Dombois, H.

Die Ehe: Institution oder personale Gemeinschaft?

1969

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Hans Dombois

Die Ehe: Institution oder Personale Gemeinschaft?

Überlegungen zu einem modernen Eherecht

 

Als sich 1950 im Christophorus-Stift in Hemer auf Anregung und unter dem Vorsitz des systematischen Theologen Professor Friedrich Karl Schumann die Eherechtskommission bildete, stellten sich ihr zwei Aufgaben: zu dem Gesetzgebungsprogramm des Art. 3 GG über die Gleichberechtigung der Geschlechter theologisch und rechtspolitisch Stellung zu nehmen, zugleich aber auch das damals auftretende Verlangen des deutschen katholischen Episkopats nach Einführung der fakultativen Zivilehe kritisch zu prüfen. Von diesen beiden Themen hat gerade die zweite Aufgabe sich dann im eminenten Sinne als wissenschaftlich fruchtbar erwiesen, und zwar sowohl methodisch wie sachlich. Aufgrund der Stellungnahme der Kommission hat die Synode der EKD in Berlin 1954 es abgelehnt, jenes Verlangen zu befürworten. Die Forderung ist seitdem nicht wieder erhoben worden; es hatte sich im übrigen gezeigt, daß sie gerade rechtlich nicht hinreichend durchdacht gewesen war.

Aber um entschieden zu können, was im Bereich der Eheschließung Sache des Staates und was Sache der Kirche sein kann und darf, mußten wir untersuchen, was in der Eheschließung vor sich geht. Für den geschichtlichen Tatbestand konnten wir zum Teil auf die wissenschaftlichen Streitigkeiten zwischen Sohm und Friedberg, überhaupt auf die Literatur aus der Zeit der Einführung der obligatorischen Zivilehe während des Kulturkampfes zurückgreifen. Seither sind unsere Kenntnisse nach der rechts- und kirchenrechtsgeschichtlichen Seite durch die Forschungen von Koschaker und Ritzer sehr erweitert worden. Auffälligerweise hatte man in den siebziger Jahren zwar den historischen Tatbestand erhellt, aber ihn nur sehr wenig grundsätzlich interpretiert. Die Dogmatik des geltenden bürgerlichen Rechts bot nur wenig Unterlagen und Begriffsmittel für unser Urteil. Rechtsgeschichte und Rechtsdogmatik fallen ohnehin bei uns weitgehend auseinander. Hatte die letztere begreiflicherweise nicht allzu großes Interesse an der einigermaßen verwickelten Vorgeschichte ihres eigenen Rechtsstandes, so

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zeigte sich noch weniger Neigung, den Vorgang der Eheschließung selbst rechtlich zu analysieren. Das ist auch seither so geblieben. Was wir damals in der juristischen Literatur vermißten, vermissen wir auch noch heute. Dabei ging es keineswegs um rechtsphilosophische Erwägungen, sondern um die Interpretation der vorfindlichen Rechtsformen als solche. Aber in der Wissenschaft ist nicht nur das interessant, was sie bearbeitet und mit welchem Ergebnis sie das tut, sondern ebenso das, was sie stillschweigend beiseite läßt. Die Gründe freilich für die stilschweigende Vernachlässigung von Fragestellungen sind, wenn es sie aufzuhellen gelingt, von hohem Erkenntniswert. Uns ging es jedenfalls damals nicht darum, das geltende oder zukünftige Eherecht einer theologisch oder philosophisch zu begründenden Norm von Ehe zu unterwerfen, sondern zu ermitteln, was an Wesen und Gehalt der Ehe induktiv-phänomenologisch sich zeige, und zwar bereits in dem Vorgang und Geschehen ihrer Begründung.

 

Traditionsbestand

Was nun bei uns de iure positivo als Ehe gegolten hat, was als Anschauung und Realität von Ehe als sozialem Gebilde im Recht Gestalt angenommen hat, besitzt mehrere Wurzeln. Die älteste ist zweifellos die des germanischen Rechts; seine Entwicklung ist dann durch die Rezeption des römischen Rechts abgewandelt und gebrochen worden, zum Teil in der Form, welche das kanonische Recht dieser Tradition gegeben hat, weiter aber auch durch dieses in gewissem Umfang selbst. Dieser ganze Traditionsbestand ist dann in das moderne, bisher wesentlich von Aufklärung und bürgerlichem Idealismus bestimmte Eherecht überführt und transformiert worden.

Wir bemühen uns hier um die Klärung des dreiseitigen Verhältnisses von Ehe, Recht und Kirche aus grundsätzlichem und nicht aus historischem Interesse. Aber wenn wir den so erwachsenen Stand unseres Problems erwägen, so ist es mir unverständlich, wie man das unter Übergehung des Ausgangstatbestandes, des germanischen Rechts, versuchen kann. Wir vermögen Recht und Ehe bei alledem nicht zu trennen. Niemand meint, daß er in der Ehe lebe, wenn er nicht rechtens in einer öffentlich anerkannten Form verheiratet ist. Der Gedanke der Gewissensehe ist von keiner wesentlichen sozialen Bedeutung; dieser Begriff besteht höchstens in romantischer Sublimität. Er zeigt selbst an, daß nur die Rechtsehe überhaupt als Ehe verstanden wird. Weder

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historisch noch typologisch hat die Gegenüberstellung von Rechtsehe und außerrechtlicher Ehe einen Sinn. Der Ehekonsens des römischen Rechts ist bekanntlich außerrechtlich. Aber dieser römische Ehekonsens war mit der Heimführung, ferner mit Dotalverträgen usw. verbunden. Er war in unserem Rechtsbereich so unvollziehbar, daß die Rezeption des Begriffs ihn kontradiktorisch umkehrte und in einen kontraktähnlichen Rechtskonsens umdeutete.

