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Die Christen gelten traditionell als Anhänger des Naturrechts 22). Hätte nicht Calvin selber diese Behauptung verteidigt? 23). Ich habe nun den Eindruck, daß alle Argumente, die man von der Offenbarung her entwickelt, um ein Naturrecht — das dann mit dem gerechten Recht gleichgesetzt wird — zu begründen, von drei Grundanschauungen ausgehen: einem bestimmten Bild vom Menschen, von der Gerechtigkeit und vom Gesetz.
1. Die Anschauung vom Menschen. Tatsächlich tritt hier stets mehr oder weniger stark der Gedanke auf, daß der Sündenfall keine völlige Trennung des Menschen von Gott mit sich gebracht habe. Die einen sind der Ansicht, er habe irgendwie einen freien Willen behalten, andere schreiben ihm ein Gefühl für Gerechtigkeit zu oder ein gewisses Vermögen, das Gute zu begreifen und zu tun. Wir können hier das Problem des Sündenfalls nicht wieder aufgreifen. Wir richten unser Nachdenken allein darauf, daß sich der Mensch durch den Fall völlig von Gott löste und also völlig dem Tode verfiel; wenn also Gott ihn am Leben erhält, so ist das kein Grund für die Annahme, er erhielte ihm auf natürliche Weise irgendeine Eigenschaft des Adam, sie sei, wie sie wolle. Wir glauben, daß der Mensch durch seine Sünde bis auf den Grund verderbt ist, und deshalb können wir den Gedanken, die Grundlage des Naturrechts sei die dem Menschen verbliebene imago Dei, nicht annehmen. Die Tatsache, daß der Mensch nach Gottes Ebenbild geschaffen ist, zieht keineswegs nach sich, daß diese imago Dei nach dem Fall hinreichte, um dem Menschen eine Erkenntnis des Rechtes und der Gerechtigkeit zu verleihen 24). Tatsächlich läßt sich auch Calvin auf diesen Gedanken nicht bindend ein, da er ja im Blick auf das Recht erklärt, die imago Dei sei wirklich zerstört. Aber: Manet adhuc aliquid residuum. Was da „bleibt”, bestimmt Calvin nicht, und man muß sich auch wirklich fragen, wie es zu bestimmen sein soll; denn wenn der Mensch als Geschöpf weiß, was recht
22) So geht der Begriff des „gemeinen Besten”
bei den Scholastikern auf eine Form des Naturrechts zurück, und
bei Thomas ist die Unterscheidung zwischen Lex aeterna,
Lex naturalis und Lex humana nur von da aus zu
begreifen, daß die Lex naturalis der Angelpunkt des
Systems ist.
23) Vgl. E. Brunner, Gerechtigkeit, 1943, S.
43.
24) Brunner, a.a.O.
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ist, warum soll er dann nicht auch von Natur aus imstande sein zu tun, was gut ist? Und wenn er zu erkennen und zu tun vermag, was gut ist — wozu dann Jesus Christus? Denken wir uns aber den Sündenfall als eine Sache des menschlichen Willens, so daß also der Mensch das Gute zwar weiß, aber nicht zu tun vermag, so haben wir, rechtlich betrachtet, damit bereits wieder zerrinnen lassen, was wir glauben gewonnen zu haben; denn wenn der Mensch außerstande ist, das Rechte zu verwirklichen, so hat das Recht des Menschen keinerlei Wert. Wer das natürliche Gesetz mit der imago Dei gleichsetzt, muß entweder annehmen, der Mensch sei gar nicht völlig gefallen, oder er muß dem menschlichen Gesetz jeden praktischen Wert rauben. Aus diesem Dilemma kann man gerade deshalb nicht heraus, weil es hier um die Gerechtigkeit und nicht um irgendein beliebiges Werk des homo faber geht. Trotzdem versucht man einen Ausweg, indem man sich auf den äußerst geläufigen Gedanken beruft, der Mensch sei allerdings völlig gefallen, Gott aber habe ihm nach dem Fall sein Gesetz ins Herz geschrieben. Um diesen Satz zu beweisen, nimmt man seine Zuflucht in der Regel zu Röm. 2, 14. Diesen Text werden wir noch vornehmen. Aber soviel sei jedenfalls bemerkt: der Text redet von etwas, das „von Natur” geschieht; man müßte also glauben, das Gesetz Gottes, wie es dem Menschen ins Herz geschrieben ist, werde zum „natürlichen” Gesetz. Unmöglich kann man sagen, es handle sich nicht um das natürliche Gesetz, weil es ja vielmehr um Gottes Gesetz gehe 25). Dies Gesetz ist entweder geoffenbart — dann ist es aber nicht den