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VIII
Die Ansatzstelle der Kirchwerdung

 

Bisher hat sich unsere These bewahrheitet: Die Ekklesia des Neuen Testaments ist Persongemeinschaft und nichts anderes. Sie ist der Leib Christi, sie ist keine Institution. Darum ist sie das nicht, was sie späterhin in einem langsamen, stetigen und darum unbemerkten Prozeß der Umbildung wurde: Sie ist noch nicht Kirche. Was die Kirche, zunächst als altkatholische, sodann als neukatholische, römische Kirche von der Ekklesia unterscheidet, ist vor allem dies, daß sie nunmehr nicht mehr vor allem Persongemeinschaft, sondern vor allem Institution ist und sich, namentlich als römische Kirche, als Institution versteht. Wie ist es zu dieser Umwandlung gekommen? Wir dürfen von vornherein nicht erwarten, daß wir ein Ereignis finden, mit dem das Frühere plötzlich aufhört und das Neue, die Kirche beginnt. Das Rätsel der Kirchwerdung der Gemeinde Jesu Christi ist gerade darum so schwierig, weil die Transformation sich in kleinen aber stetigen Schritten vollzieht und zwar erst noch so, daß auch die neuen, die institutionellen Elemente nicht einfach neu eingeführt werden, sondern sich in der Tat, wie die katholische Theorie es behauptet, aus keimhaften Anfängen, die zum Teil schon in der neutestamentlichen Ekklesia vorgebildet sind, „entwickeln” (1). Es muß sich aber erweisen lassen — wenn unsere These standhalten soll —, daß diese schon im Neuen Testament vorhandenen Elemente nicht zum Wesen der Ekklesia gehören, sondern zu ihr im Widerspruch stehen. Wir werden sehen, daß es sich wirklich um eine Mehrzahl von solchen Elementen handelt, nicht um ein einzelnes, und daß diese gleichzeitig miteinander in einer Weise entwickelt werden, die erst in dieser Summation das Neue, die

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Kirche darstellen. Trotzdem ist es möglich, auf einen Punkt hinzuweisen, der als die eigentliche Ansatzstelle, als Kristallisationspunkt des Neuen angesehen werden darf. Dieser Punkt, das ist das wahrhaft Unheimliche, Liegt ganz dicht beim Zentrum der neutestamentlichen Ekklesia, und die in ihm geschehende Veränderung besieht in einer ganz leisen Verschiebung, die damit gekennzeichnet werden kann, daß das, was nahe beim Zentrum war, zum Zentrum wird: Das Heilige Mahl, die sogenannte Eucharistie. Aus einem Akt der Gemeinde, den sie nach dem Wort, des Herrn immer wiederholte, um sich als Gemeinschaft mit und in Christus aufzubauen, wurde die Mahlfeier das Heilsgut selbst, das, was die Gemeinde konstituiert. Während der Herr sie gegeben hatte, um das Wort und den Geist zu unterstreichen, durch den er selbst gegenwärtig ist, wurde sie nun zur eigentlichen, entscheidenden Selbstvergegenwärtigung, die das Wort aus seiner zentralen Stellung vordrängte und darum dem Mahl selbst mehr und mehr den Charakter einer heiligen Sache geben mußte, bei der die dinglichen, materiellen Elemente, die ursprünglich keine selbständige Bedeutung hatten, sondern nur Zeichen waren, die lediglich als Substrat der Handlung Bedeutung halten, die eigentlichen Träger der Selbstvergegenwärtigung wurden (2). Nun erst wurde das Heilige Mahl zum „Sakrament” und damit zum Mittelpunkt des gläubigen Interesses.

