder ausgesetzt
war, er, der zum Verständnis dieser pneumatisch-charismatischen
Ordnung der Ekklesia mehr als irgend ein anderer getan hat, im
ersten Band seines Kirchenrechts.
Ich glaube mich darin in Übereinstimmung mit H. von Campenhausen,
Recht und Gehorsam in der ältesten Kirche, und Kümmels
Ausführungen dazu in Theol. Rundschau, Bd. 17, Heft 1, S. 47, nur
würde ich, da nun einmal Recht und formales Recht dasselbe sind,
den Begriff Recht für diese Ordnung vermeiden. Weil dem so ist,
gilt die Hauptthese Sohms.
(5) Bohnhoeffer, Nachfolge, S. 160, bestreitet diesen
Unterschied, weil er nur auf die theologische, bekenntnismäßige
Einheit mit der Urkirche achtet, aber das im Neuen Testament
entscheidende Moment der Dynamik des Heiligen Geistes übersieht.
Darin, [145] würde
ich meinen, hat die Sehnsucht und Bitte um den Pfingstgeist, die
aus dem Schrifttum der beiden Blumhardt, Vater und Sohn, so
ergreifend zu uns spricht, umso mehr Gewicht, als gerade sie in
Möttlingen und Bad Boll mehr von dieser Dynamik erlebt hatten,
als die übrige Kirche zu ihrer Zeit. Diesen unseren Geistesmangel
sehen, heißt noch lange nicht die Ekklesia-wirklichkeit des Neuen
Testaments idealisieren. Dazu siehe oben S. 95 f.
Zum sechsten Abschnitt (S. 62 bis S. 67)
(1) Seit Albert Schweitzers bahnbrechendem Werk Die Mystik des
Apostels Paulus hat sich diese Erkenntnis vom „mystischen”
Charakter der Ekklesia durchgesetzt. Leider hat A.S. die Einheit
der Rechtfertigungslehre des Paulus und seiner Christusmystik
nicht erkannt; die entscheidende Stelle, Gal. 2, 20, 21, die das
klassische Zeugnis für beides in einem, bezw. zwei Versen ist,
kommt, so viel ich sehe, in Schweitzers Buch nicht vor. Darum,
weil er die Einheit von Glaube und sog. Mystik nicht sieht, muß
er diese eine „naturhafte” nennen, S. 214f. u.ö., und die
Rechtfertigungslehre wird ihm aus dem centrum paulinum zu einer
polemischen Nebenvorstellung. Aber abgesehen davon ist aus
Schweitzers Buch für die Erkenntnis der Ekklesia Wesentlichstes
zu lernen.
(2) Die genannte Galaterstelle (2, 20 f.) zeigt auch, wie
unrichtig es ist, wenn Schweitzer behauptet, für die
„Christusmystik” des Paulus sei nur der Tod, nicht der Sühnetod
Jesu Voraussetzung (a.a.O., S. 216 ff.).
(3) Bei Schweitzer heißt es statt magisch „naturhaft”, weil er
die Einheit von Kreuz und Mitgekreuzigtsein nicht erkennt, die
bekanntlich nicht erst im Römerbrief, sondern schon im
Galalerbrief vorliegt (Gal. 2, 19; 6, 14).
(4) Diese zum theologischen Schlagwort gewordene Bezeichnung des
Zustandes der Ekklesia stammt von Dodd; die darin ausgesprochene
Erkenntnis ist heute fast ein Gemeingut der neutestamentlichen
Wissenschaft geworden; doch ist Dodds Reaktion gegen die nur
futurische Eschatologie (die sog. konsequente Eschatologie)
insofern über das Ziel hinausgeschossen, als Dodd nun seinerseits
das Moment der Erwartung neben dem des Besitzes des (vollen)
messianischen Heils zu wenig berücksichtigt. Darüber die
folgenden Anmerkungen.
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(5) Vgl. Kümmel, Verheißung und Erfüllung.
(6) Dies zeigt sehr schön die bereits genannte Schrift von Ed.