Heiden ins Herz geschrieben. Oder es ist zum natürlichen Gesetz geworden, insofern sich Gott in die Natur hineingibt. Wenn aber Gott in dieser Weise dem Heiden eine Natur anerschafft, in die sein Gesetz eingeschrieben ist, dann stößt man unvermeidlich auf all die gegen das Naturrecht vorgebrachten Argumente, die doch wahrhaft katastrophal erscheinen 26). Noch ernster aber ist der Einwand, daß man hier eine Theorie von solcher Reichweite praktisch auf einen einzigen Text stützt. Ferner steht es so, daß all dies mit Jesus Christus als dem Herrn der Schöpfung oder mit der Erlösung nichts zu tun hat. Mit anderen Worten: wir haben hier echte Gnosis vor uns, die das Ziel hat, unseren Verstand oder unsere Neugierde zu befriedigen, sich aber nirgendwo notwendig in „Gottes Plan” einfügt, in das Handeln Gottes zum Heil der Welt, das uns doch als ein vom Anfang bis zum Ende einheitliches beschrieben wird. Wenn es nun aber zwischen diesem Gesetz und Jesus Christus überhaupt keinen notwendigen Zusammenhang gibt, — kann man dann noch sagen, es handle sich um Gottes Gesetz, während doch zwischen dem in der Schrift offenbarten Gesetze Gottes und der Person Christi ein scharf hervortretender Zusammenhang besteht? Selbst wenn man lediglich eine mehr äußerliche Verbindung gelten läßt — das Gesetz sei dazu bestimmt, die Ohnmacht des Menschen handgreiflich zu machen —, ergeben sich ungeheure Schwierigkeiten. Zunächst hätte eine solche rein negative Funktion des Gesetzes für das Recht keinerlei Wirkung. Das „Gesetz” ist eben kein Naturrecht. Zudem: sollte das Gesetz jene Funktion erfüllen, so müßte der Mensch erkennen, daß es von Gott ist;
25) So noch neuestens W. Horton,
Natural Law and International Order, 1945.
26) Vgl. Conord, a.a.O.
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dann aber handelt es sich um ein geoffenbartes Gesetz. Im anderen Falle handelt es sich bloß um das Gewissen des Menschen, und dieser hat keinen Grund, sich verdammt zu fühlen, weil er einer Instanz, die zu seiner Natur gehört, nicht gehorcht hat. Wir sehen, wie man miet der Vorstellung eines dem Menschen ins Herz geschriebenes Gesetzes in lauter Verwicklungen hineingerät; wir könnten ihnen noch lange weiter nachgehen.
2. Diese Naturrechtslehre beruht auf einer bestimmten Auffassung von der Gerechtigkeit. Es gibt danach gegenüber den allerorten verschiedenen Einzelforderungen eine ewige Gerechtigkeit, die ihren Wert aus sich selber hat und Maß jedes Handeln ist 27). Das ist nun stets die Versuchung des Menschen gewesen. Was er mit seiner Vernunft als gerecht erkennt, das hält er für die Gerechtigkeit an sich. Göttliche Gerechtigkeit ist das aber durchaus nicht, sondern es ist vielmehr eine Erfindung des Menschen, die an die Stelle der göttlichen Gerechtigkeit treten soll. Das geschieht denn auch in dem Maße, wie man diese Gerechtigkeit des Menschen mit Gottes Gerechtigkeit zusammenfallen lassen will. Zudem erhebt der Mensch stets den Anspruch, Gottes Handeln nach dieser Gerechtigkeit als einer Norm zu beurteilen; so ist es im volkstümlichen Empfinden, wenn es Gott für ungerecht erklärt, weil er uns leiden läßt; so ist es aber auch in der vernünftigen Überlegung der Philosophie, wenn sie das falsche Dilemma aufstellt, Gott sei entweder gerecht und dann nicht allmächtig, oder allmächtig und dann nicht gerecht. Solche Überlegungen gehen stets auf den Begriff einer Gerechtigkeit „an sich” zurück, mit dem sich dann die Überzeugung verbindet, der Mensch könne von sich aus, „natürlich”, diese „natürlich” existierende Gerechtigkeit erkennen, die dann als Grundlage des Naturrechts gleichzeitig Maßstab und Kriterium für das Handeln des Menschen und für Gottes Handeln sein soll. Diese Versuchung hat zu allen Zeiten bestanden. Hesekiel entgegnet ihr: „Dein Volk spricht: Der Herr urteilt nicht recht, so doch sie unrecht haben ... Ihr sprecht: Der Weg des Herrn ist nicht recht, so ich doch euch vom Hause Israel einen jeglichen nach seinen Wege richte” (Hes. 33, 17. 20).
