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Die Einführung der evangelischen Konfirmation durch die Ziegenhainer Zuchtordnung ist ein besonderes Ruhmesblatt in der Geschichte der hessischen Kirche. Das Formular, das die Kasseler Kirchenordnung dafür geschaffen hat, liegt direkt oder indirekt allen späteren evangelischen Agenden in Deutschland und darüber hinaus zugrunde. Und Butzer, der eigentliche Schöpfer der beiden hessischen Ordnungen, trägt darum mit Recht den Ehrennamen eines Vaters der evangelischen Konfirmation.
Das ist freilich gegenwärtig nicht nur ein Ehrenname. Es wird heute viel von einer Konfirmationsnot geredet. Die Besinnung auf die Ursachen dieser Not hat auch Butzers ursprüngliche Schöpfung in ein grelles Scheinwerferlicht der Kritik treten lassen. Hierbei sollen sich seine Konzessionen an den Geist der Sekte und seine katholisierenden Neigungen besonders peinlich offenbaren: das Konfirmationsgelübde als Erneuerung des Taufgelübdes soll die Kindertaufe entwerten; das Versprechen der Unterwerfung unter die Kirchenzucht soll eine Verrechtlichung des Kirchenbegriffs wie in der täuferischen Freiwilligkeitskirche oder wie in der römischen Anstaltskirche zur Voraussetzung haben; die exhibitive Einsegnungsformel: „Nimm hin den heiligen Geist” soll den Charakter des katholischen Sakramentalismus an sich tragen.
Die meisten dieser Vorwürfe sind nicht völlig neu, sondern sind schon im 16. Jahrhundert erhoben worden. Damals aber richteten sie sich nicht gegen Butzer, sondern gegen den Konfirmationsentwurf des Erasmus. Von ihm ist der Straßburger Reformator in entscheidenden Stücken abhängig. Gegen den Humanistenkönig, dessen Januskopf am Anfang der Geschichte von Reformation und Gegenreformation steht, und auf den sich in gleicher Weise auch das moderne überkonfessionelle Individualchristentum als seinen Patron berufen kann, ist also von nun an die Kritik zu richten, die man bisher gegen Butzer geschleudert hat.
Dabei ist der Elsässer nicht einmal in allen Stücken dem erasmischen Konfirmationsprogramm verhaftet geblieben, sondern hat schon ein gut Teil Kritik an ihm geleistet. Wie in seiner ganzen Theologie, so hat er auch in dieser Einzelfrage das Erbe des Erasmus unter Luthers Einfluß umgestaltet, das humanistische Gedankengut in dem von Luther empfangenen Feuer umgeschmolzen. Er hat selbst von sich einmal in jungen Jahren gesagt, er sei Martinianer und Erasmianer zugleich. So muß auch seine
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Schöpfung, die hessische Konfirmation, als eine Synthese zwischen lutherischem und humanistischem Geiste verstanden und die heutige Konfirmationsnot von der Erkenntnis aus gewürdigt werden, daß jene Synthese sich nicht mehr als haltbar erweist.
Erasmus hat seinen grundlegenden Gedanken über die Konfirmation, die bis heute fast völlig übersehen worden sind, einen weithin sichtbaren Platz in seinem Lebenswerk gegeben. Sie finden sich ausgesprochen in einem Nachwort zu seinen Paragrafen zum Matthäusevangelium von 1522, unmittelbar im Anschluß an den Widmungsbrief, den er an Karl V. gerichtet hat1). Sie stehen damit am Eingang des großen, alle neutestamentlichen Bücher umfassenden Kommentarwerks, das wohl die theologisch bedeutsamste und wirksamste Schrift des älteren Erasmus gewesen ist. Wir finden diese Gegenwartsbibel des 16. Jahrhunderts in fast allen damaligen Bibliotheken; bis ins 18. hinein hat sie unermeßliche Wirkungen ausgelöst.
Der Aufriß des erasmischen Konfirmationsentwurfes ist folgender: In der Fastenzeit sollen tägliche Katechismuspredigten gehalten werden; für die heranwachsende Jugend ist die Teilnahme obligatorisch. Am Schluß
1) Das Nachwort zur Matthäusparaphrase — daß es
kein Vorwort sei, hat Erasmus selbst betont (Cler. IX, 822 E) —
bildet wohl die feurigste Verteidigung des freien bürgerlichen
Christentums und der Laienbibel, die wir von Erasmus besitzen;
hier begründet das mündig gewordene fromme Laienchristentum des
ausgehenden Mittelalters sein Recht für die kommenden
Jahrhunderte. Die frommen Frauen, ja der zwölfjährige Jesus
selbst, der fragend und bekennend vor der Schriftgelehrten seines
Volkes die Wahrheit der Schrift erforscht, sind die Urbilder
dieses Christentums.
Ich gebe im folgenden die Ausführungen des Erasmus im
Zusammenhang, soweit sie sich auf die
Konfirmationshandlung beziehen (die begleitenden
Reflexionen kommen später zu Worte), nach der von Friedrich
Sigismund Augustin besorgten dreibändigen (besten) Ausgabe der
Paraphrasen von 1777/80 und füge Band und Seite der Leydener
Ausgabe in Klammern bei.
Erasmus hat (Augustin I, XXVI = Cler. VII, S. VI, Abs. 2) gegen
den volkstümlichen Mißbrauch des risus Paschalis gekämpft —
Oekolampad ist ihm bald in dieser Polemik gefolgt — und statt
dessen für die Fastenzeit eine planmäßige Volksunterweisung durch
tägliche Predigten gefordert. A.a.O.: Quin et illud mihi videtur
non mediocriter ad hanc rem conducturum, si pueri baptizati, quum
iam ad pubertatem pervenerint, iubeantur huiusmodi concionibus
adesse, in quibus illis dilucide declaretur, quid in se
constineat professio baptismi. Deinde diligenter
privatim examinentur a probis viris (diese
Konfirmationspaten, wie das römische Ritual sie vorsah, haben
also eine ähnliche Stellung, wie sie den Ältesten nach ZZO und
KKO zukommt), satisne teneant ac meminerint ea quae docuit
sacerdos. Si compeerientur satis tenere, interrogentur, ratumne
habeant, quod susceptores illorum nomine polliciti sunt in
baptismo. Si respondeant se ratum habere, tum publice
renovetur ea professio, simul congregatis aequalibus, idque
ceremoniis gravibus, aptis, castis, seriis ac
magnificis, quaeque deceant eam professionem, qua nulla potest
esse sanctior. Wörtlich wiederholt 1526 in der
Verteidigungsschrift gegen den Pariser Theologen Bedda, Cler. IX,
457 f.
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wird durch eine nicht öffentliche Prüfung festgestellt, wie viele sich den Inhalt des Taufbekenntnisses richtig angeeignet haben. Wer unter ihnen willig ist, die Pflichten auf sich zu nehmen, die das Taufgelübde ihm auferlegt, wird zu dessen öffentlicher Erneuerung zugelassen. In dieser Handlung erblickt Erasmus den eigentlichen Inhalt des bisherigen Firmelungssakramentes. So feierlich wie möglich, unter Wahrung des ganzen bisher gebräuchlichen Zeremoniells, soll sie vonstatten gehen. Dadurch, daß allein der Bischof sie vollziehen darf, wird ihr Ansehen noch mehr gesteigert.
Trotzdem ist diese Reformfirmelung kein Sakrament mehr. Das haben die altgläubigen Gegner des Erasmus klar erkannt; und er selbst meidet auch offensichtlich diese Bezeichnung. Gelegentlich einmal nennt er sie eine sakramentliche Zeremonie und vergleicht sie mit anderen Weihehandlungen wie der Wasserweihe2). Andererseits steht er doch noch im Banne des herkömmlichen sakramentalen Denkens3). Die Handauflegung
2) Gegen Bedda a.a.O. 559 B.
3) Gegen Bedda zusammenfassend zur Konfirmationsfrage
a.a.O. 560 D: Ostendi me nihil secus sentire vel docere de
Sacramentis quam tradit Romana Ecclesia, sed tantum de erudiendis
in fide rudibus dedi consilium. Dem Vorwurf der Gegner, er habe
mit seiner Konfirmationshandlung ein neues Sakrament einführen
wollen, begegnet er in demselben Zusammenhang mit dem Hinweis auf
die altkirchliche Skrutinienpraxis, die er nur wieder aufgenommen
habe. Hier in dem altkirchlichen Vorbild bzw. in der Art, wie ein
christlicher Humanist diese auf sich wirken ließ, liegt die
Wurzel der erasmischen Konfirmationsanschauung, so sehr auch
Anregungen aus der Praxis der böhmischen Brüder mit beteiligt
gewesen sein mögen. Sie sind sogar infolge des propagandistischen
Eifers, mit dem die Brüder Beziehungen zu dem Führer des
deutschen Humanismus erstrebten, wahrscheinlich, wenn auch die
Konfirmation in den bei J.Th. Müller I, S. 392 ff. angegebenen
Quellen nicht ausdrücklich erwähnt wird.
Bei den Böhmen findet sich die Konfirmation in doppelter Form:
als Ergänzung der Kindertaufe und als Ersatz der römischen
Firmelung. Die erste Form findet ihre Begründung in der
Taufanschauung der Brüder, wonach willentliche und
bekenntnismäßige Annahme des Glaubens die Heilswirksamkeit der
Taufe bedingen; an sich gilt sie nur als Akt der Aufnahme in die
Gemeinde. Diese Auffassung hängt aufs engste mit den
leidenschaftlichen Erörterungen über den Sakramentsbegriff
zusammen, die den Hussitismus so mannigfaltig zerspalteten; schon
bei Peter Chelčický (✝ 1460) ist sie nachweisbar. Nach Lukas von
Prag (✝ 1528), dem Organisator der Böhmischen Brüder, unter dem
der theologische Austausch mit Luther eröffnet wurde, besteht die
Konfirmation in einem durch Handschlag erfolgenden Treuegelöbnis
der herangewachsenen Kinder; durch Handauflegung wird daraufhin
deren Taufe mit allen Rechten und Pflichten bestätigt; es folgt
schließlich — abermals durch Handschlag — Aufnahme in die volle
Sakramentsgemeinschaft und Erstkommunion.
Daneben bleibt die Firmelung bestehen als „Bestätigung zur
Ritterschaft des Glaubens und zur Hoffnung, die selige Krone zu
erlangen”, jedoch finden sich auch beide Formen in eine
verschmolzen (Joseph Th. Müller: Gesch. der böhm. Brüder I, 1922,
S. 204 ff., 477 ff., über die Firmelung S. 375, 486).
Für Lukas von Prag gehört die Handauflegung zu den Sakramenten,
und zwar steht sie auf der Wertskala der „dienlichen” Seinsweisen
Christi unter der Taufe, aber über dem Abendmahl (E. Peschke: Die
Theologie der böhm. Brüder ➝
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ist ihm eine Übertragung heiligender und segnender Kräfte, wobei er freilich die Frage offen läßt, ob sie durch den äußeren Ritus oder durch das begleitende Gebet oder durch das Zusammenwirken beider Momente zustande komme4). Offenbar aber ist Erasmus möglichst bemüht, den sakramentalen Charakter der von ihm vorgeschlagenen Handlung zurücktreten zu lassen. Nur so kann er ja dem Verdachte entgehen, einen Ersatz für die Kindertaufe, gleichsam eine zweite Taufe, anzubieten. Dagegen
➝ in ihrer Frühzeit I. Das Abendmahl. 1935. S. 277).
Auffällig ist, daß die Konfirmation und mit ihr die Lehre von der
Ergänzungsbedürftigkeit der Taufe in der Zeit zurücktritt, in der
die lutherische Theologie auf die Brüder besonderen Einfluß
ausübte: „Die Apologie (1532/38) erwähnt zwar noch die
Konfirmation, aber ohne sie irgendwo zu begründen. In der
Konfession von 1535 fehlt sie und erscheint erst wieder in der
von 1561/64” (Jos. Müller, a.a.O. III, 1931, S. 300).
Anfänglich wird sie (nach der Juli oder August 1503 entstandenen,
König Wladislaus von Ungarn überreichten Oratio excusatoria; vgl.
I. Palmov: Bratja cesskie v svoich konfessijach II, Prag 1904, S.
15) folgendermaßen begründet: Fide ex divinis scripturis sumpta
profitemur temporibus apostolorum istud observatum fuisse:
quicunque in pubescentiae annis promissa donorum Spiritus sancti
non acceperunt, huiusmodi per orationem manusque impositionem in
fidei confirmationem suscipiebant. Eadem quoque de infantibus
sentimus: quicunque baptizatus ad veram accesserit fidem, quam
imitari re ipsa in adversitatibus et contumeliis proposuerit, hac
ipsa ratione, ut nova regeneratio in spiritu eius, vitaque
gratiarum revelata videatur, talis ad episcopum aut sacerdotem
duci statuique debet, qui interrogatus de fidei veritatibus
praeceptisque divinis simulque voluntate bona, intentione
stabili, ac veritatis operibus illa omnia sic se habere fatendo
testabitur; talis confirmandus est in spe veritatis consecutae,
denique orationibus ecclesiarum iuvandus est, quatenus ei
incrementum munerum Spiritus sancti ad stabilitatem militiamque
fidei accedat. Manus postremo impositione ad firmanda promissa
Dei veritatisque habitae in virtute nominis Patris et Verbi eius
flatus quoque almi ecclesiae societur.”
Lehrreich ist an dieser Begründung vor allem, daß die Spendung
der Konfirmation das Sichtbarwerden der Geistesgaben,
die irgendwie mit der Taufe zusammenhängend gedacht werden, zur
Voraussetzung hat, und daß durch Handauflegung und Gebet nicht
etwa neue geistliche Kräfte mitgeteilt, sondern nur („in spe
veritatis consecutae”) angewünscht werden: Die Rationalisierung
des Sakramentes ist bereits in vollem Gange; sie wird schon — ein
Anfang moderner geschichtlicher Betrachtungsweise — ins N.T.
zurückgetragen und aus ihm begründet. An Geschichtsbild und
Sakramentsanschauung der böhm. Brüder konnte also der spätere
deutsche Humanismus ohne weiteres anknüpfen. Wie auf jener Stufe
ihrer Entwicklung sich der Einfluß des auf Kaiser Karl IV. und
seinen Kreis zurückgehenden böhmischen Humanismus geltend macht,
ergibt sich sehr instruktiv aus Peschkes oben genannter
Untersuchung.
4) Die Weihe der 7 Diakonen durch Handauflegung nach
Apg. 6 6 wird (Augustin III, 78 = Cler. VII, 690 D) in
gut katholischer Weise als sakramentale Übertragung der Amtsgnade
verstanden und dabei der sakramentale Charakter der
altchristlichen Tischgemeinschaft, der der Dienst der Diakonen
gilt, hervorgehoben. Zu Hebr. 6 1 f. wird (Aug. III,
952 = Cler. VII, 1174 D) der Taufe die negative Reinigung von den
Sünden, der Handauflegung die positive Ausstattung mit den Gaben
des Heiligen Geistes zugeschrieben. ➝
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ist das Moment subjektiver Rührung stark hervorgehoben, wie es nur je später in Pietismus und Aufklärung geschehen ist5)
Dabei liegt aller Nachdruck auf der Erneuerung des Taufbekenntnisses, speziell der Absage an Welt und Teufel. Sie bildet das heiligste Stück der ganzen Handlung und kann garnicht nachdrücklich genug gestaltet werden6). Nicht müde wird Erasmus, ihre heilsamen Folgen auszumalen: der ganze Stand der christlichen Bildung wird sich heben. Die Alten werden alljährlich an ihre Taufverpflichtung erinnert. Und die Jungen empfangen einen Ansporn, sich ihr Taufbekenntnis gewissenhaft anzueignen. Die sittliche
➝ Bei der Kindersegnung von Mk. 10 16 freilich
wird (Aug. I, 455 = Cler. VII, 234 C) die Wirkung der Fürbitte
Christi besonders hervorgehoben: Quoque magis commendaret omnibus
simplicem innocentiam, complexus est singulos et impositis
unicuique manibus suis, bene precatus est illis, docens idiotas
et imperitos aut quamlibet humiles et abiectos iuxta mundum non
esse fastidiendos episcopis, sed omnibus modis fovendos, donec
proficiant ad meliora. Rogandus autem inprimis Dominus Jesus ut
dignetur illis manus suas imponere beneque ominari. Dabit ille
parvulis astutiam qua vitent diaboli laqueos, dabit infantibus
linguam, ut ex ore infantium et lactentium perficiatur laus Dei.
Im Blick auf die erasmische Konfirmation beachte besonders die
Betonung der subjektiven Bekenntnisfreudigkeit als Wirkung dere
Handauflegung.
Ganz massiv magisch ist dagegen die Auslegung derselben
Geschichte in der Matthäusparaphrase (Augustin I 203 = Cler. VII,
104 D): Adducti sunt igitur parvuli ad Jesum et ille imposuit
illis manus, sacri corporis contactu virtutem oecultam
infundens puellis, ob simplicem parentum fidem.
5) Es ist für die Ideengeschichte der Sentimentalität
im abendländischen Kulturkreise nicht ohne Bedeutung, daß es nach
Erasmus die Initiationsriten der Mönchsweihe sind, die die
Tränenströme der Zuschauer hervorbrechen lassen. Wieviel
rührender aber ist die Konfirmation, wirksamer noch als die
geistlichen Schauspiele, die das Mittelalter in seinen Kirchen
feierte! Hier übergibt man sich nicht einem Ordensheiligen wie
Benedikt oder Franz; hier empfängt man die Weihe zum
Laienchristentums und tritt unmittelbar in den Dienst des
höchsten Königs. Welch wundersames Schauspiel, die
Jünglingsscharen der schlechten Welt mit ihren Lüsten absagen zu
hören und von neuem das weiße Unschuldsgewand, das sie in der
Taufe empfangen haben, anziehen zu sehen! (Augustin I, XXVII f. =
Cler. VII, S. VI Schluß von Abs. 2).
6) Dabei liegt auf dem Bewußtwerden der
Taufgnade der Hauptnachdruck. Erst dadurch kann sie wirksam
werden (gegen Bedda, Cler. IX, 558 D/E): Posteaquam autem ventum
est ad aetatem adultam, quid refert esse baptizatum, si
nesciat quid sit baptismus, aut quae sit professio hominis
Christiani? Atqui hoc baptizatorum hominum genere Mundus est
plenus, praesertim in agris. Horum saluti velle consulere
pietatis est, non temeritatis. In diesem Sinne ist dann die
erasmische Konfirmation eine „instauratio quaedam et
repraesentatio pristini baptismi”, ähnlich wie die tägliche
Besprengung mit Weihwasser eine Tauferinnerung darstellt
(Augustin I, XXVIII = Cler. VII, S. VI Anfang von Abs. 3).
Genau so wichtig aber wie die bewußte Bejahung des Inhaltes des
Taufbekenntnisses ist die willentliche Bindung an die
darin gegebene sittliche Norm. Hier liegt die zweite Bedeutung
der Erneuerung des Taufgelübdes in der erasmischen Konfirmation;
erst so schafft sie wirklich die ➝
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Verantwortung, die mit dem Empfang des Taufsakraments von Eltern und Kindern übernommen wird, ist aufs stärkste hervorgehoben7).
So ist für Erasmus der pädagogische Nutzen das entscheidende Motiv, das ihn zu seinem Konfirmationsvorschlag bestimmt. Es handelt sich für ihn um eine katechetische, nicht um eine sakramentale Handlung. Von ihrer Einführung verspricht er sich die Erneuerung des Katechumenats. Maßgebend ist
➝ Gemeinde der wahren Christen (Cler. IX, 1061 A/B; in der
Verteidigung gegen die spanischen Mönche): Ut paucis rem
absolvam, Christiani generali nomine dicuntur, quicunque
baptizati sunt, ut haec vox complectatur etiam haereticos et
apostatas et parricidas; sed vere Christiani sunt, qui
sacramento respondent innovatione vitae.
Freilich werden diese subjektiven Elemente des
Konfirmationsgelübdes immer wieder überschattet durch die
objektiv-sakramentale Bedeutung der erasmischen Konfirmation:
a.a.O. 1061 C: Non igitur hic quaeritur, an puer baptizatus sit
vere Christianus, sed confertur initium hoc ad reliquos gradus.
Quod si puero baptizato nihil potest accedere, cur post
instituitur aliisque sacramentis munitur ad perfectum
Christianismum? 1061 D: In adultis autem baptismus non est
perfectus Christianismus, nisi praeter baptismum accipiant
sacramenti gratiam, sed initium ac rudimentum Christianismi. Man
gewahrt hier übrigens, daß die Kritik des Erasmus an der
herkömmlichen Taufpraxis der Kirche sich auf scholastischen
Voraussetzungen aufbaut, von der der Wiedertäufer also
grundsätzlich geschieden ist. Dementsprechend wäre es falsch,
seinen Konfirmationsentwurf aus täuferischen Einflüssen zu
erklären.
Intellektualistisch-moralistisches und sakramentales Verständnis
der Taufe sind bei Erasmus keine Gegensätze, sondern verbinden
sich für ihn in der Tatsache, daß die sakramentale Gnade nur dort
wirksam ist, wo sie verstanden und in Willensimpulse umgesetzt
wird (vgl. im Blick auf Taufe und Konfirmation a.a.O. 1061 f.).
Insofern ist seine Konfirmation eine Reformfirmelung.
Entscheidend ist für ihn jedoch niemals das sakramentale
Zeremoniell, sondern der katechetische Akt und seine Folgen.
Erasmus ist der Begründer der katechetischen
Konfirmation; und wer sie für eine notwendige kirchliche
Handlung hält oder an ihr Kritik übt, muß sich mit dem großen
Humanisten auseinandersetzen. Das überlieferte
Firmelungssakrament nimmt er zum Anlaß, ihre Einführung zu
erzwingen. So lautet sein letztes zusammenfassendes Wort in der
Konfirmationsfrage a.a.O. 1062 A B: Non enim nec illic nec usquam
agitur de iterando baptismo, quae cogitatio mihi ne per somnium
quidem unquam venit in mentem, sed de catechismo renovando vel
faciendo potius. Nam infantes hodie sine vero catechismo
baptizantur. — Nec tamen haec doceo, sed propono Episcopis et
Pastoribus consideranda, an haec aut simile quippiam expediat
fieri. Catechismus est necessarius; si qua commodior est
ratio, sit admonitio mea somnium.
7) In der Tat erwartete Erasmus die Wiederherstellung
des ursprünglichen Christentums im Sinne des Renaissanceideals
von der Einführung seiner Konfirmation: Quid enim sunt humanae
professiones nisi simulachra quaedam huius sanctissimae
professionis, hoc est, revocamenta quaedam christianismi
prolapsi ad mundum?" (Augustin I, XXVII = Cler. VII, S. VI
Abs. 2). (Ein neues Geschlecht von Christen entsteht (Augustin I,
XXVIII = Cler. VII, S. VI, Schluß von Abs. 2): Haec si fierent
quemadmodum oporteret, aut ego fallor aut haberemus aliquanto
sinceriores christianos quam habemus. A. a. O. XXIX (= Cler. VII,
S. VI unten); Huiusmodi rudimentis qui fuerint instituti, non
venient omnino rudes ad lectionem sacrorum voluminum. Nunc multi
sunt quinquagenarii, qui nesciant quid voverint in baptismo, qui
ne somniarint quidem, quid sibi velint articuli fidei, quid
precatio dominica, quid ecclesiae sacramenta. ➝
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ihm dafür das Beispiel der Alten Kirche,8) deren missionarische Kraft er ihren pädagogischen Bemühungen zuschreibt. Dieselben Wirkungen erwartet auch er von der Unterweisung in der christlichen Philosophie durch die Wiederaufrichtung der christlichen Katechese.
Das Lehrbekenntnis bildet für ihn den Mittelpunkt derselben. Die Rezitation des Apostolikums genügt ihm dafür ebenso wie dem ganzen 16. Jahrhundert. Den Verdacht ernst zu nehmen, es könne hinter ihr jemand seine innere Ablehnung heuchlerisch verbergen, dazu war die Zeit seelisch noch nicht differenziert genug. Dagegen gehören für Erasmus alle sakramentalen Gebräuche des überlieferten Firmelungsritus eigentlich nicht zur
➝ Hoc ita esse saepenumero deprehendimus, vel ex
familiaribus colloquiis vel ex arcanis confessionibus. Sed hoc
magis deplorandum, quod plerique sacerdotes huismodi sumus, ut
nunquam serio cogitaverimus quid sit esse vere christianum.
In der Verteidigung gegen die Ketzerrichterei der Sorbonne betont
Erasmus den kirchlichen Nutzen der von ihm vorgeschlagenen
pädagogischen Maßnahme. Sie wird sich wirksamer erweisen als die
gewaltsame Strenge, mit der man vonseiten der Inquisition den
kirchlichen Abfall unterdrücken will (Cler. IX, 821 B): Sperabam
autem, si Praesulum auctoritate renovaretur catechismus in
adultis, et post cognitam Euangelicam philosophiam renovaretur
professio, fore ut plures haberet Ecclesia germaneque vereque
Christianos. Id autem videbatur melius successurum, si ducerentur
homines magis quam cogerentur. Fides enim persuaderi gaudet
potius quam compelli. Ad haec sperabam Catechistarum vigilantia
adiuvante Christo nullos aut certe quam paucissimos fore qui
resilirent, de quibus expendendum proponebam, an expediret non
statim tradere externo iudici, sed monitis, hortatibus, pudore ac
remediis pro Christiana charitate lenioribus provocare, donec ex
animo profiterentur. Nec interim essent liberi a severitate legum
prineipalium, si aut blasphemias evomerent in Christum aut alios
ad defectionem sollicitarent aut nostram Religionem petulantius
incesserent. Postremo non disputabam de tollenda lege, sed de
moderando legis usu.
Man sieht: die in der christlichen Konfirmation gipfelnde
kirchliche Unterweisung foll an die Stelle des bisherigen
Inquisitionsverfahrens treten; den äußerlichen Schutz des
Christentums soll der Staat übernehmen. Die Differenz zwischen
Erasmus und seinen Gegnern liegt in der Frage beschlossen, wie
weit die von ihm empfohlene pädagogische Milde eine kirchliche
Zucht noch möglich mache: auch von humanistischer Seite stößt man
im Zusammenhang mit der Konfirmation auf das Problem der
Kirchenzucht.
Erst die pädagogische Maßnahmen, die in der Konfirmationshandlung
gipfeln verleihen der Taufe ihre rechte Wirkung (gegen Bedda,
Cler. IX, 559 B), Si docentur baptizandi, multo diligentius
docendi sunt qui baptismum hoc aetatis acceperunt, quo nondum
erant dociles, ne baptismus illis cedat in cumulum damnationis.
Vgl. das Zitat oben S. 47 Anm. 6, Abs. 1.
Darum schlägt Erasmus folgende liturgische Anrede an die
Konfirmanden vor (Cler. IX, 560 A): Baptismus semel datus non
iteratur, sed ceremoniis his reducimus vobis in memoriam ut
intelligatis, quid sit actum in baptismo et quid illa sibi
velint. Proficite in his rudimentis fidei, quae didicistis,
nolite denuo pollui vitiis, quae semel in baptismo condonata
sunt, servate vestem animae candidam, ut ex tironibus facti
robusti milites Christi perveniatis ad acternae vitae
triumphum.
8) Vgl. S. 45 Anm. 3, Abs. 1.
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Sache. Wo man daher später in der lutherischen Kirche sowohl wie in der reformierten bloß bei einer katechetischen Konfirmation stehen blieb, ist man mit keinem Schritt über die von Erasmus aufgezeichneten Rahmen hinausgekommen.
Wie sind nun seine Vorschläge historisch zu beurteilen? Sie sind der typische Ausdruck für jenes erasmische Übergangschristentum, das sowohl nach der Reformation wie nach der Aufklärung hinüberzuschillern vermochte; das stolz darauf war, den Bruch mit dem Sakramentalismus der Vergangenheit vollzogen zu haben, ohne ihn jedoch innerlich überwinden zu können. Die christliche Philosophie des großen Gelehrten wehrt ich gegen ein Christentum, das, unwissend und unsittlich in sich selbst, sich bloß auf den rituellen Vollzug äußerer Handlungen stützt. Der Kenner antiker Frömmigkeit will dem Christentum seiner Zeit apostolische Reinheit und die Überzeugungskraft der urchristlichen Märtyrer wiedergewinnen. Der moderne Mensch in Erasmus erstrebt ein persönliches Christentum in freier Entscheidung und eigener Verantwortung. Der christliche Pädagoge will die Grundwahrheiten seines Glaubens tief in die Herzen des Volkes einpflanzen und so den Unterschied zwischen Priestern und Laien überbrücken; zur Kirche gehören für ihn nur die — und zwar unterschiedslos alle —, die die Wahrheiten des christlichen Glaubens aus persönlicher Überzeugung bekennen.
Die inneren Schwierigkeiten, die damit das Konfirmationsprogramm des Erasmus bedrängen, sind offenbar. Und er war groß genug, sie selbst offen zuzugeben. Er hat damit seinen Gegnern die Waffen in die Hand gedrückt, die gegen ihn zu schwingen sie nicht verfehlt haben. Wer sie heute in die Hand nimmt, muß nur wissen, gegen wen er sie zu richten hat.
Die Hauptschwierigkeit lag in dem unklaren Verhältnis der neuen Handlung zu den kirchlichen Sakramenten, besonders der Taufe. Die Scholastik hatte hier die beiderseitigen Gnadenwirkungen klar gegeneinander abgegrenzt. Erasmus dagegen hatte der Firmelung den Sakramentscharakter genommen und ihre Wirkung ausschließlich in die Seele des Menschen verlegt, sie von seiner Erkenntnis und seinem Willen abhängig gemacht. Hoben dieselben Argumente nicht auch die sakramentale Heilsbedeutung der Taufe auf? War die Erneuerung des Taufbekenntnisses, die Erasmus vorschlug, nicht im Grunde eine Wiederholung des Taufsakramentes? Und zwar eine Wiederholung, bei der dessen eigentliche Wirkung nachgeholt wurde? Denn was bedeutete eine bloßer Vollzug des Taufritus ohne persönliches Bekenntnis des Täuflings? Blieb die stellvertretende Ablegung des Gelübdes nicht unvollständig? War seine feierliche persönliche Wiederholung nicht die eigentliche, die richtige Taufe? Erasmus ein heimlicher Bundesgenosse der Täufersekte, seine Konfirmation ein Ersatz der Kindertaufe — es bedarf nicht des Scharfsinns rückschauender Historiker, solche Verdächtigungen auszusprechen. Die
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zeitgenössischen altgläubigen Gegner des Erasmus waren klug genug, sich diese Möglichkeit der Polemik nicht entgehen zu lassen. Und er konnte sich nur schwer dagegen verteidigen. Zu sehr ist er — zwar nicht in den Einzelheiten seiner dogmatischen Anschauung von der Taufe, aber in seinem allgemeinen Lebensgefühl — mit dem Moralismus verwandt, der auch die Religiosität der persönlichen Überzeugung bei den Täufern kennzeichnet.9)
Und war er nicht ein sektiererhafter Wiedertäufer, so war er zum mindesten ein Beförderer des Schismas in der Kirche. Denn was geschah mit dem, der sich weigerte, sein Taufbekenntnis vor der gesamten Gemeinde zu wiederholen? Würde man ihn mit Gewalt dazu zwingen, so würde man der ganzen Handlung ihren Sinn rauben. Ließe man
9) Alle altgläubigen Gegner des Erasmus haben
an diesem Punkte sein Konfirmationsprogramm angegriffen; und man
kann nicht sagen, daß er ihre Vorwürfe zu entkräften vermocht
hätte. Man kann zu seiner Entschuldigung nur anführen, daß er sie
vorausgesehen hat, und daß sie unmittelbar in den Voraussetzungen
seiner philosophia christiana begründet liegen. Die Religion der
persönlichen Überzeugung steht gegen die Frömmigkeit, der die
durch das Sakrament gestiftete Gemeinschaft eine Vorgegebenheit
des Glaubens bedeutet.