Schweizer, wo auch nachgewiesen wird, wie die verschiedene
Betonung des „jetzt schon” und des „noch nicht” je eine
verschiedene Einstellung zur kirchlichen (Amts)ordnung mit sich
bringt, die aber gerade darum, weil überall neben dem „jetzt
schon” auch das „noch nicht” erkannt wird, nicht zu einem
wirklichen Gegensatz wird.
(7) Dies ist wiederum eine der Einsichten, die wir wesentlich A.
Schweitzer verdanken, die Mystik . . . S. 164 ff.
Zum siebenten Abschnitt (S. 67 bis S. 85)
(1) So Karl Barth, Die Kirche, die lebendige Gemeinde des
lebendigen Herrn Jesus Christus (in: Die Kirche in Gottes
Heilsplan).
(2) Es ist von höchster Bedeutung, daß Paulus, wo er vom
praktisch-alltäglichen Leben jedes einzelnen Christen spricht,
Rom. 12, 1 ff., die kultischen Worte „Opfer” und „Gottesdienst”
(latreia) gebraucht, während er das letztere gerade vermeidet,
wenn er vom Gottesdienst im kultischen Sinne handelt.
(3) Cullmann, Urchristentum und Gottesdienst, S. 23 f.
(4) Cullmann, a.a.O., S. 24 ff.
(5) Die von Cullmann energisch vertretene Auffassung, daß jede
Gottesdienstfeier — abgesehen von der Taufe — eo ipso auch
Mahlfeier war, wird von vielen Gelehrten nicht akzeptiert, weil
sie, mit Recht, darauf Gewicht legen, daß an dieser die
Ungläubigen — von denen 1. Kor. 14 die Rede ist —, wahrscheinlich
nicht teilnehmen durften; die Mahlfeier war, in diesem Sinne, von
Anfang an esoterisch.
(6) Ein weiteres Moment für diese paradoxe Einheit des
Exklusiv-Sakralen und des Alltäglich-Werktäglichen ist darin zu
sehen, daß die Mahlfeier in allerältester Zeit offenbar nicht nur
sonntags, sondern täglich und nicht an einem zentralen Ort,
sondern „hin und her in den Häusern” gefeiert wurde. Sie schloß
sich ja auch an die Chabura, das tägliche Mahl an, wie es Jesus
mit seinen Jüngern zu halten pflegte; dies ist noch sehr deutlich
Lukas 24.
(7) So besonders Cullmann, a.a.O., S. 31.
(8) Die Frage, ob Johannes durch die Geschichte der Fußwaschung
sein Desinteressement an der Mahlfeier zeigen wollte (Bultmann)
oder ob im Gegenteil das Johannesevangelium geradezu [147] sakramental aufgebaut
und vom Sakramentsgedanken beherrscht sei (Cullmann), dürfen wir
unentschieden lassen.
(9) Cullmann, a.a.O., S. 31, unterstreicht die Aufbau-bedeutung
der Mahlfeier in einem Maße, das die andere Tatsache fast aus dem
Gesichtsfeld geraten läßt, daß die Ekklesia Christusgemeinde und
Christusleib auch da ist, wo sie nicht das Mahl feiert, sondern
wo überhaupt „zwei oder drei in seinem Namen versammelt sind”,
daß darum vom Leib Christi im Neuen Testament auch ganz ohne
jeden Zusammenhang mit der Mahlfeier gesprochen wird und die
Spärlichkeit der direkten Erwähnung der Mahlfeier jedes
sakramentalistische Verständnis der Ekklesia ausschließt.
(10) Die Diskussion über die Taufe ist neuerdings wieder sehr
lebhaft geworden und hat zu erheblichen Kontroversen geführt.
Außer den bekannten Schriften von K. Barth, Die kirchliche Lehre
von der Taufe, Cullmann, Die Tauflehre des Neuen Testaments,
erwähne ich noch H. Großmann, ein Ja zur Kinderlaufe, Leenhardt,
Le Baptème chrétien, P.C. Marcel, Le baptème, sacrement de
l’alliance de grace, welch letzteres Werk sich durch eine gewisse
reformiert-scholastische Gründlichkeit und zugleich durch die
Abwesenheit des kritisch-historischen Gesichtspunktes von all den
anderen unterscheidet.