Damit waren eine Reihe weiterer, folgenschwerer Veränderungen gegeben. Erstens: Während in der ersten Zeil auf die Einheit der Lokalgemeinde kein Gewicht gelegt wurde, da ja die Ekklesia überall ist, wo „zwei oder drei in seinem Namen versammelt sind” und der Begriff einer Lokalgemeinde überhaupt noch nicht bestand (3), wurde jetzt, wo das Mahl die Gemeinde konstituiert, auf einmal

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die Einheit der Lokalgemeinde zur notwendigen Bedingung der richtigen Feier (4). Die Pluralität der Hausgemeinden mußte verschwinden, das Prinzip „an einem Ort nur eine Gemeinde” wurde aufgestellt, es entstand die Lokalgemeinde als Baustein des größeren Ganzen, der Gesamtkirche. Darum, weil das Mahl als das angesehen wird, was die Gemeinde konstituiert, muß die konkrete Gemeinde, die dieses Mahl feiert, die Gemeinde Christi sein. Zweitens, diese notwendige Einheit und Einzigkeit der Lokalgemeinde konnte aber nur dadurch verwirklicht oder garantiert werden, daß ein Mann die Einheit herstellte und repräsentierte. Aus dem Kreis der „Aufseher” (Episkopen) oder Presbyter, denen schon immer in der Gemeinde die Funktion der Ordnung und Leitung anvertraut war, mußte nun einer als der maßgebende hervortreten, in dem die Einheit der Gemeinde in Erscheinung trat und der für sie verantwortlich war: „der” Bischof. Drittens. Nachdem einmal die Eucharistie das Heilsgut geworden, war es unvermeidlich, daß die Unterscheidung der Spendenden und der Empfangenden, die vorher eine rein technische Einrichtung ohne jede geistliche Bedeutung gewesen war, nunmehr einen bedeutsam geistlichen Akzent erhielt. Es begann sich eine Unterscheidung von Priestern und Laien abzuzeichnen. Viertens. Mit dem Tod der ersten, der Apostelgeneration, machte sich das Bedürfnis fühlbar, einen Ersatz zu schaffen für die apostolische Autorität. Was lag näher als die Übertragung dieser Autorität an die Priesterbischöfe, die ohnehin durch ihr priesterliches Heraustreten aus der Masse der Laien und durch ihre Bedeutung für die Einheit der lokalen Gemeinde als Autoritäten herausgehoben waren?

Alle diese Momente konnten aber nur darum bedeutsam werden, weil durch die Überbewertung der Mahlfeier

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mit der Ekklesia selbst eine grundlegende, obschon noch kaum spürbare Veränderung vor sich gegangen war. Vordem war der Heilige Geist das, was die Gemeinde zur Gemeinde machte; sie war eine pneumatische Einheit, als solche eben „der Leib” des Christus. Nunmehr eher war sie eine sakramentale Einheit geworden. Um mit einander ein sakramentales Heilsgut zu empfangen und zu genießen, bedarf es nicht mehr jener personhaften Verbundenheit von ehedem. Das Heilsgut ist eine heilige Sache, und diese heilige Sache wird von den einen, den Spendenden, den Priestern, gegeben, von den andern, den Laien, empfangen. Der Leib Christi ist jetzt nicht mehr die Gemeinde selbst, sondern der Leib Christi wird mehr und mehr identifiziert mit den Elementen des Heiligen Mahles. Man gehört jetzt nicht mehr zusammen durch das vom Christus geschehen zeugende Wort und durch den die Herzen in der Tiefe bewegenden und die Eigensucht der einzelnen brechenden Heiligen Geist. Indem das sakramentale Heile gut die Hauptsache wird, wird die Ekklesia aus einer Koinonia pneumatos, aus einer Personeinheit eine sachbezogene Einheit, ein Kollektiv. Es ist nicht mehr die Agape, die schenkende Liebe Gottes, die als eigentliche Gabe des Heiligen Geistes die einzelnen mit einander verbindet, sondern es ist dieses Wunderding, das Sakrament, das man miteinander gemeinsam hat; man bekommt jetzt den Leib Christi, statt daß man selbst der Leib Christi ist. Man empfängt jetzt das göttliche Heil wie eine himmlische Medizin, ein pharmakon athanasias, ein Heilmittel, das ewiges Leben mitteilt.