Schon in der Matthäusparaphrase (Augustin I, XXVIII = Cler. VII,
S. VI) verwahrt er sich gegen den Vorwurf, er wolle eine
Wiederholung des Taufsakramentes einführen und nennt dagegen die
von ihm vorgeschlagene Konfirmationshandlung eine instauratio
quaedam et repraesentatio pristini baptismi.
Er kann sich dabei auf die scholastische Wertung der Taufe
berufen, die in ihr nur die Eingangspforte zu den übrigen
sakramentalen Gnaden erblickte. Vgl. die Zitate S. 48 Anm. 6,
Abs. 3. Die Kindertaufe eröffnet daher nur den Frühverstorbenen
den Weg zur himmlischen Seligkeit (a.a.O. 1061 E); wer aber sich
als Erwachsener nicht aufgrund eigener Erkenntnis und
persönlicher Willensentscheidung in die Nachfolge Christi begibt,
ist kein Christ (a.a.O. 1061 E): Qui baptizatus est absque
gratiae perceptione, aut qui eam mala vita perdiderunt, titulo et
sacramento Christiani sunt, sed vere Christiani non sunt, quia
nec discipuli sunt Christi nec ab illo possidentur, sed a
Satana.
Wenn darum Erasmus den Mitgliedern der Sorbonne (Cler. IX, 820
f.) versichert: „Nunquam dubitavi quin infantes baptizati
pertinerent ad Corpus Ecclesiae”, so ist das nur mit der
Einschränkung richtig, daß er hier unter der Kirche
ausschließlich die sakramentale Rechtsgemeinschaft meinte, deren
religiösem Wert er mit vollendeter Skepsis gegenüberstand.
Deutlicher gibt er dann 1528 seine wahre Meinung den spanischen
Mönchen gegenüber zu erkennen, indem er (IX, 1061 A B) erklärt:
„Christiani generali nomine dicuntur, quicunque baptizati sunt,
ut haec vox complectatur etiam haereticos et apostatas et
parricidas; sed vere Christiani sunt qui sacramento respondent
innovatione vitae.”
Wahre und falsche Kirche stehen einander gegenüber. Die Taufe
kann auch den Eintritt in die falsche bedeuten; die Konfirmation
als Entschluß zur Lebenserneuerung aufgrund der empfangenen
Taufgnade besiegelt den Eintritt in die wahre Kirche. Wie nahe
berührt sich Erasmus in seiner Lehre von der Konfirmation von
seinen ganz anderen Voraussetzungen aus mit der täuferischen
Lehre und Praxis! So unmöglich es ist, dieses
Konfirmationsprogramm aus täuferischen Einflüssen zu erklären, so
naheliegend mußte es später angesichts der Wiedertäufergefahr für
einen Erasmusschüler sein, ihr durch die Verwirklichung jenes
Programmes zu begegnen.
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ihn gewähren, so würden zwei Klassen von Christen entstehen: solche, die ihr Taufbekenntnis erneuert hatten, und solche, die bloß getauft waren. Und die Kirche war machtlos, diesen Zwiespalt zu heilen. Wenn sie das Bekennen der Freiwilligkeit überließ, zerstörte sie selbst ihr Gefüge, begab sie sich ihres Anspruchs auf alle Getauften, auf der ihre Weltherrschaft im Mittelalter beruht hatte, entließ sie gerade die aus ihrer Gehorsamsverpflichtung, die am engsten an sie gebunden werden mußten.
In der Konfirmationsfrage erfolgt der konkrete Zusammenstoß zwischen dem modernen Menschen Erasmus und dem mittelalterlichen Zwangschristentum. Er sucht ihm freilich aus dem Wege zu gehen, indem er seinerseits Kirchenzuchtmaßnahmen vorschlägt gegen die, die die Erneuerung des Taufbekenntnisses verweigern. Aber auch jetzt muß er jeden Glaubenszwang ablehnen. Einzig von den Sakramenten sollen sie ausgeschlossen werden. Zur Predigt indessen sollen sie erst recht geführt werden, damit eindringliche Belehrung sie doch noch bekehre. Seiner christlichen Philosophie traut Erasmus die Kraft zu, die Kluft, die das Freiwilligkeitsprinzip in der Kirche aufreißt, wieder zu schließen, die ihr Widerstrebenden innerlich zu überwinden.10)
10) Auch in diesem Punkte hat Erasmus den
kommenden Widerstand klar vorausgesehen und ihn noch ernster
gewertet als den in der Tauffrage, die ganze Kirchenzuchtstelle
in den späteren Auflagen der Paraphrasen darum auch weggelassen
(vgl. Cler. IX, 1060 B/C). Schon in der ersten Auflage der
Matthäusparaphrase (Augustin I, XXVIII = Cler. VII, S. VI, Abs.
3) setzte er sich mit der Möglichkeit auseinander, daß sich Leute
weigern, das bei ihrer Taufe von ihren Paten abgelegte Bekenntnis
bei ihrer Konfirmation sich ihrerseits zu eigen zu machen. In
seiner grundsätzlichen Einstellung zu dieser Möglichkeit ist er
sich allezeit gleichgeblieben. Sie schließt ein Dreifaches ein:
1) Jede Gewalt muß ausgeschlossen bleiben. 2) Nur ein
zeitweiliger Ausschluß von den Sakramenten kommt in Frage. 3)
Inzwischen wird die „christliche Philosophie” ihre Wirkung schon
tun. Ich setze die entscheiden Stelle hierher: Posterioris
difficilior est solutio. Sed omnia tentanda sunt, ne quis
resiliat a prima fide. Quod si non potest obtineri, fortassis
expediet illum non cogi, sed suo relinqui animo, donec
resipiscat, nec ad aliam interim vocari poenam, nisi ut ab
eucharistia sumenda reliquisque sacramentis arceatur. Caeterum
nec a sacris nec a concionibus excludatur. Atque etiam libellos
de philosophia christiana conscriptos passim circumferri velim,
in quibus purus ille Christus depictus sit; non ceremoniis
iudaicis, non commentis aut decretis hominum obnubilatus, denique
non tetricus et asper, sed ut est blandus et amabilis. Huiusmodi
rudimentis qui fuerint instituti, non venient omnino rudes ad
lectionem sacrorum voluminum.
Zu 1) Im Vordergrunde steht dabei die Wertung des Christentums
als einer Sache freier persönlicher Überzeugung und Entscheidung
nach dem gegen Bedda formulierten Grundsatz (Cler. IX, 562 E):
Fides enim persuasio est, cogi non potest nec debet. Unter diesem
Gesichtspunkt ist jeder Unterschied zwischen einem Ungetauften
und einem unwissenden oder unsittlichen Getauften hinfällig, die
freiwillige Übernahme der erasmischen Konfirmationsverpflichtung
indessen notwendig (a.a.O.): Iam quid interest inter eum qui
baptismo renatus non est et eum qui tinetus infans nihil credit
eorum quae tradentur in Symbolo, necque quicquam servat eorum
quae susceptores ipsius nomine sint professi? Uterque coram Deo
aeque profanus est, nisi quod huic resipiscenti non est opus
altero lavacro nisi Spiritus. ➝
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Damit greift schon bei Erasmus die Frage der Kirchenzucht in das Konfirmationsproblem ein. Aber ihre Lösung ist anders, als wir sie bei Luther fanden. Gewiß, beide kennen nur den Ausschluß vom Sakrament als äußerste Zuchtmaßnahme. Aber was bei Luther eine Forderung seelsorgerlicher Liebe ist, gemessen an der Heiligkeit des Sakramentes, ist bei Erasmus eine rein äußerliche Strafmaßnahme. Ein innerer Zusammenhang zwischen Abendmahl und Zucht besteht ebensowenig wie zwischen Zucht und Konfirmationsgelübde. Eine kirchliche Ehrenstrafe soll die Ableitung der Taufbundserneuerung erzwingen. Die philosophia christiana reicht offenbar doch nicht aus, die bedrohte christliche Einheit zu sichern; kluges pädagogisches Handeln muß ihr zu Hilfe kommen. Der ganze Optimismus des beginnenden Zeitalters rationaler Pädagogik steht hinter dem erasmischen Konfirmationsprogramm.
➝ Freilich billigt Erasmus in der Auseinandersetzung mit
der Sorbonne der Kirche das Recht zu, Maßnahmen gegen die vom
Taufglauben Abgefallenen zu ergreifen (Cler. IX, 820 f. 822 A B).
Er will nicht, daß die Einheit der christlichen Welt, die auf
jenem Glauben beruht, aufgehoben werde; den weltlichen
Machthabern hat er durchaus das Recht und die Pflicht zugewiesen,
mit der Schärfe des Schwertes gegen die Ketzer einzuschreiten
(vgl. a.a.O. 904 ff. de poena haereticorum). Nur die Diener der
Kirche sollen sich als Nachfolger der Apostel nicht mit
Gewaltmaßnahmen beflecken. Wenn der allgemeine Taufzwang —
Erasmus denkt nicht daran, ihn anzutasten — ein Recht der Kirche
auf die Seelen begründet, so ist es doch nur ein moralisches; sie
durch gütige Belehrung zur Erkenntnis dessen zu bringen, was
ihnen ihm Zusammenhang mit ihrer Taufe in ihrem Christenstande
geschenkt ist, und in ihnen den Willen zu erwecken, sich dieser
Gaben würdig zu erweisen.
Zu 2) Wer sich aber dessen weigert, sein Konfirmationsgelübde
also nicht ablegt, gegen den hat die Kirche nur eine
moralische Strafe: den Ausschluß von den Sakramenten. Äußere
Gewalt würde nur verstockte Heuchler erzielen, auch den
verborgenen Unglauben nicht treffen, der schon dem Abfall
gleichzusetzen ist. Nicht die Furcht, sondern die Scham soll die
Einheit des Glaubens mit der Kirche wiederherstellen (Cler. IX,
562 E): Nam qui non credunt, iam resilierunt apud Deum. Hi
fortassis et minus inficerent alios et citius ad meliorem mentem
redirent, si semoverentur, quemadmodum semovebantur olim
flagitiosi, contumaces et poenitentes ad tempus; metus enim legum
frequenter hypocritas facit et linguas cohibet verius quam
corrigit animos. Charitas autem leges, quatenus licet, accomodat
ad utilitatem.
Zu 3) So liegt aller Nachdruck auf der frei wirkenden Kraft der
christlichen Philosophie. Weil sie herrscht, darum wird die in
Freiheit geforderte und geleistete Erneuerung des Taufgelübdes
die Christenheit nicht in zwei Völker auseinandersprengen, ein
freiwillig christliches und ein freiwillig heidnisches. Sondern
die Wahrheit der christlichen Philosophie wird auch die
widerstrebenden Herzen erobern und alles Getrennte zu einer
schönen Einheit der Christenheit zusammenbinden. Darum muß der
Ausschluß von den Sakramenten von desto treuerem Hören der
Predigt und eifrigerer Beschäftigung mit den Quellen der
christlichen Philosophie begleitet sein, damit bei allen spontan
die Wiederholung des Taufbekenntnisses erfolgen und dadurch der
Anfang der Erneuerung der christlichen Kirche gemacht werden
kann.
Die Richtigkeit der erasmischen Konfirmation hängt ab von der
Wahrheit und Wirkungskraft der philosophia christiana. Es ist
klar, daß der Optimismus des großen Humanisten von dieser Macht
überzeugt war. Aber es ist ebenso klar, ➝
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Und doch wäre es ohne dasselbe wohl schwerlich zu einer evangelischen Konfirmation gekommen. In der positiven Auseinandersetzung mit ihm lag und liegt das Moment weiteren Fortschrittes in der Konfirmationsfrage.
Was hat Luther dazu beitragen können? Direkt nur wenig. Immerhin sind seine zerstreuten Äußerungen über das katholische Sakrament der Firmelung nicht nur negativ zu werten, sondern enthalten auch Richtlinien zum evangelischen Verständnis der Konfirmation. Noch mehr aber weisen uns, wie wir sehen werden, seine Gedanken über Abendmahlszucht in diese Richtung.
Noch in der Hebräerbriefvorlesung von 1517/18 erwähnt Luther die katholische Firmelung ohne eine Spur von Kritik.11) Damit tritt er zuerst 1520 hervor, in der Schrift von der babylonischen Gefangenschaft der Kirche. Hier wird der Firmelung der Charakter eines Sakramentes bestritten. Sie ist nicht ausdrücklich von Christus eingesetzt; es fehlt ihr also das göttliche Verheißungswort, auf das der Glaube sich berufen könnte.12) Noch schärfer wird dieser Gegensatz 1522 hervorgekehrt. Da
➝ daß die, die eine andere Anschauung vom Christentum
hatten, auf diese Form der Konfirmation nicht eingehen konnten.
Als einen Weg, das Christentum in Europa abzuschaffen („impium
est et in perniciem vergit fldelium, viam aperiens abolendae
Christianae religioni”), hatte das Gutachten der Sorbonne sie
bezeichnet. Und der Scharfblick der Gegner hatte einen
entscheidenden Punkt richtig erkannt: wurde diese Konfirmation
eingeführt, so war die Einheit der Christenheit aufgehoben, dem
Abfall Tür und Tor geöffnet, falls nicht die christliche
Philosophie des Humanismus die innere Gewalt besaß, die Herzen
aller an sich zu fesseln. Insofern diese Hoffnung niemals dem
Glauben der Reformation entsprechen kann, ist auch die Einführung
jenes Konfirmationsprogrammes auf dem Boden reformatorischen
Christentums als verhängnisvoll anzusprechen. Mochten auch die
kirchlichen und pädagogischen Notwendigkeiten des 16.
Jahrhunderts jenes Programm eine zeitlang begünstigen — die
heutige Lage des Christentums und seiner Pädagogik widerstreitet
seinen tiefsten Tendenzen. Und es wird Zeit, daß daraus die
Folgerungen gezogen werden!
11) Schol. zu Hebr. 6 1, Ficker II, S. 66 =
Hirsch-Rückert S. 185. Beachte dabei die enge Verbindung, in der
Luther hier die als Sakrament gewertete Konfirmation, zusammen
mit Taufe und traditio symboli, sieht. Auch das Chrysostomuszitat
zeigt, daß Luther sich seine Anschauung von diesen Dingen von
Anfang an unter dem Einfluß des christlichen Altertums gebildet
hat. Darin liegt für ihn ein wichtiger Berührungspunkt mit dem
zeitgenössischen christlichen Humanismus.
12) WA 6, 549 21: Mirum est, quid in mentem
illis venerit, ut sacramentum confirmationis facerent ex
impositione manuum, qua legimus Christum parvulos tetigisse,
Apostolos dedisse spiritum sanctum, ordinasse presbyteros et
infirmos curasse . . . . . Si autem sacramentum est, quicquid,
Apostoli fecerunt, cur non magis praedicationem fecerunt
sacramentum? — 550 7: Nos autem pro hac vice
sacramenta divinitus instituta quaerimus, inter quae ut
Confirmationem numeremus, nullam invenimus causam. Ad sacramenti
enim Constitutionem ante omnia requiritur verbum divinae
promissionis, quo fides exerceatur. At nihil legimus Christum
uspiam de confirmatione promisisse, licet ipse multis imposuerit
manus et Marci ult. inter signa ponat ,Manus egris imponent et
bene habebunt', at haec nemo sacramento, sicut nec potest,
aptavit.
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erscheint sie als ein „Menschensündlein”, „ein rechter Lügenstand”; ja es fällt das Wort vom „Affenspiel der Firmelung”, das dann in der Interimszeit die strengen Lutheraner aufgegriffen und lange wiederholt haben.13)
Aber man darf diese negativen Äußerungen nicht isoliert betrachten. Schon in der Schrift von der babylonischen Gefangenschaft gibt Luther dem Wunsche nach einer evangelischen Konfirmation Ausdruck. Er nennt sie eine cerimonia sacramentalis, wählt also denselben Namen dafür, der der Kasseler Kirchenordnung den Vorwurf des Katholisierens eingetragen hat, und den wir auch bei Erasmus gefunden haben. Nach 1. Tim. 4, 5 sieht er darin eine Weihehandlung, bei der durch Wort Gottes und Gebet das Natürliche geheiligt wird. Und als äußeres Zeichen dafür wünscht er die Wiedereinführung der Handauflegung als einer schon zur Zeit der Apostel gebräuchlichen Segenshandlung.14) Schon in der Hebräerbriefvorlesung
13) Vom ehelich Leben WA 10 II, 282
15 ff.: „Sonderlich aber meyde das affen spiel der
fermelung, welchs eyn rechter lügen thand ist. Ich laß zu, das
man fermele, ßo fern das man wisse, das gott nicht davon gesagt
hatt, auch nichts darumb wisse, und das es erlogen sey, was die
Bischoffe darinnen fur geben. Sie spotten unßers gottis, sagen,
es sey eyn Sacreament gottis, und ist doch eygen menschen
sundle.” Zum richtigen Verständnis dieser Stelle ist wichtig zu
wissen, daß sich die Schärfe ihrer Polemik dagegen richtet, daß
aus dem sakramentalen Charakter der römischen Firmelung Grade
geistlicher Verwandtschaft als Ehehindernisse hergeleitet
wurden.
14) WA 6, 549 31: Atque utinam esset in
Ecclesia talis manuum impositio, qualis erat Apostolorum tempore,
sive eam confirmationem sive curationem appellare vellemus. Es
folgen Klagen über den gegenwärtigen Verfall dieser kirchlichen
Handlung, speziell ihre völlige Beschlagnahme durch die Bischöfe
und der nochmalige Nachweis, daß ihr die göttliche Verheißung
fehle, sie also kein Sakrament sei. Ihre Wiederherstellung muß
also allen diesen Umständen Rechnung tragen (550 14):
Quare satis est pro ritu quodam Ecclesiastico seu cerimonia
sacramentali confirmationem habere, similem caeteris cerimoniis
consecrandae aquae, aliarumque rerum. Nam si omnis alia creatura
sanctificatur per verbum et orationem, cur non multo magis
hominem liceat sanctificari eisdem, quae tamen, quia promissionem
divinam non habent, sacramenta fidei dici non possunt. In dieser
Wertung der Konfirmation als „sakramentaler Zeremonie” ist nicht
nur dem Namen (vgl. oben S. 45 zu Anm. 2), sondern auch der Sache
nach die größtmögliche Annäherung zwischen Luther und Erasmus
erreicht. Und doch, welch tiefer Unterschied in der Art, wie sie
das gleiche altkirchliche Gut aufnehmen und prägen! Bei Erasmus
liegt aller Nachdruck auf der freien Willensentscheidung des zu
Konfirmierenden, bei Luther ist dieser der Gegenstand einer
Segenshandlung, der gläubigen Fürbitte der Kirche. Was Luther an
die Stelle der katholischen Firmelung gesetzt haben will, ist ein
objektives Geschehen, das sich zwar nicht auf eine besondere
Verheißung, sondern auf die allgemeine gründet, die jedem
christlichen Gebet gegeben ist. Wir haben hier das eine
Grundelement der lutherischen Konfirmation vor uns; es schließt
ein objektives göttliches Gnadenhandeln in sich, aber es ist
nicht sakramental im mittelalterlichen Sinne.
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hatte er in ihr das äußere Zeichen der Sündenvergebung erblickt.15)
Noch positiver lautet eine Predigtäußerung vom März 1523, also aus derselben Zeit, in der das Abendmahlsverhör proklamiert wurde. Auch hier denkt Luther an eine Segenshandlung, bei der die gläubige Fürbitte der Gemeinde im Vordergrund steht. Unter dieser Voraussetzung könnte er u.U. sogar die Ölsalbung ertragen. Aber schließlich bleibt es doch bei der Handauflegung als dem eigentlichen Konfirmationsritus. Als äußeres Zeichen der Sündenvergebung bezeugt sie zugleich, daß bei dem Jugendlichen der rechte Fiduzialglauben vorhanden ist.16)
So rückt hier die Segenshandlung der Konfirmation in enge Verbindung mit Abendmahlsverhör, Beichte und Absolution, also mit der seelsorgerlichen lutherischen Kirchenzucht. So gibt uns Luther selbst die Berechtigung, seine klassischen Ausführungen über die Abendmahlsvorbereitung aus der Formula missae et communionis von 1523 in unsern Zusammenhang einzubeziehen. Wenn er da die Möglichkeit zugibt, daß das Abendmahlsverhör nicht bloß in alljährlicher Wiederholung, sondern einmal für das ganze Leben gehalten werden könne, so denkt er dabei doch wohl an den ersten Empfang des evangelischen Abendmahls und bietet damit den Ansatzpunkt
15) Glosse zu Hebr. 6 4, Ficker I S.
24 = Hirsch-Rückert S. 33: experti sunt remissionem peccatorum
seu fiduciam bonae conscientiae, quod fit per impositionem
manuum. Luthers Anschauung vom Wesen der Handauflegung ist aus
der Absolution erwachsen, über deren Charakter als Sakrament auf
dem Boden der lutherischen Reformation bekanntlich zunächst die
Zeugnisse nicht übereinstimmen. Auch Luthers Auffassung von der
Geistmitteilung ist immer an der Tatsache der Sündenvergebung
ausgerichtet. Darin liegt für ihn — im Gegensatz gegen die Täufer
— der eigentliche Sinn der Kindersegnung nach Matth. 19
13-15 (WA 46, 327 41 ff.; aus einer Predigt
von 1537): „Höre du allhier, es gebüret deiner Vernunfft nicht
nach deiner vermessenheit zu richten, wie Christus sie segne und
ihnen den Heiligen Geist gebe. Ehr will sich nicht meistern
lassen.” Wie viel massiver und rationalistischer ist doch die
Vorstellung von der Segensübertragung bei Erasmus; vgl. oben S.
46 f. Anm. 4. Rein rechtlich und darum wohl nicht von Luther
stammend is die Anschauung von der Handauflegung im
Genesiskommentar zu Gen. 48 13 (WA 44, 695
19).
16) WA 11, 66. Für Luther ist auch für die
Krankensalbung nach Mark. 6 13 das fürbittende Gebet
die Hauptsache: Si ergo vis inungi, fac ut oratio fiat pro te, et
si ab fidelibus, certum est quod sanus fias. Confirmatio, ut
volunt Episcopi, non curanda, sed tamen quisque pastor posset
scrutari a pueris fidem, quae si bona et germana esset, ut
imponeret manus et confirmaret, non improbamus. Sollte hiermit
Luther zu den erasmischen Anregungen aus der Matthäusparaphrase
Stellung nehmen, so hat er sie jedenfalls charakteristisch
umgestaltet. Er stellt sie unter den Gesichtspunkt der
Vorbereitung zum ersten Abendmahlsempfang und der Herstellung der
Abendmahlszucht. In der dafür notwendigen Erforschung des
persönlichen Heilsglaubens liegt das subjektive Element
der lutherischen Konfirmation (vgl. oben S. 55 Amn. 14). In der
Handauflegung liegt das Bindeglied für beide Elemente, die
dadurch zu einer Handlung zusammengeschlossen werden
können.
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für die evangelische Konfirmation.17) Sie steht in engster Verbindung mit Luthers Einführung der Abendmahlszucht.
Erasmus war dafür von Taufe und Taufbekenntnis ausgegangen; Luther geht aus von Beichtbekenntnis und Abendmahl. Beide Wege treffen zusammen und laufen von da ab gemeinsam. Und an der Stelle, wo das geschieht, steht die von Butzer in Hessen eingeführte Konfirmation. Sie liegt genau in der Mitte zwischen Erasmus und Luther, in der Mitte zwischen Taufe und Abendmahl.
Die Vereinigung der beiden Auffassungen, die 1538 in Hessen erfolgt ist, hat sich in allmählicher Entwicklung vollzogen. Deren Hauptetappen sollen jetzt aufgezeichnet werden. Sie liegen ausschließlich auf dem erasmischen Wege, der immer näher an den lutherischen Standpunkt herangeführt wird, ohne jenen ganz zu verlassen und diesen völlig zu erreichen.18)
Das Konfirmationsprogramm des Erasmus hat in der Bewegung der Reformation fortgewirkt. Sein katechetisches Anliegen berührt sich mit deren evangelistischen und volkspädagogischen Tendenzen. Aber es gewinnt mit der reformatorischen Anschauung vom Heil zugleich ein neues Ziel. Aus der philosophia christiana wird die Botschaft von der Rechtfertigung des Sünders vor Gott. An die Stelle weisheitsvoller pädagogischer Belehrung tritt der Unterricht im Wort des göttlichen Gesetzes und der göttlichen Gnade. An die Stelle des humanistischen tritt das reformatorische Wortverständnis. Dadurch gewinnt die katechetische Konfirmation eine neue Bedeutung, einen tieferen Sinn.
Er tritt uns zuerst bei Zwingli entgegen. 1521 in seinen Schlußreden veröffentlichte er seine Kritik an der römischen Firmelung. Einflüsse von Luther und Erasmus her durchkreuzen sich dabei. Von diesem stammt die geschichtliche Begründung der Katechese und ihre Betrachtung im Zusammenhang mit der Entwicklung der Kindertaufe: seitdem diese sich durchgesetzt habe, habe die Kirche einen geordneten Unterricht ihrer getauften Kinder eingerichtet und ihnen dann zur angemessenen Zeit die Wiederholung des Taufbekenntnisses abgefordert.19)
17) WA 12, 215: „Arbitror autem hanc
interrogationem seu explorationem sufficere si semel in anno fiat
cum eo qui petit communicari. Quin poterit tam intelligens esse,
qui petit, ut vel semel in tota vita vel prorsus nunquam
interrogetur. — Über den Zusammenhang der Stelle vgl. oben S. 11,
Schluß von Anm. 11.
18) Es darf dabei nicht außer acht gelassen werden,
daß Luther selbst die zerstreuten Einzeläußerungen, die wir aus
seinen früheren Schriften zusammengestellt haben, nie zu einem
einheitlichen Bilde ausgeformt hat. Am stärksten haben wohl die
Ausführungen von de captivitate Babylonica nachgewirkt, und zwar
stärker in ihrem negativen Teile als in ihrem positiven.
19) Vgl. zum folgenden Zwinglis Sämtliche Werke Bd. II
(= C.R. 89) S. 122 ff. — Zw.’s Ausgangspunkt ist — echt
humanistisch — die Bemühung um den geschichtlichen Ursprung der
katholischen Firmelung im N.T. und bei den alten Kirchenlehrern.
Daraus ergibt sich für ihn als eigentlicher Sinn der ➝
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Aber Zwingli denkt dabei nicht wie Erasmus an eine einmalige, jährlich von immer neuen Jahrgängen wiederholte Handlung, sondern sieht das geschichtliche Vorbild in Zürich schon erfüllt durch ein zweimal jährlich stattfindendes, für alle Kinder immer wieder von neuem verbindliches Katechismusverhör. Hier wird der Fortschritt in der häuslichen Unterweisung durch Eltern und Paten bei den Heranwachsenden öffentlich
➝ Handlung (a.a.O. 122 23), „das die kind, die
den glouben durch vatter und muter oder gotten und göttinen
verjehen hand, mit mit eygnem hertzen oder mund, so sy zu
verstand kämind, den glauben mit eygnem mund verjähind
und syind darumb zu dem priester gfürt, daß sy da im glauben wol
bericht wurdind, unnd nach bericht des glaubens inn offenlich
bekantind vor allen menschen”. Die persönliche Zustimmung
der Konfirmanden zum Taufbekenntnis ist also für Zwingli wie für
Erasmus das leitende Interesse bei ihrem Konfirmationsvorschlag.
Dem gegenüber steht der Versuch einer geschichtlichen Begründung
erst in zweiter Linie. Sie erfolgt nicht quellenmäßig, sondern —
wie oft im 16. Jahrhundert — so, daß man das, was zur eigenen
Anschauung paßt, aus der gegenwärtigen kirchlichen Praxis als
isoliertes Stück herausnimmt und als das geschichtlich
Ursprüngliche ausgibt. So beweist Zwingli die persönliche
glaubensmäßige Zusage als das ursprüngliche Hauptstück der
katholischen Firmelung aus der Tatsache, „das man noch hüt by
tag, ee man firme, predger vom glauben, wo es recht zugat”; oder
es wird auch (123 1) aus einem alten, inzwischen
abgestorbenen, aber vom Hörensagen bekannten Brauch das
geschichtlich Ursprüngliche erschlossen. So sehr man den
methodischen Wert dieser Wendung zur Vergangenheit im Blick auf
die Geschichtswissenschaft der Folgezeit anerkennen mag, so sehr
muß man sich hüten, die Ergebnisse, die die Geschichtsdarstellung
des christlichen Humanismus aufzuweisen hat, ohne weiteres als
geschichtliche Wirklichkeit zu nehmen. Sein Bild von der Kirche
des christlichen Altertums ist ein Wunschbild, aus den Kräften
der eigenen Seele geformt; es kann freilich das Umgekehrte auch
nicht geleugnet werden, daß diese Kräfte auch aus der
christlichen Antike, nicht nur aus der Laienfrömmigkeit des
ausgehenden Mittelalters, ihre Nahrung zogen. Aus der Vermählung
des christlich-antiken Geistes mit der Frömmigkeit des
Spätmittelalters ist der christliche Humanismus entstanden, der
auf Reformation und Gegenreformation so stark eingewirkt hat. Und
wer das Verhältnis jener beiden Urelemente richtig bestimmt, hat
ihn geschichtlich richtig gedeutet.
Die geschichtliche Begründung, die Zwingli seinem
Konfirmationsentwurf gibt, und die in Geist und Methode dem
Humanismus entnommen ist, macht es mir auch mehr als
wahrscheinlich, daß er von hier aus den entscheidenden Anstoß
dafür bekommen hat. Ferdinand Cohrs (Die evang.
Katechismusversuche vor Luthers Enchiridion, IV (= Mon. Germ.
Paed. XXIII), 1902, S. 236 Anm. 5), bestreitet das und will den
Kinderfragen der böhmischen Brüder den ersten Platz zuerkennen.
Aber seine chronologische Begründung ist nicht stichhaltig. Wenn
Zwingli, der etwa Ostern 1522 mit seiner neuen katechetischen
Praxis in Zürich begonnen haben wird, zu diesem Zeitpunkte
frühestens die Paraphrasen des Erasmus vor Augen gehabt haben
kann, so ist die Zeit für die Aneignung der neuen Anregungen
genau so kurz wie für den Einfluß der Kinderfragen. Ihre ersten
deutschen Übersetzungen sind auch erst 1522 nachzuweisen; und wir
können garnicht sagen, wann Zwingli eine davon in der Hand gehabt
hat. Wir wissen ja auch gar nicht, ob nicht beide Anregungen
zusammengetroffen sind. Dann haben die Kinderfragen den
lutherischen Einfluß verstärken helfen und sind vorbildlich
geworden für die Reduktion des erasmischen Entwurfs auf die bloße
Katechese. ➝
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festgestellt und diesen zugleich Gelegenheit gegeben, ihren Taufglauben persönlich zu bekennen.20)
Diese katechetische Konfirmation reinster Prägung ist das Ergebnis einer radikalen Kritik, die Zwingli vom Standpunkt Luthers aus an der erasmischen Reformfirmelung vorgenommen hat. Alles sakramentale Zeremoniell ist weggefallen, der lutherische Protest gegen das sakramentale Mißverständnis der Konfirmation ist mit rücksichtsloser Schärfe geltend gemacht. Dabei polemisiert Zwingli auch gegen den Begriff der sakramentalen Zeremonie, den Luther und Erasmus gemeinsam haben und den Butzer später übernehmen sollte: Rechne man alles, was durch Wort Gottes und Gebet geheiligt wird, unter die Sakramente, so setze man dadurch den Wert der beiden einzigen herab, die Gott durch sein Wort ausdrücklich eingesetzt habe.21) So wirkt hier das reformatorische
➝ In unserem Zusammenhang geht uns vor allem die Tatsache
an, daß die moderne Individualfrömmigkeit (und, wenn wir die
Kinderfragen der böhmischen Brüder mit in Anrechnung bringen,
auch die spätmittelalterliche Laienfrömmigkeit) mit ihrer
Forderung der persönlichen Zustimmung zum Taufglauben — Zwingli
und Erasmus stimmen darin überein — in Konflikt gerät mit der
kirchlichen Praxis der Kindertaufe. Auch für Zwingli ist das, was
er unter der Konfirmation versteht, ein notwendige
Ergänzung zur Kindertaufe, diese also ohne dasselbe nutzlos, ja
schädlich. Und es klingt durch seine Ausführungen von 1523 — noch
ist die Täufergefahr in Zürich nicht brennend! — ein leises
Bedauern mit hindurch, daß in der Kirche die Großtaufe so völlig
verschwunden sei (123): „Und so sy dem vesten glauben imm hertzen
ggeben habend und mit dem mund verjehen, hat man sy getoufft.