Der kausative Charakter der Taufe (Schlier, Leenhardt, Cullmann,
Kümmel) gegenüber dem bloß kognitiven (Barth) dürfte feststehen;
mit Schlier ein opus operatum und Heilsnotwendigkeit der Taufe im
Neuen Testament zu finden (zur kirchlichen Lehre von der Taufe,
Th.Lit.Zeitg., 1947, S. 321-336), dürfte dagegen unmöglich
sein.
In der Apostelgeschichte kommt bekanntlich auch die Anschauung
vor, daß man Heiligen Geist empfangen konnte, ohne getauft zu
sein (Apg. 10, 44). Solche Stellen zeigen mindestens das eine,
daß zwischen Geistempfang und Taufe kein notwendiger
Zusammenhang bestand.
(11) Vgl. dazu besonders Marcel, a.a.O., S. 145 ff.
(12) Die Unterscheidung Cullmanns (Die Tauflehre des Neuen
Testaments) zwischen dem Glauben vor und dem Glauben nach der
Taufe entspricht dem, was wir im Abschnitt V über die
paralogischen Wirkungen des Heiligen Geistes in der Ausbreitung
der Ekklesia ausführen.
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(13) Daß die symbolische Auslegung Zwinglis in bezug auf das
Abendmahl, das Jesus mit seinen Jüngern feierte, exegetisch recht
hatte, muß auch der Lutheraner W. von Loewenich zugeben (Vom
Abendmahl, S. 23 ff.), obschon er im übrigen, mit Recht, die
Anschauung von der Realpräsenz Christi vertritt, wie dies nicht
bloß Luther, sondern auch Calvin getan hatte.
(14) So auch Cullmann, Urchristentum und Gottesdienst, S. 31.
(15) Darin dürfte Cullmann, a.a.O., S. 27, recht haben, auch wenn
man seine These von der Einzigkeit des urchristlichen
Gottesdienstes nicht für richtig hält.
(16) Die Beziehung der urchristlichen Taufe zur Taufe Jesu haben
unabhängig von einander sowohl kontinentale wie englische
Forscher in den Vordergrund gerückt, so Jeremias, Cullmann,
Leenhardt, wie auch Flemington, The New Testament doctrine of
Baptism. Mindestens seit Matthäus ist die Beziehung der Taufe
Jesu auf das stellvertretende Tragen der Sünde in der Ekklesia
gebräuchlich; Johannes 1, 29 ff. ist nur der krönende Abschluß
einer lange vor ihm beginnenden Entwicklung der Erkenntnis.
(17) Die überaus spärliche Erwähnung der Mahlfeier im Neuen
Testament und die Art, wie Paulus 1. Kor. 1, 14 ff. über sein
eigenes Taufen spricht, verbietet jede sakramentalistische
Überschätzung von Taufe und Abendmahl. Gewiß, in beiden geht es
um das Zentrale, um den gekreuzigten und auferstandenen Herrn der
Gemeinde, das Haupt des Leibes; aber niemand, der ohne Kenntnis
der späteren Kirchengeschichte das Neue Testament liest, würde
auf den Gedanken kommen, die „Sakramente” seien das Wesentliche
der Gemeinde.
Zum achten Abschnitt (S. 84 bis S. 95)
(1) Daraus ergibt sich, wie bedenklich die Methode der
(Anglo-)Katholiken ist, durch Rückschlüsse aus dem Späteren die
Lücken unserer Erkenntnis des apostolischen Zeitalters zu füllen.
Das gilt auch, explizit, von G. Dix (a.a.O., S. 191).
(2) Die Wirkung dieser Verschiebung, das beginnende Interesse an
den Elementen Brot und Wein als solchen, hat Albert Schweitzer
(Die Mystik, S. 264 ff.) sehr gut beobachtet; leider verführt ihn
seine Auffassung der paulinischen Mystik als „naturhaft” zu einer
unrichtigen Entgegensetzung von johanneischer und [149] paulinischer
Heilsauffassung und läßt ihn das Johannesevangelium im Lichte des
Ignatius von Antiochien lesen. Wie groß aber der Abstand zwischen
Ignatius und dem Johannesevangelium ist, hat neuerdings Chr.