Das kanonische Recht vollends hat die Ehe nicht zur Rechtsehe gemacht, sondern als solche vorgefunden, vorausgesetzt und darum zu klären versucht, wie sie rechtliche zustande kommt. Hier hat sie noch heute verwendete scharfsinnige Distinktionen der verschiedenen Nichtigkeitsgründe und -formen entwickelt. Die subjektiv auf der affectio maritalis aufgebaute römische Konsensehe ist eben auch Rechtsehe und unterscheidet sich vom Konkubinat durch die objektive Stellung der Frau im Hause, den honor matrimonii, eine öffentliche Stellung, welche der Frau bestimmte Rechtsbefugnisse einräumt. Die germanische Parallelbildung wird durch Konsensgespräch im Beisein der beiderseitigen Verwandten begründet und schließt insofern schon die Antithese von Recht und Rechtsfreiheit sinngemäß aus. Die Vorstellung einer rechtlosen Ehe in der Antithese der Rechtsehe ist eine moderne Fragestellung, die, angewendet auf historische Rechte, eine willkürliche Eintragung bedeutet. Hier wird die Unterscheidung zwischen muntfreier Ehe und Muntehe mit einer modernen philosophischen Problematik verwechselt. Die Unterscheidung beider Eheformen liegt, wie Koschaker anschließend zeigt, in dem unterschiedlichen Verhältnis zur Sippe der Frau, einer für uns ganz bedeutungslos gewordenen Frage. Warum nicht offen sagen, was man heute will und meint — wozu die Geschichte vergewaltigen? Dabei ist freilich der jetzige Rechtsstand ohne Kenntnis der Entstehungsgeschichte nicht voll verständlich.

Was können wir nun aus der juristischen Interpretation des Eheschließungsvorgangs über Struktur und Wesen der Ehe entnehmen?

Wie Koschaker dargestellt hat, hat sich die Eheschließung bei sämtlichen nichtrömischen indogermanischen Völkern in mehraktigen Rechtsvollzügen abgespielt, in denen zwei Hauptmomente sichtbar hervortreten: 1. Das eheschließende Verlöbnis als die anfangsweise Begründung der Ehe durch konsensuale Akte. Dieses Verhältnis, welches nicht mehr frei lösbar ist, wird dann 2. durch symbolische und Realakte zur Vollehe perfiziert. Dies geschieht entweder durch die Trauung als Übergabe in die Schutzgewalt des Mannes oder durch die tatsächliche

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Begründung der ehelichen Gemeinschaft (insbesondere den Vollzug). Rechtsgeschichtlich ist weiter deutlich, daß diese symbolischen und Realakte, ebenso die Solennisationsformen zunehmend an Bedeutung verlieren. Das Schwergewicht verlagert sich auf das im Konsens sich vollziehende eheschließende Verlöbnis, welches irrigerweise in Fortsetzung älterer Vorstellungen immer noch als Trauung bezeichnet wird. Andererseits führt das öffentlich-rechtliche Bedürfnis nach eindeutiger Klarstellung des Personenstandes zur Einführung von Formvorschriften, sei es kirchlich vom Tridentinum ab, sei es in der modernen Zivilstandsgesetzgebung. Der Realcharakter des Rechtsvollzuges wird durch den Formzwang einer neu entstandenen Publizität ersetzt.

 

Rechtliche Merkmale

Der Rechtsvorgang der Eheschließung ist nun deutlich mit einer Reihe von juristischen Momenten verbunden, ohne deren Beachtung ein volles Verständnis nicht möglich ist:
1. Die Rechtswirkungen der Ehe unterliegen dem Typenzwang. Sie sind gleichsam gebündelt, so daß einzelne dieser Wirkungen nicht abgedingt werden können. Dies sind gerade die personenrechtlichen Folgen. Dagegen unterliegen die vermögensrechtlichen Folgen, abgesehen von der Schlüsselgewalt, generell der Parteidisposition in vereinbarten Güterständen, für welche lediglich im Gesetz Modelle angeboten oder die mangels besonderer Vereinbarung gesetzlich normiert werden.
2. Jene Rechtsakte sind bedingungsfeindlich. Ihre Wirkung kann, abgesehen von ihrer inhaltlichen Invariabilität, auch im ganzen nicht von Bedingungen abhängig gemacht werden.
3. Die Intention dieser Akte geht (selbst bei weiter Ausdehnung des Scheidungsrechts) auf eine zeitlich grundsätzlich nicht limitierte Dauer, also auf die Herstellung eines Zustandes, den der Verbundenheit zwischen den Partnern.
4. Der Gesamtinhalt der mit dem Akt der Eheschließung verbundenen Rechtswirkungen wird aber regelmäßig weder definitorisch noch enumerativ oder auch nur einigermaßen zulänglich final erfaßt. Versuche dieser Art liegen allein in der begriffsfreudigen Aufklärungsjurisprudenz vor (z.B. ALR).

Die Voraussetzungen dafür sind noch zu erörtern. Der Rechtstypus Ehe wird vielmehr regelmäßig in seinem Gesamtgehalt vorausgesetzt. Zwar wandelt sich dieser Inhalt bis zu einem gewissen Grade, zweifellos

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aber doch nicht in einem Maße, welches die Identität der Rechtseinrichtung in Frage stellt. Diese rechtlichen Merkmale aber hängen ineinander, bedingen sich gegenseitig und bilden eine Sinneinheit. Sie halten sich in dieser Komplexität auch ohne besondere rechtstheoretische Reflexion oder gesetzespolitische Motivierung durch. Dabei wirken der Charakter der Dauerhaftigkeit und der umfassenden Vergemeinschaftung zusammen, die weder konditional verunsichert, noch final abgegrenzt, noch als Summe der Erfüllung einzelner Verpflichtungen und Erwartungen verstanden werden können. Die Ehe weist sich also in ihrer exakt beschreibbaren und auslegbaren Rechtsstruktur als eine ständige Personengemeinschaft aus. Dies zeigt sich in der deutlichen Abschichtung des eherechtlichen Personenrechts vom Güterrecht. Jene der Disposition entzogenen Gesamtwirkungen sind, wie gesagt, im wesentlichen die personenrechtlichen, während die ökonomische Seite bei deutlicher Tendenz zu typischen Formen der Disposition anheimgegeben wird. Gleichwohl gibt es die Ehe wiederum nicht ohne güterrechtlichen Folgen, die entweder vertraglich geregelt oder mangels einer solchen Regelung vom Gesetzgeber geordnet werden müssen. Gerade aber die römische deductio in domum als Heimführung bedeutet die Einsetzung der Frau in die Rechtskompetenz als Hausherrin.