Welchen sitten der leer ich beger noch hüt by tag wider
angenommen werden, namlich, das man sydtenmal man die kinder so
jung toufft, sy fürneme ze leren, so sy zu sölchem verstand
kummend, daß sy vernemmen mögend das wort gottes, joch nach dem
touff, nit als wol gelert werden, als die jungen vor zyten vor
dem touff gelert sind.” — Charakteristisch ist, daß Zwingli im
März 1525, in De vera et false religione (opp. III 823), zwar
gegen eine falsche Wertung der Kindertaufe polemisiert, an der
Firmelung aber weder Kritik übt noch positiv einen Ersatz für sie
fordert, sondern rein historisch über ihren Ursprung berichtet:
Confirmatio tunc sumpsit exordium, quum vulgo coeptum est
infantes tingi, quum apud priscos ii modo tingerentur, qui in
vitae dimicatione constituti essent.
20) II, 123 32: Sölicher gstalt mein ich
die firmung gebrucht sin, damit die, so vormals unwüssend
getoufft warend, hernach, so sy zu vernunfft kommend,
wüssenhaffter sach den glouben selbs verjehend, doch erst nachdem
sy in dem handel des heils wol bericht warend. Das zeiget auch an
der nam confirmatio, das heißt: ein bestätigung. Und sölte die
Firmung ein widergedächtnus der zukunfft oder inbringen des
heiligen geists sin, hette sy wol einen andren namen.
21) Zwingli sähe am liebsten das Wort Sakrament als
einen Sammelbegriff ganz abgeschafft und ließe jeder heiligen
Handlung ihren eigenen Namen. Will man es aber doch gebrauchen,
so soll man es auf die von Gott ausdrücklich eingesetzten
Handlungen beschränken und es nicht auf bloß menschliche
Segenshandlungen anwenden (124 23): „So verr du aber
sacrament nennen wöltist ein gesegnet oder ghelget ding, so
werden dann nit allein firmung und ölung und wyhe, sunder
wyhwasser, wyhrouch, fladen, balmen und sant Johanstrunck
sacrament.” — 125 4: „Denn verstand ir sacramentum, es
sye ein zeichen, das ➝
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Wortprinzip auf eine radikale Reduktion des erasmischen Konfirmationsentwurfes hin, bei der auch lutherische Ansätze Schaden nehmen. Oekolampad in Basel ist dem zwinglischen Beispiel gefolgt, hat aber engeren Anschluß an Luther gefunden.22)
Denn bei einer bloßen Negation konnte die Entwicklung der evangelischen Konfirmation nicht stehen bleiben; dazu waren die lutherischen Anregungen doch zu stark. Die weiteren Entwicklungslinien in den zwanziger Jahren können wir besonders deutlich in der entstehenden fränkischen Landeskirche verfolgen. Im Ansbacher Ratschlag vom 30. September 1524 finden wir den ersten lutherischen Konfirmationsentwurf. Auch hier wirkt sich Luthers Einfluß nur in einer Ablehnung der sakramentalen Firmelung aus; seine positiven Gedanken sind nicht verwertet. Dagegen ist die Abhängigkeit von Erasmus mit Händen zu greifen. Wie bei ihm wird die Konfirmation verstanden als „eine christliche erinnerung des göttlichen gnadenzeichens davor empfangener tauf” durch persönliche Erneuerung des Taufbekenntnisses.23) Auch der Crailsheimer Pfarrer Adam Weiß geht in
➝ mit dem wort gottes oder des menschen gesegnet oder
geheiliget sye, so sind iro wol me dann sibne. Verstond aber ir
sacramente sin die zeychen oder pfand, die gott mit sinem eignen
wort gegeben und geheilget und bevestet hat, so müssen ie nit
sacrament sin, die nur uß dem ansehen und wort des menschen
kummend.” — Wenn diese Polemik auch Erasmus mit trifft, so
scheint sie doch in erster Linie gegen die positiven Ausführungen
Luthers, die er in De captivitate zur Konfirmationsfrage gemacht
hat (vgl. oben S. 55 Anm. 14), gerichtet zu sein. Zwingli sucht
da den Begriff der „sakramentalen Zeremonie” von Luthers
Sakramentsdefinition aus ad absurdum zu führen und hat damit auf
dem Boden des Protestantismus die geschichtliche Konsequenz für
sich gehabt. Die Frage ist nur, ob Luthers Weitherzigkeit in
diesem Stücke der geschichtlichen Tradition der Kirche und der
biblischen Wirklichkeit nicht besser entspricht.
22) Nur darin geht Oekolampad über Zwingli hinaus, daß
er die katechetische Jugendunterweisung in den Dienst der
Abendmahlsvorbereitung stellt. Darin haben wir unstreitig einen
Einfluß von Luthers Seite aus zu sehen. Ihm kommt der Baseler
Reformator wie in der Zuchtfrage (vgl. oben S. 34 ff., Anm. 21)
so auch in der Konfirmation näher als der Züricher. Vgl. die
Baseler Reformationsordnung vom 1. April 1529 = Aktensammlung zur
Gesch. der Baseler Reformation III, 1937, S. 383 ff. Hier wird S.
389 die Jugendfürsorge den Leutpriestern zur Pflicht gemacht:
„Deszhalb fruchtbar sin, das die leutpriester die jungen kind, so
von syben jaren in dz vierzehndist jare ungeverlich alt sind,
alle jar viermal für sich und ire diacon in die kilchen
offentlich beruffen, ob sy betten können, auch die bott des
herren wissend, befragen und demnach sy in glauben und liebe
gottes tugentlich unterwisen. Darby sollen die jungen, so vorhyn
die sacrament nie empfangen und jetzt des herren nachtmal nemen
wöllen, durch die leutpriester oder diacon, was sy von den
sacramenten halten, in der offenen kilchen unterrichtet werden.”
Dazu Ernst Staehelin: Das theologische Lebenswerk Johannes
Oekolampads, 1939, S. 477 ff.; die Bedeutung der
Reformationsordnung für die Entwicklung der Konfirmation wird
freilich von St. mit keinem Worte erwähnt.
23) Die fränkischen Bekenntnisse, 1930, S. 238 f. Wie
bei Erasmus und Zwingli wird die Konfirmation historisch erklärt
aus dem Wegfall der Großtaufe und dem Aufkommen der Kindertaufe:
„Das darum in der römischen Kirchen ➝
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einem Gutachten von 1527/28 über diese Anschauungen nicht hinaus, nur daß er wieder wie Erasmus einen einzigen jährlichen Konfirmationstermin festgesetzt haben will24)
Erst in den fränkischen Gutachten, die im Frühjahr 1530 zur Vorbereitung auf den Augsburger Reichstag verfaßt sind, treten die positiven Gedanken Luthers deutlicher hervor. Zwar nicht in der Wertung der Handauflegung. Dieser Zeremonie wird nur für die Zeit der Apostel geistliche Bedeutung zuerkannt. Nachher sei sie völlig in Abgang gekommen, ihre Wiederaufnahme in der Papstkirche sei nur ein äffisches Spiel25).
➝ verordent worden sei, so ein solch getauft kind zu
seinem verstand kome, das es alsdann vor dem bischof oder pfarher
und anderm volk offenlich annemen, bewilligen und bestetigen
solle dasienig, so zur zeit seiner unmundigkeit in der tauf mit
ihm gehandelt ist und seine todten an seiner statt versprochen
haben.” Auch der Name Konfirmation wird geschichtlich als
Bestätigung des Taufgelübdes erklärt.
Diess „historisch” gewonnene Bild gewinnt nun sofort eine gewisse
normative Bedeutung: „Und so solche firmung oberzelter weis
beschen und lauter erklert wurde, damit kein andrer mißglaub
daraus erwüchse, sovern sie auch nit für ein göttlich
gnadenzeichen, sunder allein für ein christliche erinnerung des
göttlichen gnadenzeichens davor empfangener tauf (wie dann ein
jeder christ sonst bei ihm selbst schuldig ist) wurde gehalten,
wolten wir dawider nit streiten oder fechten.”
Mit einer ähnlichen Schärfe, wie wir sie bei Zwingli gefunden
haben, bestreiten auch die fränkischen Theologen von den
Voraussetzungen der lutherischen Sakramentsdefinition aus den
Sakramentscharakter der Konfirmation. Kurz und bündig erklärt der
erste Nürnberger Ratschlag von 1524 (a.a.O. 435): „Die firmung
ist erdichtet; die schrift sagt nichts davon, so bedeutet es
nichts und hat kein zusagung. Darumb ists kein sacrament.” —
Wesentlich milder, bei aller grundsätzlichen Übereinstimmung,
lautet das Urteil des Heilsbronner Priors Johann Schopper (a.a.O.
181): „Mogen wol ein schoner prauch in der kirchen sein, der nit
zu verachten ist von keinem menschen, doch das man nit zel den
sacramenten von got ausgesetzt gleich.”
Während die Herausgeber der fränkischen Bekenntnisse (S. 57) die
Auffassung der fränkischen Theologen von der Firmelung
ausschließlich von Zwingli ableiten, weiß in der Nachfolge
Casparis Karl Thieme: Der wahre lutherische Konfirmationsbegriff,
1931, S. 3, etwas von den Beziehungen zu Erasmus. Aber indem er
den Nachweis zu führen trachtet, daß nach der reformatorischen
Lehre von der Taufe ein persönliches Glaubensbekenntnis des
Täuflings erforderlich sei, führt er die Forschung einen falschen
Weg. Denn gerade die Beziehung zur Taufe weist nicht auf den
lutherischen, sondern den erasmischen Konfirmationsbegriff
hin.
24) Th. Kolde: Zur Geschichte der Konfirmation =
Beiträge zur bayr. Kirchengesch. IV, 1897, S. 189 ff. Das
Gutachten des Adam Weiß findet sich abgedruckt bei G. Bossert:
Theolog. Studien aus Württemberg 1882, S. 185 ff. Kolde stellt
a.a.O. fest, daß Weiß im Besitz der Paraphrasen des Erasmus war,
und leitet seine Gedanken über die Konfirmation von dort her.
25) So Kaspar Löner, Pfarrer in Hof, in einem
Gutachten vom Februar oder März 1530, abgedruckt bei Wilhelm
Gußmann, Quellen und Forschungen zur Gesch. der Augsburg.
Glaubensbek. I 2, 1911, S. 135. Handauflegung ist ihm
nicht, wie Luther, ein Zeichen der Sündenvergebung, sondern der
Amtseinsetzung. Die Apostel bezeugten damit, „daß Gott den
heiligen geist hett geliehen und zu seinem glauben und dienst
berufen, denen sie die hand auflegten, als den dienern des worts
und der gemein.”
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Dagegen findet man es unbedenklich, die Konfirmation als sakramentliche Zeremonie zu bezeichnen, wenn nur der Unterschied gegenüber den beiden von Christus eingesetzten Sakramenten gewahrt bleibe26). Besonders bemerkenswert aber ist, daß sie nicht nur mit Erasmus als Taufbestätigung gefaßt27), sondern auch mit Luther in Beziehung zum Abendmahl gesetzt wird28). Der Beweis dafür wird, echt humanistisch, so geführt, daß die lutherische Sitte des Abendmahlsverhörs in die Geschichte zurückgetragen wird; angeblich haben schon die altkirchlichen Bischöfe sie geübt, nachdem sich die Kindertaufe einmal durchgesetzt hatte. Der Ausdruck Konfirmation wird in diesem Zusammenhange nur im uneigentlichen Sinne auf Abendmahlsverhör und Glaubensbekenntnis bezogen; die eigentliche Konfirmation liegt im Empfang des Abendmahls.
In die lutherische Entwicklungsreihe der Konfirmation gehören auch die beiden Ordnungen, die der Waldecker Reformator Johann Hefentreger (Trygophorus) dafür hinterlassen hat. Die ältere der beiden ist jedenfalls
26) So urteilt der Ansbacher Pfarrer Johann
Rurer in seinem Gutachten vom Februar oder März 1530, Gußmann
a.a.O. S. 9: „Ich gebe gern zu, daß weihe, firmung, ee, olung
usw. sacrament genennet werden, und ich will mich des namens
halben mit nimant zanken.”
27) Dabei ist bei Löner in dem Anm. 25 genannten
Gutachten eine eigentümliche Wandlung dahingehend festzustellen,
daß es sich bei ihm nicht um eine Bekräftigung des
Taufbekenntnisses vonseiten des Konfirmanden, sondern um eine
Bestätigung der Taufgnade vonseiten der Kirche handelt. Auf deren
Fürbitte liegt damit aller Nachdruck; und es kommt in praxi eine
Segenshandlung heraus, wie Luther sie gewünscht hatte. Nur die
Beziehung auf die Taufe erinnert noch an den Zusammenhang mit
Erasmus. Auf einer ersten Stufe ist hier die Synthese zwischen
dem Konfirmationsprogramm des christlichen Humanismus und der
lutherischen Reformation erreicht. Von der katechetischen zweigt
sich die fürbittende Konfirmation ab, die auf lutherischem Boden
noch eine Zukunft haben sollte. Gußmann a.a.O. S. 135 f.: „Das
lateinisch confirmare, dem auch das teutsch gemeß ist, haißt
nicht firmen, anstreichen oder binden, wie man davon redt, als
wers der kresam, sonder bekreftigen und bestetigen, wie Christus
Luk. 22 32 zu sant Peter sagt . . . . Das geschieht,
wen man mit dem wort der tauf erinnert, sterkt und trost den
teufling, bit mit dem psalmusten: Conserva hoc deus, quod
operatus es in nobis. Welchs noch ein christlicher, guter brauch
were, wenn es ein ieder bischof, das ist pfarrer, uber seinen
tauflingen thet, den ie der geist durchs wort geben wird und
Christus zusagt (Matth. 18 19) zu geben, was wir in
seinem namen bitten.”
28) Diese zweite Stufe einer Synthese zwischen Luther
und dem christlichen Humanismus in der Konfirmationsfrage ist
erreicht in dem Gutachten des Blaufelder Pfarrers Georg
Amerbacher vom 4. April 1530, Die fränkischen Bekenntnisse S. 520
f. Die geschichtliche Einleitung darf uns die grundsätzliche
Wichtigkeit seiner Ausführungen nicht verdecken. Amerbacher will
die Entstehung der katholischen Firmelung schildern: „Es muß ja
dieser brauche sein anfang in der ersten kirchen gehabt haben. Im
anfang der kirchen wurde der heilig geist allein durch auflegung
der hende den glaubigen ubergeben, so die neuen christen im
glauben befestigt, stark und bestendig machet. Das weret aber
nicht lenger dan bis das euangelion ein furgang erlangt und fur
warhaftig erkennet. ➝
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Pfingsten 1529 und vielleicht noch bis 1531 in dem Städtchen Waldeck, wo Hefentreger damals Pfarrer war, zu praktischen Anwendung gekommen — das älteste Beispiel einer lutherischen Konfirmationsfeier, das wir bisher kennen. Der jüngere Entwurf von 1534 war für die Stadt Wildungen bestimmt, deren Pfarrstelle Hefentreger (✝ 1542) seit 1531 innehatte29).
Beide Ordnungen sind ihrem Charakter nach als lutherisch zu bezeichnen, obwohl sie die Gedanken des Wittenberger Reformators nur ausschnittweise und noch dazu mißverstanden wiedergeben. Aber was sie positiv enthalten, steht auch in Luthers Programm einer Abendmahlszucht; eine flüchtige Berührung, die der Wildunger Entwurf mit den Ideen des Erasmus aufzuweisen hat, macht nur deutlich, wie verschieden die Welt, in der der Waldecker Reformator lebt, von der des der alten Kirche
➝ Do nun das auflegen der hand jetz aufhöret und durch
falsche prediger sich aller irtumb (wie dan der teufel neben der
gesunden lere auch seinen samen heimlich einwurft) erreget, sahen
es die bischove, so irem ampt treulich vorstunden, fur gut an,
keinem menschen, weder alten noch iungen, die sacrament zu
reichen, ire glaube were dan zuvor durch fleissig fragen wol
und eigentlich erkant. Bei wem nun ein rechter glaube befonden,
dem wurden die sacrament mitgeteilt, und dis were ir
firmung, confirmatio genent, das ist die bestetigun im
glauben.
Die nachkomenden aber, dieweil sie in der heiligen schrift die
auflegung der hende lasen und erfahen das christlich ampt irer
vorgeenden bischoven, den ernstlichen catechismum gegen iungen
und alten, folgten sie der tate on allen glauben nach,
hindangesetzt alles fragen, unterrichten und so den Christen zu
wissen von nöten, und blibe allein das schmiren und
backenschlagen. Diesen neuen brauch nun zuverlassen und uns des
rechten zu gebrauchen und mit sonderlichem fleiß den rechten
catechismum wie im anfang der kirchen, als gehort, in steter
guter ubung zuhandlen, will allen frommen treuen hirten zuton
gebüren.”
29) Viktor Schulze: Ein unbekanntes lutherisches
Konfirmationsbekenntnis aus dem Jahre 1529 = Neue Kirchl. Ztschr.
XI, 1900, S. 233 ff.; ders.: Waldeckische Reformationsgeschichte,
1903, S. 265 ff. — E.Chr. Achelis hat (Neue Kirchliche Ztschr.
XI, 1900, S. 423 ff.) zu Unrecht die beiden Ordnungen aus der
Geschichte der Konfirmation ausgeschieden wissen wollen, weil sie
in der Tat Erwachsene und nicht Jugendliche als Konfirmanden
voraussetzen; er faßt dabei den Begriff der Konfirmation viel zu
eng, rein von der katechetischen Seite aus. Indem er dabei ohne
Spur eines Beweises eine Abhängigkeit von der Reformatio
Ecclesiarum Hassiae Lamberts von Avignon konstruiert, hat er die
Forschung über die Geschichte der Konfirmation um eine der
Hypothesen bereichert, die dieses Gebiet allmählich zu einem
Irrgarten haben werden lassen. Während Hefentreger rein aus
Luther geschöpft hat, ist Lambert von den spätmittelalterlichen
Einfüssen abhängig, die ich in meiner oben S. 8 Anm. 6 zitierten
Arbeit nachgewiesen habe. — V. Schulze ist geneigt, die frühere
(Waldecker) Ordnung von 1529 noch im Rahmen der späteren
(Wildunger) von 1534 als gültig zu betrachten. Ich kann mich
dieser Auffassung nicht anschließen. Die beiden Fassungen des
Konfirmationsgelübdes sind nicht auf gegenseitige Ergänzung
angelegt, sondern die zweite schließt die erste aus. Es ist also
eine Entwicklung von der ersten zur zweiten Ordnung
anzunehmen.
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angehörigen christlichen Humanisten ist.30) Wir sahen, wie sich die evangelische Gemeinde bei Luther als Abendmahlsgemeinde konstituiert hat. Ähnlich läßt sie auch Hefentreger entstehen aus solchen, die, überwältigt vom Worte Gottes, freiwillig dem Irrglauben der Evangeliumsgegner wie dem Scheinglauben der Vermittlungsleute absagen, sich freiwillig der Zucht der christlichen Gemeinde unterwerfen und sich als Katechumenen einer unterrichtlichen Vorbereitung unterziehen bezw. als Hausväter ihre Hausgenossen im Katechismus unterrichten lassen.31)
In diesen Stücken, vor allem in der Anerkennung, daß solches freiwillige Bekenntnis für jeden wahren Christen unerläßlich sei, stimmen beide Ordnungen grundsätzlich überein. Ein gewisser Unterschied freilich besteht in dem Inhalt ihrer jeweiligen Konfirmationsbekenntnisse. Das von 1529 ist eine Umschreibung des Apostolikums, besonders des 3.
30) Die erste der 9 Bedingungen, denen sich
1534 die Konfirmanden unterwerfen sollen, lautet (N.K.Ztschr. XI,
239): Ut agnoscant evangelii susceptionem nihil aliud esse quam
renovationem illius professionis, quam olim ipsorum nomine
susceptores fecerunt coram baptismate eamque deo praestandam
esse. — Eine persönliche Erneuerung des Taufbekenntnisses hält H.
also mit Erasmus für notwendig. Aber sie geschieht richtig nur
unter den Wirkung der Predigt des Wortes Gottes im
evangelischen Glaubensbekenntnis. Damit tritt die
Erneuerung des Taufbekenntnisses unter das Zeichen des Kampfes
gegen Rom, und zwar in doppelter Richtung: 1) Der evangelische
Glaube ist der alte Glaube, den die Kirche allezeit mit ihrem
Taufbekenntnis ausgesprochen hat. 2) Wer römisch gesinnt bleibt,
bricht sein Taufbekenntnis.
31) Die Einleitung zu den 13 Artikeln des Gelübdes von
1529 lautet unter der Überschrift: De ratione confitendi fidem et
evangelion Jesu Christi folgendermaßen:
Si quos eatenus promoverit vivificus ille domini sermo, ut
potentiam esse dei persuasum habeant velintque hoc ipsum, quod a
deo docti sunt, pro ipsius nominis gloria adversus furiosum
regnum tenebrarum inferorumque portas, deinde pro excitandis iis,
qui utroque adhuc pede claudicant suntque titulotenus modo
Christiani, palam profiteri, suaeque coram ecclesia fidei
rationem reddere, ibi primo omnium videant, ne quis publicus
evangelii adversarius aut manifestis criminibus obnoxius ad hoc
confessionis genus recipiatur, antequam in ore duorum triumve
testium resipuisse comprobetur, et ne quid temere fiat, pro
catechumenis ad tempus habendi sunt futuri confessores, donec
ipsimet se penitus excutiant, quo animo quove spiritu ad
faciendam confessionem capiantur, interim vero discent: Orationem
dominicam, Symbolum fidei, Decem praecepta, Promissiones de
Baptismate, Eucharistia, Remissione peccatorum, ut se omnia
percontanti stare et ad verbum possint reddere, deinde et hos
fidei articulos, et, ut illos sane intelligant. — Die 9
Bedingungen, auf die sich 1534 die Wildunger Konfirmanden
verpflichten sollten, haben — mit Ausnahme der ersten (vlg. Anm.
30) — denselben Inhalt. Nur daß hier die Verpflichtung zur
Kirchenzucht in aktivem und passivem Sinne — unter Nr. 8 und 9,
N.K.Ztschr. XI, S. 239 — noch deutlicher ausgesprochen ist „Ut ad
aedificationem et incrementum ecclesiae oratione, consilio,
verbis et factis pro virili velint incumbere, et, si opus sit, ad
corrigendos in ecclesia flagitiosos aut excpmmunicandos etiam
consilia et opera praestare.” „Ut disciplinae evangelicae ultro
se velint submittere fraternamque correptionem, si commereantur,
sustinere.”
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Artikels, beherrscht von den Grundgedanken reformatorischer Theologie — nebenbei ein beachtenswertes Zeugnis für die theologische Reife seines Verfassers —, trägt also ausschließlich einen lehrhaften Charakter. Die fünf Konfirmationsfragen von 1534 dagegen sind ebenso ausschließlich auf die Kirche als Gemeinschaft der Evangeliumsgläubigen bezogen. Sie bejahen sie in ihrer empirischen Gestalt als Schöpfung des Heiligen Geistes und fordern den Gehorsam gegen ihr geordnetes Amt und die von ihr geübte Zucht. Wer sie mit ihnen bejaht, tritt damit bewußt und willensmäßig ein „in dye Versammlung und gemeynschafft der heyligen Christenheit.”32)
Wenn man auch alle diese Gedanken bei Luther nachweisen kann, so stehen sie doch bei ihm in einem größeren Zusammenhang und weisen darum auch in andere Richtung. Zucht ist bei ihm eingebettet in Beichte und Absolution und ist die Vorbedingung für die Teilnahme an der durch das Altarsakrament gestifteten Liebesgemeinschaft der Kirche. Bei Hefentreger fehlt die Beziehung auf die Abendmahlsgemeinschaft völlig. Dadurch verliert sein Konfirmationsbekenntnis den Charakter als Beichtbekenntnis. Es wird aus einer Handlung, die unmittelbar in den Schoß der feiernden Gemeinde einführt, zu einer Kampfhandlung gegenüber der ungläubigen Welt. Die Hefentregersche Konfirmation ist die Absage des unter dem Wort gläubig Gewordenen an die Römische Kirche. Dieses negative Moment überwiegt alles andere; und von ihm kann die Konfirmation nicht leben. Sie ist hier mehr ein Protest nach außen hin als der Ausdruck einer geistlichen Verbundenheit, mit der die Kirche als Liebesgemeinschaft alle ihre getauften Glieder umschließt. Damit ist auch alles segnende Handeln der Kirche fortgefallen; von der Handauflegung ist keine Rede33). Der einzelne hat alles allein
32) Das Bekenntnis von 1529, abgedruckt
N.K.Ztschr. XI, S. 235 ff. u Wald. Ref.gesch. S. 211 ff., umfaßt
13 Punkte. 1 und 2 entsprechen dem 1. und 2. Artikel des
Apostolikums; 3-12 behandeln zum 3. Artikel die Lehre vom Wort
Gottes und den Sakramenten (dabei wird die Erbsünde im
Zusammenhang mit der Taufe behandelt), von der Kirche und ihrer
Absolutionsvollmacht, von der Wiederkunft Christi, Gericht und
ewigem Leben; Punkt 13 fordert von jedem Christen, daß er sich im
Wort und Wandel zu diesen Wahrheiten bekenne. — Die 5
Konfirmationsfragen von 1534 stehen N.K.Ztschr. XI, S. 240, Wald.
Ref.gesch. S. 266.
33) Was hier vermißt wird, ist in wundervoller Tiefe
in der Einsegnungsformel der Ordnung von 1534 enthalten, die als
einziges Stück H.’schen Ursprungs in die waldeckische Agende von
1556 übergegangen ist. Sie zeigt, daß H. die Konfirmation auch
als Segenshandlung zu würdigen verstand; nur ist dieses
Verständnis in seinen beiden Ordnungen sonst nicht
durchgedrungen. Die Formel lautet (N.K.Ztschr. XI, 241): „Der
almechtige Gott und Vatter vnsres hern Jesu Christi, der dich
durch seyne gnad vormittelst dem Sacrament der heyligen Tauff zu
seynem reich beruffen vnd nun von neuwem an durch seyn göttlichs
wortt erwecket hait, der wölle mit gnaden in dyr bestettigen, was
er durch seynen heyligen geist in dyr angefangen haitt. Vnd
nachdem du selbst durch deyn eygen mundtlichs bekantnys begerst
der heyligen Christenheit zugerechnet zu werden, so nem ich dich
an im namen vnsres herrn Jesu Christi stadtt der heiligen
Christlichen ➝
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zu tun; und fast hat es den Anschein, als ob sein Tun die Kirche erst konstituiere. Hefentreger hat selbst ein Gefühl für diese Mängel. Er verwahrt sich gegen die Unterstellung, als solle durch solches fromme Tun des Menschen Gottes Rechtfertigungshandeln irgendwie hintangesetzt werden. Aber indem er dann von ihm aus die Konfirmation zu begründen trachtet, vermag er nichts anderes anzuführen als die volkspädagogischen Erwägungen, mit denen Luther den politischen Zwang zum Katechismuslernen gerechtfertigt hatte34). Und ahnt garnicht, wie sehr er dadurch alle kirchlichen Gesichtspunkte, die er in Luthers Nachfolge für die Konfirmation geltend gemacht hatte, selber entwertet!
Man merkt an diesen Unstimmigkeiten, wie schwer es den Schülern des Reformators fiel, die praktischen Erfordernisse der Zeit mit den Grundsätzen seiner Theologie zu einer echten evangelischen Konfirmation zu vereinen. So dürfen wir uns auch nicht wundern, daß wir in der Confessio Augustana nichts über sie finden. Deren Artikel 25 identifiziert zwar die Privatbeichte mit dem kirchenzuchtlichen Abendmahlsverhör und legt darauf großen Wert; aber die Firmelung wird nicht erwähnt, von ihrem Ersatz verlautet nichts. Melanchthon redet abgesehen von beiläufigen
➝ kirchen zur gemeynschaft der gnad und huld gottes,
vnsers hymlischen vatters, und zur gemeynschafft des buts Jesu
Christi, seynes lyeben sohns, vnd zur gemeinschafft des heiligen
geists, das du in der heiligen Christenheit vnd vnder der
gemeynschafft der heyligen vormittelst dem waren Christlichen
glauben alhyr auff erden mytt den kyndern gottes teyll vnd
gemeynschafft haben mögest am heiligen Evangelio, an der
Absolution, an den heiligen Sacramenten, am gebett vnd an allem,
so durch gottes wort den gleubigen zugelassen wyrdt, vnd
hernachmals am vnuergenglichen erb vnd vnaussprechlicher frewd
des ewigen Lebens. Amen.”
34) H. beteuert 1534 (N.K.Ztschr. XI, 239) unter
Anführung Korrekter Formeln über die Rechtfertigungslehre, er
habe seine 9 Bedingungen der Zugehörigkeit zur Kirche nicht
aufgestellt, „quasi ex his operibus fit iusticia . ., sed ut hic
rudiores velut politiam aut economiam Christianismi agnoscant,
das Euangelisch Landrecht, burgerrecht vnd hawßhaltung.” — 1531
hatte Luther in der Einleitung zum Kleinen Katechismus erklärt
(W.A. 30 I, S. 349): „Denn wie wol man niemand zwingen kan noch
sol zum Glauben, So sol man doch den haussen dahin halten und
treiben, das sie wissen, was recht und unrecht ist bey denen, bey
welchen sie wonen, sich neeren und leben wollen, Denn wer inn
einer Stadt wonen wil, der sol das Stadrecht wissen und
halten, des er geniessen wil, Gott gebe er glaube odder sey im
herzen für sich ein schalck odder bube.” Vgl. oben S. 13 Anm.
16.
Auf diese Äußerung Luthers spielt H. offenbar an. Aber wie sehr
hat er sie mißverstanden! Luther meint hier wirklich ein
„Stadtrecht”, die politische Grundlage des Gemeinwesens, die die
evangelische Lehre abgibt, weil sie Recht und Unrecht
unterscheiden lehrt. H. dagegen überträgt den Begriff auf die
kirchliche Gemeinschaft, wo es gerade nach seiner Darstellung der
Konfirmation nur die Rechtsordnung seelsorgerlicher Liebe gibt,
der der einzelne sich freiwillig unterwirft. Luther weist den
Lernzwang dem Staate zu; H. will ihn gerade durch seine auf
Freiwilligkeit beruhende Einrichtung bewirken. Welche Verwirrung
der Begriffe! Wie unbegreiflich muß doch Luthers Schülern seines
Unterscheidung der beiden Reiche gewesen sein!