Maurer (Ignatius von Antiochien und das Johannesevangelium, 1949)
gezeigt.
(3) Rud. Sohms These (Kirchenrecht I, § 13), daß in der
urchristlichen Zeit die Ekklesia eine ist und die ekklesiai von
Korinth oder Thessalonich nur je eine „Erscheinungsform der
Gesamtgemeinde” seien (S. 22) ist unwiderleglich, weil sie allein
dem Begriff des Leibes Christi entspricht (ganz im Sinn dieser
Sohmschen Erkenntnis: K.L. Schmidt, a.a.O., S. 508). Darum denkt
Paulus, wo er von der Ordnung der Ekklesia spricht, nicht an die
Lokalgemeinde, sondern an die Ekklesia als ganze (1.Kor. 12, 27
ff.) und nennt als Dienste dieser Ekklesia nur solche, die
gesamtgemeindlichen Charakter haben, die Apostel, die Propheten
und die Lehrer.
In der Gemeinde von Jerusalem gab es Versammlungen für die
Mahlfeier kat’oikon, hausweise (Apg. 2, 46). Freilieb setzt 1.
Kor. 11, 20 voraus, daß die Christen von Korinth „an einem Ort”
zusammenkommen; aber es ist erst der 1. Clemensbrief, der den
Grundsatz aufstellt, daß nur an einem Ort
rechtmäßig das Mahl gefeiert werden könne (1. Clem. 40,
41), weil (!) ja auch das jüdische Opfer nur im Tempel von
Jerusalem dargebracht werden durfte. Wir sehen also schon hier
die Vergleichung der Mahlfeier mit dem alttestamentlichen Opfer.
Im übrigen macht es keinen großen Unterschied, ob man den
monarchischen Bischof-priester als Ursache oder als Wirkung der
Konzentration der Lokalgemeinde ansieht; es besteht eben eine
Wechselwirkung zwischen der Tendenz zur bischöflichen Institution
und der zum Sakramentalismus. Aus alledem ist ersichtlich, daß
nicht etwa der Kongregationalismus, bei dem die Kirche als
Gesamtheit der Einzelgemeinden verstanden wird, der
neutestamentlichen Ekklesia entsprich!; die Apostelzeit kennt
überhaupt die „Einzelgemeinde” nicht. Die Ekklesia in Korinth ist
nicht „eine Ekklesia”, sondern sie ist Manifestation,
Erscheinungsform der Ekklesia.
(4) Diese an sich wahrscheinliche Wechselwirkung von
eucharistischem Sakramentalismus, monarchischem Episkopat und
Forderung der Einheit der lokalen Gemeinde ist deutlich erkennbar
bei Ignatius.
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(5) Diese gegenseitige Bedingtheit von Sakramentalismus und
Institutionalismus ist von Sohm nicht recht erkannt worden.
Trotzdem verdanken wir keinem anderen so viel für die Erkenntnis
der Ekklesia wie diesem christlichen Juristen. Seine große
Erkenntnis war: das frühzeitige Eindringen des Kirchenrechts,
also des Institutionalismus. Die „heresy Harnacks” (Farrer,
Apostolic Ministry, S. 145) besteht nach Farrer gerade in dem,
was Sohm als erster richtig erkannt hat; Sohm übernimmt aber von
Harnack die gutbegründete Auffassung, daß in frühester Zeit die
Episkopen diejenigen waren, die die Danksagung für die Opfergaben
der Gemeinde darzubringen und das „Kirchengut” zu verwalten
hatten. Aber mit Recht läßt er es nicht gelten, daß sie deswegen
nur Administrativbeamte, nicht geistliche Beamte gewesen seien.
Auch die Verwaltung des Kirchenguts ist in der apostolischen
Gemeinde eine pneumatische Sache; sie geschieht im Auftrag
Gottes, durch einen Lehrbeauftragten (Sohm a.a.O., S. 84). Die
Danksagung und Verwaltung der Spenden ist durchaus geistliche
Aufgabe. Die Übertragung von Lehraufgaben an den Bischof in den
Pastoralbriefen ist darum keine völlige Neuerung. Die Neuerung
liegt aber deutlich vor in den Briefen des Ignatius, wo der
Bischof, darum weil er die Eucharistie als Heilsgut spendet, als
Priester den Laien gegenübersteht und Christus repräsentiert.