Die Veränderung der pneumatischen Gemeinschaft mit ihrem durch und durch personalen Charakter zum sakramentalen Kollektiv mit seinem wesenhaft unpersönlichen Zentrum und darum seiner wesenhaft unpersönlichen

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Struktur kann man sich nicht groß genug denken, mag auch diese Veränderung nicht mit einem mal, sondern im Gegenteil sehr langsam, in kleinen, unmerklichen Schritten sich vollzogen haben. Nur mit dieser Veränderung zusammen gewinnen die oben genannten vier Punkte entscheidende Bedeutung. Wir müssen die beiden Bewegungen miteinander und ineinander sich entwickelnd verstehen, um jede von ihnen verstehen zu können: den Sakramentalismus und den Institutionalismus. Am Sakramentalismus kommt der Institutionalismus hoch. Das Bischofsamt wird durch das Sakrament emporgetragen, und nur vom Sakrament aus ist zu verstehen, warum gerade dieses Amt und warum es in solchem Maße hochkam (5).

Freilich ist es nicht so, daß das Amt nur durch das Sakrament zu dieser Bedeutung kam, sondern es gibt auch eine Wurzel des Institutionalismus, die — wahrscheinlich — unabhängig vom Sakrament ist, und in umgekehrter Richtung vom Amt aus die Entwicklung des Sakramentalismus begünstigte. Wir haben oben gezeigt, wie schon in der Ur-gemeinde von Jerusalem Ansätze zu einem autoritären Kirchenregiment vorhanden waren, die auf einem begreiflichen und naheliegenden Mißverständnis der Apostelautorität beruhten. Noch waren es nicht mehr als Ansätze, die durch die Macht des Wortes und Geistes Jesu Christi, wie sie im Apostel Paulus wirksam war, in einer entscheidenden Stunde hatten unwirksam gemacht werden können. Vor der Macht der Christuswahrheit konnte sich die falsche, auf Mißverständnis beruhende, formalrechtliche Autorität der Säulen nicht behaupten, sondern brach zusammen. Aber die Tendenz war da und war durch jenes Ereignis nicht ausgerottet. Es war darum zu erwarten, daß sie wieder in Erscheinung treten und schließlich in dem Maß, als der Geist Christi seine überwältigende Macht in der

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Gemeinde verlor, mehr und mehr zur Geltung kommen mußte.

Einen derartigen Vorgang können wir, dicht an der Grenze des apostolischen Zeitalters, deutlich beobachten. Der erste Clemensbrief, geschrieben um die Wende des ersten Jahrhunderts, zeigt uns, wie von Rom ans das Prinzip der formal-rechtlichen Autorität des Presbyteramtes in Korinth geltend gemacht wurde (6). Dieses Schreiben stellt den Grundsatz auf, daß Personen, die einmal zu diesem Amt erwählt seien, nunmehr das Recht auf dieses Amt besitzen, und daß dieses ihr Recht von der Gemeinde anerkannt werden müsse. Kaum merklich unterscheidet sich die Art, wie Clemens die korinthische Gemeinde zur Ordnung zurückruft von der Art, wie Paulus die Korinther zur Respektierung der bewährten Aufseher ermahnte 1) — und doch liegt zwischen beiden eine Welt; Paulus beruft sich auf die Bewährung jener führenden Männer im Dienst und ruft die Gemeinde auf, den Bewährten die Anerkennung nicht zu versagen. Clemens aber beruft sich auf das mit der Einsetzung zum Amt geschaffene Recht. Was hier an einem Punkt der Entwicklung der Ekklesia sichtbar in Erscheinung tritt, das war aber nicht ein Einzelfall, sondern das war symptomatisch für eine in der Ekklesia überhaupt beginnende allgemeine Entwicklung. Die pneumatische Struktur der Gemeinde beginnt sich in eine rechtliche zu verwandeln. Was hinsichtlich der Struktur der Gemeinde vom Sakrament aus geschieht, das geschieht gleichzeitig und im gleichen Sinne vom Amt aus: aus der Persongemeinschaft wird eine Institution, aus der Koinonia wird ein Kollektiv, aus dem Organismus, dem Leib Christi, wird ein kirchenrechtlicher Apparat.