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Bemerkungen in den Loci von 152135) und in der Apologie36) erst 1535 von einer evangelischen Konfirmation. Er billigt da die katechetische Konfirmation des Erasmus in der aller sakramentalen Riten entkleideten, ausschließlich auf Glaubensverhör und Wiederholung des Taufbekenntnisses beschränkten Form37).
Viel enger ist der Anschluß an Luther bei Calvin, dem wir den wichtigsten vorbutzerischen evangelischen Konfirmationsentwurf verdanken. Er findet sich in der ersten Auflage der Institutio von 1536, ist also vor den hessischen Ordnungen entstanden. Wie diese von ihm unbeeinflußt sind, so haben sie auch später nicht auf Calvin zurückgewirkt. Sondern die betreffenden Sätze der Institutio von 1536 sind unverändert in die von 1559 übergegangen, so sicher ist sich der Genfer Reformator von Anfang an in dieser Sache gewesen38).
35) Im Zusammenhang der Abendmahlslehre steht
da (Ausg. von Plitt-Kolde 19254, S. 242) nur die
lakonische Gleichsetzung von Konfirmation und Handauflegung.
Vorher hat er den Abendmahlsempfang selbst als confirmatio
bezeichnet: „Est autem significatio huius sacramenti, confirmare
nos toties, quoties labascunt conscientiae, quoties de dei
voluntate erga nos dubitamus. Id cum alias saepe, tum maxime cum
moriendum est, accidit; potissimum igitur eo morituri confirmandi
sunt. Neque vero vita christiana est, nisi assiduo moriamur.
Confirmationem opinor impositionem manuum esse.” Bei Melanchthon
sehen wir also zuerst den Ritus der Handauflegung in enge
Verbindung mit dem Abendmahl treten, gleichsam als eine
Vergewisserung des in diesem geschenkten Heilsgutes der
Vergebung. Die Verwandtschaft mit den später ausgesprochenen
Gedanken Luthers ist so augenfällig, daß man über die natürlich
vorhandene Abhängigkeit von de capt. bab. hinaus einen
gegenseitigen Austausch annehmen dürfte. Vgl. oben S. 56.
36) De numero et usu sacramentorum § 6: Confirmatio et
extrema unctio sunt ritus accepti a patribus, quos ne ecclesia
quidem tamquam necessarios ad salutem requirit, quia non habent
mandatum Dei. Propterea non est inutile, hos ritus discernere a
superioribus, qui habent expressum mandatum Dei et claram
promissionem gratiae. — Immerhin ist bemerkenswert, daß die
Abwertung dieser Handlungen gegenüber den beiden Sakramenten
Taufe und Abendmahl nicht ihr völliges Verschwinden bedeuten
soll. Der Weg zu ihrem evangelischen Verständnis ist offen
gehalten.
37) Hier in der zweiten Auflage der loci (C.R. XXI,
469) vertritt Melanchthon bekanntlich einen erweiterten Begriff
von Sakrament, den er auch später beibehält, und wonach auch
Dinge darunter gerechnet werden können, denen die Schrift eine
besondere göttliche Verheißung zuerkennt, ohne daß sie als Riten
besonders von Gott eingesetzt wären. Er zählt in diesem
Zusammenhang neben Gebet, Anfechtungen, Almosen, Ordination,
Obrigkeit und Ehe auch Konfirmation und letzte Ölung auf (a.a.O.
470). Nach einer fast wörtlichen Wiederholung des obigen Zitates
aus der Apologie fährt er fort: Sed confirmatio magnopere
probanda esset, si usurparetur ad hoc, ut examinaretur iuventus
et fidem propriam confiteretur. — Vgl. unten S. 76 zu Anm. 59 und
60; über die späteren Anschauungen Melanchthons von der
Konfirmation s. unt. S. 81 ff.
38) Vgl. den Abschnitt de confirmatione in Opera
selecta, ed. P. Barth, Bd. I S. 163 ff. mit dem gleichen
Abschnitt in Bd. V, S. 438 ff. — Wenn die Herausgeber V, S. 439
für Calvins geschichtliche Behauptungen die patristischen
Nachweisungen nicht so liefern konnten, daß ihr Schriftsteller
irrtumslos dastünde, ➝
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Die erasmische Grundlage ist auch bei ihm unverkennbar. Zugleich sind auch schon die Veränderungen wirksam geworden, die man in Zürich und Basel an ihr vorgenommen hatte. Auch für Calvin kommt allein die katechetische Konfirmation ohne sakramentale Zutaten in Betracht. Auch er begründet sie aus der Geschichte der Alten Kirche, besonders aus der Einführung der Kindertaufe. Auch er findet in der persönlichen Erneuerung des Taufbekenntnis ihren eigentlichen Inhalt.39)
Aber mit ähnlich grundsätzlicher Härte wie Zwingli, nur in noch wissenschaftlicherer Form, über der große Systematiker Kritik an dem sakramentalen Charakter der Firmelung. Die Argumente stammen aus Luther. Hinzu tritt noch als neues Motiv ein erst mit dem Humanismus hervorbrechendes, geschichtlich begründetes Distanzgefühl gegenüber der neutestamentlichen Zeit, das zugleich getragen ist von dem Bewußtsein, in der reformatorischen Worttheologie die neutestamentliche Wahrheit rein, ohne überflüssige zeremonielle Zutaten, zu besitzen. Gewiß hat ehemals die Handauflegung sichtbare Geistesgaben verliehen. Aber mit deren Verschwinden ist die ganze Zeremonie gegenstandslos geworden. Mindestens seit Augustin hat sie nur — so wird geschichtlich nachgewiesen — den Charakter einer äußeren, die Fürbitte begleitenden Handlung.40) Vor allem
➝ so übersehen sie, daß der Reformator hier unter dem
Einfluß einer Geschichtstradition des christlichen Humanismus
schreibt, über deren Wert wir schon oben S. 57 ff. Anm. 19
gehandelt haben. Sie ist von Erasmus an immer mehr angeschwollen,
ohne dadurch der geschichtlichen Wahrheit näher zu kommen. Das
Zitat aus Hieronymus, Contra Luciferianos c. 8 f., hat schon
Butzer 1533/34 als Stütze für seine Anschauung von der
Konfirmation verwandt; vgl. unten S. 77 Anm. 60.
39) a.a.O. I S. 169: „Utinam vero morem retineremus,
quem apud veteres fuisse suspicor (die Ausgabe von 1559 setzt
dafür V, 447 als Abschluß einer langen dogmengeschichtlichen
Erörterung admonui), priusquam abortiva haec sacramenti larva
nasceretur. Non ut esset confirmatio, quae sine baptismi iniuria
nec nominari potest: sed christiana catechesis, qua
pueri aut adolescentiae proximi fidei suae rationem coram
ecclesia exponerent . . . Puer decennis ecclesiae se offerret, ad
edendam fidei confessionem; rogaretur de singulis capitibus, ad
singula responderet. Si quid ignoraret aut minus intelligeret,
doceretur.
Dabei wird der pädagogische und kirchliche Nutzen besonders
hervorgehoben: Haec disciplina, si hodie valeret, profecto
parentum quorundam ignavia acueretur, qui liberorum
institutionem. quasi rem nihil ad se pertinentem, secure
negligunt, quam tum sine publico dedecore omittere non possent.
Maior esset in populo christiano fidei consensus, nec tanta
multorum inscitia et ruditas; non adeo temere quidam novis et
peregrinis dogmatibus abriperentur, omnibus denique esset quaedam
velut methodus doctrinae christianae.
40) a.a.O. S. 164: Sed cessarunt illa virtutum
miracula et manifestae operationes, quae per manuum impositionem
distribuebantur, nec nisi ad tempus esse debuerunt. Oportuit enim
novam evangelii praedicationem, novum Christi regnum, inauditis
et inusitatis miraculis illustrari et magnificari. A quibus ubi
cessavit Dominus, non protinusi ecclesiam suam deseruit, sed
regni sui magnificentiam, verbique sui dignitatem satis
excellenter manifestatam docuit.
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aber würde eine sakramentale Firmelung die Taufe entwerten. Das Argument, mit dem die altgläubigen Gegner des Erasmus gegen dessen Konfirmationsvorschlag gekämpft hatten, wird auch jetzt gegen sie selbst gewandt. Nur eine Konfirmation, die gar nichts Sakramentales an sich hat, sondern ausschließlich katechetischen Charakter besitzt, läßt die Würde des Taufsakramentes unangetastet.41)
Sie ist in erster Linie ein Bekenntnisakt derer, die als Kinder getauft sind; wenn sie in die Unterscheidungsjahre gekommen sind, wiederholen sie ihr Taufbekenntnis. Dabei ist nun das Neue bei Calvin, daß er diesen katechetischen Bekenntnisakt mit seinem universalistisch-unionistischen Kirchenideal verbindet. Ein neues Einheitsbekenntnis, in dem alle reformatorischen Kirchen übereinstimmen können, soll der Konfirmationshandlung zugrunde gelegt werden42). Dagegen scheint das Zuchtmotiv — volkspädagogisch gewandt — nur leise anzuklingen.
Ein anderes Bild ergibt sich indessen, wenn wir uns den praktischen Forderungen zuwenden, durch die jene Vorschläge verwirklicht werden sollten. Sie sind enthalten in der Eingabe der Genfer Prediger an ihren Magistrat vom 16. Januar 1537. Deren deutliche Anklänge an die Institutio von 1536 zeigen, daß Calvin daran den entscheidenden Anteil hat.43)
Hier gewahren wir zum ersten Male, wie stark der Genfer Reformator von Luthers Forderung der Abendmahlszucht innerlich ergriffen ist. Evangelische Kirche fällt ihm mit evangelischer Abendmahlsgemeinschaft zusammen.44) Zu ihrer Herstellung begehrt er vom Genfer Rat die
41) a.a.O. S. 166: Videte malitiosam et
sonticam satanae fraudem, qui ex Deo estis. Quod vere in baptismo
dabatur, in sua confirmatione dari mentitur, ut furtim incautos a
baptismo abducat. Quis iam dubitet, hanc satanae esse doctrinam,
quae promissiones baptismi proprias a baptismo abscissas, alio
derivat et transfert . . . . Verius ergo definire hanc
confirmationem possum quam ipsi hactenus definierunt: nempe
insignem esse baptismi contumeliam, quae usum ipsius obscurat et
abolet.
42) a.a.O. S. 169: Esset autem optima catechisandi
ratio, si formula in hunc usum conscripta esset, summam continens
et familiariter explicans omnium fere religionis nostrae capitum,
in quae universa fidelium ecclesia consentire sine
controversia debet . . . . Ita unicam veram et sinceram
fidem, qua unanimiter Deum unum colit fidelium populus, teste et
spectante ecclesia profiteretur. — Die Herausgeber der opera
selecta denken V S. 447 Anm. 3 bei dieser Formel eines
Einheitsbekenntnisses merkwürdigerweise an die wahrscheinlich
erst 1553 entstandene „manière d’interroguer les enfans”, ohne zu
fragen, ob sie nicht zunächst in der zeitlichen Nähe von 1536,
dem Erscheinungsjahr der ersten Auflage der Institutio, zu suchen
sei; vgl. Anm. 49.
43) Articles concernant l’organisation de l’église et
du culte à Genève, proposés au Conseil par les Ministres le 16
janvier 1537, I S. 369 ff.
44) Der fundamentale erste Satz, von dem die ganze
Eingabe ausgeht, lautet: „Il est certain que une esglise ne peut
estre dicte bien ordonee et reiglee synon en la quelle la saincte
Cene de nostre Seigneur est souuentefoys celebree et frequentee”
(a.a.O. S. 369). Darum wird für den Normalfall sonntägliche
Abendmahlsfeier vorgesehen (a.a.O. S. 370).
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Einführung der Abendmahlszucht.45) Ein besonderes Zuchtamt, entsprechend dem der Straßburger Kirchspielspfleger und also wie dieses auf dem ursprünglichen lutherischen Begriff des evangelischen Laienamt fußend, soll die Reinheit der Abendmahlsgemeinde wahren.46)
Zu deren Herstellung und dauernder Erhaltung bedarf es eines doppelten Bekenntnisaktes. Erstmalig sollen sich alle Bürger, angefangen von den Ratsmitgliedern, zum evangelischen Glauben bekennen und dann erst zum Sakrament zugelassen werden.47) Außerdem aber soll mehrmals im Jahr der heranwachsenden Jugend durch ein Katechismusexamen Gelegenheit gegeben werden, öffentlich ihren Taufglauben zu bestätigen.48) Für beide Zwecke ist ein kurzes, leicht faßliches Glaubensbekenntnis nötig.
45) Die Abendmahlsfeiern müssen vor Profanation
geschützt werden, zumal solange noch Alt- und Neugläubige
durcheinander wohnen: II fault doncq que ceux qui ont la
puissance de fayre ceste police mettent ordre que ceux qui
viennent en ceste communication soyent comme approuuez membres de
Jesuchrist.” (372.)
46) a.a.O. S. 373: Die Obrigkeit soll „ordonner et
eslire certaynes personnes de bonne vie et de bon tesmoignage
entre tous les fideles, pareillement de bonne constance et que ne
soyent poent ayses a corrumpre, lesquelz estans departis et
distribues en tous les quartiers de la ville, ayant loil sus la
vie et gouuernement dung chascun et sil voyent quelque notable
vice a reprendre en quelque personne, quil en communiquent auecq
quelcung des ministres pour admonester quicunque sera celluy
lequel sera en faulte et lexorter fraternellement de se
corriger.” Das weitere Bußverfahren soll dann nach Matth. 18
durchgeführt werden.
47) Als Heilmittel zur Wiederherstellung der
religiösen Einheit schlägt C. (a.a.O. S. 374) dem Genfer Rat vor,
„que tous les habitans de vostre ville ayent a fere confession et
rendre rayson de leur foy, pour cognoistre lesquelz accordent a
leuangille et lesquelz ayment mieux estre du royaulme du pape que
du royaulme de Jesucrist. Ce seroyt doncq ung acte de magistratz
crestiens si vous, Messieurs du Conseil, chascun pour soy,
faysiez en vostre conseil confession par laquelle on entendist
que la doctrine de vostre foy est vrayement celle par laquelle
tous les fidelles sont vnis en vne eglise.” In die Hand der
Ratsmitglieder, die ihren evangelischen Glauben bekannt haben,
und einiger Diener des Wortes sollen dann die übrigen
Gemeindeglieder ihr Glaubensbekenntnis ablegen, „qui est le
droict commencement dune esglise:” Wie die Abendmahlsgemeinde die
eigentliche christliche Gemeinde ist, so erfolgt der Zutritt zu
ihr durch das persönliche Abendmahlsbekenntnis. Diese
Beitrittserklärung wird durch die Konfirmation der
heranwachsenden Jugend zu einer Dauereinrichtung.
48) Als Begründung für die kirchliche
Jugendunterweisung wird (a.a.O. S. 375) angeführt, daß die Kinder
„doibuent a lesglise vne confession de leur foy.” Aller
Unterricht hat also das im Katechismusverhör abgelegte
persönliche Glaubensbekenntnis zum Ziel. Das Verfahren wird dann
auf die uns seit Erasmus bekannte Weise aus der altkirchlichen
Taufpraxis „geschichtlich” begründet: „Pour cette cause
anciennement on auoyt certain catechisme pour jnstituer vng
chascun aux fondemens de la religion crestienne et qui estoyt
comme vng formulayre de tesmoignage dont vng chacun usoyt pour
declairer sa crestiente, et nommeement les enfans estoyent
enseignez de ce catechisme pour venir testiffier a lesglise leur
foy dont il nauoyent peu rendre temoignage a leur baptesme.” Im
Blick auf Röm. 10 10 wird dann das persönliche
➝
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Und wer sich darauf verpflichtet, kann zur evangelischen Abendmahlsgemeinde gehören.49)
Diese katechetische Konfirmation Calvins ist also beides: Erneuerung des Taugelübdes und Vorbereitung zum Abendmahlsempfang. Aber sehen wir davon ab, daß die Genfer Eingabe von 1537 keine praktischen Folgen hatte, jener Konfirmationsentwurf also zunächst gar nicht durchgeführt
➝ Glaubensbekenntnis des Täuflings als unabdingbare
biblische Forderung (ordonnance) bezeichnet, deren Erfüllung
besonders in der Gegenwart angesichts der Saumseligkeit vieler
Eltern und also wegen ihres pädagogischen Nutzens unerläßlich
sei. (376.)
49) Gefordert wird (376) „vne briefue somme et facile
de la foy crestienne, laquelle soyt apprinse a tous les enfans et
que certaynes fassons de lannee ils viennent par deuant les
ministres pour estre jnterroguez et examinez et recepuoyr plus
ample declaration selon quil sera besoing a la capacite dung
chacun deux, jusques a ce quon les aye approuez estre
suffisamment jnstruicts.”
Erfüllt ist diese Forderung gleich 1537 worden. Zwar nicht, wie
man zunächst vermuten könnte, in der „Instruction et Confession
de Foy, dont on use en Lesglise de Geneve.” (a.a.O. S. 378 ff.);
sie trägt in ihrer Formulierung keinen ausgesprochenen
bekenntnismäßigen Charakter. Wohl aber findet sich dieser in der
„Confession de la Foy, laquelle tous Bourgeaus et Habitans de
Geneve et Subjects du Pays doibvent jurer de garder et tenir
extracte de Linstruction dont on use en Lesgise de la dicte
Ville” von 1537 (a.a.O. S. 418 ff.); vgl. die Wendungen: nous
protestons, nous pretendons, nous recongnoissons, nous confessons
und ähnliche.
Calvin und seine Amtsgenossen bestätigten selbst diesen
Zusammenhang in der Vorrede, die sie 1538 der lateinischen
Übersetzung obiger Schriften mitgaben (426 ff.). Sie verteidigen
die Notwendigkeit des Glaubenseides mit der Heiligkeit des
Abendmahls und der dadurch hergestellten sakramentalen
Gemeinschaft (429). Hier ist für Luther und Calvin der gemeinsame
Ansatzpunkt für ihr Zuchtprogramm. Daß evangelische Kirchenzucht
Abendmahlszucht sei, hat Calvin von dem Wittenberger Reformator
gelernt. Sein eigener Beitrag liegt darin, daß er den
Zuchtgedanken in den Dienst seiner kirchlichen Einigungspläne,
durch Schaffung eines kirchlichen Einheitsbekenntnisses stellt;
vgl. oben S. 69 f. Anm. 42 und 47. Auch die seelsorgerlichen
Beweggründe sind die gleichen wie bei Luther: „Quare non alia
lege pacem ac quietem obtinere cum nostris ipsorum conscientiis
potuimus, quam ut solenni professione nomen Christo darent, qui
in eius populo censeri, atque ad spirituale sacrosanctumque illud
epulum admitti vellent” (429).
Dazu tritt dann noch die von Erasmus übernommene Beziehung
zwischen Taufbekenntnis und Konfirmationsgelübde. Aber sie ist
charakteristisch verändert. Nicht mehr wie bei dem großen
Humanisten erscheint der persönliche Bekenntnisakt notwendig,
weil die Taufe ohne die Einsicht der mit ihr geschenkten Gnade
und auferlegten Verantwortung wertlos wäre, sondern weil jeder
Mensch den Taufbund gebrochen hat. Die Sünde, nicht die wachsende
Einsicht fordert die Erneuerung des Taufgelübdes; es ist
Beichtbekenntnis. Es genügt nicht, es einmalig abzulegen; denn
„nemo non defecerat a baptismi professione. Si militiae desertori
primum sacramentum, quod perfidia sua violavit, sufficere
autumant, verbum pro causae nostrae patrocinio non faciemus. Sin
ipse quoque sensus communis aliud dietat, omni calumnia
liberamur.” (429). Ganz in der Weise der späteren
Foederaltheologie (über Calvin als Vorläufer derselben vgl.
Gottlob Schrenk, Gottesreich und Bund im älteren ➝
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wurde.50) Vor allem war in ihm keine einmalige kultische Handlung vorgesehen, in der jene beiden Seiten der evangelischen Konfirmation zu einer inneren Einheit zusammengeschmolzen worden wären. Das geschah erst durch Butzer und wurde praktisch erst in den beiden hessischen Ordnungen verwirklicht. Erst hier ist die volle Synthese zwischen der erasmischen und der lutherischen Konfirmation erreicht. Wie ist Butzer zu ihr gelangt?
Er geht aus von dem Taufproblem, das durch Erasmus selbst gestellt51) und durch das Täufertum gefährlich aktuell geworden war.
➝ Protestantismus, vornehmlich bei Johannes Coccejus,
1923, S. 44 ff.) wird dann die Möglichkeit einer
Taufbunderneuerung an den verschiedenen Bundesschlüssen Gottes
mit seinem Volke klargemacht (429 f.) und schließlich den
Verächtern der evangelischen Konfirmation ins Stammbuch
geschrieben (430): „Cum tot ergo ecclesiae primoribus, cum
principe omnium prophetarum Mose, cum Deo ipso disceptent, qui
talem promissionis formam licentiosa maledicentia insectari sibi
permittunt.
50) Daher ist es wohl zu erklären, daß Calvin sein
Konfirmationsprogramm von 1536/37 noch in die Institutio von 1559
(V 447) mit demselben Wunsche wie anfangs übernahm: Utinam vero
morem retineremus quem apud veteres fuisse admonui; vgl. dazu
oben S. 68 Anm. 39.
51) Daß es erasmische und nicht täuferische Einflüsse
sind, die bei Butzer von Anfang an seine Wertung der Kindertaufe
bestimmen, zeigen die Ausführungen der Straßburger Prediger über
die Taufe in dem aus der Geschichte des Abendmahlsstreites
bekannten Brief an Luther vom 23. November 1524 (W.A. Br. 3, Nr.
797 95 ff.). Karlstadts Versuch, die Kindertaufe
abzuschaffen, wird schlechthin abgewiesen. Aber wie von Erasmus
wird im Blick auf die Alte Kirche an der gegenwärtigen Taufpraxis
Kritik geübt und dabei sogar von einem ridiculum votum bei der
Kindertaufe gesprochen; als Heilmittel wird die katechetische
Konfirmation nach erasmischen Vorbilde empfohlen: Quare licet
usui primitivae ecclesiae, ac etiam Scripturae, quae doctos
Christum iubet baptizari, magis forte responderet, non nisi
adultos baptizari, quia, docti pietatem, baptismo Christum
confiterentur, et interim falsa in aquae baptismum flducia
tolleretur, qua multi hodie etiam imprudentes tenentur, cum de
salute non ablutorum male sperant, attamen hoc tribuere communi
consensui haud ita gravaremur, ut infantes ablueremus,
modo, cum ridiculum videamus votum
eorum, qui e fonte sacro levant, statueretur certum tempus
catechizandi pueros, doctrinae Christi iam capaces, quos
huius, quantum nobis scire licuit, baptizassemus rudes. —
Wie sehr Butzer über den Verdacht geheimer Wiedertäuferei erhaben
ist, zeigt der Konflikt, den er in den Jahren 1527 bis 1529 mit
Capito in der Tauffrage ausgefochten hat (vgl. zum Folgenden
Martin Usteri: Die Stellung der Straßburger Reformatoren Bucer
und Capito zur Tauffrage = Th. St. Kr. 57, 1884, S. 456 ff.).
Wenn dieser 1528 in seinem Hoseakommentar die Kirche definiert
hatte (a.a.O. S. 471) als „civitas eorum, qui fidem in Deum et
dilectionem mutuam per Christi spiritum ex animo profitentur”, so
ist die Einschätzung der Kirche als Bekenntnisgemeinschaft bei
ihm unstreitig lutherisches Erbe. Indem er aber mit Erasmus das
persönliche Taufbekenntnis als konstitutiv ansah für die
Zugehörigkeit zur Kirche, mußte er notwendig zur Ablehnung der
Kindertaufe kommen. Capitos Synthese zwischen Luther und
Erasmus bedeutete den Weg ins Täufertum. Gerade weil Butzer ihn
nicht gehen wollte, mußte er auf andere Weise eine Vereinigung
zwischen seinen beiden großen Lehrmeistern versuchen. — Usteri
hat a.a.O. den Einfluß, den Erasmus in der Tauffrage auf die
schweizerischen und oberdeutschen Reformatoren ausgeübt hat,
völlig übersehen.
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Er ist dabei für uns jetzt über den Verdacht erhaben, als wolle er sich in Konkurrenz zur sektiererhaften Erwachsenentaufe eine eigene sakramentale Handlung ausdenken. An und für sich hätte er sich wohl mit einer katechetischen Erneuerung des Taufbekenntnisses begnügen können, wie sie in Abhängigkeit von Erasmus durch Zwingli und Oekolampad geschaffen worden war; denn selbstverständlich ist auch deren Beispiel nicht ohne Wirkung auf ihn geblieben.
Aber im Ringen mit der Täuferbewegung hatten sich ihm die erasmischen Anschauungen vertieft, hatten für ihn Element, die in der bisherigen protestantischen Entwicklung zu kurz gekommen waren, neue Bedeutung gewonnen. Zu ihnen gehört auch die Handauflegung. Im ganzen Neuen Testament fand er sie als geistmitteilende Segenshandlung.52) Christi Kindersegnung nach Mark. 10 bietet ihm wie der ganzen reformatorischen Täuferpolemik den Hauptbeweis für den objektiven Wert der Kindertaufe. So tritt sie für ihn seit 1530 in enge Beziehung zur Taufe53) und wird durch
52) Schon 1530 rückt er sie in nächste Nähe zu
den beiden evangelischen Hauptsakramenten; der Begriff der
sakramentalen Zeremonie ist hier schon vorgebildet. Vergleiche
Martinie Buceri Responsiones ad Quaestiones a Georgio Morello et
Petro Latomo Valdensium provincialium Ablegatis, de Religione
rebusque Ecclesiasticis propositas 1530, abgedruckt bei Herzog:
Ein wichtiges Dokument betr. die Einführung der Reformation bei
den Waldensern (= Ztschr. f. histor. Theol. 1866, S. 311 ff.).
Die z.T. noch unerschlossenen Dokumente über diese wichtigen
Verhandlungen, die Butzers Kampf gegen den Sektentyp deutlich
offenbaren, sind beschrieben von J.H. Todd: The Waldensian
Manusripts preserved in the Library of Trinity College, Dublin.
London and Cambridge 1865, S. 8-21. Herzog S. 337: Sacramenta
praeter Baptismum et Eucharistiam nulla novimus quam forte
manuum impositionem et unctionem, utraque celebris etiam
apostolis videtur, sed non tantum quantum priora duo. — Der
Straßburger Katechismus von 1534 bezeichnet die Handauflegung als
Sakrament; vgl. August Ernst und Johann Adam: Katechetische
Geschichte des Elsasses, 1897, S. 42 ff.
53) Herzog a.a.O. S. 324: Nobis loco omnium initialium
caeremoniarum unum baptismum instituit, nisi velis adserere
impositionem manuum et solemnem benedictionem, qualem praestitit
Christus apportatis sibi pueris quos voluerant discipuli arcere.
Im Zusammenhang der Stelle werden die ntlichen
Initiationssakramente den atlichen gegenübergestellt, sodaß die
Beschneidung zur Taufe, die Darstellung im Tempel zur
Handauflegung in Parallele tritt.
Ganz abwegig sind die Behauptungen, die Emil Hansen in seiner für
die spätere Entwicklung der Konfirmation in Norddeutschland sehr
verdienstvollen „Geschichte der Konfirmation in
Schleswig-Holstein” (Schriften des Vereins für schlesw.-holst.
K.G. I 6, 1911) über die Butzerische Konfirmation macht. Sie
einzeln aufzuführen erübrigt sich durch die folgende Darstellung;
sie stellen übrigens nur die extremste Form der Irrtümer dar, die
seit dem 19. Jahrhundert über die hessische Konfirmation
verbreitet werden (vgl. oben S. 6 Anm. 4). Warnen muß man nur die
Theoretiker und Praktiker eines Neubaues der Konfirmation, diese
Irrtümer unbesehen zu übernehmen. Eine löbliche Ausnahme macht
übrigens Martin Doerne in den historischen Teilen seines
ausgezeichneten Buches: „Neubau der Konfirmation”, 1936. Vgl.
seine Auseinandersetzung mit Hansen über den Charakter der
butzerischen Konfirmation S. 28 ff.
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die Verbindung mit ihr — und nur dadurch — selber zur sakramentalen Handlung.54) Der Taufe wird dadurch nichts hinzugefügt, sie bleibt Gottes vollgültiges Handeln am Menschen. Sofern aber die Konfirmation ein Taufgedächtnis ist, hat sie ihre subjektive Seite in der Erneuerung des Taufbekenntnisses, ihre objektive in der erneuerten symbolischen Versicherung der göttlichen Gnadengabe durch die Handauflegung.55) Im Hintergrund
54) Diese Verbindung wird bewiesen durch den
19. der 22 Artikel, die im Sommer 1539 — also bald nach der
Entstehung der beiden hessischen Ordnungen — auf einer
Straßburger Synode beschlossen wurden (vgl. Johann Adam:
Evangelische Kirchengesch. der Stadt Straßburg, 1922, S. 188). Er
lautet (nach T.W. Röhrich: Gesch. d. Ref. im Elsaß, II, 1832, S.
268 ff.): „Deshalb, wie Gott wollte die Alten beschnitten haben,
und der Herr Jesus selbst das Sacrament seines Segens und
Verleihung des heiligen Geistes, die Handauflegung samt dem
Geber, den Kindern mittheilet, also theilen wir ihnen auch den
Tauf mit, der nichts mehr thun und seyn kann denn des Herrn
Händauflegen und Segnen.” — Die 16 Artikel der Synode van 1533
(a.a.O. S. 263 ff.) enthalten nichts über Handauflegung und
Konfirmation, schon das ein Beweis gegen die oft wiederholte
Behauptung, Schenkfeld habe durch seine auf dieser Synode
erhobene Forderung, eine Konfirmation einzurichten, Butzer auf
einen diesem eigentlich fremden Weg gedrängt. Das im Corpus
Schwenkfeldianorum IV 782 ff. abgedruckte Protokoll der Synode
enthält keinerlei Anspielung auf die Konfirmation, aus dem Munde
Schwenkfelds freilich (799 15) den Wunsch nach
Herstellung eines christlichen Bannes und einer „Sammlung im
Heiligen Geist”, aber vonseiten Butzers keine Äußerung dazu. In
seinem nach Abschluß der Synode an Butzer gerichteten Brief von
Ende August 1533 (Corp. Schwenkf. IV 812 ff.) beklagt Schw. unter
Berufung auf Luther und gemessen an der rechten apostolischen
Kirche die Unvollkommenheit des evangelischen Kirchentums und
vermißt darin besonders den brüderlichen Bann und die
Handauflegung. In diesem Zusammenhang bedauert er in der
Nachfolge des Erasmus und unter wiederholter Berufung auf
Zwinglis Auslegung der 18. Schlußrede (vgl. oben S. 57 Anm. 19;
Corp. Schwenkf. III, 822, V, 118) den Verfall des altkirchlichen
Katechumenats. Daß die Kirche in ihrer Anfangszeit die
Kindertaufe nicht gekannt habe, ist ihm durch jene humanistischen
Autoritäten ganz gewiß geworden (Corp. Schwenkf. III, 858).
Andrerseits wirft sein Iudicium de Anabaptistis (Corp. Schwenkf.
III, 830 ff.) den Täufern Überschätzung der äußeren
sakramentlichen Handlung vor. Sein Spiritualismus, der ihn von
den Täufern trennt, speist sich also aus humanistischen Quellen.
Zugleich fühlt er sich als Vollender Luthers, wenn er zur
Vorbereitung nicht nur auf das Abendmahl, sondern auch auf die
Taufe Unterricht im Wort und persönliches Glaubensbekenntnis
fordert (Corp. Schwenkf. III, 829).