Diese Haltung des Menschen steht ohne Frage im Zusammenhang mit zwei grundlegenden Positionen. Die eine ist die, daß die Gerechtigkeit letztlich auf einer allen Menschen und der Schöpfung gemeinsamen Grundgegebenheit, d.h. auf einer rationalen beruhe. Die Tatsache, daß die Schöpfung zu einem Teil durch die Vernunft zu erkennen ist und alle Menschen mehr oder weniger mit diesem Werkzeug ausgestattet sind, führt zu der Vorstellung, alles vernunftmäßig Erkennbare sei universal, und man müsse angesichts der Tatsache, daß allen Menschen irgendwie die Gerechtigkeit am Herzen liegt, diese Gerechtigkeit mit dem einzigen Natürlich-Universalen verbinden, das uns gegeben ist, und das heißt nun wirklich: mit der Vernunft. So erscheint die Gerechtigkeit als ein Gebilde vernunftmäßig vorgeschriebener Werturteile und Prinzipien. Aber in diesem Falle macht sich stets die gleiche Logik geltend, die Feuerbach mit Recht an der Religion festgestellt hat: auf Grund eines solchen Ergebnisses menschlicher Geistesarbeit
27) Werner, Ökumenischer Rat, 1943.
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errichtet man ein Absolutes! Der Mensch macht aus dem, was tatsächlich subjektive Erfindung ist, etwas Objektives. Er transformiert etwas relativ Festgestelltes ins Absolute, projiziert das auf der Erde Vorgefundene in den Himmel hinein und neigt sich anbetend vor diesem Absoluten, Objektiven und — nach seiner Projektion — Himmlischen! So geschieht es ganz besonders im Naturrecht; das zeigt sich bei den Stoikern wie bei dem Heiligen Thomas von Aquino völlig klar. Das Naturrecht ist hier nicht mehr als die Transposition der relativen, irdischen Gerechtigkeit in den Himmel. Anders ausgedrückt: die Illusion besteht darin, daß man annimmt, unser irdisches Recht sei durch das Naturrecht bedingt, während dies doch selber nur eine Verabsolutierung unseres irdischen Rechtes darstellt. Eben diese Haltung aber meint Hesekiel mit seinem erwähnten Verdammungsurteil. Das Naturrecht ist tatsächlich nur ein menschlicher „Weg”, mit dem man den „Weg” Gottes weder messen noch ähnlich denken kann. Damit aber stellt sich für den Christen ein sehr ernstes Problem: wie kann man unter diesen Umständen im Angesicht Gottes vom Naturrecht sprechen?
Entweder gibt man dem Naturrecht eine in sich selbst unabhängige Stellung; dann hat es an sich keinen das Handeln bestimmenden Wert. Kann es zu Gott in Widerspruch treten, so hilft es dem Menschen zu nichts, im Gegenteil. Ist es aber etwas „an sich” Bestehendes, so steht es notwendig im Widerspruch zu Gott!
Oder: das Naturrecht bekommt einen Platz im Plane Gottes. Aber dann stoßen wir auf eine doppelte Schwierigkeit. Erstens erhebt sich die Frage, ob es dann zur Offenbarung gehört; diesem Problem müssen wir unten nachgehen. Zweitens: Das Naturrecht ist dann im Anfang von Gott erschaffen und hat, wie der Mensch, eine Existenz „an und für sich”, es ist eben etwas „Natürliches” geworden, d.h. Gott hat es als Bestandteil der „Natur” geschaffen, und es ist ein Element der Schöpfung. Diese Vorstellung halte ich für einen schweren Irrtum. Sie steht zunächst in radikalem Gegensatz zu allem, was uns in der Offenbarung über Gerechtigkeit und Recht gesagt ist. Sie ist ferner eine willkürliche Unterstellung hinsichtlich des Inhalts des Schöpfung: Was Gott geschaffen hat, das hat er uns geoffenbart; Gott hat uns den Inhalt der Schöpfung, soweit er uns betrifft, vollständig kundgemacht — vom Naturrecht hören wir dabei jedoch nirgendwo etwas, obwohl es für uns von ganz erstrangiger Wichtigkeit wäre! Endlich beruht jene Vorstellung auf eine Verständnis der Schöpfung, das mir mit der Offenbarung nicht im Einklang zu stehen scheint. Nach diesen Auffassung kann unter „Schöpfung” lediglich die Schöpfung aus dem Nichts, im Anfang, verstanden werden: Gott setzt im Ursprung seine Schöpfung mit ihren Gesetzen und überläßt sie dann gewissermaßen ihrem Geschick (wir nähern uns hier der Vorstellung von Gott als dem großen Uhrmacher!). Was das Recht angeht, so setzt Gott im Schöpfungsakt die Prinzipien oder die Werte der Gerechtigkeit, die dann das Naturrecht bilden sollen. Daß dieser Schöpfungsbegriff richtig ist, glaube ich nicht. Gott ist vielmehr fort und fort der Schöpfer. Die Welt wird immerfort von ihm erschaffen. Sie bleibt nur erhalten, weil Gott handelt. Die Gesetze der Schöpfung sind nur deshalb Gesetzt, weil Gott sie vollzieht und weil er „ein Gott der Ordnung” ist. Es
