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Der Marxismus hat sich seit der russischen Oktober-Revolution 1917 als politisches System in der Geschichte etabliert. Er hat die Last der Verantwortung für eines der größten Länder der Welt übernehmen müssen. Als Ergebnis des Zweiten Weltkrieges hat sich dann dieser erste sozialistische Staat eine Gruppe von Staaten zugeordnet, die nach seinem Vorbild gestaltet oder diesem wenigstens vergleichbar sind.
Der Sozialismus ist ausgezogen, um das Machtproblem im prinzipiellen Sinne historisch zu lösen: die Macht von Menschen über Menschen und den Staat als wesentliche Herrschaftsform im dialektischen Prozeß der Geschichte in die Freiheit aufzuheben. Anstelle dessen führte die marxistische Machtverneinung in ironischer Dialektik zur qualitativen Steigerung und Kumulation von Macht. Dies ist freilich kein banaler Widerspruch, in dem die Schwäche der Menschen den Versuchungen erliegt, sondern ein grundsätzlicher und fundamentaler. Es ist daher notwendig, das Gesetz der Entstehung und Bildung dieser Macht einsichtig zu machen. Dieses Gesetz wird insbesondere in den Verfassungsformen jener neuen Staaten sichtbar. Deshalb ist auch eine Betrachtung des besonderen jugoslawischen Entwurfs erforderlich.
Eine solche Analyse dürfen wir weder vom orthodoxen noch vom revisionistischen Marxismus erwarten. Die gemeinsame Machtkritik hindert sie an der Selbstkritik. Der Marxismus beansprucht, sowohl das Einzige wie das Ganze zu sein. Er will damit alle historische Kontingenz in sich aufheben. Darum muß seine historische Kontingenz gezeigt werden.
Die Arbeit entwickelt Gedanken weiter, die ich in der Marxismus-Kommission der Evangelischen Studiengemeinschaft und in einer im Verlag Herder erschienenen Schrift über das Problem der Hierarchie vorgetragen habe.
Heidelberg, im Frühjahr 1973
Hans Dombois