55) Dabei ist schon 1530 das Streben unverkennbar, das
subjektive Bekenntnis gegenüber dem objektiven göttlichen Handeln
zu entwerten. Die Waldenser hatten, darin den Täufern gleich, die
Behauptung aufgestellt, daß die Lehre der Taufe im N.T.
vorangehe, daß also die kirchliche Taufhandlung der Belehrung
folgen müsse. Butzer gibt die biblische Grundlage dieser These
zu, bestreitet aber, daß es sichere Kriterien gebe, an denen man
den effektiven Erfolg jener Belehrung erkennen könne: „Numquam
tamen exegit, ut ullis sacramentum conferrent renovationis, nisi
in quibus certa eius signa viderent. Neque certum signum
confessio eius est et qualiscunque vitae externae, quae sola
nobis conspicitur, castigatio” (a.a.O. 326). Damit ist der
grundsätzliche Bruch mit dem Sektenbegriff vollzogen. ➝
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steht der später überwundene Sakramentsbegriff des jungen Butzer, der scharf zwischen der sakramentalen Gnadengabe und deren äußeren Zeichen scheidet.56)
Die die Handauflegung begleitende Geistmitteilung denkt sich Butzer durch die Kraft der Fürbitte bewirkt. In diesem Sinne habe die Kirche zu allen Zeiten jene äußere Handlung geübt, bis es dann zu dem Mißbrauch der römischen Firmelung gekommen sei. Nur daß seit den Tagen der Apostel die Handauflegung der Taufe nachfolgt, während Christus selbst sie ihr vorangehen ließ.57)
➝ Entsprechend wird dann in dem um die Jahreswende 1533/34
entstandenen Sendbrief „Quid de baptismate infantium iuxta
scripturas Dei sentiendum” (im ff. abgekürzt de bapt. inf.)
beont, daß Gott in der Taufe mit uns handelt, nicht wir mit ihm:
Quanti nostra quaeso pollicitatio, quanti nostra professio? Ne
igitur, quod est sacramentum Redemptionis domini Jesu Christi,
rei certissimae, doni ἀμεταμελήτου, faciamus symbolum tantum
nostrae pollicitationis, rei tam nihili quam dubiae. Ecclesia
Christi vim et spiritum exhibet, nihil conatus humani. Dominus
lauat nos et seipso induit (C I). Der ganze Tenor der genannten
Schrift richtet sich gegen die täuferische These, daß das
persönliche Bekenntnis einen Wesensbestandteil der Taufe
ausmacht, daß diese also, falls das Glaubensverhör fehle,
unwirksam sei. Wie wenig es Butzer auf den persönlichen
Charakter des Taufbekenntnis ankommt, zeigt seine Beschränkung
der Taufverheißung auf die Erwählten; seine Erwählungslehre hat
ihm ohnehin die in den 30er Jahren immer stärker werdende
Verobjektivierung seiner Sakramentslehre erleichtert, indem sie
es ihm möglich machte, sich in jedem prekären Falle deren
unangenehmen Folgen zu entziehen: „Promissio sine exceptione
delata est omnibus, qui Dei sunt. Qui vero Dei sunt, uobis non
nisi ex ipsorum aut eorum, in quorum potestate sunt,
confessione iudicandum.”
56) Herzog a.a.O. 337: „certum est, quicquid exterum
est, symbolum tantum esse internorum.”
57) De bapt. inf. A I:„Impositio manuum adaptatio est
ad certum in Ecclesia munus sancte obeundum uel Spiritus
sancti ad eiusmodi funetionem collatio.” A VIII:
„Qui adferebant Domino Jesu suos infantes quid petebant? Numquid
ut Dominus eis bene precaretur? Impositio igitur manuum quo
Dominus signo illis suam benedictionem exhibebat, numquid
symbolum erat eius quod donabat Christus?” B II: „Accepit
puerulos in ulnas, impositisque manibus benedixit. Quid ergo
obsecro haec erat benedictio? Quid pro illis oratio? Quid aliud
tandem quam redemptionis, quam humano generi perficiebat,
communicatio, sine qua nihil non est noxium, nihil non
maledictioni subiectum?” Weil darum die Handauflegung alles das
bietet, was die Täufer von ihrer Taufe erwarten, fordert Butzer
sie auf, die Kindertaufe und jene ntliche Segenshandlung
bei sich einzuführen. Für Butzer selbst kommt letzteres nicht in
Frage, da die Kirche jenen Brauch nie ganz verloren habe. Die
Konfirmation sieht er also nicht an als einen Ersatz der
täuferischen Großtaufe, sondern als eine durch Schrift und
Tradition geforderte kirchliche Segenshandlung, deren
mangelhaftes Verständnis erst die Irrtümer der Täufer
hervorgerufen habe. Wenn sie darum einen öffentlichen und
feierlichen Akt der Hingabe an Christus fordern, so fragt er sie
(B VIII): „Cur autem non satis habetis id fecisse sacramento
impositionis manuum, ut Christus? Christus neminem omnino aqua
baptizauit usus igitur erga infantes hoc sacramento impositionis
manuum. At suis uoluit primum gratiae ➝
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Die Konfirmation eine kirchliche Weihehandlung in der Kraft gläubigen Gebetes der christlichen Gemeinde — damit haben wir den richtigen Ausgangspunkt gewonnen für Butzers Verständnis der Konfirmation als einer sakramentalen Zeremonie. Er hat aus dem Widerspruch, den Erasmus gefunden hatte, gelernt. Darum hat er der rein subjektiven Erneuerung des Taufbekenntnisses das objektive Element der Handauflegung zur Seite gestellt. Daß es in der Taufe nicht um eine menschliche Entscheidung gehe, sondern um eine göttliche Geist- und Gnadenmitteilung, kommt darin zum Ausdruck; zugleich aber auch, daß es sich bei der Geistbegabung um einen niemals in sich abgeschlossenen Prozeß inneren Wachstums handele. Nicht als Konzession an das Täufertum geschah das, wie man wohl gemeint hat, sondern um den Gegensatz zu ihm stärker, als Erasmus das vermocht hatte, herauszuheben. Während dessen Konfirmationsprogramm im Grunde die Wirkung der Sakramente in der Kirche außer Kraft setzte, obwohl er den sakramentalen Pomp der mittelalterlichen Kirche beibehielt, hat Butzer, in positiver Auseinandersetzung mit dem Sakramentsverständnis sowohl der Reformatoren wie der Alten Kirche, eine gewaltige Vertiefung der erasmischen Anschauung erreicht. Er ist damit auf Umwegen zu Luthers ursprünglicher Auffassung von der Handauflegung als einer fürbittenden Segenshandlung zurückgekehrt.58)
Und er steht damit innerhalb des Luthertums nicht allein. Melanchthon hat in der Apologie und in den späteren Auflagen seiner loci ausgeführt,59) daß das Gebet, das sich auf eine göttliche Verheißung gründet, als Sakrament bezeichnet werden könne, und hat unter diesem Gesichtspunkt in der Apologie auch die Handauflegung als Sakrament gewürdigt.60) Butzer und die hessische Kirchenordnungen befinden sich also mit ihrer Anschauung in guter Gesellschaft.
Noch deutlicher wird die Annäherung an Luther erreicht durch die Gleichsetzung der fürbittenden Handauflegung mit der Handlung der Absolution. Sie wird zuerst deutliche ausgesprochen in dem auf Butzer
➝ symbolum esse baptisma, impositionem manuum sequi, ita
ut obseruatum ab Apostolis legimus . . . . Quem ordinem et cum
infantibus obseruatum esse cum ab ipsis Apostolis tum ab omni
hactenus Ecclesia, nemine unquam contradicente, usque ad hoc
hominum genus, quod adeo impiis et damnosis dogmatis Euangelium
conculcat, uastat Ecclesias.
58) Vgl. oben S. 55 zu Anm. 14.
59) Ap. Conf. XIII 16: „Postremo, si omnes res
annumerari sacramentis debent, quae habent mandatum Dei et quibus
sunt additae promissiones, cur non addimus orationem, quae
verissime potest dici sacramentum? Habet enim et mandatum Dei et
promissiones plurimas, et collocata inter sacramenta quasi in
illustriore loco, invitat homines ad orandum. Vgl. oben S. 67
Anm. 36 und 37, über ähnliche Anschauungen im fränkischen
Luthertum oben S. 62 Anm. 27.
60) Ap. Conf. XIII 12, wo die Handauflegung im
Zusammenhang der als sakramentale Zeremonie verstandenen
Ordination gewürdigt wird: „Si ordo hoc modo intelligatur, neque
impositionem manuum vocare sacramentum gravemur.”
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zurückgehenden Straßburger Katechismus von 1534.61) Damit tritt jene Segenshandlung zugleich in Zusammenhang mit dem Abendmahlsverhör lutherischer Prägung. Seine Einführung und damit die einer Abendmahlszucht auf lutherischer Grundlage wird energisch gefordert. Die Straßburger hatten nämlich nicht nur die römische Privatbeichte abgeschafft, sondern auch deren Ersatz durch eine Glaubens- und Sittenprüfung vor dem Abendmahlsgang bisher zu verhindern gewußt.
61) Vgl. Joh. Michael Reu: Quellen zur Gesch.
des kirchl. Unterrichts in der evang. Kirche Deutschlands
zwischen 1530 und 1600, I 1, 1904, S. 23 ff. Hier erscheint die
seelsorgerliche Handlung der Konfirmation als ein wohltätiger
Ersatz der katholischen Ohrenbeichte; „vns jungen vnnd vnerjebten
Christen were es on zweifel hoch besserlich” (S. 52), läßt Butzer
seine Katechismusschüler im Blick auf diese sagen. Nach dem
Anhang, der „Summari für die Jungern”, bedeutet der
Glaubensartikel von der Vergebung der Sünden, „dz ich allein in
der gemein christi verzeihung der sünden erlangen muß.” Sie
geschieht durch zwei kirchlichen Handlungen, durch Taufe und
Absolution: „erstlich, so ich von der kirchen durch den tauff
werde zum kind Gottes vffgenommen, vnd hernacher, so ich meiner
sünden gestraffet vnd der verzeihung von Gott vertröstet würde”
(a.a.O. S. 60). — Ganz im Sinne Luthers betont Butzer dabei den
freiwilligen Charakter jener seelsorgerlichen Zucht; sie darf
darum „gar nit ein werck der allgemeyn sein” (a.a.O. S. 52). —
Schon 1533, in De bapt. inf., hat er die Verbindung von
Kirchenzucht und Konfirmation, viel tiefer begründet als bei
Erasmus, vollzogen. Aus den katholischen Firmelungspaten, denen
dieser einen pädagogischen Hilfsdienst zugewiesen hatte (vgl.
oben S. 44 Anm. 1, Abs. 3) sind die Ältesten, also Träger eines
kirchenzuchtlich-seelsorgerlichen Gemeindeamtes, geworden. Butzer
wünscht (F III), daß wir Prediger „ex selectioribus sanctis
constitui curaremus presbyteros, qui nobiscum Ecclesiae
gubernationi operam suam impenderent, et quicquid ad sanctam
paedagogiam censuramque pertinet, una instituerent et
administrarent, fraternam administrationem nunquam non urgeremus,
catechismos puerorum et omnium rudiorum summo studio adhiberemus.
Denique si tanti referre putamus professionem publicam,
reuocaremus veterum illum ritum, de quo legis apud D. Hieronymum
contra Luciferianos (vgl. oben S. 68 Anm. 38), ut singuli coram
episcopis, postquam adoleuissent, et fidem satis edocti essent,
profiterentur et impositis manibus ab Episcopo quasi
confirmarentur. His si bona fide incumberemus, non
dubitarim, haud poenitendam fore apud nos rempublicam
Christianam. Abolitionem paedobaptismi non tantum huc nihil
profuturam, sed summe obfuturam certus sum in Domino, mi frater.
Non potest siquidem haec non esse contra Christum communem
nostrum et nostrorum seruatorem.”
Das Konfirmationsgelübde ist hier — im Unterschied von Erasmus —
gänzlich dem Zusammenhang mit dem Taufbekenntnis entnommen (die
Bestätigung der Taufgnade geschieht vielmehr durch die
Handauflegung) und ein Teil der „sacra paedagogia censuraque”
geworden, die auf die Kommunion gerichtet ist. In dieser
Abendmahlszucht sind Prüfung der Kenntnisse inbezug auf die
Heilslehre und Kontrolle des sittlichen Lebens miteinander
verbunden. Daß dafür das lutherische Vorbild auf dem Wege über
Basel wirksam geworden ist, zeigt der Brief der Straßburger
Prediger an Ambr. Blarer vom 20. Februar 1531 (Schieß I, 239 ff),
wo im Blick auf die Abendmahlszucht gefordert wird (a.a.O. 245):
Nos nihil aeque solicitos tenet quam quod nostra ecclesia nullum
usum habet ieiuniorum statarumque precum, item poenitentiae
publicae eorum qui publice ecclesiam offenderunt.
Excommunicationis παρασκευή sic nos sentimus, ➝
|78|
Der Straßburger Katechismus von 1534 beklagt lebhaft die nachteiligen Folgen dieser Unterlassung. Besonders die Jugend ist davon betroffen. Ihnen soll begegnet werden durch die Einführung der Konfirmation. In Abhängigkeit von Luther trägt sie völlig kirchenzuchtlichen Charakter. Ihren Ursprung aus dem Geiste des christlichen Humanismus merkt man nur daran, daß sie aus der Geschichte der Alten Kirche begründet wird. Schon damals sollen die Bischöfe durch wiederholte Abnahme des Taufgelübdes und der Handauflegung rechte Kirchenzucht aufgerichtet haben. Wer sich von den Gemeindegliedern ihnen darin fügte, unterstellte sich damit freiwillig der brüderlichen Zucht, erklärte sich bereit, sie an sich geschehen zu lassen und sie an andern zu üben, erwarb aber auch die Anwartschaft auf den immer wiederholten Zuspruch des göttlichen Absolutionswortes.62) Die Konfirmation erschließt damit den Zutritt zur Beichte, die erste Handauflegung ist identisch mit dem erstmaligen Empfang der Absolution; und diese wiederum öffnet den Weg zum ersten Abendmahlsgang. Die Konfirmation begründet die Zugehörigkeit zur Abendmahlsgemeinde als einer Gemeinschaft brüderlicher Zucht.
Darin liegt nun auch die vielberufene kirchenrechtliche Funktion der hessischen Konfirmation; Wilhelm Diehl hatte schon recht, als er sie in den Vordergrund rückte.63) Hierin ist in der Tat Butzers eigenartige Konzeption beschlossen, der selbständige Beitrag, den er zur Geschichte der evangelischen Konfirmation geliefert hat. Aber man muß ihn aus den geschichtlichen Zusammenhängen heraus werten, darf jene rechtliche Funktion der Konfirmation ebensowenig überschätzen wie die Neuheit des Gedankens an sich. Sich „öffentlich Christo dem Herrn und seiner kirchen ergeben”64) bedeutet
➝ quae instituta Basileae est, haud videtur
futura infrugifera. Certe disciplina aliqua ecclesiastica opus
erit propter imperfectiores; nunc dissolutae scopae sumus. Wie
sehr neben den lutherischen Anregungen das altkirchliche
Interesse des christlichen Humanisten wirksam ist, zeigt der
Schlußsatz: Nullum enim fere specimen priscae ecclesiae, si
disciplinam et cultum communionis spectes, exhibemus.
62) Reu a.a.O. S. 52 f.: „wiewol man leider jetz auch
merckliche ergernüs auß dem kommen bekennen muß, das dz jung
volck so gar kein Christlich zucht vnnd besondere lere oder
ermanung hat. Derhalb würt ja von nöten sein, man wolle dann das
arme junge vnd gemeyn, einfeltig volck gar verderben lassen, das
man ordnung für nemme, damit sie etwan besonders in Christlichem
thun befragt vnd vnderwisen werden. Diß würt auch auß allen den
schrifften, die das Christlich weyden der schäfflein des herren
beschreiben, genugsam erzwungen, wie es dann bey allen alten in
brauch gewesen ist. Da zogen die Bischöff von einem ort zum
andern, aller deren, die jrer sorg befolhen waren, vnd namen von
denen, so in der kindtheyt getaufft waren, die bekantnis des
glaubens, vnderrichteten sie weiters, legten jn dan die hend auff
vnd salbeten sie zu einem Sacrament der mehrung des heyligen
geysts vnd bestätigung inn Christlichen läben, dauon nichts dann
das gots verächtlich kinderspil der firmung vnser weybischöff
vberbliben ist.”
63) Wilhelm Diehl. Zur Geschichte der Konfirmation.
1897, S. 21 f.
64) ZZO Ri I 291 a = Uckeley A VII.
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zunächst, sich in die Abendmahlsgemeinde aufnehmen lassen und sich der brüderlichen Zucht, von der sie durchwaltet wird, freiwillig unterwerfen. Dieses Moment der Freiwilligkeit gibt dem butzerischen Konfirmationsgelübde sein eigentümliches — später der Volkskirche verloren gegangenes — Gepräge und nimmt zugleich dem mit der ganzen Handlung gesetzten Recht jeglichen Zwangscharakter.65) Es handelt sich hier um das Recht als geistliche Lebensordnung, das sich unmittelbar aus dem Charakter der Abendmahlsgemeinde als einer Gemeinschaft seelsorgerlicher Liebe ergibt. Daß sich aber solches Recht aus dem sakramentalen Kultus entwickelt, haben wir schon oben bei der Darstellung von Luthers Forderung der Kirchenzucht gesehen66). Daß Butzer als erster auf dem Boden des deutschen Luthertums jene Forderung in die Tat umzusetzen wagte, darin liegt das eine seiner geschichtlichen Verdienste. Und das andere hat er sich dadurch erworben, daß er von jenen Voraussetzungen Luthers aus, auch hier wieder aus dem Gebiete der Erwägungen kühn zur Tat schreitend, die erasmische Konfirmation innerlich umgestaltete. Durch seine — lutherischem
65) Damit wahrt die butzerische Konfirmation
den Grundgedanken lutherischer Kirchenzucht, daß sie nämlich
nicht als äußerlicher Zwang über den Menschen kommen, sondern nur
den treffen dürfe, der sich ihr freiwillig unterwirft. In dem
Maße, als darin der eigentliche Sinn des Konfirmationsgelübdes
besteht, ist jede Erinnerung an das Taufbekenntnis ausgemerzt.
Der Empfang des Taufsakraments wird nur als der Anfang einer
wachstümlich fortschreitenden Vereinigung mit der Kirche als dem
Leibe Christi gewertet; Konfirmation und Erstkommunion erscheinen
dabei als Station dieses Wachstumsprozesses. Vgl. dazu die (in
der Uckeleyschen Ausgabe nicht enthaltenen) „frage stuck zu den
kyndern vnd jhre antwort” RI I, 302 f., bes. 303 A: „Bistu auch
inn der kirch vnd gemein Christi? Ja. — Wie bistu darein kommen?
Durch den heiligen tauff. — Was ist der? Das bad der widergeburt,
da durch ich von der angeborenen sund gewaschen, Christo meinem
Herren eingeleibet vnd mit jhm bekleidet worden bin. — Wiltu inn
der gemeinschaft erharren? Ja durch die hülff des Herren in
ewigkeit.”
66) Vgl. S. 9. Diehls scharfe Trennung zwischen der
Gemeinde als rechtlicher Organisation und als kultischer
Gemeinschaft und seine sich daraus ergebende doppelte Wertung der
Konfirmation als Rechtsakt und als „Vertröstung” kann ich nicht
für zutreffend halten. Sie liegt auch nicht im Sinne von Butzers
Kirchenbegriff. Vielmehr sind für ihn wie für Luther bestimmte
rechtliche Ordnungen mit der kultischen Liebesgemeinschaft ohne
weiteres mitgesetzt. Sie ist das Primäre, das Recht ihr
Akzidenz.
Am allerwenigsten aber ist für Butzer, wie wir gesehen haben, die
Handauflegung als „Bestätigung zur christlichen Gemeinde” ein
kirchenrechtlicher Akt. Diese zuerst von Theodor Kliefoth
(Liturgische Abhandlungen III 1, 1856, S. 86 ff.)
ausgesprochene These hat sich für das Verständnis der
butzerisch-hessischen Konfirmation als verhängnisvoll erwiesen.
Mit jener fürbittenden Segenshandlung schlingt vielmehr die
Gemeinde um die, die sich freiwillig in ihre brüderliche
Gemeinschaft begeben haben, auch ihrerseits das Band
seelsorgerlicher Liebe. Und sie tut das in göttlicher Vollmacht,
nicht weil die Konfirmanden durch ihr Gelübde die rechtlichen
Voraussetzungen dafür geschaffen hätten, sondern weil derselbe
Christus, der die Kinder segnete, auch ihnen seine Verheißung
zuteil werden lassen will.
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Verständnis entsprechende — Wertung der Handauflegung als sakramentaler Segenshandlung entrückte er sie der gefährlichen Nähe des kirchenzerstörenden täuferischen Individualismus. Durch die Bindung an die lutherische Abendmahlszucht entzog er sie dem Bereich einer zweckhaften rationalen Pädagogik und gab ihr eine Stätte innerhalb der seelsorgerlichen Ordnungen der Kirche als einer geistlich-sakramentalen Gemeinschaft. Mag manches, was er im einzelnen aus dem erasmischen Erbe noch bewahrt hatte — noch mehr ist später seinem Werke wieder aufgepfropft worden —, heute die Probe seiner Wertbeständigkeit nicht mehr bestehen, jene beiden lutherischen Grundelemente, von denen aus er das erasmische Konfirmationsprogramm umgestaltete, werden ihre Gültigkeit behalten.
Seit Anfang der dreißiger Jahre sahen wir seine Gedanken über die evangelische Konfirmation allmählich sich entwickeln, in den vierziger Jahren treten sie immer mehr in den Mittelpunkt seines kirchlichen Denkens und Handelns67). In den beiden hessischen Ordnungen aber sind sie zum ersten
67) Vier Stücke scheinen mir dabei besonders
bemerkenswert: 1) Die Klagen über mangelnde Durchführung der
Abendmahlszucht und — im Zusammenhang damit — der Konfirmation.
B. sieht darin die Verachtung der obrigkeitlichen Stellen
gegenüber dem Predigtamt und der geistlichen Freiheit der Kirche
zum Ausdruck kommen und die Missionskraft des evangelischen
Kirchentums und damit die Aussichten für die Wiederherstellung
einer vom Evangelium aus zu rechtfertigenden kirchlichen Einheit
gefährdet. Auf den Einigungsverhandlungen mit den Katholiken hat
er darum sein Konfirmationsprogramm gern entwickelt; vgl. unten
unter Nr. 3 u. 4. Besonders bezeichnend für B.’s Stimmung ist
sein Brief an Vadian vom 12. August 1542 (Vadianische
Briefsammlung, hrsg. von Emil Arbenz und Hermann Wartmann, VI,
1908, S. 148 ff., bes. S. 150 f.) mit der bezeichnenden
Zusammenfassung: nam de sumentium sacramenta disciplina et
professione, ut et de presbyterio, ex omnibus ecclesiae
ordinibus cum sua auctoritate ad formam pontificiam constituto,
multum adhuc desideratur. Instemus igitur orando: Adveniat regnum
tuum.
2) Da — auch nicht in Straßburg — diese Ziele durch
obrigkeitliche Maßnahmen erreichbar scheinen, geht B., umso
bewußter den niemals gänzlich verlassenen Weg der Freiwilligkeit.
Über diese Bestrebungen seiner Altersjahre haben die Arbeiten von
Gustav Anrich (Ein Bedacht B.s über die Einrichtung von
„Christlichen Gemeinschaften” = Archiv f. Ref.gesch. Erg. Bd. V,
1929, S. 46 ff.) und seinem Schüler Werner Bellardi (Die
Geschichte der „Christlichen Gemeinschaften” in Straßburg
(1546/1550) = Quellen u. Forschgen. zur Ref.gesch. XVIII, 1934)
neues Licht verbreitet. Der Freiwilligkeitscharakter lutherischer
Liebeszucht tritt dabei besonders zutage. Die Konfirmation
erscheint dann — im engster sachlicher Verbindung mit Beichte und
Absolution — als das Mittel, durch das dieser
Freiwilligkeitsgemeinde als der Abendmahlsgemeinde ständig neue
Glieder zugeführt werden; vgl. Anrich a.a.O. S. 56: „Eben also .
. . würden sie nicht allein ihre kinder und haußgesind, so sie zu
verstandlichen tagen komen und ihren catechismum gelernet haben,
gern lassen für der gemeind ihres glaubens bekantnuß tun und sich
in die gehorsame der kirchen Gottes begeben, sonder auch für sich
selbs oftermals im jar, wann sie zu des herren disch gon wolten,
zuvor sich ihrem seelsorger ertzeigen und die absolution von ihm
entpfahen.”
3) Noch näher als vorher werden Konfirmationsbekenntnis und
Beichtbekenntnis, Handauflegung und Absolution und damit
Konfirmation und Abendmahl miteinander verbunden. An der
entscheidenden Stelle (Anrich S. 50) wird wieder, ➝
|81|
und einzigen Male aus der Theorie in die Praxis übersetzt und dadurch geschichtsmächtig geworden. In dieser geschichtlichen Leistung Butzers liegt auch ihre Wirkungskraft im wesentlichen beschlossen.
Wir verfolgen zunächst, wie Melanchthon, der ja in den Jahren nach 1538 mit ihm in immer engere Zusammenarbeit getreten war, auch unter den Einfluß der hessischen Konfirmation geriet. Mit ihm hat die sächsische Kirche, deren geistliche Führung Melanchthon zumal nach Luthers Tode
➝ wie so oft, das sachliche Anliegen in die Form eines
historischen Bericht gekleidet. Der altkirchliche Katechumene hat
nach Abschluß des kirchlichen Unterrichts „für der gantzen
kirchen die bekandtniß seines glaubens geton . . . .; solchem hat
dann die gantz gemein gebetten um ein wahren glauben und
regierung des heiligen geists und ist demnach von den ordenlichen
kirchen dienern mit dem zeichen des hand auflegens
bestetiget und durch die gesprochen absolution zum glid
der christlichen gemein . . . . uffgenommen worden.” In
entsprechender Weise hat man auch die Kinder nicht eher zum
Abendmahl zugelassen, „sie hetten denn zuvor in der gemeind
Gottes selbs ihren glauben bekennet und sich in die gehorsame
Gottes und seiner kirchen begeben. . . . Sollicher brauch der
absolution und frewilliger vergebung in die gehorsame der kirchen
ist in unserer kirchen . . . gantz und gar verfallen, und wo er
ihr nit gar wieder zugestellet wirt, so haben wir, on den zorn
Gottes, den wir damit schwerlich uff uns laden, nichts gewissers
denn das endtlich zerrütten und undergang der gantzen kirchen. .
. . Aber die absolution ist nit allein also zu dem
eingang und uffnemen in die kirchen von Christo gegeben,
sonder auch fürnemlich datzu geordnet, das sie für die
angefochtene betrüvte gewißnen . . . . in der kirchen eine ewige
und gewiße artznei sei, die selben zu jeder Zeit zu trösten und
zu stercken.”
Ähnlich bezeichnet Butzer in seinem Bericht über das 2.
Regensburger Religioonsgespräch (Disputata Ratisbonae, in altero
colloquio 1546, 1548 — die Vorrede an Joachim II. von Brandenburg
ist unterzeichnet Straßburg, den 20. Nov. 1547) das mit
Sündenbekenntnis und Absolution verbundene Glaubensexamen vor dem
Sakramentsempfang als notwendig. Die Anwendung auf den ersten
Abendmahlsgang ergibt sich daraus von selbst. Die Begründung
dieser gut lutherischen Forderung wird in der Alten Kirche,
namentlich bei Augustin, gesucht und gefunden. Die sakramentale
Wirkung der Handauflegung wird dabei — abermals gut lutherisch —,
von dem persönlichen Glauben an die göttliche Verheißung abhängig
gemacht: Eadem religione imponuntur etiam manus singulis
hominibus et fidem suam coram ecclesia confitentibus et munus
aliquod ecclesiasticum suscipientibus. Nec enim alia de causa et
hoc sacramentum exhibetur quam ut cuique fiducia promissae
gratiae Dei singularis et propria confirmetur. Si hi igitur,
quibus promissa Dei munera ita singillatim cum inuocatione S.
Trinitatis addicuntur, ea se non certa fide credunt percipere,
quid faciunt aliud quam illudunt Deo? (a.a.O. 521 f.).
4) Ein besonders bezeichnender Zug im Konfirmationsprogramm des
alternden Butzer ist seine wachsende Vorliebe für das Muster, das
ihm die Alte Kirche hierfür darbot. Und es ist verständlich, daß
gleichzeitig damit sich auch das erasmische Vorbild stärker
geltend machte; denn der Straßburger Reformator kann das
kirchliche Altertum nicht mit anderen Augen sehen als mit denen
des christlichen Humanisten. Es ist keine Frage, daß sich damit
die lutherischen Anregungen nicht in allen Stücken vertrugen. So
kommt es, daß der in den hessischen Ordnungen von 1538 erreichte
Ausgleich der beiden Bestandteile der butzerischen Konfirmation
in der Folgezeit nicht mehr streng festgehalten wird.
Im Hinblick auf Butzers Anteil an den Unionsverhandlungen der
40er Jahre, diese jetzt nur einmal unter dem Gesichtspunkt der
evangelischen Konfirmation ➝
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in immer steigendem Maße auf sich zu nehmen hatte, sich den Auswirkungen des butzerischen Konfirmationsprogramms erschlossen.
Melanchthon hatte schon im Anfang des Jahres 1540 in einem Gutachten die hessische Kirchenzucht und das hessische Ältestenamt als ein Einheitsband für den gesamten deutschen Protestantismus zur Einführung
➝ betrachtet, findet diese Wahrnehmung freilich erst
andeutungsweise ihre Bestätigung (vgl. zum Folgenden außer dem in
Nr. 3 mitgeteilten Zitat zum Regensburger Religionsgespräch von
1546 das von Butzer verfaßte Responsum Protestantium de
reformandis abusibus Ecclesiasticis vom 14. Juli 1541, bei K.Th.
Hergang: Das Religionsgespräch zu Regensburg i.J. 1541 und das
Regensburger Buch, 1858, S. 398 ff. besonders 424 ff.). Die gut
katholische Lehre des Regensburger Buches über das Sakrament der
Firmelung (Hergang S. 152 ff.) hat Butzer nicht gebilligt,
sondern der von ihm vorgeschlagenen Handlung diejenige stärkende
Wirkung zugeschrieben, die die des Regensburger Buches für sich
in Anspruch genommen hatte (das Wort confirmatio wird von ihm
dabei bewußt doppeldeutig gebraucht).
Dabei wird die ganze Handlung unter den Gesichtspunkt der Zucht
gestellt. Aber man merkt wenig von dem Motiv seelsorgerlicher
brüderlicher Liebe, dem er sonst so beredten Ausdruck zu geben
vermocht hatte. Sondern wirksam ist hier zu Zucht der Schulstube,
unter der der freie Schwung des christlichen Humanismus längst
ermattet war, wenn er wie Erasmus einst die christliche
Jugendunterweisung in allen Glaubensartikeln fordert: „Mit
höchstem Eifer müssen sie der Jugend übermittelt und auch von ihr
gefordert werden; damit man weiß, wie weit jeder ist, müssen
schließlich die zurechtgewiesen werden, die sich als zu wenig
aufmerksam erweisen” (a.a.O. 426). Und wenn nun die zo
Herangezogenen sich in der Konfirmation „in den Gehorsam Christi
und seiner Kirche ergeben” und zum Tische des Herrn zugelassen
werden, ist das Vorbild altchristlicher Strenge erreicht, dem
auch die besten Kräfte der beginnenden Gegenreformation
nacheiferten: „Auf diese Weise werden Bestrafung der Laster,
Enthaltsamkeit, Bann und jene ganze heilsame Strenge der Zucht
leichter wiederhergestellt, werden allgemein Furcht zu sündigen,
Eifer, rechtschaffen zu leben, tägliche Übung, fromm und heilig
zu wandeln, geweckt und geführt werden” (a.a.O. 426). Dieses
selbe Ziel suchen auch die kirchlichen Gesetze, die im Römischen
Recht enthalten sind, und die altkirchlichen Canones zu
erreichen. Seine Verwirklichung würde die Wiederherstellung der
Einheit der Kirche auf ihrer ursprünglichen Grundlage
bedeuten.