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gibt gar kein einmal gesetztes Prinzip, aus dem die Dinge ganz von Natur hervorfließen, sondern Gott ist unablässig der, der das Leben gewährt, und zwar an ein Geschöpft, das aus sich selber ein Nichts ist. Es kann also auch kein ursprüngliches Rechtsprinzip geben; denn die Schöpfung ist niemals ein für allemal zustandegekommen, und Gott allein ist Prinzip und Ursache. Ja, es gibt in Sachen der Gerechtigkeit nicht einmal eine Spielregel; denn die Gerechtigkeit ist ja nichts anderes als die Übereinstimmung mit dem gegenwärtigen und ewigen Willen Gottes. Eben dies will der oben erwähnte Hesekieltext in seinem zweiten Teil besagen: gegenüber der Weise, wie der Mensch sich auf die Gerechtigkeit beruft, setzt Gott als Grundlage des Rechtes seinen Akt: „Ich richte euch ...” (Hes. 33, 20). Wir kommen also wieder auf den Begriff des göttlichen Rechtes zurück, das zum Naturrechtsgedanken im Gegensatz steht. Das Naturrecht kann bei richtiger Betrachtung der Schöpfung in keiner Weise als eine Art von Keim der Gerechtigkeit angesehen werden, den Gott gelegt hätte, oder als eine Art von Idealbild, das nun vom menschlichen Rechte nachgeahmt werden sollte. Keine dieser beiden Vorstellungen entspricht dem, was uns Gott von seinem Schöpferwirken offenbart. Sie entsprechen nur die Schöpfungsidee der Philosophen. In dieser „christlichen” Naturrechtsvorstellung wird augenscheinlich stets das, was uns Gott sagt, mit dem verfälscht, was die menschliche Vernunft davon hält; das heißt: neben die Offenbarung tritt entweder die aristotelische Begriffswelt wie bei Thomas von Aquino oder neuerdings bei Brunner, oder die stoische, wie schon teilweise bei Calvin und erst recht bei den Calvinisten des 18. Jahrhunderts.
3. Die „christliche” Naturrechtsidee beruht endlich auf einer bestimmten Auffassung vom Gesetz Gottes. Die einfachste Form findet diese Auffassung in dem Satz: das Alte Testament bietet uns Gottes Offenbarung des richtigen Rechtes; wir wissen also, wie es begründet ist und was es enthält, und brauchen es bloß anzuwenden 28).
Daraus ergibt sich, wohlgemerkt, ein radikaler Gegensatz zwischen Evangelium und Gesetz, wie ihn auf diesem Gebiet in neuester Zeit manche Theologen auch zugegeben haben 29). Die Formen können sehr verschieden sein: man bleibt entweder beim buchstäblichen Sinn des Gesetzes, oder man geht symbolisch vor; man will vielfach das Gesetz als von Gott geoffenbartes aufrechterhalten, das dann die Kirche der Welt lehren soll, oder man entdeckt auch einen Gleichklang zwischen Gottes Gesetz und dem, was man im Herzen des Menschen findet, weil ja Gott beides gewirkt habe 30). Alle diese Positionen scheinen mir irrig. Alle haben die Tendenz, ein Naturrecht zu ermitteln, in welchem das Gesetz, das Gott dem Volke Israel gegeben hat, durch den Tod Jesu Christi auf die Welt ausgedehnt wird.
28) Diese Haltung nehmen im Grunde alle
theokratischen Juristen ein, die sämtlich mehr oder weniger unter
dem Einfluß des Platonismus stehen.
29) Vgl. dazu besonders Ehrenström,
Ökumenischer Rat, 1943, der m.E. die von ihm vorgetragene
Scheidung von Gesetz und Evangelium nicht präzisiert und fast
dazu kommt, zwei getrennte Reiche Christi anzunehmen.
30) Diese Ansicht habe ich 1936 vertreten (Foi
chrétienne et université, Artikel „Droit”); sie ist m.E. nicht
richtig.
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Nun ist es sicher zutreffend, daß uns dies Gesetz hinsichtlich des Rechtes und des sozialen Problems etwas zu sagen hat. Aber in sich selber ist es weder ein Recht, noch ein Rechtsprinzip, noch ein Rechtsinhalt. Ein Recht ist es nicht, weil es kein rechtliches System darstellt, sondern wirklich Offenbarung ist. Ein Rechtsprinzip ist es nicht, weil es der Ausdruck des gegenwärtigen und ewigen Willen Gottes ist; es gibt ja Gottes Gerechtigkeit kund. Es gewährt uns aber auch keinen Rechtsinhalt, weil sein Inhalt notwendig an die Zeit seiner Aufzeichnung und an den gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Zustand des Volkes Israel gebunden ist. Es gehört vielmehr mitten in den Begriff des göttlichen Rechtes hinein, dessen Sinn und dessen historische Aktualität es klar zu erfassen gestattet, und es kann nur von dem Verständnis der Gerechtigkeit aus begriffen werden, das wir herauszuarbeiten versuchten. Dieses Gesetz kann vom Evangelium nicht getrennt werden, als ob es etwa ein anderes Gebiet göttlichen Handelns darstellte; ebensowenig kann man es für sich betrachten und aus dem Gesamten des Rechtshandelns Gottes lösen; unmöglich ist es aber ebenfalls, es mit dem Rechtshandeln Gottes glatt gleichzusetzen. Der Grund hierfür liegt einfach darin, daß dieses Gesetz, wie Christus sagt (Matth. 5) von sich aus keinen Wert hat, sondern vielmehr nur dann einen Sinn gewinnt, wenn es Botschaft von Jesus Christus ist, dem Retter und Herrn der Welt.