1) 1. Kor. 16, 16.

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Beide Bewegungen, die institutionalistische und die sakramentalistische steigern einander gegenseitig und fließen in ihrem Ergebnis zusammen. Der Bischof-priester wird apostolische Autorität. Die Presbyter und Aufseher werden aus bewährten Dienern einerseits zu bloßen Ehrenpersonen, anderseits geht aus ihnen der Bischof als „der” Leiter und Repräsentant der Gemeindeeinheit hervor. Schon am Rande des Neuen Testamentes selbst, in den Pastoralbriefen, deutet sich diese Bewegung zum monarchischen Bischof und seiner autoritativen Stellung an. Diese — und nicht die gleichzeitig in den johanneischen Schriften vorhandene, entgegengesetzte, anti-amtliche, anti-autoritäre — Bewegung ist prädestiniert, im Kampf mit den gnostischen Häresien zum Siege zu kommen. Man braucht jetzt das Feste, das Rechtsähnliche, das Autoritative; die Ekklesia „muß” sich zur Kirche umbilden, um den Kampf zu bestehen. Aber die Tatsache, daß es gerade der Bischof war, an den sich diese Tendenz zur rechtlichen Verfestigung anschloß, erklärt sich einzig und allein aus jener Verschiebung im Zentrum der Gemeinde selbst, die ganz unabhängig von der Kampfstellung in der Welt geschehen war: aus dem Mißverständnis des Mahles als Sakrament, als das eigentliche Heilsgut. Der Priester-bischof ist es, an den sich das Autoritätsbedürfnis der werdenden Kirche klammert und auf den sie die ihr notwendig scheinende Autorität überträgt. Diese Autorität aber konnte keine andere sein als die des früheren Apostolates. Der Bischof wird nun zum Nachfolger der Apostel; es entsteht die Theorie der apostolischen Sukzession der Bischöfe.

Diese Theorie, die zweifellos nicht reine Fiktion war, sondern mindestens ein gutes fundamentum in re besaß (7), brachte aber eine weitere Verschiebung mit sich: der Bischof wird zum Garanten der apostolischen Lehre. In der

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neutestamentlichen Ekklesia bestand eine besondere Beziehung zwischen den Aufsehern, bzw. den Presbytern und der Lehre, der Verkündigung nicht. Die zur Aufsicht Bestimmten waren durch das Charisma der kybernesis, nicht aber durch das der Verkündigung oder Lehre ausgezeichnet. Ganz andere Personen hatten die Hauptverantwortung für den Wortdienst: die Apostel in erster Linie, sodann die Propheten, die Lehrer und die Evangelisten. Erst in der spätesten Apostelzeit, in den Pastoralbriefen, erscheint der Bischof als besonders für den Wortdienst Verantwortlicher, — zu einer Zeit, als er bereits in der Einzahl genannt wird, das heißt also, als bereits der „monarchische Episkopat” sich herauszubilden beginnt. Bei dieser Verschiebung der Funktion dürfte nun ein Moment von großer Bedeutung gewesen sein, über dessen Geschichte wir so gut wie nichts wissen: die Ordination, die Übertragung eines besonderen Charismas durch Handauflegung.

Die Handauflegung spielt im Neuen Testament, namentlich in der Apostelgeschichte, eine erhebliche Rolle. Doch sehen wir sie nirgends im Zusammenhang mit der Übertragung eines besonderen Dienstes oder Amtes. Wenn späterhin das griechische Wort cheirotonein oder cheirotonia in diesem Sinn verstanden wurde, so liegt hier ein Sprachgebrauch vor, der im Neuen Testament selbst noch völlig unbekannt ist. Cheirotonein hat mit Handauflegung gar nichts zu tun; es ist ist der terminus technicus für wählen, zu einem Amt bestimmen, und die zugrunde liegende Vorstellung ist nicht das Handauflegen, sondern das Handerheben, die übliche Weise der Stimmabgabe für einen zu Wählenden. Irgend eine charismatische oder gar sakramentale Vorstellung ist — in neutestamentlicher Zeit — damit noch keineswegs verbunden. Dagegen ist die Handauflegung ein Akt, an dessen Vollzug man die Übertragung