(6) Sollten die Thesen von Chr. Eggenberger (Die Quellen der
politischen Ethik des 1. Klemensbriefes, Zürich 1951)
durchdringen, daß der 1. Klemensbrief von Dion von Prusa, dem
Verherrlicher des römischen Imperiums abhängig, darum gar nicht
der von Irenäus gekannte 1. Klemensbrief, sondern ein zweiter,
pseudonymer Brief sei, so würde das die Bedeutung des Briefes als
eine Etappe in der Kirchwerdung der Ekklesia, wie sie Sohm
aufgezeigt hat (Kirchenrecht I, § 13), nicht vermindern, sondern
es würde damit nur eine außerchristliche Quelle dieser
Veränderung, und als solche bezeichnenderweise eine politische,
heidnisch-römische Anschauung aufgedeckt.
(7) Die von Euseb erwähnten Bischofslisten Hegesipps, auf die
sich vor allem die Lehre von der apostolischen Sukzession stützt,
gehen freilich nicht sicher auf die apostolische Zeit zurück, wie
sogar der Anglokatholik G. Dix zugibt (The apostolic ministry,
208); aber darüber kann ja wohl kein Zweifel bestehen, daß
einzelne Gemeinden noch lange im Gedächtnis hatten, daß ihre
[151] Vorsteher
einmal von Aposteln eingesetzt waren; die Pastoralbriefe sind als
Symptome des erwachenden Interesses an der apostolischen
Sukzession zu würdigen.
(8) Vgl. das schöne Ordinationsgebet in der Kirchenordnung
Hippolyts (Neutestamentliche Apokryphen, hrsg. von Hennecke, S.
574 f.). In dieser Schrift scheint bereits cheirotonia so viel zu
heißen als Ordination unter Handauflegung.
Zum neunten Abschnitt (S. 95 bis S. 106)
(1) Es ist ja auch der Alten Kirche nicht verborgen geblieben,
daß die im Kanon zusammengefaßten Urzeugnisse nur zum Teil
Schriften von Aposteln waren; sie hat auch Schriften von
Apostelschülern wie die Evangelien des Markus, des Lukas und die
Apostelgeschichte als kanonisch-apostolische Urzeugnisse
anerkannt. Damit ist aber die Norm der Urzeugenschaft nicht
verletzt, sondern nur weitherzig interpretiert (vgl. dazu Kümmel,
Notwendigkeit und Grenze des neutestamentlichen Kanons, Zeitschr.
f. Theol. und Kirche 1950, S. 277-312).
(2) „So muß man den Bischof betrachten wie den Herrn selbst”,
Ignatius, Eph. 6, 2. „Dem Bischof Untertan als Gottes Gnade, dem
Presbyterium als Jesu Christi Gesetz” (Magn. 3, 1). „Seid
Untertan dem Bischof wie Jesu Christo” (Trall. 2, 1),
„unzertrennlich vom Gott Jesus Christus und vom Bischof.” (7, 1.)
Es ist bei Ignatius über allen Zweifel deutlich, daß der Bischof
diese Bedeutung hat als der Mann des Altars, des Tempel- oder
Altarraumes (etwa Trall. 6, 2; Phil. 4): „ein Altar, ein
Bischof”; „nur die Eucharistie gelte als die rechte, die unter
dem Bischof stattfindet” (Smyrn. 8, 1). „Wer den Bischof ehrt,
wird von Gott geehrt, wer ohne den Bischof etwas tut, der dient
dem Teufel” (9, 1). „Haltet zum Bischof, auf daß Gott zu euch
halte” (an Pol. 6, 1).