So kann also dieses Gesetz niemals „an sich” als ein Recht angesehen werden; für das Recht hat es keinen Wert, wenn es nicht zuerst Botschaft von der Gerechtigkeit Gottes ist, die in Jesus Christus erfüllt wurde. Es könnte uns also dann auch weder die Grundlage für ein Naturrecht darbieten, noch mit dem Naturrecht zusammenfallen. Es gibt wirklich kein gemeinsames Maß zwischen beiden. Aber umgekehrt gewinnt dieses Gesetz, das seinen Platz und seinen Sinn mitten im göttlichen Rechte hat, einen wesentlichen Wert für die Lösung von rechtlichen Einzelfragen. Für unsere Untersuchung über das Recht im allgemeinen und über das Naturrecht können wir also keinen Nutzen aus ihm ziehen. Soll ein solcher Nutzen auf rechtlichem Gebiet überhaupt ermittelt werden, so erfordert dies als Voraussetzung zugleich die Lösung mancher Fragen der Schriftauslegung: z.B. des Problems der analogia fidei, des Fortbestandes des Gesetzes vermöge seiner Erfüllung in Christus, der Beziehungen zwischen Kirche und Volk Israel sowie zwischen Israel und der Welt. Das sind lauter Frage, die sich ganz notwendig erheben, wenn man aus dem Gesetz ein allgemeines Recht für die Welt oder ein Rechtsvorbild machen will — aber die man gewöhnlich mit Stillschweigen übergeht! Eine Lösung können sie auch tatsächlich nur dann finden, wenn das Gesetz wirklich an seinem Orte ist, d.h. wenn es — wie wir sahen — nicht mehr ein abstraktes und „an sich” betrachtetes ist.
Hatten wir es zuvor mit einer Auffassung des Naturrechts zu tun, die man annähernd als „katholisch” kennzeichnen darf, so könnte man die hier erörterte wohl als „protestantisch” ansehen. Während nämlich die erstere der Vernunft eine — nach meiner Ansicht allerdings unzutreffende — Stellung einräumt, gewährt die andere der Offenbarung einen Platz — aber nach meiner Meinung wiederum einen unrichtigen!
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Nach dem soeben Gesagten besteht zwischen dem Naturrecht und dem, was uns in der Schrift in Bezug auf das Recht geoffenbart wird und was wir in Ermangelung einer besseren Bezeichnung „göttliches Recht” nannten, ein klaffender Gegensatz. Die Lehre vom Naturrecht ist danach in keinem Punkte christlicher Lehre. Es dürfte aber förderlich sein, die Widersprüche in schematischer Darstellung näher zu fassen und zu verdeutlichen; es handelt sich dabei lediglich um eine gedrängte Wiederholung des bereits Dargelegten, vornehmlich zum Zweck einer Präzisierung des Anschauungen. Die Gegensätze bestehen m.E. namentlich in folgendem:
1. Das Recht ist keine autarke, unabhängige Größe, sondern nur ein Teil der menschlichen Wirklichkeit und des Universums, die beide in ihrer Beziehung auf Gott gesehen werden. Beim Naturrecht greift man dagegen immer wieder auf die Vorstellung eines unabhängigen und in sich selbst gesehenen Rechts zurück.
2. Es gibt kein Recht, das der Natur des Menschen inhärent wäre, da nämlich Gott allein das Recht schafft. Dieses ist daher notwendig geoffenbartes Recht und nicht Naturrecht.
3. Das Recht ist nicht Werk der menschlichen Vernunft, sondern allein des Handeln Gottes in der Welt. Die Vernunft kann nur organisieren und ordnen, aber sie bildet weder eine Quelle, noch einen Maßstab der Gerechtigkeit oder des Rechtes.
4. Das Recht ist nicht statisch, sondern einzig Gestalt des ewige und gegenwärtigen Willen Gottes; es ist nicht auf Prinzipien, sondern auf einen Akt Gottes zu beziehen, dessen Wille gleichzeitig gegenwärtig und ewig ist.
5. Der Wert des positiven Rechtes leitet sich nicht aus der Existenz des Naturrechts her, sondern aus der Tatsache, daß Gott es als Mittel zu seinem Werke einsetzt, und dieses Werk ist das Heil der Menschheit durch Tod und Auferstehung Jesu Christi.