Das kirchliche Einigungsstreben des christlichen Humanismus hat
auch auf den Konfirmationsentwurf der Kölner Reformation von 1543
hinübergewirkt (ich benutze die von Laurentius Mylius
veranstaltete Ausgabe, Bonn 1545). In der theologischen
Begründung, die Butzer ihm mitgibt, fällt neben dem Streben,
alttestamentliche Entsprechungen dafür heranzuziehen, auf, wie
stark das Vorbild des kirchlichen Altertums Berücksichtigung
findet. Sachlich begegnen wir in dem geschichtlichen Gewande den
uns bekannten Gedanken. Der Charakter einer objektiven Stärkung
des Glaubens erscheint danach als durch Handauflegung und
Teilnahme an der Kommunion bewirkt.
Neu ist dagegen die Begründung der Konfirmation aus der Taufe.
Nicht so wie bei Erasmus wird die Ergänzungsbedürftigkeit des
durch die Paten abgelegten Taufbekenntnis vermittelst eines
persönlichen Bekenntnisses und Gelübdes behauptet. Sondern die
Taufe macht uns nach Butzer zu Gliedern der Kirche und
verpflichtet uns damit zu wechselseitiger Liebe und Zucht. Daß
diese Verpflichtung aber anerkannt wird, muß öffentlich
ausgesprochen werden. Und da Kinder naturgemäß dazu nicht fähig
sind, muß es geschehen, sobald sich einer jener Verantwortung
bewußt geworden ist. ➝
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empfohlen68). Die Konfirmationsfrage trat vornehmlich 1541 während des Regensburger Religionsgespräch in seinen Gesichtskreis. Damals bezeichnete das Regensburger Buch die Konfirmation im altgläubigen Sinne schlechthin als Sakrament und suchte diese Behauptung dadurch vor reformatorischer Theologie zu rechtfertigen, daß es die Verheißung der Gebetserhörung von Luk. 11 13 auf das Konfirmationssakrament bezog und die Handauflegung als das zugehörige Element betrachtete; auch die Ölsalbung wurde beibehalten. Dem erasmischen Reformprogramm, dem die Verfasser jener Unionsschrift in ihrem Denken sämtlich verhaftet waren, hatten sie insofern Rechnung getragen, als sie katechetische Unterweisung und öffentliches Glaubensbekenntnis als Ergänzung der Kindertaufe mit dem Firmelungssakrament verbanden. Und vielleicht dürfen
➝ Durch diese Umdeutung der erasmischen Konfirmation
erfährt auch die objektive Seite der kultischen Handlung eine
neue Begründung. Taufgemeinschaft als Liebesgemeinschaft
verwirklicht sich in der Gemeinschaft gläubigen Gebets. Darin
soll die Kirche für die jungen Christen, die ihre gliedhafte
Zugehörigkeit zu ihr verantwortungsbewußt bekennen, die Stärkung
des heiligen Geistes erflehen; und sie hat die Verheißung, daß
solches Gebet nicht vergeblich sein wird. Das äußere Zeichen aber
dieser segnenden Liebe und gläubigen Gewißheit der Gebetserhörung
ist die Handauflegung, die nach dem Beispiel Christi und seiner
Apostel beibehalten werden soll.
Nach diesen Grundsätzen versucht B. nun die Konfirmationsfragen
der KKO, deren Wortlaut im wesentlichen beibehalten wird, zu
ergänzen. Der folgenschwere Einschub ist dabei die Wiederholung
der Taufabrenuntiation im Konfirmationsgelübde der Kölner
Reformation. Denn in dieser rein negativen Formel, die B. wohl
nur um ihres altertümlichen Wertes willen beibehalten hat, kommt
ja gerade der Gemeinschaftscharakter des Taufsakraments nicht im
entferntesten zum Ausdruck. Sie ließ sich mit B.’s tiefen
Einsichten über das Wesen der Taufe nicht vereinigen, wohl aber
mit dem Konfirmationsideal des Erasmus. Und je mehr sich die
Butzersche Konfirmation in der Fassung der Kölner Reformation und
nicht der KKO verbreitete, desto mehr wurden jene Butzerschen
Gedanken überwuchert von denen des Erasmus. So ist Butzer nicht
ohne Schuld daran, daß die folgende Entwicklung der evangelischen
Konfirmation nicht eindeutig von ihm beeinflußt wurde, sondern
den Idealen des Erasmus immer neue Konzessionen machte. Ein
Zeichen dieser Entwicklung ist es schon, daß B. 1545 in seiner
„Bestendigen Verantwortung auff der Heiligen Schrifft und war
Catholischer Lehre vnd haltung der Allgemeinen Christlichen
Kirchen des Bedenckens von Christlicher Reformation, das der
Hochwürdigst in Gott Vatter Fürst und Herr Herr Hermann
Erzbischoff zu Cöllen und Churfürst etc. hieuor hat außgeben”
sich gegen denselben Vorwurf eines kirchenzerstörenden, die Taufe
außer Kraft setzenden Individualismus verteidigen mußte, der 20
Jahre früher gegen Erasmus erhoben worden war a.a.O. C. VIII ff.
Der Vorwurf traf nicht Butzers theologische Begründungen, aber er
bestand zurecht gegenüber der Fassung des Konfirmationsgelübdes,
die der kirchliche Traditionalismus B.’s geschaffen hatte.
68) C.R. 3, 958 ff., Gutachten der Wittenberger an die
Nürnberger Theologen vom 17. Februar 1540 zur Vorbereitung des
Theologenkonvents zu Schmalkalen 1540; hier 965: Restituatur et
excommunicatio, non ut ante in litibus rerum prophanarum, sed de
flagitiis manifestis, adhibitis in hoc iudicium senioribus in
qualibet Ecclesia. Zu Mel.’s früheren Äußerungen über die
Konfirmation vgl. oben S. 66 f.).
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wir es auf den Einfluß Butzers, der ja sehr früh mit dem Entwurf des Regensburger Buches befaßt worden war, zurückführen, wenn auch eine Verpflichtung zum Gehorsame gegen die Kirche darin aufgenommen worden war.69)
Indem Melanchthon nun den strengen Sakramentscharakter der Konfirmation bestreitet, sucht er von dem erasmischen Programm nur die katechetische Unterweisung beizubehalten.70) Aber diese Lösung konnte nicht mehr genügen; man sieht, wie er mit dem Problem gerungen hat. Während der Regensburger Verhandlungen machte er einmal sogar den Versuch, die Konfirmation ganz zu umgehen und zu ersetzen durch die zu einer Lehr- und Sittenprüfung ausgestaltete jährliche Generalbeichte; das würde ein Zurückgehen auf die lutherische Vorschläge von 1523 bedeutet haben.71) Aber angesichts der Notwendigkeit, das römische Firmelungssakrament durch eine ähnliche Handlung zu ersetzen, und angesichts der vollendeten Tatsache, die Butzer in Hessen geschaffen hatte, war ein Zurück nicht mehr möglich. In der endgültigen Antwort, die Melanchthon im Namen der evangelischen Stände auf das Regensburger Buch verfaßte, wird mit deutlicher Anspielung auf das hessische Vorbild eine Konfirmation vorgeschlagen, in der katechetische Prüfung, Glaubensbekenntnis und fürbittende Handauflegung zu einer liturgischen Handlung verbunden sein sollen.72)
69) C.R. 4, 216 = Hergang a.a.O. 152 ff.
70) C.R. 4, 415: De confirmatione censuimus, ut
restituatur Catechismus. Dtsche Fassg. a.a.O. 419 ff. Noch nach
der Abgabe der evangelischen Antwort an den Kaiser kommt Mel. auf
die Lösung zurück, a.a.O. 533: Olim in ecclesia fuit consuetudo
Catechisandi iuniores et rudes. Et postea in confirmatione
flagitabatur professio fidei. Nunc in ecclesiis consuetudo
Catechisandi prorsus desiit. Hanc negligentiam necesse est
corrigi, et mandandum est pastoribus, ut certis temporibus
convocent iuventutem et proponant eis articulos fidei . . . . Et
exploretur et audiatur iuventus. Cogantur et patres familias
mittere ad tale examen liberos, servos et ancillas. Huius moris
restitutio maxime necessaria est. Sed ad hanc rem opus erit
pastoribus et ministris eruditis. — Im übrigen wurde in
Regensburg die Konfirmation zu den „übergangenen” Artikeln
gerechnet, über die man nicht streiten wollte, wenn nur in den
Grundfragen die Einheit der Lehre wiederhergestellt sein würde.
So lautet auch das Urteil des hessischen Superintendenten
Pistorius, der an den Verhandlungen teilnahm, a.a.O. 442.
71) C.R. 4, 546: Pastores in singulis Ecclesiis
audiant semel in anno ordine auditores, praesertim rudiores, ac
fidem eorumi explorent, idque in templo fiat. Nec potest hac in
re quisquam detrectare pastoris autoritatem, quia singuli debemus
fidem proflteri, praesertim apud pastores pios et fideles, cum
hoc ex officio postulant. Ibi pastor singulos etiam ea quae
cuiusque aetas aut mores postulant, prudenter et graviter moneat,
et erudiat indoctiores de fide, de moribus, de usu Sacramentorum.
Daß dieses ganze seelsorgerliche Verhör der Vorbereitung zum
Abendmahl dient, und daß dieses als die eigentliche
„Konfirmation” betrachtet wird, ergibt der Zusammenhang.
72) C.R. IV, 489: Vellemus in Ecclesiis ubique
Catechismum exerceri, ut liber monet, et post examen et
professionem fieri precationem a populo pro pueris. ➝
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In der Ausgabe der loci von 1543 hat sich Melanchthon auch persönlich diese Lösung zu eigen gemacht. Dabei berücksichtigt er auch — wie die christlichen Humanisten es gerne tun, unter der Form eines geschichtlichen Berichtes — die Kirchenzucht, freilich mehr unter dem Gesichtspunkt der Lehr- als der Sittenzucht; jedoch ist dieses Anliegen Butzers nicht völlig außer acht gelassen. Zu dieser Prüfung (exploratio) tritt das öffentliche Glaubensbekenntnis (professio); eine Beziehung zum Taufbekenntnis wird nicht hergestellt, die Absage an Heiden und Ketzer indessen, wie sie auch in der Taufabrenuntiation gegeben war, ausdrücklich hervorgehoben. Immerhin ist also das erasmische Erbe ebensowenig betont wie das butzerische. Am deutlichsten tritt vielmehr das lutherische Verständnis der Konfirmation zutage als einer Handlung segnender Fürbitte (precatio); die Handauflegung wird als ihr äußeres Zeichen, von den Tagen der Apostel noch herstammend, festgehalten.73) Mit diesen drei Begriffen der exploratio, professio und precatio ist das Konfirmationsverständnis Melanchthons umschrieben. Er hat auch später dieses Grundschema nicht mehr verlassen, höchstens das eine oder das andere der drei Momente stärker oder schwächer hervorgekehrt.
Inzwischen hatte sich im albertinischen Sachsen der hessische Einfluß wie auf dem Gebiete der Kirchenverfassung, so auch auf dem der Konfirmation geltend gemacht.74) Die Leipziger Lätarekonferenz von 1544 hat das Katechismusexamen, verbunden met der Handauflegung, also als einen einmaligen liturgischen Akt, wieder eingeführt wissen wollen. Zur Begründung dieser Forderung hat sie sich teilweise wörtlich die Formulierungen der Ziegenhainer Zuchtordnung zu eigen gemacht. Freilich ist auch hier das kirchenzuchtliche Moment schwächer, das der fürbittenden Segnung stärker hervorgehoben.75) In der auf Melanchthon zurückgehenden,
➝ Hanc credimus non esse irritam, nec displicet addi
impositionem manuum. Et haec fiunt in quibusdam ecclesiis apud
nos. — Der Nachdruck liegt hier also auf der Fürbitte; hier war
zugleich der größte Gegensatz und die größtmögliche Annäherung an
das katholische Firmelungssakrament erreicht. Von der
Kirchenzucht ist keine Rede; doch vgl. 545 f.
73) C.R. XXI, 853: Olim fuit exploratio doctrinae, in
qua singuli recitabant summam doctrinae et ostendebant se
dissentire ab Ethnicis et Haereticis, et erat mos ad erudiendos
homines, item ad discernendos profanos et pios admodum utilis.
Postea fiebat publica precatio et Apostoli imponebant eius (sic!)
manus. Ita donabantur manifestis donis Spiritus sancti. Sed nunc
ritus Confirmationis, quem retinent Episcopi, est prorsus otiosa
ceremonia. Utile autem esset, explorationem et professionem
doctrinae fieri et publicam precationem pro piis, nec ea precatio
esset inanis.
74) S. oben S. 37 ff. und E. Sehling: Die
Kirchengesetzgebung unter Moritz von Sachsen und Georg von
Anhalt, 1899.
75) A.a.O. 137 f.: Es ist bey den Christen in der
alden kirchen eynn Heerlich gebrauch gewesen, das yhre kinder, so
in yhrer vnmündigen kintheit getaufft, ➝
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auch von Luther mitunterzeichneten Wittenberger Reformation von 1545 ist diesen Vorschlägen auch auf ernestinischer Seite Rechnung getragen worden; hier wird auch zu Butzers sittenzuchtlichem Anliegen ein klares Ja gesprochen.76)
Aufs neue ist die Frage nach den Erfordernissen einer evangelischen Konfirmation — besonders in Sachsen — brennend geworden in der Zeit des Interims. Dieses versuchte ähnlich wie einst das Regensburger Buch aus der Schrift die katholische Firmelung als Sakrament nachzuweisen und ihre spätere kultische Ausgestaltung zu rechtfertigen. Das erasmische Anliegen blieb berücksichtigt, wenn auch nicht so ausführlich wie 1541.77)
In seiner Abwehr des Interims bestreitet Melanchthon der Firmelung vor allem den Charakter als Sakrament, und das heißt für ihn in diesem Zusammenhang zugleich ihre Heilsnotwendigkeit. Als ein Adiaphoron aber läßt er die Konfirmation — getreu seiner Haltung von 1541 — bestehen.78) Damit aber gewinnt er eine Basis zur positiven Lösung der aufgeworfenen Frage.79) So hat das Leipziger Interim in seiner ersten Fassung vom 19. Oktober 1548 sich das alte Konfirmationsprogramm, das Melanchthon seit Anfang der vierziger Jahre aufgestellt hatte, zu
➝ zcu der tzeit, wen sie zcum vorstandt kummen, von yhren
eltern vor der kirchen gemeyn dargestellt vnd von dem Bischof vnd
pastorn aus dem Catechismo (des sie eyn gemeyn vnd gewisse forma
gehapt) seynt vorhöret worden. Vnd damit diese handlung, die man
billich vor heilsam tapffer vnd ernst gehalten, mehr ansehen vnd
reuerenz hatte, hat man auch den kindern die hende uffgelegt,
wiewoll dan sulchs hernachmals in eynen mißbrauch geraten”: Das
Glaubensverhör fiel weg; es wurde ein Sakrament daraus gemacht.
„Szo wirdet doch vor gutt vnd nutz angesehen, das diser gebrauch
der confirmation vf die alde form widerumb angerichtet werde.”
Die Sätze, in denen die ZZO die Konfirmationshandlung beschreibt
(Ri. I, 291a, Absatz 4 und 5 von oben = Uckeley A VI), hat sich
die Lätarekonferenz fast wörtlich zu eigen gemacht.
76) Sehling, Kirchenordnungen I S. 211: „Dieses wäre
hochnötig in allen Kirchen, den Katechismus auf bestimmte Tage zu
halten, die Jugend in allen nötigen Artikeln christlicher Lehre
zu unterweisen. Dazu möchte die Konfirmation angerichtet werden,
nämlich, so ein Kind zu seinen mündigen Jahren kommen, öffentlich
sein Bekenntnis zu hören und zu fragen, ob es bei dieser einigen
göttlichen Lehre und Kirche bleiben wollte, und nach dem
Bekenntnis und Zusage mit aufgelegten Händen ein Gebet tun.
Dieses wäre eine nützliche Zeremonie, nicht allein zum Schein,
sondern vielmehr zur Erhaltung rechter Lehre und reines Verstands
und zu guter Zucht dienlich.”
77) Die Stelle über die Konfirmation bei K.Th.
Hergang: Das Augsburger Interim, 1855, S. 77 ff.; vgl. auch die
noch viel strenger das katholische Dogma wahrende Anweisung an
die Bischöfe in der kaiserlichen Formula reformationis, a.a.O. S.
251.
78) C.R. VI, 840, 844, 932.
79) C.R. VII, 119 f. (24. 8. 1548): De confirmatione
concedi potest, si superstitio exeludatur. Entsprechend erklärt
der Torgauer Konvent im Oktober 1548 (a.a.O. 175): „Von der
Confirmation sind wir selbst willig, diese nützliche Ceremonien
aufzurichten.”
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eigen gemacht; und das Zeller Interim ist ihm darin wörtlich gefolgt.80) Der Zeller Theologenkonvent aber machte sich unter dem 20. November 1548 an die Arbeit, die Grundlagen für eine neue Konfirmationsagende zu legen; die Vorarbeiten der Lätarekonferenz von 1544 boten ihm dafür wertvolles Material.81) Das Ergebnis liegt vor in der sächsischen Intersimsagende von 1549. Bestätigung des Taufglaubens durch Wiederholung des Taufbekenntnisses und der Abrenuntiation einerseits, durch fürbittende Segnung der Kirche andrerseits — das ist der Sinn dieser Konfirmation; auf die Prüfung in der christlichen Glaubenslehre wird wie bei Erasmus aller Nachdruck gelegt, die Verbindung zum ersten Abendmahlsgang ist völlig gelöst.82) Wie sehr der Gesichtspunkt der katechetischen Unterweisung bei diesen Konfirmationsplänen im Vordergrund steht,
80) C.R. VII, 179: „Wir für gut angesehen, daß
die Jugend, die erwachsen ist und zum hochwürdigen Sakrament des
Leibs und Bluts Christi gehen will, von den Bischöffen oder ihren
Pfarrherren verhört werde ihres Glaubens, und daß sie den
bekennen und die Zusagen, die ihre Pathen in der Taufe für sie
gethan und dem Teufel abgesagt, bekräftigen und ratificirn, und
also in ihrem Glauben bestätiget und confirmirt werden mit
Auflegung der Hände und christlichen Gebeten.” Auffällig ist, wie
stark man hier die erasmische Grundlage der evangelischen
Konfirmation hervorkehrt, in demselben Augenblicke, da man mit
dem Reformkatholizismus in freundschaftliche Fühlung treten
möchte. — Wörtlich dasselbe C.R. VII, 217 als Beschluß der
Altzeller Konvents vom 22. Nov. 1548 (dies Datum nach Nikolaus
Müller: Zur Geschichte des Interims = Jahrb. für brandenburg. KG.
V, 1908, S. 51 ff.).
81) Das Datum für das C.R. VII, 198 ff. abgedruckte
Bedenken des Konvents nach Nik. Müller a.a.O. Die
Konfirmationshandlung wird hier nach den drei bekannten
Gesichtspunkten Mel.’s gestaltet; die Absicht ist, daß sie mit
„vorhergehender Verhöre in allen Articeln christlicher
Lehre und mit öffentlicher klarer Bekenntniß des
Glaubens und Zusage, im wahren Glauben und wahrer Anrufung Gottes
durch göttliche Hülf ewiglich zu bleiben und mit ernstlichem
Gebet dabei ernstlich und ehrlich gehalten würde” (C.R.
VII, 199 f.).
82) Agenda, wie es in des Churfürsten zu Sachsen
Landen in den kirchen gehalten wirdt, hrsg. von Emil Friedberg,
Hall 1869. Hier S. 30: „Die Confirmatio, oder wie man es zu
deutzsch nennet, Firmunge, sol geleret vnd gehalten werden, vnd
sonderlich die iugent, die erwachsen, von irem Bischouen oder
weme es dieselbigen beuelen, verhöret ires glaubens, das
sie den bekennen, vnd die Zusage, die ire paten in der Taufe vör
sie gethan, vnd dem teufel abgesaget haben, becreftigen,
vnd also in iren glauben vermittelst göttlicher gnaden cofirmiret
vnd bestetiget werden, mit auflegung der hende vnd
christlichen gebeten vnd ceremonien . .” Im Folgenden
wird die Notwendigkeit dieser Wiederholung des
Glaubensbekenntnisses noch einmal unterstrichen und geschlossen:
„dan solchs dienet zu unterweisung der iugend, vnd zu gottes
furcht, gueter zucht vnd gueten sitten.” — Die Konfirmation ist
nicht Vorbedingung für die Zulassung zu Beichte und Abendmahl;
dazu braucht es offenbar noch keiner besonderen Reife, „aber die
confirmation sol geschehen in verstendigen Jaren, darinn sie iren
glauben und zusage besser verstehen” (S. 31). Ähnliche Gedanken
schon im Altzeller Bedenken, C.R. VII, 281.
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zeigen Melanchthons unvollendete Katechismusentwürfe, die im Zusammenhang mit ihnen in dieser Zeit entstanden.83)
An keinem entscheidenden Punkte haben diese Gutachten und agendarischen Entwürfe der Interimszeit das Anliegen einer evangelischen Konfirmation preisgegeben, die Bahn der bisherigen Entwicklung verlassen. Wer indessen in der adiaphoristischen Frage Melanchthon entgegenstand, mußte auch seine Konfirmation ablehnen. Auch aus Laienmund, aus dem Kreise der sächsischen Ritterschaft, sind in dieser Beziehung Beschwerden laut geworden; freilich haben dann die Theologen wieder besänftigend wirken können84). Immerhin blieben die Gebiete, in denen das flazianische Luthertum die Herrschaft gewann, der Konfirmation verschlossen; auch in Württemberg, wo der Einfluß von Brenz vorherrscht, hat sie nicht Wurzel schlagen können. Nur auf dem Boden des melanchthonischen Luthertums hat sich in Deutschland — abgesehen von der Reformierten Kirche — eine evangelische Konfirmation eine Zeitlang halten können. Auch in Kursachsen hat die theologische Ächtung des alten Präzeptors die Ansätze dafür schließlich zum Verschwinden gebracht85).
Melanchthon selbst ist seit den Kampfjahren, die das Interim zur Folge hatte, in der Freudigkeit des Einsatzes für eine evangelischen Konfirmation
83) Vgl. Ferdinand Cohrs in Supplementa
Melanchthoniana V, Philipp Mel.’s Schriften zur Praktischen
Theologie I Katechetische Schriften 1915, S. LXIV ff.
84) Unter dem 6. Juli 1548 hatte sich der Meißner
Landtag mit einer Konfirmation unter den auch von Mel. gemachten
Einschränkungen einverstanden erklärt: „Aber also wäre die
Confirmation eine nützliche Ceremonie und Gebrauch, daß die
Getauften, so sie zu ihren Jahren kommen, ihres Glaubens verhört,
Bekenntniß thäten und in den Gehorsam christlicher Kirchen
sich selb willig ergäben (vgl. ZZO) und dann mit Auflegung
der Hände iuxta ritum apostolicum über sie um Stärk und
Beständigkeit gebethen würde, mit Reformation und Abstellung der
Mißbräuche, so in dem eingeführet, sonderlich daß es an ihm
selber zur Seligkeit nicht für nothwendig gelehret würde.” — Aber
am 28. Dez. 1548 fordert die sächsische Ritterschaft Abschaffung
von Firmung und letzter Ölung (C.R. VII 267). Ein Gutachten der
Theologen vom gleichen Tage (a.a.O. 268) wies sie unter Hinweis
auf das hessische Vorbild zurück: die Konfirmation „ist nicht
ärgerlich, sondern nützlich und löblich, so sie dermaßen gehalten
wird, wie oft davon geschrieben und wie sie an etlichen Orten in
Brauch ist . .”.
85) Vgl. Johannes Nicolai: Die Konfirmation in Sachsen
= Beiträge zur Sächs. Kg. 41/42, S. 23 ff. — Die sächsische KO.
von 1580 setzt (Sehling I, 425 f.) die jährliche
Katechismusprüfung der Konfirmation gleich, knüpft also bei der
von Erasmus ausgehenden Entwicklung an derselben Stelle an, wo
einst Zwingli eingesetzt hatte. Der Eifer, mit dem hier die
Arbeit eines ganzen Menschenalters durchgestrichen wird, hat auch
wertvolles lutherisches Gut zerstört. Und was übrig blieb, war
nicht eine lutherische Konfirmation, sondern eine erasmische. Ich
setze die vielberufene, aber wenig gekannte Stelle hierher: Die
Pfarrer sollen dem Volk predigen, daß die jährliche
Katechismusunterweisung sei „die rechte christliche Konfirmation
oder Firmung, das ist die Bestätigung des Glaubens, so die Paten
anstatt des neugetauften Kindleins bekannt, darauf auch das Kind
getauft worden, wenn sie nämlich solches in diesem examine
erinnert und demselben in ihrem ganzen Leben nachzukommen fleißig
ermahnet werden.”
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wesentlich erschüttert worden. Wo er überhaupt dazu Stellung nimmt, steht das katechetische Interesse im Vordergrund, während das kirchenzuchtliche Moment zurücktritt. Erasmus beginnt über Luther und Butzer zu triumphieren. So ist in der Confessio Saxonica von 1551 die Konfirmandenprüfung zu einer bloßen exploratio doctrinae zusammengeschrumpft. Jeden besonderen Konfirmationsritus möchte er am liebsten bloß als unverbindliche historische Reminiszenz gewertet wissen und die ganze Handlung wieder, wie anfänglich in den Tagen der Regensburger Gesprächs, durch eine als Lehrprüfung verstandene Privatbeichte ersetzen86). Erst in den deutschen Loci von 1558 ist er zu seinem alten Programm zurückgekehrt, ohne ihm die Wärme einer besonderen Überzeugungskraft einhauchen zu können.87)
So sind diese Ausstrahlungen der butzerischen Konfirmation, die sich von Hessen aus nach dem nahen Orten erstreckten, ohne dauernde Wirkungen geblieben.88) Dieses Urteil läßt sich nicht in gleicher Weise ausdehnen
86) Vgl. oben S. 84. — Nachdem Mel. C.R. 28,
435 die erasmische Konfirmation als die geschichtlich
ursprünglichere hingestellt hat, fährt er fort: „ac in Ecclesiis
nostris similia fiunt in catechesi iuniorum et in privata
confessione, in qua pastores doctrinam populi explorant.”
87) C.R. 22, 456: „Doch were zu wünschen, daß man die
Confirmation also anrichtet, das man die Jugend
verhörte, vnd sie dazu hielte, den rechten Glauben zu
bekennen, straffet die vnvleissigen vnd leichtfertigen.
Aber den züchtigen, vleissigen vnd Gottesfürchtigen
leget der Priester seine hende vff das Heubt,
und betet für sie, dis were nicht vnfruchtbar.” — Bei
der Beurteilung der Konfirmationsanschauung des alten
Melanchthons muß auch sein Anteil an der Erbacher Kirchenordnung
von 1560 mit berücksichtigt werden; vgl. Erwin Preuschen: Die
Erbacher K.O. von 1560 und Phil. Mel. = Beitr. zur hess. K.G. VI,
1917, 231 ff. Wie sehr viele lutherischen Kirchenordnungen
begnügt auch sie sich mit einem besonders ausführlichen und
gründlichen Abendmahlsverhör der Erstkommunikanten. Mel. ist
(a.a.O. S. 247) mit dieser Regelung völlig einverstanden, fordert
nur — ohne daß der Druck der Ordnung seine Vorschläge
berücksichtigt hätte — die Privatabsolution als Abschluß jenes
Verhörs. Man sieht, wie wenig ihm seine sonstigen weitergehenden
Konfirmationsprogramme als unerläßliche Forderungen galten.
88) Der Weg von der hessischen Konfirmationsordnung
über die Kölner Reformation (vgl. oben S. 82 f. Anm. 67, 4) zum
Common Prayer Book mag hier außer Betracht bleiben, so reizvoll
ein Vergleich mit der anglikanischen Konfirmation sein würde.
Immerhin ist es beachtlich, daß die reformatorische Kritik am
katholischen Firmelungssakrament im 25. der 39 Artikel von 1571
ihren Niederschlag gefunden hat: Quinque illa vulgo nominata
Sacramenta, scilicet Confirmatio, Poenitentia, Ordo, Matrimonium
Extrema Unctio pro Sacramentis Evangelicis habenda non sunt, ut
quae partim a prava Apostolorum imitatione profluxerunt, partim
vitae status sunt in Scripturis quidem probati, sed Sacramentorum
eandem cum Baptismo et Coena Domini rationem non habentes: ut
quae Signum aliquod visibile seu ceremoniam a Deo institutam non
habeant. Die Wittenberger Artikel von 1536, die mit zur Grundlage
der anglikanischen Bekenntnisbildung gehören, schweigen gänzlich
über Firmelung und Konfirmation.
Daß daneben auch Erasmus auf die Anglikanische Theologie
eingewirkt hat, ist selbstverständlich, bildet doch der
christliche Humanismus ihre eigentliche ➝
|90|
auf das Verhältnis der hessischen Ordnungen zu den Konfirmationsformularen im lutherischen Norddeutschland. Auf verschiedenen, oft seltsam verschlungenen Wegen, die hier nicht im einzelnen aufgezeigt werden können,89) hat sich dort der hessische Einfluß geltend gemacht. Einer seiner ersten Vermittler aber ist Antonius Corvinus, zuerst hessischer Pfarrer in Witzenhaufen, dann Reformator der niedersächsischen Lande.
Als Verfasser der Kirchenordnung Herzog Erichs II. von Braunschweig-Kalenberg90) hat er nur das angewandt, was er in Hessen gelernt hat. Weithin lehnt er sich an Ziegenhainer Zuchtordnung und Kasseler Kirchenordnung an, hat sie vielfach sogar wörtlich übernommen. Und doch ist er dabei in bemerkenswerter Selbständigkeit mit dem darin enthaltenen Gedankengut verfahren.
Corvinus hat schon in seiner hessischen Zeit für die Fragen der Kirchenzucht ein besonders lebhaftes Interesse bewiesen.91) Abendmahlszucht ist
➝ Substanz. Befragen wir nun den ersten großen Meister
dieser Theologie, Richard Hooker, nach seinem Verständnis der
evangelischen Konfirmation (The Laws of Ecclesiastical Polity,
Book V, cap. LXVI = Works, edd. W. Church and F. Paget, vol. II,
1888, S. 337 ff.), so müssen wir die Antwort einem langen,
gelehrten dogmengeschichtlichen Exkurs entnehmen, aus dem
dreierlei hervorgeht: 1) Die Konfirmation ist kein sakrament,
sondern „a sacramental complement” zur Taufe (a.a.O. S. 344), die
allein und vollgültig den Heiligen Geist mitteilt. 2) Die
Beziehung auf die Taufe — an sich wie die ganze Art der
patristischen Beweisführung erasmisches Erbteil — besteht nicht
subjektiv in der Erneuerung des Taufbekenntnisses durch die
Konfirmanden, sondern objektiv im Segenshandeln der Kirche. 3)
Diese Handeln besteht wie auch vielfach im lutherischen
Protestantismus Deutschlands in dem mit der Handauflegung
verbundenen Gebet um den Heiligen Geist, dem nach Gottes
Verheißung ohne weiteres die Erhörung gewiß ist. Auch bei Hooker
hat also das reformatorische Gut bei weitem das Übergewicht über
das humanistische. Vg. a.a.O. S. 337: „The ancient custom of the
Church was after they had baptized, to add thereunto imposition
of hands with effectual prayer for the illumination of God’s most
Holy Spirit to confirm and perfect that which the grace of the
same Spirit had already begun in baptism.”