Auch wenn wir verstehen können, daß in jenen Kampf- und
Sturmzeiten die Einheit und Festigkeit, die ein Bischof der
Gemeinde bieten konnte, sehr wichtig war, so ist es doch
erschütternd zu sehen, wie schon am Anfang des zweiten
Jahrhunderts die Institution, das Bischofsamt, zu solch
gottähnlicher Würde emporgestiegen ist. Die Kraft, die es hoch
trug, war „der Altar”, das Sakrament.
|152|
(3) Wir dürfen wohl die Vorgänge in Korinth, auf die Clemens von Rom in seinem Brief Bezug nimmt, als eine solche Opposition gegen die bischöfliche Verkirchlichung der Ekklesia auffassen.
Zum zehnten Abschnitt (S. 107 bis S. 121)
(1) So etwa die koptische Kirche der Monophysiten, seit 563, oder
die nestorianische Kirche, seit 483, die für die Ausbreitung des
Christentums in den mittleren und fernen Osten sehr wichtig
wurde.
(2) E. Troeltsch bezeichnet die nachreformatorischen Freikirchen
des Westens kurzerhand als „neucalvinistisch” (vgl. Die
Soziallehren, S. 733 ff.).
(3) Wie Luther die Ekklesia eigentlich verstand, d.h. wie er sich
deren Verwirklichung dachte, wird am deutlichsten in seiner,
leider noch viel zu wenig beachteten Schrift Deutsche Messe und
Ordnung des Gottesdienstes von 1526 (WA, XIX, S. 72 ff.). Er
bekennt aber „ich kann und mag noch nicht (!) eine solche
Gemeinde oder Versammlung ordnen oder einrichten. Denn ich habe
noch nicht die Leute oder Personen dazu” (S. 75).
(4) Vgl. dazu K. Holl, Luther und das landesherrliche
Kirchenregiment (Ges. Werke, I, S. 326-89). Leider ist Holls
Auffassung von Luthers Kirchenidee bestimmt durch den Luther
fremden augustinischen (zwinglisch-calvinischen) Gedanken der
unsichtbaren Kirche (vgl. Die Entstehung von Luthers
Kirchenbegriff, a.a.O., S. 288-306). Das Beste, was bisher über
Luthers Denken von der Kirche geschrieben worden ist, ist m.E.
die kleine und wenig beachtete Schrift von Ernst Rietschel, Das
Problem der unsichtbar-sichtbaren Kirche bei Luther, 1932.
(5) Freilich ist der lutherische Amtsbegriff komplex. Als
rechtliche Ordnung ist das Amt weltlich; dagegen ist es im Sinne
des der Gemeinde von Christus gegebenen Auftrags der
Verkündigung des Evangeliums selbstverständlich geistlich.
Hinwiederum ist es aber geistlich irrelevant, wie und wem die
Gemeinde dieses Amt überträgt, vorausgesetzt, daß es einer aus
der Gemeinde ist. Die Gemeinde aber soll darüber wachen, daß der
von ihr Gewählte ihr auch wirklich das Wort Gottes und nicht
fremde Lehre predigt.
(6) Sehr aufschlußreich für das treibende Motiv dieser
anglokatholischen Reformbewegung ist Newmans Apologia pro vita
mea; [153] was
Newman von seinem frühesten Mitarbeiter und Inspirator Froude
erzählt ,,he was powerfully drawn to the medieval church, but
not to the primitive” (S. 47) und „he made me look with
admiration towards the church of Rome and in the same degree to
dislike the Reformation” (S. 48), ist um so
bemerkenswerter, als es die Zeit vor dem eigentlichen Beginn des
anglokatholischen Vorstoßes betrifft. Das Neue Testament (the
primitive church) war nicht — und ist bis heute nicht — die Norm
und der eigentliche Orientierungspunkt des anglokatholischen
Denkens.
(7) Sofern die katholischen Kirchen diese Letztinstanzlichkeit
der Schrift als Norm anerkennen, ist ein wirkliches Gespräch mit
ihnen immer wieder möglich. Die Kirche von Rom hat sich von
diesem Gespräch ausgeschlossen durch das Dogma, daß allein der
Papst maßgebender Ausleger der Schrift sei; sie hat ebenso wie
die Tradition auch die Schrift als kritische Norm außer Kraft
gesetzt.
(8) Der Begriff vera ecclesia wurde von Melancbtlion eingeführt.
(Vgl. Otto Ritschl, Dogmengeschichte des Protestantismus I, S.
