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Vorwort

 

Wie so viele andere bin auch ich durch die Erschütterung des Zusammenbruchs von 1945 veranlaßt worden, mir über die Ursachen der Ereignisse grundsätzliche Rechenschaft zu geben. Hieraus entstand im englischen Hungerlager eine Schrift „Die Einheit des christlichen Abendlandes und die deutsche Frage”. Damit konnte ich zugleich Fragestellungen wieder aufnehmen, die sich mir schon in meiner Studienzeit gestellt hatten, die mir die Hochschule nicht beantwortete und ich selbst nicht zu lösen verstand und die dann von den Anforderungen des Berufs und des Krieges überdeckt wurden. — Schon dieser erste Versuch, auf dessen Veröffentlichung ich gegen den Rat guter Freunde verzichtet habe, ging von der Erkenntnis aus, daß es sich in der Gegenwart um religionsgeschichtliche Ereignisse größten Ausmaßes handelt. Die kämpfenden säkularen Bewegungen stehen in einem tiefen inneren Zusammenhang; es sind nicht sinnlose Zufälligkeiten, die uns plagen.

Aus jener Schrift ist bisher nur ein Kapitel unter dem Titel „Krise des Strafrechts — Krise des Richteramts” in dem Sammelband „Gerechte Ordnung” (Band 26 der Schriftenreihe der Evangelischen Akademie Bad Boll, Furche-Verlag Tübingen 1948) veröffentlicht worden. Es behandelt speziell die inneren Zusammenhänge zwischen liberalem und totalitärem Strafrechtsdenken und die Entwicklung der nationalsozialistischen Strafrechtspolitik.

Aus jenem ersten Ansatz ist eine umfangreiche Vortragstätigkeit im Rahmen der Evangelischen Akademiebewegung entstanden. Ich bin heute für die Gelegenheit dankbar, eine Anzahl von Aufsätzen zusammengefaßt herauszugeben, die aus jener Arbeit stammen und in Zeitschriften vereinzelt kaum mehr zugänglich sind. Ich hoffe ausgeschieden zu haben, was sich abgelebt hat. Als bisher ungedruckt sind aus jener ersten Schrift hinzugefügt der Einleitungsaufsatz „Glaube und Geschichte”. Ein weitere großer Teil jener Gedanken ist dann unter dem Titel „Das System der großen Konfessionen” neu gefaßt.

Der Leser wird den inneren Zusammenhang erkennen, der sämtliche Einzelstücke verbindet. Sie alle bemühen sich um das

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Verhältnis von Glauben und Geschichte, das sich im rechtlichen Handeln des Menschen ausprägt. Sie sind zugleich ein Widerspruch gegen die Art, in der wir uns mit unserer Zeit abzufinden bereit sind — nachdem wir nämlich ein moralisches Urteil gefunden haben, das uns selbst ausschließt. Das Moralische versteht sich nach Friedrich Theodor Vischer immer von selbst, aber es erklärt nichts. Drittens und endlich geht es um Funktion und Bedeutung der Kirche in der Welt, die weder durch ihre Privatisierung noch durch ihren Oeffentlichkeitsanspruch ausreichend bezeichnet sind.

 

Fulda und Hemer (Westf.), im März 1953.

Hans Adolf Dombois.