Was ist nun also das Ergebnis der Eheschließung? Eine auf Dauer angelegte Verbundenheit der Eheleute — das wird durch die Schließungshandlung intendiert und auch erreicht. Dies ist im Rechtssinne ein Personenstand; hiervon zeugt das Personenstandswesen als besonderer Rechtskomplex. Daher haben wir, d.h. die damit befaßten Studienkommissionen, die Eheschließung als einen Vorgang bezeichnet, der in einen Rechtszustand (Status) führt. Lateinische Fremdwörter lassen sich nicht anders als nach den Lautgesetzen der Ursprungssprache bilden. So waren wir genötigt, den Vorgang, der in den Zustand führt als Institution zu definieren und zu beschreiben, Institution im ganzen als Einheit ovn Vorgang und Zustand. Daher ist die Eheschließung ein Vorgang personaler Institution im Bereich des Rechtes und von rechtlicher Qualität. Dieser Typus steht im Personenrecht keineswegs allein. Auch der Adoptionsvertrag ist ein dem Typenzwang unterliegender konsensualer Kontrakt, der auf die Herstellung eines bestimmten, in seinen gesamten Wirkungen typologisch festgelegten personalen Dauerverhältnisses gerichtet ist. Mutatis mutandis finden wir analoge Strukturen im öffentlichen Recht bei der Verleihung der Staatsangehörigkeit und der Einsetzung in öffentliche Ämter. Andererseits ist mit diesen

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Vorgängen personaler Institution die primäre Anwendung unseres Begriffs so ziemlich erschöpft.

Aus Gründen, deren Aufhellung mit zu unserer Aufgabe gehört, hat die Rechtsdogmatik diesen Strukturen keine Aufmerksamkeit zugewendet. Dagegen hat schon Max Weber in seiner Rechtssoziologie die Begriffsmittel geliefert, die der Rechtsdogmatik für ihre eigene Aufgabe hätten dienen können. Leider besteht bei uns kein fruchtbares Verhältnis zwischen Rechtssoziologie und Rechtsdogmatik. Die Rechtssoziologie sucht ihren Stoff ständig durch neue eigene Begriffsbildungen zu erhellen und zu ordnen, die fast durchgängig rechtsdogmatisch selbst in der Übersetzung unbrauchbar werden, während sich die Rechtsdogmatik um die Rechtssoziologie nicht recht kümmert. Max Weber unterscheidet zwei Kontraktformen, Statuskontrakt und Leistungskontrakt. Durch den einen wird, wie er es ausdrückt, „jemand jemandes”, der Mann zum Ehemann seiner Frau, die Frau zur Frau ihres Mannes; er ist auf eine dauernde personale Zuordnung gerichtet. Der zweite Kontrakt dagegen zielt auf umschreibbare Leistungen und geht durch Erfüllung dieser begrenzten Leistungen unter. Der eine geht auf ein vielfältiges Gesamtverhältnis, der andere auf einen beliebig variablen und teilbaren Sachinhalt. Alle die Merkmale, die beim Statuskontrakt zur Bündelung der Wirkungen und zur Ausschließung der Parteidisposition führen, wären beim Leistungskontrakt begriffswidrig und umgekehrt.

Man sollte meinen, daß die im Geruch des juristischen Scharfsinns stehende Kanonistik Veranlassung gehabt hätte, den von ihr — sogar als sakramental verstandenen — Ehekonsens des näheren zu analysieren. Anstelle dessen begnügt sie sich ebenso wie die systematische Theologie, den Ehekonsens als contractus sui generis zu bezeichnen. Das ist die Bekundung eines Unvermögens, aber auch in Mißverständnis. Denn daß die Ehe als solche eine Sache für sich ist, ist eine Banalität. Etwas ganz anderes ist es, ob der Konsens einem juristischen Begriff eingeordnet werden kann, der auch Konsense mit anderem Sachgehalt mit zu umschließen imstande ist.

Diese Erwägungen über die Ehe als Institution überschreiten also mit keinem Gedanken den gegebenen und unbestrittenen Rechtsstand der Ehe, welchen wir allerdings zulänglicher zu interpretieren veranlaßt waren, als es die Rechtstheorie darbot. Ich für meine Person, der ich diese Problematik mit meinem Referat über „Das Problem der Institutionen und die Ehe” eröffnet habe, könnte nichts anderes tun,

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auch wenn ich Heide, Türke oder ein Anhänger von Herrn Sczcesny wäre.