6. Der Mensch besitzt keinerlei natürliche Erkenntnis der Gerechtigkeit; denn diese ist ausschließlich Gleichgestaltung mit dem Willen Gottes, und dieser Wille wird durch die Erlösung in Jesus Christus erfüllt.
7. Der Mensch erkennt die Gerechtigkeit nur durch die Offenbarung, die Gott ihm durch den Bund gewährt. Dieser ist die Begründung des Rechtes, aber nicht ein angeblich ideales oder übergeordnetes Recht.
8. In keiner Weise entstehen aus dem Bunde rechtliche Prinzipien; vielmehr geht aus ihm eine Ethik hervor, von der das Recht lediglich einen Bestandteil bildet, und diese Ethik gilt, unter näher zu bestimmenden Modalitäten, für alle Menschen oder auch — als Auswirkung ihres Glaubens — allein für die Christen.
9. Das Recht kan also nicht nur im Zusammenhang mit Gottes schöpferischem Handeln im Anfang gesehen, sondern es muß zu dem fortdauernden Handeln Gottes in Beziehung gesetzt werden, das vom Anfang bis zum Ende der Welt währt. Während das Naturrecht nur auf die Schöpfung
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zurückgreift, ist das göttliche Recht gleichermaßen in der Lehre von der Schöpfung und von der Eschatologie verankert.
10. Das Recht ist in seinem ganzen Umfang christozentrisch. Daher können wir die thomistische Naturrechtslehre mit ihrer ausdrücklichen Zusammenschau von lex aeterna und lex naturalis nicht annehmen. Die lex aeterna regiert die Welt, kann aber nicht erkannt werden — das ist vielmehr Sache des Glaubens. Die lex naturalis besteht in dem, was die Menschen mit ihrer Vernunft von der lex aeterna erfassen können. Diese Art der Zusammenschau ist einerseits dadurch gekennzeichnet, daß die lex aeterna in beiden Fällen Objekt ist — Objekt des Glaubens oder Objekt der Vernunft —, während für uns Gottes Wille Subjekt ist, und andererseits dadurch, daß die Relation von lex naturalis und lex aeterna ohne notwendigen Zusammenhang mit der Herrschaft Jesu Christi behauptet wird.
11. Basis des objektiven Rechtes ist das subjektive Recht, das Gott dem Menschen zuerkannt hat. Die Naturrechtslehren teilen sich demgegenüber in zwei Strömungen: für die einen geht die Existenz des Naturrechts objektiv jedem Handeln und Wollen des Menschen vorauf, für die anderen ist das Individuum vermöge seiner menschlichen Natur Inhaber von Rechten.
12. Das Naturrecht kann keinesfalls ein Treffpunkt von Christen und Nichtchristen sein; denn gerade soweit es als rationale Entdeckung gilt, ist es in seiner konkreten Anwendung den Gegensätzlichkeiten und der Veränderlichkeit der Vernunft unterworfen. Die einzige Stelle, an der die Menschen miteinander zusammentreffen, liegt außerhalb ihrer selbst, nämlich in der Beständigkeit der ihnen allen zugewandten Barmherzigkeit Gottes. Eine der Formen dieser Barmherzigkeit aber ist augenscheinlich gerade das göttliche Recht.
Diese Aufzählung ist offenbar nicht erschöpfend; aber für unser Thema ist es hinreichend, die grundlegende Unvereinbarkeit der beiden Anschauungen aufgewiesen zu haben.
Wir haben indessen mit alledem noch nicht jene Sonderform des Naturrechts getroffen, die im ersten Kapitel hervorgehoben wurde: in der es nämlich nicht als Vorstellung, sondern als Phänomen existiert. Das Problem, das sich uns jetzt stellt, besteht darin, die Stellung dieses Phänomen in Beziehung zum göttlichen Recht zu ermitteln.
Vorweg aber muß eine Frage ausgeschieden werden: Könnte sich nicht die Lehre vom Naturrecht auf das Phänomen des Naturrechts gründen? Oder anders ausgedrückt: bedeutet unsere bereitwillige Anerkennung der Existenz dieser Rechtstatsache nicht zugleich die Rechtfertigung einer bestimmten Form des Naturrechts?