89) Vgl. Emil Jansen: Geschichte der Konfirmation in
Schleswig-Holstein, 1911, S. 82 ff.
90) Aus ihr auch separat gedruckt „Ordnung der
Confirmation oder Firmung, Wenn vnd wie man die halten sol, in
dem löblichen Fürstenthum Herzog Erichs des Jüngeren” 1542. In
den folgenden Zitaten bezieht sich „Konf.-Ordn.” auf diesen
Sonderdruck, „K.-Ordn.” auf das ganze Werk, das G I ff. einen
grundsätzlichen Abschnitt enthält: „Von dem Catechismo vnd der
Confirmation oder Firmung.”
91) An ihn hat Melanchthon 1533 einen Brief gerichtet,
der die Einführung der Kirchenzucht in Hessen betrifft und im
Zusammenhang mit der Anfrage der hessischen Superintendenten bei
Luther steht. Jenes melanchthonische Schreiben ist C.R. II, 656
auf den 25. Juni datiert. Es muß aber, weil es Luthers (oben S.
17 Anm. 20) genannten Brief vom 26. voraussetzt („respondit
Lutherus nec dissuasit”), nach diesem verfaßt sein. Vgl. außerdem
ebendort die Mahnung, die Corvinus, im Mai 1536, an Kanzler Feige
richtete.
|91|
ihm als Luthers Schüler unumgängliches Erfordernis92); zugleich ist ihm dabei wie allen christlichen Humanisten Übereinstimmung mit der Alten Kirche höchstes Ziel.93) Um so mehr muß es nun auffallen, daß seine Kirchenordnung von 1542 bei aller Abhängigkeit von den beiden hessischen Ordnungen von 1538 das Moment der Kirchenzucht völlig außer acht läßt.94) Nur von der Kinderzucht ist die Rede; und die fällt für Corvin völlig mit der katechetischen Unterweisung zusammen. Darum ist ihm auch die Lehrprüfung (exploratio) das eine Hauptstück der Konfirmation.95) Dem Glaubensbekenntnis der Kinder wird keinerlei
92) Expositio Decalogi, Symboli Apostolici,
Sacramentorum et Dominicae Precationis, ad captum puerilem in
Dialogos redacta. Marpurgi 1537. — In diesem Katechismusdialog
belehrt der Lehrer den Schüler über die Abendmahlsvorbereitung (E
I): „Accessuri examinentur diligenter et explorantur. Ad haec
peccatum confitentibus absolutio evangelica adnuntiatur, quibus
etiam post mensam hanc adeundi potestas fit.” Sch.: „Erga
facinorosos autem et manifestis criminibus obnoxios quales hic
esse debent parochi?” L: „Ii tantisper arcendi hinc sunt, dum
erratum cognoscentes in ulam redeant.” Sch.: „Quantum audio,
maius quiddam est Christianum esse quam uulgus existimat.” L.:
„Tu da operam igitur, ut uere Christianus fias. — Von einer
Konfirmation ist hier nicht die Rede.
93) Das zeigt schon der Titel seines Werkes:
„Christliche Bestendige vnnd inn der Schrifft vnd Heiligen
Veteren wol gegrünte Verklerung und Erleuterung der furnehmsten
Artikeln vnser waren Alten Christlichen Religion. Fur Arme
Einfeltige Pfarrherrn Inn den Druck gegeben.” Hier P IV unter
Berufung auf Matth. 18 und 1. Kor. 5 über die Banngewalt der
Kirche: „Wir die lenge von nöten sein, wenn das wort ein zeitlang
getrieben vnd in den schwang gebracht ist, das man solche straff
und bann wiederumb auffrichte vnd sich der ersten Kirchen, so
viel immer möglich, gleichformig mache.”
94) Konf.-Ordn.: „Doch weil diese Ceremonie des
Confirmirens, wenn sie recht gebraucht wird, dennoch wol zu
leiden vnd zu erhaltung der Kinderzucht sehre nütze ist,
So wöllen wir mit Gotts hülffe vnterstehen, den rechten Brauch
derselbigen widerumb in vnnser Kirchen zu bringen.”
95) Das andere ist die Handauflegung. A.a.O.: „Denn
das ist ein mail war, das die Confirmiren, Firmen oder bestetigen
nichts were vnd freilich widerumb inn ein Affenspiel geraten
würde, wie es im Bapstum gewesen ist, wenn nicht die
Catechesis, das ist die Kinderzucht und lahr, trewlich
fur hin gienge. Demnach sol vnd müsset ihr wissen, das diese
Ceremonie der Firmung zweyerley Dinge begreiffet, nemlich
Catechesin, das ist, die Kinder lahr vnd zucht, so vorhin gehen
mus, Zum andern Impositionem manuum, das ist Auflegung der
hende.”
Dieselbe Begriffsbestimmung gibt er Okt. 1548 in seiner
Kampfschrift gegen das Interim und besonders gegen den
brandenburgischen Hofprediger Agricola. Vgl. seine Confutatio
Augustani libri, quem Interim vocant, hrsg. v. Wilhelm Radtke,
Stud. z. K.G. Niedersachsens 7, 1936, S. 39: Confirmatio
temporibus apostolorum non fuit inanis et otiosa caeremonia,
qualis hactenus apud papistas celebrata est, sed doctrinae
exploratio, ubi a singulis exigebatur christianae fidei
summa et postea precatione facta exploratis per
manuum impositionem manifesta spiritus dona donabantur.
Wenn auch die äußerlich konstatierbaren Geistesgaben in der
Kirche verschwunden sind, sollte jene apostolische Handlung doch
wieder eingeführt werden (a.a.O. S. 40): Quodsi talis confirmatio
rursus institueretur, qualis et fuit olim et in plerisque
nostris ecclesiis iam videtur (!), hoc est quae principio
➝
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selbständige Bedeutung zuerkannt; es ergibt sich ganz von selbst aus der Katechese. Von einer Wiederholung des Taufbekenntnisses ist keine Rede. Wenn sich nun nachweisen ließe, daß das katechetische Element, trotzdem es so stark betont ist, ohne Rücksicht auf die Kindertaufe gestaltet ist, so würde das bedeuten, daß die Konfirmation Corvins sich von allen erasmischen Einflüssen frei gemacht bezw. sie völlig umgeformt hat.
Und dieser Beweis ist in der Tat leicht zu führen. An der Stelle, wo Corvin das Wesen der Katechese definiert,96) bestimmt er sie eindeutig vom Abendmahl aus: sie ist die seelsorgerliche Voraussetzung für die Erstkommunion. Und darum erlangt die Corvinische Konfirmation ihre Krönung in der Abendmahlsfeier.97) In ihr finden seelsorgerlicher Unterricht und segnende Fürbitte ihr Ziel.
In dieser Beziehung auf das Abendmahl beweist die Konformationsordnung Corvins ihren Ursprung von Luther her. Freilich ist schon die Verkürzung eingetreten, die wir auch bei dem älteren Luther feststellen konnten:98) die Sittenzucht ist vor der Lehrzucht völlig in den Hintergrund getreten. Butzer hatte hier ein reicheres lutherisches Erbe gewahrt. Indem also Corvin sich von ihm unterscheidet, kann er keineswegs als ein besserer Lutheraner angesehen werden.
Freilich, in dem zweiten Hauptstück seiner Konfirmationsauffassung stimmt er sowohl mit Butzer wie mit dem Luther von 1520 völlig überein. Auch er versteht die Handauflegung als einen Akt fürbittender Segnung.99) Das hat ihm den völlig ungerechtfertigten Vorwurf eingetragen, als habe er den Boden reformatorischer Sakramentslehre verlassen und
➝ explorationem summariam religionis nostrae,
deinde precationem publicam pro impetrandis spiritus
sancti donis et impositionem manuum complecteretur, non
illibenter hanc caeremoniam reciperemus.
96) Konf.-Ordn.: Katechesis ist „ein vnterweisung
deren, die Christlichen namen vnd profession an sich nhemen vnd
mit anderen der heiligen Sacrament teilhafftig sein vnd werden
wollen.” Der Plural „die heiligen Sakramente” ist hier freilich
im Blick auf die Großtaufe der Alten Kirche gewählt. Sofern aber
damals schon Kindertaufe üblich war, wird die Konfirmation nicht
von ihr abgeleitet, sondern als Vorbedingung für die Teilnahme an
der Kommunion verstanden. Erinnerungen an die altkirchliche
Arkandisziplin wirken dabei mit.
97) K.-Ordn.: „Vnd sol jnen darnach erleuben, das sie
zum Tische des Herrn gehen, so offt jnen das von nöten sein
würdet.”
98) Vgl. oben S. 20 f.
99) Vgl. die Belege S. 91 Anm. 95. — Auch hier wieder
wird die Begründung in der Geschichte gefunden (Konf.-Ordn.):
„Wenn die Kinder zehen oder elff jar vngeuerlich alt waren, Haben
sie für der ganzen gemein rechnung jres glaubens thun vnnd geben
müssen. Vnd wenn sie denn im selbigen bekenntnis geschickt vnd
fertig waren, legte ihnen der Bischoff die hendt auff mit bitte,
daß ihnen Gott seinen heiligen Geist geben vnd denselbigen in
jnen bestetigen wölte. Seind auch darnach zu der Communion des
leibs und bluts Christi, so offt jnen das geliebt, zugelassen
worden.”
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die römische Firmelung wiederhergestellt.100) In Wirklichkeit ist er sich der scharfen Grenze, die hier besteht, durchaus bewußt gewesen. Gewiß bedeutet ihm die Handauflegung eine „feine alte Zeremonie”, die er dankbar von den Vätern übernimmt. Aber sie ist doch „nur eine äußerliche Zeremonie”, die an sich nichts bewirkt. Entscheidend sind bei der Einsegnung vielmehr die Fürbitte der Gemeinde, daß Gott die Konfirmanden mit dem Heiligen Geist stärken wolle, und das Wort der Verheißung aus Luk. 11 13, daß der himmlische Vater den Seinen solche Bitte gewiß erfüllen werde.101)
Diese Auffassung der Konfirmation als einer nach Gottes Verheißung effektiven Gebetshandlung der Kirche haben wir von Anfang an im Luthertum gefunden. Auch Butzer hatte sich ihr angeschlossen und damit den Anstoß, den die Täufer an der kirchlichen Kindertaufe genommen hatten, überwunden. Daß sie im Gegensatz steht zum römischen Sakramentalismus, tritt nicht nur bei Covinus, sondern auch sonst im norddeutschen Luthertum im Kampf gegen das Interim zutage.
100) Dieser Vorwurf, den zuerst Theodor
Kliefoth (Die Confirmation, Liturg. Abhandlungen III, 1, 1956, S.
67) erhoben hat, ist ebenso falsch wie die Behauptung desselben
Verfassers, Corvin habe das Regensburger Buch seinem Entwurfe
zugrunde gelegt. Über seine Einteilung in katechetische,
sakramentale und kirchenregimentliche Konfirmation, vgl. oben S.
6 Anm. 4.
In welch scharfem Gegensatz sich C. zum sakramentalen Verständnis
der Konfirmation befand, zeigen die etwas holprigen Verse, die er
mit seinem „kurtz christlich bedencken unde bekentnis aufs
interim” am 17. Juli 1549 an Herzog Albrecht von Preußen
übersandte (Pl. Tschackert: Briefwechsel des A.C., S. 239
f.):
Firmung ist ein gut alter brauch,
wens nicht thut ein beschorner hauf
mit kreuz drücken und schmiren,
sonder die jugent wirt verhort
fur der gemein am pillichen ort,
das sie im glauben nicht irren.
Wen dan die hend sind aufgelegt
durch des worts diener, wie man pflegt,
got umb den geist gebeten,
so wirt erleubt denselben dar,
das sacrament zu nießen gar,
zum tisch des hern zu treten.
Das weihbischöflich affenspiel,
dessen warlich ist hie zu viel,
können wir nicht nachgeben.
Den ohn gots zusag und gepot
geschichts mit lauterm hon und spot.
Lieber christ, merks gar eben.
101) Die Konf.-Ordn. nennt die Handauflegung „nur ein eusserliche Ceremonie, so die Veter des alten Testaments im brauch gehabt, sonderlich wenn sie Gott dem Herrn etwas befolhen oder geopfert haben wollten. . . . Sölcher brauch ist nu geplieben auch zur Zeit Christi, der Apotelen vnd etlicher Veter.” „Vnnd bedeut derhalben nichts anders, dan das Gott solchen leuten, denen die hende auffgeleget werden, Ewige hülffe vnd beystand durch seinen Heiligen Geist thun wölle; denn die hende reichen heisset ja so viel als helffen.” „Doch müsset jr . . es nicht dafur halten, wenn wir nach geschehenem verhör den Kindern die hende aufflegen, das eben umb solcher eusserlichen Ceremonien willen des aufflegens jnen der Heilige Geist gegeben werde, Sonder viel mehr vmb des Worts vnnd Gebets willen der Kirchen. Denn vnns ist ja nicht vergeblich zugesagt: . . . (Luk. 11 13) . . . Ist nicht dis ein herrliche zusagung die sendung des heiligen Geistes belangend?”
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Dieser Kampf richtete sich in Norddeutschland, wenigstens was die Konfirmation betrifft, auch gegen das Formular der Kirchenordnung Joachims II. von Brandenburg von 1540. Hier sind in der Tat die entscheidenden Forderungen des Interims schon acht Jahre früher verwirklicht; und man versteht, wie sich inbezug auf die Konfirmation der brandenburgische Hofprediger Agricola zu einem Verteidiger der kaiserlichen Unionspolitik aufwerfen konnte. In Brandenburg liegt aller Nachdruck auf der Wiederholung des Taufbekenntnisses durch die Kinder; die fürbittende Segnung durch die Kirche bestätigt zugleich die Richtigkeit dieses persönliches Bekenntnisaktes. Aber er wird zugleich seiner Einmaligkeit entkleidet: allezeit soll der Christ zum Bekenntnis seines Glaubens gerüstet sein. Als Sinnbild dieser Bereitschaft wird seine Stirn mit dem Zeichen des Kreuzes gesalbt. Damit was das überlieferte sakramentale Zeremoniell wiederhergestellt, und für den nur äußerlich Blickenden wurde die Firmelung wieder als Sakrament gefeiert. In Wirklichkeit hatte sie einem neuen Sinn bekommen; und zwar den, den Erasmus ihr gegeben hatte. Er hatte einst den Gedanken der persönlichen Erneuerung des Taufgelübdes in den Mittelpunkt seines Konfirmationsprogramms gestellt. Und als einzige evangelische Kirchenordnung Deutschlands ist ihm die brandenburgische von 1540 völlig darin gefolgt, hat auch wie er, konservativ und doch im Grunde achtlos, das überlieferte Ritual beibehalten. Darin zeigt sich der reformkatholische Einschlag, der sich bei dem Lehrmeister und seinen Berliner Schülern durchsetzte und der diese fähig machte, mit den Verfassern des Interims Hand in Hand zu gehen.102)
So zeichneten sich erst jetzt in der Interimszeit die beiden Möglichkeiten ab, um die erasmische Reformfirmelung im evangelischen Sinn umzugestalten. Schon vorher waren sie hier und da ergriffen worden; jetzt aber, wo sich die gegenreformatorische Tendenz des erasmischen Programms klar enthüllt hatte, wurden sie für jeden evangelischen Erasmusschüler zur unabweisbaren Alternative. Man konnte jene entweder, wie Zwingli es zuerst getan hatte, so reduzieren, daß, auf den ersten Blick wenigstens, nichts Unevangelisches mehr an ihr haften blieb. Oder man konnte sie ersetzen durch eine bloße Segenshandlung, bei der von Bekenntnis und Gelübde nichts Entscheidendes mehr übrig blieb; damit waren dann die Anregungen des Erasmus grundsätzlich überwunden. Das waren die beiden Wege, die allen denen offen standen, die nicht wie Butzer die erasmischen Einflüsse mit den Anregungen, die Luther sporadisch gegeben hatte, zu einer einheitlichen evangelischen Konfirmation zu verschmelzen vermochten.
102) Vgl. das Kapitel „Von der confirmation oder firmung” aus der K.O. von 1540 bei Sehling III S. 59. Es ist aus dem Gesagten verständlich, daß es in der K.O. von 1572 fehlt. — Wie sehr von einem streng katholischen Standpunkt aus dieses Kapitel als ungenügend empfunden wurde, zeigt die Kritik die schon 1541 Friedrich Nausea daran übte; vgl. W. Friedensburg: Die K.O. Joachims II. in kath. Beleuchtung, Jb. für brandenburg. K.G. V, 1908, S. 20.
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Corvinus hat das Verdienst, trotzdem er sonst vom christlichen Humanismus abhängig ist, als erster den zweiten Weg beschritten zu haben. Darum stellt seine Konfirmation, obwohl sie von der hessischen ausgegangen war, einen besonderen Typus dar.
Den ersten der beiden Wege sind die norddeutschen Theologen gegangen, die der Kampf gegen das Interim im Jahr 1548 zu einer Konferenz in Mölln zusammen geführt hatte. Unter der kraftvollen Führung des Hamburger Superintendenten Aepinus verwahrten sie sich hier energisch gegen die im Interim vorgesehene Konfirmation.103) Die Handlung selbst erklärten sie jedoch bei rechtem Gebrauch für eine „denklike Ceremonia in der Kercken.”104) Sie verstanden sie mit dem gesamten christlichen Humanismus aus der altkirchlichen Tauf- und Katechumenenpraxis als eine Bestätigung der Taufe durch die mündig gewordenen Kirchenglieder. Ihre Notwendigkeit ergab sich aus der Praxis der Kindertaufe; ihr wichtigstes Stück war dann die Katechese als Glaubensprüfung.105) Ihr gegenüber war alles andere unwesentlich: entsprechend dem ursprünglichen erasmischen
103) Bekenntnisse vnd Erkleringe vp dat
Interim, durch der Erbarn Stede Lübeck, Hamborch, Lünenborch etc.
Superintendenten, Pastoren vnd Predigere rho Christliker vnd
nödiger Vnderrichtinge gestellet. 1549. — Hier wird übrigens
zuerst — im Zusammenhang mit dem Kampf gegen das Interim — der
weitere Sakramentsbegriff der Alten Kirche, wonach jede
Lebensäußerung der Kirche ein Sakrament ist, mit grundsätzlicher
Schärfe und für lange Zeit aus dem Raum der evangelischen Kirche
verwiesen. Der christliche Humanismus hatte sich jene weitere
Fassung des Sakramentes zu eigen gemacht; die Stellung des
Erasmus im Abendmahlsstreit ist nur so zu erklären. Auch
Melanchthon hatte sie übernommen, wenn er sie auch in die
reformatorische Sakramentslehre einzubauen versuchte (vgl. oben
S. 67 Anm. 37). Nachdem sie damit zuende war, was auch der Name
„sakramentale Zeremonie”, den Erasmus, Luther und Butzer der
Konfirmation gegeben hatten, nicht mehr anwendbar. Die
interessante Stelle lautet a.a.O. L. III: „Vnd also hebben ak die
olden Theologj dat wordt Misterium (verdruckt zu Ministerium)
edder Sacrament allenthaluen gebruket, vnd vp disse ardt thoreden
konden die Türcke vnd die Römische Kercke wol alle ere ritus,
Ceremonien vnd mißbrüke Sacramente heten vnd maken; Wo se denn
ock doen in erem Racionali diuinorum.” (Das Rationale divinorum
des Wilhelm von Duranti (✝ 1296) hält in der Tat auch in seinen
spätesten Auflagen den alten weiten Sakramentsbegriff fest; vgl.
W. Maurer: Bekenntnis und Sakrament, Bd. I S. 57).
104) a.a.O. L IV.
105) a.a.O. L. IV. Der Katechismusunterricht der Alten
Kirche war nicht nur für Erwachsene bestimmt, sondern „ock vor de
kinder, de vnmündlich gedöfft vnd namals in dem Catechismo
vnderrichtet weren, vnnd in der Confirmation eren in der Döpe
angenommenen gelouen süluest bekennenden.” Indem dabei
die Konfirmation ihren Sakramentscharakter verliert, wird sie
ganz — wie bei Erasmus — dem Gesichtspunkt pädagogischer
Nutzbarkeit unterworfen. Von ihr gilt, wie von allen menschlichen
Traditionen: „Paedagogiae edder eutaxiae, dat ys tucht vnd
kinderlere, wenn se am besten syn vnd synt nicht lenger in der
Kercken tholiden, wenn dewile se ad aedificationem der Kercken
buwing denstlik syn. Wenn se öuerst ad destructionem gereiken, so
möten se vorworpen vnd affgedan werden.”
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Programm, das hier in der Hauptsache unverändert übernommen wird, werden alle kultischen Zutaten zwar nicht abgelehnt, kommen aber praktisch nicht zur Geltung. Von einer eigentlichen Konfirmationshandlung ist in den auf dem Möllner Tag vertretenen Landeskirchen auf lange Zeit hinaus keine Rede. Die grundsätzliche Zustimmung zu den erasmischen Ideen hat sie überflüssig gemacht.
Wer aber nun doch an einer evangelischen Konfirmation festhalten wollte, mußte den erasmischen Ideenkreis gänzlich verlassen. Diesen Weg haben, ähnlich wie Corvinus, seit Ende der vierziger Jahre die pommerschen Theologen eingeschlagen. Soweit wir sehen können, sind sie — natürlich unter den allgemeinen Voraussetzungen von Luthers Theologie — in durchaus selbständige Weise darauf gekommen; jedenfalls lassen sich bestimmte historische Abhängigkeiten zunächst nicht nachweisen. Es hat sich dabei aber in Pommern von Anfang an ein ganz klarer Konfirmationstypus herausgebildet, der mit dem corvinischen am meisten Ähnlichkeit besitzt.
Schon auf der Stettiner Synode von 1545, auf der die Einführung der Konfirmation für ganz Pommern beschlossen wurde, tritt er uns völlig deutlich entgegen: die Konfirmation besteht nur aus zwei Stücken, dem Glaubensverhör und der fürbittenden Segnung mit Handauflegung.106) Beide dienen ausschließlich der Vorbereitung zum ersten Abendmahlsgang. Von einer Wiederholung von Taufbekenntnis und -gelübde ist keine Rede; die Katechese ist auf das Abendmahl hin ausgerichtet, nicht vom Taufglauben her bestimmt. Das Verhör gibt nicht dem Konfirmanden Gelegenheit zu persönlichem Bekenntnis, sondern schafft für Pfarrer und Gemeinde die seelsorgerlichen Voraussetzungen für die Zulassung zum Abendmahl. So ist in der pommerschen Konfirmation nichts mehr von dem erasmischen Sauerteig enthalten. Von der hessisch-butzerischen unterscheidet sie sich außerdem noch durch das Fehlen des kirchenzuchtlichen Motivs. Daß damit eine Verkürzung der lutherischen Gedanken eingetreten ist, wurde oben schon im Blick auf Corvin ausgeführt.
Es schien nun freilich zunächst so, als könnte sich dieser pommersche Typus nicht rein erhalten. Als die beiden Generalsuperintendenten Paul von Rode und Johann Knipstro ihre Landeskirche gegen das Augsburger
106) Nach J.H. Balthasar: Erste Sammlung einiger zum Pommerschen Kirchenhistorie gehörenden Schriften, Greifswald 1723, abgedruckt von Otto: Wann ist der Konfirmationsact in Pommern eingeführt worden? = Monatsschrift für die evang.-luth. Kirche Preußens 1853. S. 277 ff., wiederholt auch bei Walter Caspari: Die evangelische Konfirmation, vornämlich in der lutherische Kirche, 1890, S. 70, Anm. 1: „Catechismus quater in anno breviter repetendus est. Eo finito examinandi sunt Catechumeni, qui nondum utuntur Sacramento altaris. Qui vero Catechismum probe didicerint, coram altari impositione manuum confirmandi sunt et postea ad Sacramenta admittendi, qui usus incepit apud Apostolos in Actis.
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Interim verteidigten,107) kamen sie auch auf die Konfirmation zu sprechen. Ihre Äußerungen darüber klingen so, als ob es sich für sie dabei schon um eine fest eingeführte Feier handele.108) Sie schließen sich bei ihrer Schilderung ganz an die erasmischen Gedankengänge an. Die Bedeutung der Firmung sehen sie nicht darin, daß sie zur Vorbereitung auf die Erstkommunion dient, sondern daß „die getaufte Jugend Bekenntniß ihres Glaubens thun müsse” und die Abrenuntiation wiederhole. Die unter Handauflegung erfolgende Spendung des aaronitischen Segens und die Zulassung zum Abendmahl erscheinen dann fast an die Voraussetzung jenes Gelöbnisses gebunden. Kurzum, das Ganze ist eine unglückliche Konstruktion. Man merkt dahinter die deutliche Absicht, sich dem kaiserlichen Willen möglichst gefügig zu erweisen. Und die erasmischen Gedanken werden offenbar nur deshalb so sehr hervorgehoben, weil sie auch der Interimskonfirmation zugrunde lagen.109)
Daß diese Anpassung nur eine äußerliche war, beweist der Fortgang der pommerschen Entwicklung. Der Entwurf einer Kirchenordnung für die Stadt Stralsund aus dem Jahre 1555 zeigt uns wieder das ursprüngliche Bild: seelsorgerliche Abendmahlsvorbereitung und fürbittende Segnung
107) Gottlieb Mohnicke: Der Pommerschen
Theologen Bedenken über das Augsburgische Interim = Ztschr. f.d.
hist. Theol. 1843, 4. Heft, S. 36 ff.; hier S. 45 f. Von der
Firmung.
108) Jedenfalls wird unter den Stücken, die S. 54 ff.
als zur weiteren Reformierung der pommerschen Kirche notwendig
aufgeführt werden, die Konfirmation nicht genannt.
109) Nach Aufzählung der fünf Hauptstücke des
lutherischen Katechismus wird von der Konfirmanden a.a.O.
gefordert, daß sie „von dem Allen guten Bericht thun müssen und
angeloben, daß sie bei dem Glauben an Gott den Vater, Sohn und
Heiligen Geist, in welchem sie getauft sind, bis an das Ende
beständig bleiben, daß sie alle Sünde, so wider Gottes Gebot ist,
meiden und fliehen sollen, und wider den Teufel und seine List,
dem sie abgesagt haben, streiten und aller guten Werke sich
befleißigen, und daß sie auf die heilige Zukunft unsers Heilands
Jesu Christi endlich wachen und warten. Auf solches Bekenntniß,
Vermahnung und Unterweisung wird mit Auflegung der Hände über sie
gebetet und ihnen der Segen gesprochen, nach dem Exempel des
Herrn Christi und der Apostel, und werden danach zum Sacrament
des Leibes und Blutes Christi und zu allen Christlichen Sachen
zugelassen.” — Noch die 5. Greifswaldische Synode von 1551 (Otto
a.a.O. S. 283) legt auf die persönliche Bestätigung des
Taufbekenntnisses entscheidenden Wert: „Dieweil die Apostel den
getauften Christen die Hände aufgelegt haben und über sie
gebetet, daß sie den heiligen Geist empfingen und ihre Taufe
bestätigten, so achten wir Christen es sehr nützlich und
gut, daß die Confirmatio Catechumenorum erhalten werde, wie wir
sie denn allbereit in unseren Kirchen in Brauch haben; und ob sie
etwa in etlichen Kirchen noch nicht in Gebrauch wäre, daß sie
auch wiederum daselbst aufgerichtet und in Uebung gebracht werde,
doch also, daß niemand unverhöret, ohne Bekenntnis seines
Glaubens zugelassen werde.” „Auf solche Ermahnung,
Bekenntniß und Unterweisung soll mit Auflegung der Hände über sie
gebetet und der Segen gesprochen werden, wie hiervon eine
sonderliche forma fürgestellet ist.” Beichte, Absolution
und Erstkommunion folgen zu gelegener Zeit.
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bilden die beiden Hauptstücke der Konfirmation.110) Es existiert für sie in Stralsund sogar handschriftlich eine besondere Agende, über deren geschichtliche Herkunft und Zusammenhang mit dem Konfirmationsformular der Agende von 1569 wir nur Vermutungen aufstellen vermögen.111) Jedenfalls kann die Kirchenordnung von 1563 von der Konfirmation — hier einfach als „Benediktion” bezeichnet — als von einer langjährig bewährten Einrichtung der pommerschen Kirche reden.112)
Die Agende von 1569 bestätigt uns auch, daß die ursprüngliche Grundlagen der Konfirmation in Pommern treu bewahrt worden sind. Sie wird gehalten „umme des catechismi unde umme des gebedes willen.”113) Verhör und Handauflegung sind beide notwendig zur Vorbereitung auf das Abendmahl.114) Auch von der Taufe ist im Zusammenhang der Handlung die Rede. Aber sie wird nicht durch diese ergänzt; sondern sie bietet, weil sie das ganze menschliche Leben umschließt und festlegt, auch die Grundlage für das, was in der Konfirmation geschieht. In der Taufe hat das Kind den heiligen Geist empfangen; sie gewährt daher den „trost, dat de junge leve jöget ock höret tom rike Christi.”115) Und die segnende Handauflegung ist insofern „Bestätigung im Christentum,” als die von der mit der Taufe empfangenen Gnade Zeugnis ablegt, den Konfirmanden also seines Christenstandes gewiß und ihm die damit verbundene
110) Sehling IV, 550. Wie 1545 wird eine
vierteljährliche Prüfung im Katechismus eingerichtet „Und de
kinder, so ehn wol könen und upgesecht hebben, schölen van den
pastoribus den segen entfangen; und darna schölen se na rade
ehrer oldern und seelensorgern to dem sacrament und allen
christliken saken to gelaten werden.” „Men schal over de kinder
beden mit segening, gelick wo de here Christus aver de kinder
bedede und segende se mit upleginge der hende.”
111) a.a.O. „Die förm overst der segeninge is
sunderlik scriftlik vorvatet mit dem bede, dat men over de
catechumenos lesen schal.” Vgl. Anm. 109, Schluß.
112) Sehling IV, 385 f.; in dem hochdeutschen Neudruck
von Otto 1854, S. 32. Wenn hier von einer Agende für die
Konfirmation die Rede ist, so wird wohl auf die von 1569
vorausverwiesen, die schon seit Ende der 50er Jahre im Entwurf
vorlag. An die von 1542 ist nicht zu denken, sie enthält nichts
über die Konfirmation; doch vgl. oben Anm. 109 u. 111. Im übrigen
wird die liturgische Willkür während der 50er und 60er Jahre in
Pommern genau ebenso geherrscht haben wie anderswo.
113) Sehling IV, 443. Obwohl die Textgestaltung bei
Sehling an manchen Stellen fragwürdig ist, wird hier nach ihm
zitiert; in Zweifelsfällen ist Otto zu vergleichen.
114) a.a.O. 443. „De leven veder vor dem pawestdome”
haben „de jungen christen ersten vlitich im catechismo unde
christendome underrichtet, eer man se to en hochwerdigen
sacramenten togelaten hesst. Wenn se överst de hövetstücke der
christliken lere wüsten, so hebben se se gestellet vor de ganze
gemeine, unde godt aver se angeropen, dat he se dorch sinen geist
in warer erkenntnisse Jesu Christi erholden wolde.”