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einer besonderen Geisteswirkung gebunden dachte. Durch Handauflegung wird solchen, die bereits getauft waren, die Gabe des Heiligen Geistes vermittelt 2); durch Handauflegung macht der fromme Ananias Paulus wieder sehend 3). Unter Handauflegung werden Paulus und Barnabas auf ihre erste Missionsreise ausgesandt 4). Durch Handauflegung teilt Paulus zwölf Männern in Ephesus den Heiligen Geist mit 5). Nirgends ist hier an irgend etwas wie an eine Ordination gedacht. Nur in den spätapostolischen Pastoralbriefen erinnert der pseunonyme Paulus seinen Schüler Timotheus 6) daran, daß er durch Handauflegung — die nach 1. Tim. 4, 14 nicht durch ihn, den Apostel, sondern durch das Presbyterium (!) vollzogen worden sei — die Gnadengabe empfangen habe; welche Gnadengabe, wird nicht gesagt, wahrscheinlich aber ist hier diejenige gemeint, die ihn für sein Amt qualifizieren soll.

Damit wäre nun wieder eine ungeheuer bedeutsame Verschiebung eingetreten. Früher, in der Zeit des Paulus, hieß es: Einen Dienst bekommt, wer eine Gnadengabe, ein Charisma des Heiligen Geistes empfangen hat, das der Geist gibt, welchem er will 7). Jetzt heißt es: Der Geistempfang, der für ein bestimmtes Amt qualifiziert, ist gebunden an die Handauflegung, sei es des Apostels, sei es des Presbyteriums, und wird durch sie bewirkt. Es ist nur noch ein kleiner Schritt bis zu dem Satz Cyprians: Wer das Amt hat, bekommt den dazu erforderlichen Geist. Das Amt aber bekommt man durch die Ordination mit Handauflegung. Über den Geist verfügt man dadurch, daß man die Hand auflegt, und das heißt nun auf einmal cheirotonein. Freilich wird beim Akt der Ordination um den Geist gebetet (8).


2) Apg. 8, 17.
3) Apg. 9, 17.
4) Apg. 13, 3.
5) Apg. 19, 6.
6) 1. Tim. 4, 14; 2. Tim. 1, 6.
7) 1. Kor. 12, 11.

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Aber bereits ist man sicher, daß, wo es richtig zugeht, es daran nicht fehlen kann, daß das Handauflegen die Ausstattung mit dem zum Amt erforderlichen Heiligen Geist bewirkt. Diese erst am Ende der apostolischen Zeil auftretende Vorstellung und Übung der Ordination ist, ein weiterer Schritt von der Pneumatokratie der alten Zeil zur Hierokratie der Kirche. Man verfügt jetzt — mindestens praktisch, wenn auch nicht theoretisch — über den Heiligen Geist; man stattet den, dem man das Amt überträgt, durch die Ordination mit dem Heiligen Geist aus. Es fehlt in der Kette nur noch ein Glied: die Übertragung des apostolischen Charismas auf den Bischof.

Dieses letzte Glied wird beschafft durch die Vorstellung, die später zur Lehre wird, daß die Bischöfe von den Aposteln in ihr Amt eingesetzt worden seien. Nun berichtet ja freilich das Neue Testament mehrfach davon, daß die Apostel selbst den von ihnen gegründeten Gemeinden Presbyter — wir dürfen hier auch ruhig den paulinischen Begriff der Aufseher 8), Episkopen einfügen — bestellt haben. Aber weder gilt das von allen Gemeinden — von denen ja viele ohne apostolische Gründung ins Leben traten —, noch gilt es in besonderer Weise von denjenigen unter diesen Presbytern oder Episkopen, die später als monarchische aus der Reihe der anderen hervortraten und nun erst als eigentliche Bischöfe — im Sinn der späteren Auffassung — angesehen wurden. Zu diesem Bischofsamt hat nie ein Apostel einen Menschen eingesetzt. Die von Hegesipp bekannt gemachten Bischofslisten, auch wenn sie bis auf die Apostelzeit zurück reichten, beweisen also nicht, was sie beweisen sollen.