 

Theologische Interessen

Das Problem und Phänomen der Institutionen ist heute Gegenstand umfassender Forschungsbemühungen. Es spielt in der Völkerkunde, in der Religionsgeschichte, in der Soziologie eine hervorragende Rolle. In der Interpretation dieser Phänomene gibt es auch deutlich verschiedene Richtungen. In der Jurisprudenz hat die Institutionentheorie, insbesondere in Frankreich, eine vielfältige Entwicklung durchgemacht. Neuerdings hat Roman Schnur eine Art Dokumentarband unter dem Titel „Institution und Recht” herausgebracht. In Deutschland ist bei Konrad Hesse und Erik Wolf eine vielbeachtete verfassungsrechtliche Studie von Häberle über die Wesensgehaltsgarantie des Art. 19 GG entstanden. Der Jurist Rolf-Peter Calliess hat eine bei Gollwitzer gearbeitete Studie über Eigentum als Institution vorgelegt. Der Theologe Ernst Wolf, Göttingen, hat das Problem der Institutionen in seine theologische Ethik einbezogen.

Die Frage, welches theologische Interesse mit diesen Fragestellungen verbunden ist und für uns gegebne war, muß mit vollkommener Offenheit dargetan werden. Dieses Interesse besteht methodisch und sachlich in verschiedenen Richtungen:

1. Die christliche Theologie als Sozialethik ist genötigt, in der Auslegung der Heiligen Schrift dem Christen ein Verständnis derjenigen Verhältnisse darzubieten, in denen er sich zu bewähren hat. Infolgedessen ist die Auseinandersetzung mit den großen Rechtseinrichtungen, mit Staat, Ehe, Eigentum, ganz unvermeidlich mit einbezogen und vollzieht sich bereits in den biblischen Texten selbst. Ginge es nur um ganz allgemein ethische Normen und Richtlinien, so brauchte auch in diesen Texten weder von der Ehe noch vom Besitz noch von der öffentlichen Gewalt in specie die Rede zu sein. Aus diesem Grunde hat dann die Lehre der christlichen Kirche in ihrer jeweiligen Situation versucht, ein Verständnis der Zusammenhänge zu entwickeln, auf welche sich ihr ethisches Verhalten zu beziehen hat. Ich habe diesen methodischen Vorgang in der Festschrift für Wendland als eine „Dogmatik zweiter Hand” bezeichnet. Eben weil sie dieser Sinnbestimmung unterliegt, ist sie eine solche zweiter Hand, die in anderer Weise als die Dogmatik erster Hand, als die Lehre vom Heil, in unmittelbarer

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Abhängigkeit von der sich wandelnden Geschichte befindet. Sie konnte sich in relativ stationären Verhältnissen als eine solche verstehen, die ebenso dauerhafte, ja ewige Gesetzlichkeiten darstellte und deutete, und rückte damit immer wieder fälschlich in die Nähe der Dogmatik erster Hand (die ja auch, wie wir wissen, notwendig in einer geschichtlichen Umbildung ihrer Aussage- und Verständnisformen begriffen ist). Solche großen Versuche der Dogmatik zweiter Hand sind sowohl die verschiedenen Konzeptionen des Naturrechts als auch etwa die lutherische Ständelehre, aber auch manche Bildungen der idealistisch-liberalen Theologie des 19. Jahrhunderts. Es besteht also ein gewisser Interpretationszwang von der Sache her, der mit dem Anspruch nicht zu verwechseln ist, auf diese Wirklichkeit einzuwirken.

2. Wir fanden nun eine sehr unbefriedigende Lage der evangelischen Sozialethik vor. In der Tradition der lutherischen Theologie pflanzte sich eine Lehre von Ordnungen als Stiftungen Gottes fort, die entweder als Schöpfungsordnungen von relativer Intaktheit oder als Erhaltungsordnungen von spezifischer Gebrochenheit verstanden wurden. Diese im einzelnen noch sehr unterschiedlichen Konzeptionen hatten den evidenten Nachteil, nicht nur die geschichtliche Wandelbarkeit der konkreten sozialen Strukturen in höchst unzulänglichem Maße zu berücksichtigen, sondern sie litten auch von vornherein an einem konstruktiven Mangel. Es war gar nicht verständlich, wie der Mensch in diese Ordnungen hineinkam, die doch unzweifelhaft von Menschen aufgebaut, gehandhabt, umgebildet und zerstört werden. Das Moment der Freiheit wurde so bis zur Unerklärlichkeit vernachlässigt. Abgestoßen von der Statik dieser Konzeptionen und aus anderen Gründen, bildete sich umgekehrt eine aktualistische Ethik, welche in dem Je und Je der Entscheidung das Wesentliche sah und sich als sogenannter „Personalismus” verstand. Diese Haltung ist einmal in der Anwendung auf die Ehe drastisch ad absurdum geführt worden. Ein Benediktiner sagte, er möchte, wenngleich Mönch, doch wenigstens wissen, ob sein Partner verheiratet sei oder ob seine Ehe nur als die diskontinuierliche Kette erotische Explosionen zu begreifen sei. Jedenfalls ist einsichtig, daß eine solche Konzeption außerstande ist, die Ständigkeit des Rechts, jedes Dauerverhältnis zwischen Menschen zu beschreiben und sachgemäß auszulegen. Durch die Aufdeckung der Struktur von Institution als Einheit von Vorgang und Zugang bot sich zum erstenmal die Möglichkeit, die sichtbaren Konstruktionsmängel beider Anschauungen zu

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überwinden. Denn wenn der Inhalt auf den hin der Schließungsakt vorgenommen wird, typologisch festgelegt ist und nicht der Disposition unterliegt, so ist doch gewiß und prinzipiell der Akt des Eintritts selbst frei. Er qualifiziert sich damit als Ak der Annahme und ist auch als solcher beschrieben worden. Dadurch wurde ausdrücklich eingeschlossen, daß jede Ehe zugleich auch und ohne Widerspruch die unverwechselbare Ehe dieser Partner ist. Den in diesem Sachzusammenhang von der soziologischen Institutionstheorie entwickelten Gedanken der Entlastungsfunktion kann ich hier als bekannt voraussetzen.