Tatsächlich steht zwischen beiden eine Welt! Wenn man jenes Recht wirklich als Tatsache ins Blickfeld bekommt, so kann man deshalb nicht behaupten, es sei gut. Es ist keineswegs notwendig besser als das religiös gebundene
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oder auch als das völlig verweltlichte, positive Recht. Unmöglich kann man nach diesem Zustand des Rechtes die anderen Rechte beurteilen. Die entsprechende Periode des römischen oder des französischen Rechtes gibt uns keinen Maßstab, an dem sich der Wert aller vom Menschen erschaffenen Rechtssysteme feststellen ließe. Mit der Behauptung, dieses Recht sei „natürlich”, ist gesagt, daß es Ausdruck eines gewissen natürlichen Gleichgewichts ist und gewissen natürlichen Erfordernissen des Menschen oder der Gesellschaft entspricht, die aber eben zeitlich und zeitgebunden sind. Erkennt man so den natürlichen Charakter dieses Rechtes an, so bedeutet das zugleich das Zugeständnis, daß es nicht normativ sein kann. Weil es vielleicht der Natur entspricht, ist es wirklich noch nicht gerecht. In dieser Verwechslung finden wir eine alte Erinnerung an die Idee der Vollkommenheit des Natürlichen, ob es nun als natura naturans begriffen wird oder als das ursprüngliche Sein des Menschen. Dies aber läuft der christlichen Lehre scharf zuwider. Die Natur des Menschen ist böse, weil der Mensch von Natur Sünder ist. Was seiner Natur entspricht, kann also nicht recht sein. Es ist nicht einsichtig zu machen, wie man behaupten kann, daß der Mensch, der doch böse ist, ein gutes Werk zustandebringen, der Mensch, der ungerecht ist, ein gerechtes Recht schaffen könnte. Andererseits ist auch die Natur außerhalb des Menschen in den Fall hineinverwickelt. Die Auswirkungen der Sünde sind kosmischer Natur. Man braucht nur an Röm. 8 zu erinnern: „Das ängstliche Harren der Kreatur wartet auf die Offenbarung der Kinder Gotts. Sintemal die Natur unterworfen ist der Eitelkeit ohne ihren Willen, sondern um deswillen, der sie unterworfen hat ...” (Röm. 8, 19. 20). Ist das Recht natürliches Recht, so kann daraus gerade nicht die Behauptung abgeleitet werden, es sei gerecht; sondern es ergibt sich daraus ja lediglich, daß es ebenfalls „der Eitelkeit unterworfen” ist, und das ist das genaue Gegenteil dessen, was wir der biblischen Lehre von der Gerechtigkeit entnahmen. Weil also die Natur an sich nicht gut ist, so kann auch das, was der Natur entspricht, im Bereich von recht und unrecht nicht normativ sein. Wir müssen also erneut auf den tiefen Graben verweisen, der zwischen Tatsächlichkeit und Norm besteht. Aus der tatsächlichen, geschichtlichen Existenz des Naturrechts als Phänomen läßt sich also kein Beweis für die Existenz eines Naturrechts ableiten, das an sich gerecht wäre, an dem alle anderen rechtlichen Formen gemessen werden müßten und von dem alle Rechte ihre Geltung erhielten.
Aber wie steht es mit dem Naturrecht als Phänomen? Wir stellten bei ihm drie Merkmale fest (S. 20 ff.):
a) Das Recht besteht und besitzt Geltung; aber was Warum seines Daseins und seiner Geltung läßt sich nicht ermitteln. Gerade hierin besteht der Unterschied zwischen dem Naturrecht und dem rein technischen Recht: im letzteren kommt die Geltung von der Sanktion her, die der Staat der Rechtsvorschrift verleiht. Man muß also annehmen, daß das Recht eine außer ihm liegende Ursache besitzt und aus dieser seine Geltung empfängt; denn wenn man es von dieser ablöst, so ist es kein wirkliches Recht mehr, sondern bloß noch ein rechtliches System.
b) Das Recht besitzt einen wesenhaft bleibenden Gehalt. Auch hier wieder ist das Phänomen nicht zu explizieren, wenn man bei rationalen Positionen
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stehen bleibt. Denn man kann hier weder auf die Einheit der menschlichen Natur zurückgehen, noch auf die Einheit der Vernunft, da ja in der Geschichte große kulturelle Verschiedenheiten tatsächlich auftreten. So besteht z.B. ein grundlegender kultureller Gegensatz zwischen Semiten und Römern; aber trotzdem ähneln sich die Rechte beider Völkergruppen. Die Existenz dieses gemeinsamen natürlichen Rechtes setzt also einen außerhalb des Rechtes liegenden Wert voraus, der ihm die grundlegende Einheit verleiht.
c) Das Recht ist das Produkt einer vom Menschen verarbeiteten gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Lage. Aber wie kann der Mensch zu einer Gerechtigkeit gelange, die offenkundig über seine eigene, persönliche Fassungskraft für das Recht hinausgeht, und wie kann er dieser Gerechtigkeit das Ganze der materiellen Erfordernisse der Gesellschaft anbefehlen? Im Blick auf dieses doppelte Phänomen müssen wir erneut die Wirkungslosigkeit der herkömmlichen Erklärungen anerkennen und damit zugleich die Notwendigkeit, eine dem Menschen fremde Größe als wirksam gelten zu lassen.