115) Das ist das Thema des ersten grundlegenden Teiles
der Konfirmationsvermahnung, Sehling IV, 441.
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Verantwortung aufs neue eindrücklich macht.116) Damit ist der völlige Gegenpol zur erasmischen Konfirmation erreicht. Dort bekennt der einzelne; hier bestätigt die Kirche. Dort wird die Taufe ergänzt, hier wird ihre Vollgültigkeit für das ganze Leben des Gläubigen bezeugt. Dort droht die Konfirmation das Sakrament der Taufe aufzuheben; hier hebt sie, in engster Verbindung mit Beichte und Absolution, den heiligen Ernst des Abendmahlssakramentes gebührend hervor.117)
Man kann es nur bedauern, daß das in Pommern erreichte lutherische Konfirmationsverständnis sich nicht auch sonst durchgesetzt hat.118) Das ist vornehmlich ein Zeichen dafür, wie stark auch nach dem Abschluß der Interimskämpfe die erasmischen Einflüsse noch nachwirkten — in der Konfirmationsfrage nicht bloß direkt aus dem erasmischen Schrifttum, sondern auch indirekt und unbewußt durch evangelische Theologen vermittelt. Daß sie sich in der Braunschweigischen Agende von 1569 noch einmal durchsetzten, ist kein Wunder bei dem humanistischen Charakter
116) a.a.O. 443: „dat man aver se mit der
ganzen gemeine bede, godt aver se anrope, mit upplegginge der
hende, unde den segen aver se spreke, dardorch se also in erem
christendome bestediget werden, tüchenisse erer döpe entfangen,
up dat se sick erer döpe weten to tröstende jegen den duvel, unde
sick erinnern, dat se vor godt in rechtem gloven, in hillicheit
unde gerechticheit, die gade gevellich is, leven schölen.”
117) Daß auch so immer noch das zweckhafte Denken der
humanistischen Pädagogik wirksam werden konnte, zeigt die
Bestimmung der Statuta synodica der pommerschen Synode von
Greifenhagen 1574, in der die Katechismusprüfung als Vorbedingung
der Zulassung zum Abendmahl vorgeschrieben wird, „quo nervo
facile cogent omnes, ut catechismum discant” (Sehling IV, S.
485). Man sieht, der Zwang richtet sich nur auf das Lernen des
Katechismus, nicht auf die Beteiligung am Abendmahl. Die
Teilnahme an den christlichen Sakramenten ist vielmehr für den
Menschen der Reformationszeit ebenso wie für den des Mittelalters
das Kennzeichen des Christenstandes und damit zugleich die
unerläßliche Grundlage für die Zugehörigkeit zur bürgerlichen
Gemeinschaft. Sie ist hier gleichsam die Prämie für die fleißigen
Katechismusschüler. Welch ein Unterschied zu unsern Tagen, wo der
„Abendmahlszwang” als eine der Hauptlasten der Konfirmation
erscheint! Dieser Sachverhalt sowie überhaupt die Bedeutung der
Abendmahlsfeier für die pommersche Konfirmation scheint mir
verkannt bei Rudolf Smend, Neue Beiträge zur Reform unserer
Agende = Stud. Prakt. Theol. VI 3, S. 81, wo ere in Bezug auf sie
schreibt: „Hier ist weder Bekenntnis noch Gelübde noch erste
Abendmahlsfeier als Gebot oder als integrierender Bestandteil der
Handlung.”
118) Hier liegt ohne Zweifel ein Versagen der
lutherischen Dogmatiker vor. Was Martin Chemnitz im 2. Teil
seines Examen Concilii Tridentini (hrsg. v. E. Preuß 1861, S. 184
ff.) vorzubringen hat, führet an keiner Stelle über Melanchthon
hinaus, war also beim Zeitpunkt seines Erscheinens schon
antiquiert. Ähnlich teilnahmslos verhält sich Johann Gerhard in
den gelegentlichen Bemerkungen, die sich in seinen loci
theologici (vgl. das Register der Ausg. von Ed. Preuß, 1866) über
die Konfirmation finden. Dabei hat er — wenigstens im Blick auf
die Ordination (vgl. a.a.O. VI 98) — den weiteren
Sakramentsbegriff bejaht, besaß also die Möglichkeit, die
Konfirmation als eine ceremonia sacramentalis im reformatorischen
Sinne verständlich zu machen.
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des am Wolfenbütteler Hofe und an der Helmstedter Universität gepflegten Luthertums.119)
Auch in der hessischen Kirche blieben diese Einflüsse des christlichen Humanismus am Werke. Sie haben die hessische Konfirmation in einer Weise umgemodelt, daß dadurch das Gleichgewicht zwischen lutherischen und erasmischen Traditionen aufgehoben wurde, das Butzer in den beiden Ordnungen von 1538 erreicht hatte. Damit ist die entscheidende, oft übersehene Veränderung im Konfirmationsverständnis der hessischen Kirchenordnungen eingetreten. Sie muß man kennen, will man die Konfirmationsagenden von 1566 bzw. 1574 und den Einfluß, den sie weit über Hessen hinaus gewonnen haben, richtig beurteilen. Viele Angriffe, die gegen Butzer und die beiden Ordnungen von 1538 gerichtet sind, treffen ausschließlich jene Erzeugnisse einer späteren Zeit, die mit dem lutherisch-butzerischen Erbe nichts mehr anzufangen wußte, sondern viel stärker den humanistischen Traditionen verhaftet war. Deren wichtigster Träger war damals in Hessen Andreas Hyperius (✝ 1564). Seinen Geist atmen die späteren hessischen Konfirmationsordnungen, die von 1566 noch mehr als die von 1574. Wenden wir uns der Konfirmationsanschauung des Hyperius zu.
Wie für Erasmus, so steht auch für ihn die Wiederholung des Taufbekenntnisses durch die Konfirmanden im Vordergrunde; er leitet also auch die Notwendigkeit der Konfirmation von der Mangelhaftigkeit der Kindertaufe her.120) Bekenntnis und Gelübde bilden den Abschluß der katechetischen Unterweisung, die, wie Hyperius in der Schrift de catechesi ausführt,121) der Katechumenenpraxis der alten Kirche nachgebildet ist. Aus dieser Praxis — und nicht aus der lutherischen Forderung der Abendmahlszucht — wird auch die Verbindung von Konfirmation und
119) Vgl. den Abschnitt: „Von der Christlichen
Firmung” bei Richter II, 320 f. Martin Doerne (Neubau der
Konfirmation, 1936, S. 23) sieht hier „die klassische Gestalt
lutherisch-melanchthonischen Konfirmationsverständnisses”; das
ist richtig, wenn man dabei auf melanchthonisch den Hauptton
legt. Vgl. zu dieser K.O. F. Koldewey: Die verschiedenen Ausgaben
der K.O. d. Herz. Julius v. Braunschweig-Wolfenb. = Ztschr. d.
hist. Ver. f. Niedersachsen 1887, S. 260 ff.
120) In den 1563 herausgekommenen Elementa christianae
religionis (hrsg. von W. Caspari 1901, hiernach im folgenden
zitiert als Elementa) erklärt S. 62 der Schüler: Etenim paratus
sum, quam primum parentibus visum fuerit et susceptoribus, me
sistere antistiti ecclesiae et coram universa multitudine
exigenti eidem fidei confessionem adeoque summam doctrinae quam
hactenus percepi reddere. Id vero partim quo illi qui quondam in
baptismo responderunt meo nomine ac spoponderunt se ut in
elementis christianae religionis instituerer curaturos,
liberentur, partim ut mea ipsius voce et confessione me totum
Christo redemptori ac domino addicam.
121) Aufgenommen in die Varia opuscula Theologica,
Basel 1570; hier S. 436 ff. Zitiert im ff. Opusc. mit
Seitenangabe.
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Erstkommunion begründet; Anklänge an die altchristliche Arkandisziplin sind mit wirksam.122)
Freilich weiß Hyperius gut genug, daß um derentwillen einst die Abendmahlslehre nicht zum katechetischen Stoffe gehörte. Daß sie jetzt dazu zu rechnen ist und auch im Konfirmationsbekenntnis eine Rolle spielt, begründet er mit dem Unterschied der Zeiten: Heute haben ja die Konfirmanden von Kindheit an oft an den Gottesdiensten teilgenommen und der Feier der Sakramente zugeschaut; sie werden deswegen den Unterricht darüber schon verstehen können.123) Der erste Abendmahlsgang erscheint dann wesentlich als Fortsetzung und Bekräftigung des in der Konfirmation erfolgten persönlichen Bekenntnisaktes.124) Dem mystisch-humanistischen Zuge der Abendmahlslehre des Hyperius125) entsprechend wird besonders der Gemeinschaftscharakter der sakramentalen Feier hervorgehoben.
Das alles gehört zur subjektiven Linie der hyperianischen Konfirmation. Sie läßt sich restlos aus den Voraussetzungen des christlichen Humanismus und der von ihm gehegten Vorliebe für die altkirchlichen Formen erklären. Selbst wo man, wie bei der Verbindung von Konfirmation und Abendmahl, auf lutherische Einwirkungen schließen möchte, erweist sich bei näherem Zusehen jener Einfluß als alleinherrschend. Ganz ähnlich verhält es sich nun aber auch mit der objektiven Linie im Konfirmationsprogramm des Hyperius. Er ist, wie Butzer und später etwa die pommerschen Ordnung, an dem objektiven Geschehen bei der Konfirmationshandlung interessiert. Aber das hilft ihm nicht wie dort, das erasmische Erbe innerlich zu neutralisieren bezw. zu überwinden, sondern verstärkt noch dessen Mängel.
Für Hyperius ist neben dem persönlichen Bekenntnis die Handauflegung als fürbittende Segnung das Hauptstück bei der Konfirmation. Ihre Kraft wird, wie sonst überall auf reformatorischem Boden, aus dem Gebet der Gemeinde und der ihr zugrunde liegenden Verheißung von
122) Opusc. S. 472: Et quas ob causas olim ad
coenam dominicam non statim admittebantur catechumeni seu recens
baptizati, credibile est ob easdem nunc nec pueris Coenam sacram
distribui.
123) Opusc. 482.
124) Der Schüler versichert Elementa S. 62: „Persuasum
namque habeo piorum mentes, quemadmodum ad manuum impositionem et
precationem ecclesiae mirifice agitantur arcana spiritus sancti
virtute, ita fulciri et roborari easdem, quando in sacra
coena mystico corporis et sanguinis Christi pabulo
reficiuntur. Quibus autem rebus christiani nominis animus
recreari et confirmari possit, eas operae pretium est cupidi
appetamus, quamque me imprimis permovet Servatoris nostri Christi
de usurpanda sacrae coena praeceptum (Joh. 6 53).
125) Vgl. die gesperrten Worte der vorigen Anm. Um
dieses Charakters willen entzieht sich die Abendmahlslehre des
Hyp. jedem Versuche, sie im lutherischen oder reformierten Sinne
konfessionell festzulegen. Hyp. ist der typische
überkonfessionelle evangelische Humanist.
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Luk. 11 13 abgeleitet.126) Die damit erfolgende Geistübertragung macht sie zu einem sakramentalen Akte. Als christlicher Humanist vertritt Hyperius eine Anschauung vom Mysterium, die ihn alle derartigen Segenshandlungen der Kirche als Sakramente im weiteren Sinn verstehen lehrt.127) Damit erscheint ihm die Konfirmation als heilsnotwendig. Aufgrund von Hebr. 6 2 ist ihm die Lehre von der Handauflegung und ihren Wirkungen ein notwendiges Stück des christlichen Glaubens128), und er beklagt schwer ihre Vernachlässigung. So muß man im Blick auf Hyperius die Frage stellen, ob die reformatorische Auffassung von der fürbittenden Handauflegung gewahrt geblieben sei — der Name „Sakrament” oder „sakramentale Zeremonie” tut dabei nichts zur Sache —, oder ob die Bevorzugung des christlichen Altertums den Rückfall in eine überwundene Stufe des Christentums zur Folge gehabt habe.
Diese Frage wird eindeutig beantwortet, wenn man sieht, wie Hyperius auch seine Anschauung von der Notwendigkeit der Handauflegung mit der Ergänzungsbedürftigkeit der Kindertaufe begründet. Er verwendet dabei nämlich ein Argument, das für jeden, der von den Voraussetzungen reformatorischer Theologie herkommt, als ein Schlag ins Gesicht empfunden werden muß: Er beschränkt die Wirkung der Taufe ausschließlich auf die Sündenvergebung, wertet sie also rein negativ und versteht die Handauflegung als ihre positive Ergänzung; durch sie erst werde der Heilige Geist und damit die Widerstandskraft gegen die bösen Mächte und die Kraft zum christlichen Bekenntnis mitgeteilt.129) Und dieselbe
126) Elementa S. 61: Quando autem alicui
imponuntur manus, precatio fit ad Deum, pro huiusmodi ope
Spiritus sancti impetranda.
127) Opusc. S. 479 unter Bezugnahme auf 2. Tim. 1
6: Hinc emanauit consuetudo qua ritus impositionis
manuum apud multos confirmatio seu mysterium confirmationis
appellatur. — Wie die Anwendung des weiteren Sakramentsbegriffes
zeigt, ist Hyp. in diesem Stücke von dem Ergebnis der
Interimskämpfe unberührt geblieben, in denen sowohl von den
Flazianern wie von Calvin jener Sakramentsbegriff aufgegeben
wurde. — Vergl. S. 95 Anm. 103.
128) Opusc. S. 482.
129) Opusc. S. 478: Itaque magno studio et religione
exercebatur illa (scil. impositio manuum) in ecclesiis, et calcar
addebatur baptizatis ad bona opera et quaecunque charitatis
officia erga homines praestanda; quandoquidem demonstrabatur,
quod sicut in baptismo remittebantur peccata, ita in manuum
impositione post baptismum dabatur Spiritus Sanctus, qui in
omnem deducit veritatem, in confessione syncerae fidei mentes
confirmat, actiones piorum regit et gubernat, simulque
auxiliatur eorum infirmitatibus, ut diaboli, carnis, mundi
illecebris et insidiis queant resistere; denique sic munit ac
roborat adversus quaecunque pericula, ut pro Christi nomine uel
mortem tolerare non dubitent. Ac fortitudinis donum in primis
conferri, cum manus recens baptizato uel electo ad uerbi
ministerium imponuntur, Apostoli uerba (2. Tim. 1 6)
declarant. — Jene bloß negative Wertung der Taufe findet sich
nicht nur in der Scholastik, sondern liegt auch der Depravierung
zugrunde, die sie bei Erasmus erfährt; vgl. oben S. 46, Anm. 4
und S. 51 Anm. 9.
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These versucht er auch vom Empfänger der Taufe her verständlich zu machen: Wer erst kürzlich getauft sei, sei noch zu schwach, sich der Versuchungen zu erwehren, und bedürfe darum der unter Handauflegung erfolgenden Geistmitteilung.130)
Sowohl für die Altgläubigen wie für die Reformatoren hatte bisher die Vollgültigkeit der christlichen Taufe festgestanden. Diese hatten sie in der Verteidigung gegen das Täufertum besonders hervorgehoben; jene hatten, mochte auch das Verhältnis von Taufe und Firmelung bei ihnen nicht immer klar bestimmt sein,131) an ihr keinen Zweifel gelassen. Hier standen also alte und neue Kirche gegen den christlichen Humanismus in einer Front; und es zeugt für dessen Stellung zwischen den Konfessionen, daß er diesen gemeinsamen Widerstand gegen sich hervorrief und zugleich sich der Argumente von beiden Seiten zu seiner Verteidigung bedienen konnte. Indem auch Hyperius das tat, hat er in doppeltem Maße alle Angriffe gegen seine Konfirmation heraufbeschworen, die seit den Tagen des Erasmus gebräuchlich waren.
Denn er hat ja nicht nur wie dieser die subjektive, sondern auch die objektive Linie seines Konfirmationsprogrammes von der Ergänzungsbedürftigkeit der Taufe abgeleitet. Und er hat damit beide Linien so verbunden, daß sie nicht in Gegensatz zu einander treten können. Beide sind in seiner Tauflehre begründet, beide stützen und bedingen sich gegenseitig, ja, können sich sogar miteinander decken. So kann das persönliche Glaubensbekenntnis als eine Äußerung des mit der Handauflegung gegebenen Geistes verstanden werden.132) Und schließlich kann Hyperius gar auf den Bekenntnisakt verzichten und bloß die Handauflegung beibehalten.133) Das geschah auch bei Corvinus und den Pommern. Bei ihnen aber war die Segnung eine Bestätigung der Vollgültigkeit der Taufe für das ganze Leben. Hier dagegen bedeutet sie die Mitteilung neuer, die Taufe entwertender Gnadenkräfte. Mit Hyperius hat sich der christliche Humanismus noch weiter, als das schon bei Erasmus der
130) Elementa S. 61: Atqui cum baptizatis
permagna adhuc insit imbecillitas atque torpor nec bona opera ab
iisdem qua decet diligentia et puritate perficiantur, diabolus
item ac mundus mille modis obsistant piis conatibus, opus sane
habent Spiritu Sancto, qui ipsorum opituletur infirmitati, qui ad
bene agendum impellat, qui satanae in nos insultantis impetum
ferociamque comprimat, qui denique in certaminibus et periculis,
quae propter veritatis confessionem obtingunt, assistat, animat
ac tueatur.
131) Die z.T. heute noch bestehenden Unklarheiten über
geschichtliche Entstehung und Verständnis der katholischen
Firmelungslehre sind ersichtlich bei Wilhelm Koch: Die Anfänge
der Firmung im Lichte der Tridentiner Konzilsverhandlungen =
Theologische Quartalschrift 24, 1912, S. 428 ff.
132) Vgl. die zweite Sperrung in Anm. 129.
133) Opusc. 498: Aut si cui minus placet hoc pacto
examinari pueros et adolescentes ac confiteri fidem, priusquam
coenam adeant Dominicam, utiliter tamen idem fiet, quando iuxta
antiquissimam ecclesiarum consuetudinem imponentur illis
manus.
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Fall gewesen war, von den Grundsätzen der Reformation entfernt; dabei hat er alles, was an dessen Konfirmationsprogramm anstößig war, getreulich beibehalten.
In der auf Hyperius wesentlich zurückgehenden Hessischen Kirchenordnung von 1566134) ist sein Konfirmationsprogramm — das gilt wenigstens von dem ausführlichen Konfirmationsformular135) — verkirchlicht worden. Das bedeutet zweierlei. Zunächst einmal und vor allem: Die Bahn, die Luther gewiesen und die Butzer in seiner Nachfolge beschritten hatte, ist im Ansatz völlig verlassen; Ausgangspunkt für diese Konfirmation ist ausschließlich der christliche Humanismus. Andrerseits aber haben die Grundgedanken des Hyperius nur so in die Hessische Kirchenordnung Eingang gefunden, daß ihre gefährlichen Spitzen abgebrochen sind und das Anliegen der Reformation nicht mehr direkt verleugnet wird.
Auch hier sind die beiden Hauptstücke der Konfirmation die persönliche Wiederholung des Taufbekenntnisses und die unter Handauflegung erfolgende segnende Fürbitte vonseiten der Kirche. Von den beiden Stücken wird nur das erste mit der Unzulänglichkeit der Kindertaufe begründet.136) Über die Bedeutung der Handauflegung äußert sich dieses offizielle Dokument sehr viel zurückhaltender, als das Hyperius in seinen Privatschriften getan hatte. Ihr sakramentaler Charakter wird unter Anwendung der strengen reformatorischen Sakramentsdefinition bestritten; sie gilt nur für eine sehr alte, von Christus und den Vätern angewandte
134) Mit Recht warnt Caspari in der Einleitung
zu seiner Ausgabe der Elementa (a.a.O. S. 3) davor, den Anteil,
den Hyperius an der K.O. von 1566 genommen hat, zu über- und den
Rhodingschen zu unterschätzen. Caspari hat ganz Recht: sie ist
„nicht der korrekte Ausdruck seiner Theologie”, denn sie ist
korrekter als seine Theologie.
135) Das zweite, kürzere, aber geschichtlich
wirksamere Formular der K.O. ist in der Hauptsache identisch mit
den sogen. Hessischen Fragstücken. Über deren geschichtliche
Herkunft, die im wesentlichen in den Kinderfragen des Johannes
Brenz zu suchen ist, habe ich gehandelt im Pastoralblatt für
Hessen-Kassel 45, 1936 S. 1-11: Die Bedeutung der Hessischen
Fragstücke für den Bekenntnisstand der Hessischen Kirche. Der
Anteil, der Hyperius daran genommen hat, kann also nur gering
sein. Der in den Fragstücken gegebenen lehrhaften Zusammenfassung
des Inhalts der 5 Hauptstücke von Luthers Kleinem Katechismus
folgen 2 Bekenntnis- und Gelübdefragen. Die erste fordert eine
Bestätigung der eben explizierten christlichen Lehre; die zweite
bezieht sich auf den christlichen Wandel und faßt die hier sich
ergebenden Forderungen unter dem Gesichtspunkt des Gehorsams
gegen die christliche Kirche zusammen. Dieses „sich in den
Gehorsam der christlichen Kirche ergeben” ragt wie ein
erratischer Block aus der butzerischen Gedankenwelt der KKO in
die spätere Zeit hinüber. Es ist beinahe die einzige Erinnerung
daran; immerhin stark genug, den von Butzer geschaffenen Apparat
der Kirchenzucht mit der neuen Konfirmation zu verbinden. Aber es
ist wirklich nur noch der Apparat; die Seele ist daraus
entflohen.
136) Außer den vielen Belegen, die das
Konfirmationskapitel der K.O. dafür bietet, verweise ich
besonders auf die grundsätzlichen Erörterungen über die Taufe,
besonders die Kindertaufe, in der Ausgabe von Philipp Heber
(1847) S. 189 ff.
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Zeremonie.137) Dementsprechend wird sie auch nicht als Neuausstattung mit dem Hlg. Geist verstanden, sondern als „Vertröstung”, daß er niemals von den Getauften genommen, sondern in ihnen gemehrt werden werde.138)
Der Prüfstein für den Charakter einer Konfirmationsordnung ist ihr Verhältnis zum Abendmahl. Bei Hyperius fanden wir es bestimmt durch die Abhängigkeit von der altkirchlichen Praxis. In der Kirchenordnung wird diese Rücksicht durchkreuzt durch die reformatorische Forderung der Abendmahlsprüfung und Abendmahlszucht. Freilich wird sie nur so weit bejaht, als die Erkenntnis der christlichen Wahrheit die innere Voraussetzung dafür bildet.139) Luthers Gedanken, daß evangelische Zucht immer auf der freiwilligen Zustimmung des davon Betroffenen beruhen müsse, ist bei der Fassung des Konfirmationsgelübdes nicht Rechnung getragen.140) Dabei wird der Gemeinschaftscharakter der evangelischen Abendmahlsfeier scharf hervorgehoben; daß sich mit dem ersten Abendmahlsgang das Bekenntnis zur christlichen Gemeinschaft verbinde, wird besonders ausführlich behandelt.141) So sind in dieser Ordnung doch Ansatzpunkte vorhanden für den lutherisch-butzerischen Gedanken der Kirchenzucht. Leider tritt er nur in der Einleitung klar hervor142), hat aber auf die Gestaltung des eigentlichen Konfirmationsformulars zu wenig Einfluß gewonnen.
Die hessische Agende von 1574 übernimmt mit geringen stilistischen Änderungen das kürzere Konfirmationsformular mitsamt den Hessischen
137) Heber S. 220: „Niemand aber soll
verstehen, daß wir die Auflegung der Hände dermaßen gebrauchen,
als hielten wir sie für ein Sakrament Christi und seiner Kirche,
denn sie ist erstlich nicht dermaßen von Christo eingesetzt, wie
die heilige Taufe und das heilige Abendmahl des Herrn, sondern es
haben sich ihrer die Erzväter, Christus und seine Apostel
gebraucht. . . . Deshalben gebrauchen wir uns nicht der Auflegung
der Hände als eines Sacraments des neuen Testaments, sondern als
einer sehr alten Ceremonie von den Vätern und Kirchendienern,
beide vor und nach Christo gewöhnlich gebraucht.”
138) Aus dem großen Fürbittegebet Heber S. 233: „. . .
Daß sie nicht zweifeln, du wollest . . . deinen heiligen Geist
nimmer von ihnen nehmen, sondern allezeit bei ihnen stärken und
mehren. . . .”
139) Heber S. 222: „Item sie (scil. die Konfirmanden)
lernen sich auch einigermaßen prüfen und bereiten, daß sie nicht
unwürdig essen und trinken den Leib des Herrn im Abendmahle, zu
welchem sie auf die Bekenntnisse zugelassen werden, welches auch
seine Früchte mit sich bringt; und weil sie versprechen den
Gehorsam der Kirche, werden sie gleich angehalten, ihren Wandel
und Leben desto besser nach Gottes Wort anzurichten.”
140) Im Konfirmationsgelübde ist (Heber S. 232) nicht
von „Gehorsam” die Rede, sondern nur davon, „sich den Herrn
Christo, der Gemeinschaft der Heiligen und der christlichen
Kirche (zu) ergeben.” Daß dieses corpus Christi mysticum zugleich
sich als Gemeinschaft der brüderlichen Liebe und Zucht aktiviere,
dieser butzerische Gedanke wird nicht ausgesprochen. Über das
Konfirmationsgelübde nach der zweiten, kürzeren Fassung vgl. oben
S. 104 Anmerk. 135.
141) Vgl. die das Abendmahl betreffenden
Konfirmationsfragen Heber S. 230 ff.
142) Heber S. 224; vgl. auch Anm. 139.
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Fragstücken aus der Ordnung von 1566.143) Über die maßgebenden Grundsätze gibt die Einleitung Rechenschaft. Neben den beiden Hauptstücken des Hyperius — Wiederholung des Taufbekenntnisses und Handauflegung — wird noch die Zulassung zum Abendmahl als selbständiges Stück anerkannt.144) Die Abendmahlszucht wird nicht besonders hervorgehoben, dagegen die verpflichtende Kraft von Bekenntnis und Gelübde stark betont.145) Im ganzen ist diese Ordnung zu betrachten als ein weiterer Schritt auf dem Wege, das Programm des Hyperius an den kirchlichen Normalzustand anzugleichen; eigne Ideen werden nicht aufgewandt, um die Schwächen jenes Programms innerlich zu überwinden.
So bietet uns die nachbutzerische Entwicklung der Konfirmation dasselbe Bild, das wir schon vorher gewonnen hatten. Sie ist bestimmt durch das Ringen zwischen christlichem Humanismus und Reformation. Dieses ist durch die Kämpfe der Interimszeit in ein kritisches Stadium eingetreten. Damals war der christliche Humanismus zum ersten Male offensichtlich in den Dienst der Gegenreformation gestellt worden; seine Ideale blieben seitdem, sobald sie in diesem Zusammenhang erkannt waren, auf dem Boden der Reformation verdächtig. Man konnte sich bemühen, ihnen zu entgehen, indem man auf eine feierliche Konfirmationshandlung überhaupt verzichtete und sich bloß auf ein katechetisches Verfahren beschränkte; aber dieser Ausweg, der sich gerne als der genuin lutherische gab und gibt, führte und führt nur dem Gegner wieder in die Arme, solange er nämlich von dessen pädagogisch-didaktischen Prinzipien aus beschritten wird. Man konnte versuchen, die Gedanken des Erasmus zu ersetzen durch eine neue Konfirmationsform, die auf die lutherische Lehre von der Taufe sich gründet und von dem lutherischen Glauben an die Kraft des geistgeladenen Verheißungswortes und an die segnende Gegenwart Christi in seiner Kirche bestimmt ist; dieser Weg, auf dem Corvinus der Kirche Pommerns vorangeschritten war, wurde leider von zu wenigen betreten. Man konnte schließlich die erasmischen Traditionen weiter pflegen, bis sie das lutherische Erbe zu überwuchern drohten; das war der Weg, den man unabhängig voneinander in Braunschweig und Hessen in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts einzuschlagen begann, und auf dem viele Landeskirchen, besonders durch das hessische Vorbild veranlaßt, weiter schritten, durch den Pietismus hindurch der Aufklärung entgegen. In ihr hat dann das erasmische Erbe über das lutherische den völligen Sieg davongetragen; und es besteht noch immer die Aufgabe, ihr durch Neubesinnung auf die Grundlage der Reformation ihren Triumph wieder streitig zu machen.
143) Über dessen Charakter s. oben Anm.
135.
144) Sammlung Fürstliche Hessischer Landesordnungen
(1767) Bd. I, S. 389b ff.
145) a.a.O. 390b werden die Konfirmanden ermahnt,
„sich zu erinnern des hohen Eids, so sie jrem Gott
gethan haben.”
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Überblickt man diese ganze Entwicklung mit all den verschiedenen, immer wieder gescheiterten Versuchen, so versteht man die einmalige geschichtliche Bedeutung der Lösung, die Butzer für das Konfirmationsproblem in den beiden hessischen Ordnungen von 1538 gefunden hat. Hier ist zum ersten Male und einzig in der Geschichte der evangelischen Konfirmation die völlige Synthese von Luther und Erasmus gefunden worden, so zwar, daß keiner durch den andern vergewaltigt wird, vielmehr jeder zu seinem Rechte kommt und das Ganze in innerer Harmonie vor der Wahrheit des Evangeliums bestehen kann.
Wir können und dürfen diese Lösung heute nicht einfach kopieren; aber wir sollen sie geschichtlich würdigen. Es liegt hier weder eine Konzession an das rechtlich gefaßte Heiligkeitsideal der Sekte vor noch an das Sakramentsrecht der römischen Kirche. Es handelt sich vielmehr um das seelsorgerliche Liebesrecht lutherischer Kirchenzucht. Aus der Liebesverbundenheit der Sakramentsempfänger geht es hervor, die Heiligkeit des Sakramentes zu wahren ist sein Ziel, das Ältestenamt ist sein Organ. Indem sich die Jugend diesen Mächten ehrfurchtsvoll, aber freiwillig unterwirft, tritt sie ein in die volle Sakraments- und Zuchtgemeinschaft der christlichen Kirche.
Diese lutherische Liebeszucht verbindet sich nun in der butzerischen Konfirmation mit der Pädagogik des christlichen Humanismus. Dieser steht, vom reformatorischen Standpunkt aus betrachtet, auf einer niedrigeren Stufe. Seine Zucht ist rein äußerlich, ethisch, nicht religiös verbindlich. Das Wortverständnis, das seiner christlichen Philosophie zugrunde liegt, ist dem reformatorischen unterlegen. Seine geschichtliche Kraft scheint heute erschöpft zu sein; und darin liegt die Krisis der evangelischen Konfirmation beschlossen, die einst unter der Einwirkung seiner pädagogischen Ideale entstanden war.
Aber diese Tatsache schmälert nicht im geringsten das Verdienst des Mannes, dem für seine Zeit das große Werk gelang, die Bildungstraditionen des christlichen Humanismus mit den religiösen Errungenschaften der Reformation zu verbinden und diese Synthese mit kirchenbildender Kraft auszustatten. Die Ordnungen von 1538 und speziell die ursprüngliche hessische Konfirmation sind das geschichtliche Denkmal jenes Bündnisses zwischen christlichem Humanismus und Reformation. 400 Jahre hindurch hat es sich als wirkungskräftig erwiesen. Indem wir das dankbaren Herzens bekennen, wenden wir den Blick getrost der Tatsache zu, daß es heute keinen christlichen Humanismus mehr gibt, und wagen es, aufs neue unmittelbar die Kräfte der Reformation zu leben, in der unaustilgbaren Hoffnung, daß wir damit aufs neue unsere Zeit, unser Volk und die darin wirksamen Bildungsmächte ansprechen und so unsern Beitrag für eine neue Epoche abendländischer Geschichte leisten.
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