3. Die dritte Linie des theologischen Interesses besteht darin, daß die Ehe wie auch übrigens alle drei anderen genannten Formen personaler Institution ein Vorgang menschlicher Kommunikation ist. Freilich handelt es sich dabei nicht um die oszillierende Jeweiligkeit des Gespräches, der zufälligen oder, wenn man will, geschichtlichen Begegnung, sondern um spezifische Formen. Kommunikation wie ihre spezifischen Formen sind jedoch ebensowenig selbstverständlich. Wenn die Fernsprechanschlüsse fehlen, ruft man nach dem Postminister. Wenn die Mittel der sprachlichen Verständigung fragwürdig werden, häufen sich die Sprachphilosophen und bildet sich die Philosophie des Dialogs. Gerade die Theologie weiß davon, daß der Mensch, tief und in einem radikalen Sinn in sich selbst verschlossen, dem anderen nicht zugänglich ist. Darum ist es für die Theologie bedeutsam, wenn es spezifische Formen der Kommunikation gibt wie diese, wie die der Ehe, von der deshalb aus einem existentialen Grunde auch schon die Schöpfungsgeschichte mit den einfachen Worten redet, es sei nicht gut, daß der Mensch allein sei. Was freilich hier gemeint ist, ist nicht die Ehe als historisch-rechtliche Institution, sondern gerade die Voraussetzung einer solchen spezifischen Verbindung der Geschlechter miteinander in geschichtlicher Form. Als solche Voraussetzung aber ist sie zu unterscheiden von ihrer historischen Gestaltung und zugleich in ihren Gestaltungen zu achten. Wenn gleichzeitig die Theologie als Lehre vom Heil von einer Bundschließung Gottes mit dem Menschen redet, so ist auch dies eine, wenn auch einzigartige Form der Kommunikation, die im typologischen Vergleich von Anbeginn immer wieder mit einsichtigen Formen menschlicher Kommunikation, den Bundschließungen, in Vergleich gesetzt und in ihnen ausgedrückt worden ist. Und so erklärt es sich, wenn der Apostel Paulus im Epheser-Brief jene analogische Näherung zwischen Ehe und Gottesbund zugleich mit einem bestimmten

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Vorbehalt ihrer Unvergleichlichkeit ausdrückt. Jedenfalls wird dort, wo der Mensch nicht auf sich beschränkt, in sich verschlossen bleibt, sondern dem anderen verbunden wird, mit dieser Möglichkeit zugleich eine Aufgabe sichtbar, in der jene Verengung und Verschließung seiner Menschlichkeit aufgebrochen und geöffnet wird.

 

Grundpositionen evangelischer Ethik

Für unserer Erwägung ist von entscheidender Bedeutung, woher jenes in der Themenbestimmung sich ausdrückende Mißverständnis des Problems und nicht weniger die Mißdeutung der Absicht entstanden ist, aus denen heraus christliche Theologie überhaupt und konkret die Familienrechtskommission sich mit diesen Dingen befaßt hat. Ich glaube, daß diese Gründe sowohl rechtsgeschichtlich wie geistesgeschichtlich mit einiger Klarheit in allgemeinen großen Linien dargelegt werden können.

Von einem bestimmten Zeitpunkt unserer Rechtsgeschichte an bildet sich ein Verständnis der Person als Rechtssubjekt, welches sich wesentlich als frei in der Disposition über seine Handlungsmöglichkeiten und seinen Rechtsbesitz versteht. Sowohl die sippenhafte Bindung im Bereich des Familienrechts wie die sachenrechtliche Bindung im Bereich bestimmter ökonomischer Vergemeinschaftungen lösen sich auf. Hegel, dessen philosophische Dialektik an so vielen Stellen die objektiven Tatsachen der Rechtsgeschichte vergewaltigt, hat doch mit großer Klarheit erstmalig die prinzipielle Bedeutung des bürgerlichen freien Eigentums für das Personverständnis des Menschen gewürdigt. er hat die freie Disposition über die Güter schlechthin als die Voraussetzung der Freiheit bezeichnet und gegen alle naheliegende Kritik mit großer Schärfe durchgehalten. Was sich hier aber längst vor Hegel rechtsgeschichtlich herausbildet und erst von ihm bedeutsam reflektiert wird, ist nun doch im strengen Sinne die Spaltung zwischen Subjekt und Objekt. Während bis dahin nicht nur der Mensch sich die Sache zueignete, sondern auch durch den Sachbesitz in seinem rechtlichen und sozialen Status qualifiziert wurde, vermag erst jetzt der Mensch sich seines Sachbesitzes zu entäußern, ohne das dies für seinen personalen Status von mehr als faktische Bedeutung ist.

Eben dadurch aber entsteht nun eine ganze Kettenreaktion von Spaltungserscheinungen. Zugleich mit der Heraustrennung der Person aus diesen Bezügen tritt notwendigerweise eine rechtliche Unterscheidung