311 ff., der mir die Wendung, die mit Melanchthon in der
lutherischen Kirchenauffassung eintritt, klarer erfaßt zu haben
scheint als Seeberg, Dogmengeschichte V, S. 450 ff., trotzdem
Seeberg einige Lutherzitate zu seinen Gunsten zu geben vermag).
Das, worum es Luther ging und das, worum es Melanchthon ging, war
in der Tiefe etwas anderes. Melanchthon ist der Schöpfer der
durch die orthodoxe, reine Lehre als die wahre empirisch
ausgewiesenen Kirche.
(9) Von dem, der einmal das Wesen der Ekklesia des Neuen
Testaments erkannt hat, kann die Art, wie Farrer am Schluß seines
Aufsatzes über The ministry in the New Testament (Additional
note: St. Peter, S. 181 f.) sich von Rom abgrenzt, nur mit einem
gewissen Humor zur Kenntnis genommen werden: Die Apostel bildeten
ein „Kollegium” mit Petrus „als Präsident”; und anderseits über
den römischen Gebrauch von Matth. 16, 18: „you cannot squeeze
canon law out of poetry”. Dazu können wir nur ein herzliches und
zugleich ironisches „indeed not!” hinzufügen.
(10) Vgl. dazu die Anm. 2, zu IV. genannten Werke.
(11) Wenn man heute oft, und mit Recht, betont, daß Calvin eine
vom Staat unabhängige Kirche gewollt und zum Teil auch wirklich
geschaffen habe, so darf man darüber nicht übersehen, daß auch
er, wie seine schottischen und späteren englisch-amerikanischen
[154] Nachfolger
an dem Prinzip cujus regio, ejus religio unentwegt festhielten.
Erst John Milton und Roger Williams haben dem Prinzip der
Toleranz Bahn gebrochen; faktisch ist dieses ein Produkt der
Aufklärung und der französischen Revolution.
Zum elften Abschnitt (S. 121 bis S. 133)
(1) Ein besonders eindrucksvolles Beispiel solcher
nichtkirchlicher Ekklesia-bewegung ist mir in Japan bekannt
geworden. Dort existieren, hervorgerufen durch die machtvolle
Persönlichkeit des ersten japanischen Evangelisten, Kanzo
Utschimura, eine ganze Reihe von Kreisen, meistens bestehend aus
Universitätsprofessoren und Studenten, in denen das Evangelium
gepredigt und in schlichtester Weise Gottesdienst gehalten wird,
von denen die vielleicht besten Bibelstudien und eine ganze Reihe
von Zeitschriften von innerem Format herausgegeben werden und die
für das Eindringen Christi in Japan vielleicht ebenso viel
geleistet haben wie die anerkannten Kirchen Japans.
(2) Man hat in gewissen Kreisen der Oekumene oft das Wort von der
„Wiederentdeckung der Kirche” als einem der größten Ereignisse
unserer Zeit gehört; ich meine, daß es sich hier gar nicht um
Wiederentdeckung der neutestamentlichen Ekklesia, sondern um
etwas ganz anderes handelt, nämlich um ein Wiedererstarken jener
falschen Kirchlichkeit, deren letztes Ende — das man jetzt noch
nicht sieht — kein anderes sein kann als die römische Kirche. Für
ebenso gefährlich halten wir das in denselben Kreisen oft
gehörte, von theologischer Seite kommende Wort: Laßt die Kirche
Kirche sein! Dieses Wort hatte seine tiefe Berechtigung in der
Zeit des deutschen Kirchenkampfes gegen Hitlers Programm der
Gleichschaltung der Kirche mit dem Nazistaat. Es kann aber, zum
Schlagwort geworden und losgelöst von jener akuten Not der
Kirche, zur gefährlichen Verführung im Sinn eines neuen
Klerikalismus und Eklesiastizismus werden. Caveant consules!
Schon dem blossen Wort Kirche haftet der Eklesiastizismus und
Klerikalismus an; darum hüten wir uns, dieses gefährliche Wort
doppelt zu unterstreichen, wenn wir denn nicht imstande sind es
zu vermeiden!