Man könnte jeden einzelnen von diesen Punkten bis ins Endlose entfalten, müßte auch wohl auf alle Erklärungen der positivistischen Rechtsschule zurückgreifen und die Nichtigkeit der rationalistischen und materialistischen Lösungen nachweisen. Aber dazu habe ich weder Raum noch Neigung. Es sei nur daran erinnert, daß solche Lösungen stets mit Perioden des technischen Rechtes zusammenfallen und allemal dem Zerfall des Rechtes voraufgehen. Aber was bedeutet nun, genau gesehen, auf Grund des Dargelegten dieses Naturrecht? Ich antworte: Es ist das Recht, welches dem Menschen die eigentliche Frage nach dem Recht stellt.
Das heilige Recht (also das Recht der ersten Phase) stellt kein Problem, und zwar gerade weil es religiös ist. Ein Problem des Rechtes gibt es in dieser Periode noch nicht. Es gibt lediglich das Problem der Religion des Menschen.
Auch das technische Recht läßt kein Problem aufkommen, und zwar, weil es lediglich materielle Macht besitzt und diese Macht in dem Maße entwickelt, wie es an tatsächlicher Wirkung einbüßt. Beim technischen Recht trifft die rationalistische Erklärung zu, und umgekehrt kann man sagen, daß die materialistische Rechtserklärung ein technisches Recht mit sich bringt. Aber sie führt ebenso unfehlbar zum Zusammenbruch des Rechtes.
Das Naturrecht dagegen erscheint als eine Periode rechtlichen Gleichgewichts, und es stellt das Problem des Rechtes gerade, sofern es ja unerklärbar ist, sofern es ein rational nicht ableitbares Element enthält — und doch ein wirksames Recht ist, dem es gelingt, eine organische Ordnung der Gesellschaft zu gewährleisten. Für uns ist es ein Beweis dafür, daß zwischen der Gerechtigkeit Gottes, dem göttlichen Recht, wie wir es kennen lernten, und dem Recht der menschlichen Gesellschaften eine bestimmte Relation besteht.
Eben dies ist das Problem, auf das wir stoßen. Auf der einen Seite stellen wir das Dasein eines vom Menschen geschaffenen Rechtes fest. Auf der anderen Seite haben wir gesehen, was das göttliche Recht ist. Eine Verbindung zwischen beiden jedoch gewahren wir — abgesehen vom Gebiet des Mystischen — nicht. Die christlichen Naturrechtstheorien, die eine solche
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Verbindung hätten herstellen können, haben sich als nichtig und unzutreffend erwiesen. Dann aber erscheint die Lage verzweifelt, weil nämlich das göttliche Recht wirklich allein von Gott her ist und also notwendig transzendent sein muß. Gerade das Phänomen des Naturrechts zeigt nun aber, daß es wirklich eine Relation gibt, und daß wir also bei jenem Auseinanderklaffen nicht stehen zu bleiben brauchen. Gäbe es nur das heilige Recht oder nur das technische, so müßten wir uns mit der Feststellung des Auseinanderbrechens zufrieden geben; wir müßten dann zugeben, daß das Recht letztlich ein Werkzeug des Satans darstellte, weil es ja völlig von Gott gelöst und im Gegensatz zum göttlichen Rechte wäre. Die Tatsache des Naturrechts aber, das — wie erwähnt — nichts mit einem idealen oder mit höherer Gerechtigkeit ausgestatteten Recht zu tun hat, nötigt uns, wie wir noch sehen werden, zur Anerkennung einer Berührung mit dem göttlichen Recht. Dies aber ist von höchster Bedeutung für das Recht in seiner Gesamtheit; denn dieses Naturrecht und die sonstigen Erscheinungsformen des Rechtes können nicht in einem grundlegenden Gegensatz gedacht werden; sie sind vielmehr lediglich Elemente darin. Im Naturrecht als Phänomen erkennen wir also jetzt eine Relation mit dem göttlichen Recht. Ihr Dasein kann vom rationalen Gesichtspunkt her als Erklärung für das Fehlen jeder anderen Lösungsmöglichkeit verstanden werden. Es ist aber eine Relation, die der Mensch von sich aus in keiner Weise aufstellen kann. Da sie sich aber als vorhanden erweist, so müssen wir nunmehr das gesamte Recht in all seinen verschiedenen Erscheinungsformen mit dem göttlichen Recht in Verbindung bringen. Wie wir noch sehen müssen, besteht hier tatsächlich keine Möglichkeit, auf Grund eines a priori vorhandenen Kriteriums zwischen „gutem” und „schlechtem” Recht zu unterscheiden. Von uns aus und von vornherein lassen sich beide nicht trennen. Haben wir also die Gewißheit, daß es ein Band gibt, das eine Form des Rechtes mit Gottes Gerechtigkeit vereint, so ist in diese Verbindung das gesamte Recht einzubeziehen, weil nämlich die übrigen Formen des Rechtes — wie wir sahen — neutral sind. Diese Bedeutung also hat das Phänomen des Naturrechts, und von da aus führt der Weg unmittelbar zum Problem jener Relation, die jetzt noch zu erörtern ist.