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zwischen den Rechtsbereichen ein, in denen der Mensch frei disponieren kann, als bürgerliches Recht von dem Rechtsbereich, der als öffentlichen Recht ihm prinzipiell entzogen ist. In den Bereich freier bürgerlicher Disposition fallen nicht nur die Sachen, das Eigentum, sondern fällt auch die Handlungsfreiheit genauso weit, wie man ohne Aufhebung der freien Rechtspersonalität sich verpflichten kann. Daher das Verbot der Knebelungsverträge, die grundsätzliche Freiheit zum Austritt aus bürgerlichen Vereinen usf. In dem Maße aber, in dem die freie bürgerliche Disposition zum existentialen Merkmal der Rechtsperson wurde, mußte sich die Absolutheit des Unverfügbaren ausprägen, auch hier in einem charakteristischen Antagonismus. Unverfügbar war einerseits die Staatshoheit, die, von dem Subjekt ihrer Träger als Vertreter persönlicher Interessen streng getrennt, immer mehr zum apersonalen Staat als Kollektivsubjekt, zum Träger einer geschichtlichen Staatsidee, auch zur Staatsraison werden mußte. Dieser politisch-geschichtlichen Absolutheit sittlicher Wertungen und Normen, die ebenso um ihrer selbst willen befolgt und durchgesetzt werden müssen, entspricht in etwa die kantische Maxime, daß beim Untergang der Welt der letzte Mörder noch hinzurichten sei. Dahin gehören der rechtsstaatliche Verfolgungszwang, die Herauslösung des staatlichen sogenannten Strafanspruchs aus den direkten Beziehungen zwischen dem Täter und dem Verletzen, die Einführung eines bestimmten Begriffs von Sinnlichkeit in das Recht. Zugleich entsteht ein nicht behebbarer Antagonismus zwischen Heteronomie und Autonomie, zwischen Gemeinschaft und Subjekt, wobei die Heteronomie wiederum für sich zugleich zwischen der Unbedingtheit des Sittlichen und der Notwendigkeit des Politischen gespalten ist. Diese Spaltungsbewegung setzt sich dann deutliche in einem weiteren Schritte fort. Während zunächst die Entwicklung der freien Rechtssubjektivität des einzelnen als das Um und Auf der Geschichte erscheint, wird nunmehr unweigerlich erfahren, daß alles Recht und selbst diese Rechtssubjektivität immer noch konkrete Bindungen mit einschließen, sei es auch nur in dem juristischen Axiom, daß man den bösen Tropfen genießen müsse, wo man den guten Tropfen genossen hat. Infolgedessen wird auch diese Subjektivität noch gespalten. Der Mensch nimmt sich aus der Rechtsexistenz in die Eigentlichkeit einer außerrechtlichen Lebensform zurück, aus der er je und je und mit möglichst geringem Freiheitsverlust dann wieder in die aktive Rechtsrolle hineintritt. Freilich ist diese Haltung, in der geschichtlichen Entwicklung am Ende stehend, sachlich nicht einfach neu. Sie hat mindestens

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viel Verwandtschaft mit einer geschichtslosen Mystik. Sie besitzt jedenfalls nicht mehr die Kraft, sich in die Geschichte zu entäußern, zum anderen zu kommen, da sie ja ständig beansprucht, sich aus jedem Verhältnis frei wieder zurückzunehmen.

Gerade dieses Subjektverständnis, welches ich mit einer gewissen Abkürzung einmal als personalistisch bezeichnen will, ist also selbst die Quelle der von ihm so leidenschaftlich bekämpften Rechtsmetaphysik. Es sind feindliche Zwillingsbrüder. Ich kann hier zugleich auf die von Rudolf Smend in seinem Referat über das Problem der Institution und den Staat gegebene Lagebeschreibung verweisen.

Es wird hier auch deutlich, in welchem Maße die beiden von mir geschilderten unzulänglichen Grundpositionen evangelischer Ethik ihren Grund in dieser Problemlage besitzen. Eben diese aber haben wir in der Institutionentheorie zu transzendieren versucht.

 

Marxismus — Soziologie — Naturwissenschaft

Solange wir aber in diesem Horizont sind, bewegen wir uns in dem Zirkel eines unlösbaren Gegensatzes, indem jeder Ausbruchsversuch wiederum mit den immanenten Kategorien dieses unfruchtbaren Verhältnisses qualifiziert wird. Aber diese Konzeption ist zugleich durch drie Momente unserer Geistesgeschichte als unmöglich erwiesen und außer Kraft gesetzt.

1. Die marxistische Kritik hat das von Hegel positiv gewertete Selbstverständnis des frei verfügenden Subjekts dialektisch und ironisch umgekehrt. Erzeigte dieses Subjekt gerade von dem abhängig, worüber es frei zu verfügen beanspruchte, und wies ihm zugleich eine verfremdete, sich selbst täuschende Bewußtseinsbildung nach. Mit der Tragweite dieser Probleme hat sich die Jurisprudenz, gerade die Theorie des bürgerlichen Rechts, als solche (ich meine nicht die Rechtsphilosophie) in Wirklichkeit nie auseinandergesetzt.

2. Die zweite Welle war die Entstehung der Soziologie. Wenn es Gesetze sozialer Strukturbildung gibt, die vom Bewußtsein ihrer Träger unabhängig sind und in denen das Bewußtsein nur eine bestimmte, wenn auch sehr bedeutende Funktion ausübt, so konnte eine derartige Zentrierung des Rechtsdenkens auf das freie Rechtssubjekt im bürgerlichen Sinn nicht mehr durchgehalten werden. Eine eigentliche Vermittlung von Rechtsdogmatik und Rechtssoziologie hat jedoch, wie oben erwähnt, nicht stattgefunden.

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3. Das dritte Element ist die moderne Naturwissenschaft. Sie zeigt, daß der Erkennende vom Gegenstand seiner Erkenntnis nicht abgelöst werden kann. Damit ist zugleich die Vergeschichtlichung des naturwissenschaftlichen Erkennens verbunden. Von hier aus gesehen, kann die als Basisvorstellung verwendete Figur der freien Rechtssubjektivität nur als ein Hilfsmittel für gewisse Bereiche, als ein partielles Modell, nicht mehr aber als eine grundlegende Aussage des Gesamtverhältnisses benutzt werden.