Aber darauf kam es auch gar nicht an; die Hauptsache war, daß man den Bischof als Träger apostolischer Autorität


8) Phil. 1,1.

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glaubte, und daß man seine Qualifikation für dieses Amt von der Ordination durch einen anderen Bischof abhängig machte. Daß diese ganze Vorstellung der apostolischen Sukzession eine Fiktion war, kam niemandem zum Bewußtsein, und daß die Übertragung apostolischer Autorität und apostolischen Charismas durch die mit Handauflegung verbundene Ordination eine Neuerung war, deren Spuren im Neuen Testament nicht aufzufinden waren 9), wurde offenbar durch das inzwischen eingetretene Mißverständnis, daß cheirotonein Handauflegung bedeute, verdeckt. Genug, man hatte jetzt ein Mittel in der Hand, apostolische Autorität zu verleihen, und man hatte dadurch die Möglichkeit, die Autorität des Bischof-Priesters aufs höchste zu steigern.

Die Transformation der Ekklesia in die Kirche hat also mehrere Wurzeln, von denen einige schon im Neuen Testament selbst liegen. Um eine Transformation aber und nicht um eine Entfaltung handelt es sich darum, weil dadurch das Wesen der Ekklesia als einer pneumatischen Einheit, einer Persongemeinschaft, in eine Institution verwandelt wurde. Die Umbildung der Dienste in Ämter, die Umbildung des Mahles in das die Kirche konstituierende Sakrament, also das institutionelle und das sakramentale Motiv sind daran gleichermaßen beteiligt und bedingen einander gegenseitig. Das Sakrament verlangte den Priester, das Bedürfnis nach Ordnung und Einheit verlangte die gesetzliche, kirchenrechtliche Autorität. Die beiden Ströme flössen zusammen in der Schaffung des Priester-Bischofs, der apostolische Lehrautorität und Ordnungsautorität für die Gemeinde besitzt. Das bischöfliche Kirchenrecht und die sakramentale Heilsgutverwaltung bedingen einander gegenseitig.


9) Mit einziger Ausnahme von 2. Tim. 1, 6, wo aber von Timotheus nicht als einem Bischof die Rede ist.

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Die Einheit von Sakrament und Amt ist das neugeschaffene Sakrament des Amtes, die Ordination. In seiner Zurückführung auf die Apostel wird, scheinbar, das Ursprüngliche mit dem Neuen verbunden. Es ist nun der apostolische Priesterbischof, der als Bevollmächtigter Jesu Christi selbst das Heil Christi spenden und den Gehorsam, den der Gläubige Christus schuldet, für sich in Anspruch nehmen kann. Die bischöfliche Spendung des Sakraments macht die Gemeinde zu empfangenden Laien; die bischöfliche apostolische Autorität macht sie zu Gehorchenden und Regierten. Nur durch diese doppelte Abhängigkeit von der Priester-bischofkirche kann der einzelne das Heil erlangen. Aus der im Wort und Geist begründeten „mystischen” Bruderschaft, aus dem Leib Christi, dessen Haupt allein Christus selbst ist, dessen Glieder darum gleichen Ranges sind — aus dem Volk von priesterlichen Brüdern ist die Kirche geworden, die aus einzelnen Gemeinden besteht, die zusammen das Kirchenganze bilden und von denen jede von einem Bischof geistlich regiert wird, der als spendender Priester dem empfangenden Laien gegenübersteht, weil er das Heilsgut, das Sakrament verwaltet, das heilige Ding, das diese einzelnen Menschen zusammenhält und zu einem Kollektiv macht.