Einiges von diesen Fragen wird auch an der Geschichte des Eherechts selber deutlich. Das Preußische Allgemeine Landrecht, ein markantes Erzeugnis der Aufklärung, definierte die Ehe zweckhaft; sie werde zur Erzeugung und Erziehung von Kindern geschlossen, könne aber auch zur bloßen gegenseitigen Unterstützung eingegangen werden; diese letztere Aussage war offenbar auf Altersehen gemünzt. Hier wird die Ehe zu einer Art bürgerlichen Vereins oder einer Gesellschaft, dessen Zwecke frei verfügbar sind, aus dem man aber wieder einverständlich austreten kann, insbesondere, wenn die vorausgesetzten Zwecke sich als unerfüllbar erweisen. Was die Zweckdefinition betrifft, so befindet sich die Aufklärung nicht von ungefähr in hoher Übereinstimmung mit den Zweckdefinitionen der scholastischen Ehelehre, unter deren Konsequenzen trotz Konzil die katholische Christenheit auch heute noch hörbar seufzt. Deutlich fehlen diesem Aufklärungsdenken spezifische Kategorien für die Erfassung der Ehe. Aus diesem Grunde nähert sie sich anderen sozialen Modellen an. Radikaler und tiefer denk hier Kant. Von ihm stammt das fatale Wort, die Ehe sei in Vertrag, der auf den wechselseitigen Besitz der Geschlechtseigentümlichkeiten gerichtet sei. Der alte Junggeselle wollte gewiß die Ehe nicht herabsetzen; er wollte nur das Recht in seine Schranken verweisen, indem er es auf das begrenzte, was nach seinem Verständnis rechtlich ausdrückbar sei, nämlich auf possessorische Akte und Vorgänge. Er geht damit auf das zugrunde liegende Problem des Verhältnisses von Mensch und Verfügung ein. Aber zugleich zeigt dieses Wort, wie tief man durch Aufklärung herunterkommen kann. Daß weder die Einsicht noch der Scharfsinn der Menschheit bis dahin genötigt gewesen ist, solche brutal-barbarischen Vorstellungen zu entwickeln, hat ihn zu einer Überprüfung seines Satzes keineswegs veranlaßt. Von einem bestimmten Personverständnis her muß also gerade die personale Beziehung der Ehe in einer Weise vergegenständlicht werden, wie man es sonst niemals, gerade auch nicht sub specie iuris getan hat. Erneut wird deutlich, daß gerade

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diese Haltung eine mit der Sache selbst, dem Gehalt der Beziehung unverträgliche Veräußerlichung und Objektivierung herbeiführt. Denn wer wollte — seine formale Konsequenz in Ehren — diesem Satze Lebenswahrheit zubilligen!

Die Leiden, an welchen wir hier tragen, die ständige Abwehr einer den Menschen gewaltsam überfordernden normativen Metaphysik wie die Veräußerlichung des Verständnisses selbst, sind also im strengen Sinne selbst erzeugt, selbst gemacht. Solange man diese Haltung einnimmt, muß jede wie immer begründete Bindungswirkung in den falschen Horizont einer spekulativen Metaphysik und zugleich einer ebenso falschen Vergegenständlichung personaler Zusammenhänge geraten. Dies alles in seiner inneren Konsequenz vollzieht sich unterhalb der Schwelle des kritischen Bewußtseins. Sein Automatismus verläuft als Kurzschluß zwingend in sich. Man kann sogar zeigen, warum von der Subjekt-Objekt-Konzeption her auch die Frage nach der Struktur des Schließungsvorgangs ihr Interesse verliert. Denn als erklärter Rechtswille ist er mit seinem Aussagegehalt problemlos identisch; bezogen dagegen auf reale Gegenstände, beschränkt sich der Rechtsakt auf die sichtbaren Effekte analog zu den Gesetzen der klassischen Kausalität. Das in der Mehrschichtigkeit von Konsens und Realakt, aber auch Konsens und Publizität sich abzeichnende geschichtliche Moment kann so nicht aufgenommen werden. Die Dialektik der Tatsache, daß der Mensch frei unter den Möglichkeiten wählt, um sich der erwählten Möglichkeit verbindlich zuzuwenden, wird zugunsten der Einlinigkeit eines quasi-kausalen Geschehens verflacht.

An einer wesentlichen Stelle sagt Koschaker: „Man übersah, daß dort, wo romanistisch geschultes Rechtsdenken nur ein aut-aut kannte, die Denkformen anderer Rechte, und zwar nicht bloß der germanischen, Übergänge zuließen, die ein et-et ermöglichten.” Für uns hatte diese Unterscheidung dadurch Bedeutung, daß wir in der Mehraktigkeit eines Lebensvorganges seine Geschichtlichkeit zu erfassen vermochten, während das aut-aut nur Effekte kennt, die entweder da sind oder fehlen, eine Anschauung, die sich dem naturwissenschaftlichen Denken in hohem Maße angleicht. So kommen wir zu dem merkwürdigen Ergebnis: Dort, wo in der Mehraktigkeit entweder die realen oder die publizistischen Elemente an ihrem Platz zur Geltung kommen, kann gerade die personale Seite, die uns anliegt, sinngemäß erfaßt werden. Dort aber, so die Subjektivität des Konsenses und der affectio als entscheidend angesehen werden, wird der Inhalt der Beziehungen

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entweder veräußerlicht, vergegenständlicht oder kann nicht mehr in den Rechtszusammenhang eingebracht werden.

 

Veränderter Charakter der Ehe

Ist dies aber, wenn wir den denkerischen Zirkel einmal beiseite stellen, in irgendeiner Weise sachlich gerechtfertigt und notwendig? Die Ehe ist nichts, was von ihren konkreten Trägern abgelöst werden kann. Sie ist keine Körperschaft, keine Anstalt, kein Unternehmen, keine Gesellschaft und auch kein bürgerlicher Verein. Es bestehen noch nicht einmal eine Versuchung oder ein Zweifel in dieser Richtung, kein Anzeichen dafür, daß man sie in der Richtung auch nur eines dieser Institute entwickeln müßte. Sie wird nicht davon betroffen, wenn es im breiten Maße transpersonale Institutionen gibt, die in ihrer begrifflichen Struktur im Zuge der Rechtsgeschichte von ihren personalen Trägern abgelöst worden sind, wie etwa den Staat. Zugleich ist deutlich, daß die Ehe einen veränderten sozialen Stellenwert bekommen hat. Sie ist ihrer politischen Bedeutung entkleidet, in der Abstammung und Geschlechtsverband eine umfassende Bedeutung besaßen. Gerade die Moderne aber hat ihr in aller Deutlichkeit einen öffentlichen Status zuerkannt und besitzt entschiedenes Interesse an der eindeutigen Klarheit dieses Personenstandes. Auch die ökonomische Stellung der Ehe ist verändert. Sie ist nicht mehr der Kern eines Hauswesens der Großfamilie, mit dem die ursprünglichen bäuerlichen und handwerklichen Betriebe, mit dem die ökonomische Produktion verbunden war. Sie ist deutlich auf die Kleinfamilie geschrumpft. Insofern ist in einem neuen Sinne ihr personalen Charakter noch sehr viel deutlicher hervorgetreten und zugleich den Gefährdungen der Subjektivität ausgesetzt. Ihre institutionelle Struktur als solche, diese Struktur ihres Kerngebildes ist nach den oben beschriebenen eindeutigen rechtlichen Merkmalen dadurch aber nicht in Frage gestellt. Nach wie vor ist es sinnwidrig, sie als Leistungsvertrag auf Erfüllung, sei es auch als Lebenserfüllung verstanden, oder als bürgerlichen Verein oder Gesellschaft in Kleinformat zu konstruieren. Es sind also primär immanente Erwägungen, welche dazu nötigen, im Rahmen einer juristisch wesentlichen, aber bisher vernachlässigten dogmatischen Theorie die institutionelle Struktur der Ehe so zu bestimmen. Diese Sicht als solche ist keine theologische und kann damit nicht auf die Subjektivität des Glaubens reduziert und dann ins ideologische Ghetto verwiesen werden.

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Das Problem der Scheidung

Unsere Erwägungen sowohl positiver wie analytischer Natur wären aber nicht hinreichend konkret, wenn wir nicht zugleich die Kehrseite der Medaille, das Scheidungsproblem, mit der gleichen Offenheit ansprächen.

Alle für uns bedeutsamen Rechtsordnungen kennen die Ehescheidung auch unter den Voraussetzungen der beschriebenen Schließungsformen als personale Institution. Das Christentum allein hat, ausgehend von jenem mächtigen und dunklen Herrenwort, die Ehescheidung zum Problem gemacht. Es hat damit der Einehe entscheidend zur allgemeinen Gültigkeit verholfen, den Personbegriff und die Einsicht in die Geschichtlichkeit menschlicher Existenz tiefgreifend bestimmt und entwickelt. Mit personaler Geschichtlichkeit sind auch der Begriff und die Dimension der Verantwortung und Verantwortlichkeit mitgesetzt. Niemand kann von den Wirkungen dieses großen geistesgeschichtlichen Prozesses absehen, sich gleichsam nur heraussuchen, was ihm scheint und paßt. Wer die Personalität des Menschen betont, steht immer mindestens mit einem Fuße auf diesem historischen Boden. Aber da wir nun hier über Recht und Grenze christlicher Erkenntnis und Einwirkung auf das Eherecht verhandeln, erscheint es erlaubt, das Problem an der Haltung der Kirche zu entwickeln.

Die drei großen Kirchen haben zum Problem der Scheidung eine je eigene Einstellung. Die lateinische Kirche legt die Ehe sakramental aus und erklärt sie für absolut unscheidbar. Sie hat dies freilich gedanklich und praktisch erst im zweiten Jahrtausend wirklich durchgeführt. Die orientalische Kirche versteht die Ehe unter Christen ebenso sakramental, läßt aber kat’oikonomian im Einzelfall die Ehescheidung zu und traut auch Geschiedene wieder, wie etwa jetzt Onassis mit Jacqueline Kennedy. Die Behauptung der römischen Katholiken, dies sei im wesentlichen nur als Anpassung an die byzantinische Gesetzgebung geschehen, wird durch ständige, auch lexikographische Wiederholung nicht richtiger. Der Protestantismus drittens legt die Ehe nicht sakramental aus und erklärt sie ebenfalls in Grenzfällen für scheidbar.

Die Tatsache, daß die beiden alten Kirchen trotz sakramentaler Interpretation in ihrer Haltung zur Scheidung auseinandergehen, zeigt deutlich, daß es sich hier um ein verschiedenes Wirklichkeitsverständnis handelt. Die griechische Kirche rechnet mit Tatbeständen, die sie in einem bestimmten Sinne nicht beurteilen kann, denen sie aber um des

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Lebens willen Beachtung schenken muß. Die lateinische Kirche geht von ontischen Kategorien aus, die in naher Verwandtschaft zur Ausnahmslosigkeit der klassischen Physik eine metaphysische Unzerstörbarkeit des sogenannten Ehebandes anzunehmen nötigen. Gerade die katholische Kanonistik hatte das rechtsgeschichtliche Verdienst, im Rechtsgeschehen selbst irreversible Akte entdeckt zu haben, Vorgänge, die nicht rücknehmbar sind. Sie führte damit die Kategorie der Geschichte in die Jurisprudenz ein, ohne sich der Tragweite bewußt zu sein. Auch heute noch sind die ehebegründenden Akte, die zur gültigen Eheschließung führen, irreversibel. Ist man verwitwet oder geschieden, so ist man zwar frei, wieder zu heiraten. Man heiratet aber immer als Witwer oder Geschiedener, mann kann weder rechtlich noch existentiell den Lebensvorgang, durch den man hindurchgegangen ist, aus seinem Leben streichen. Aus naheliegenden Gründen machte nun die Kanonistik den Fehler, die Irreversibilität wie eine Art Endstation auszulegen. Dies widerspricht aber dem Begriffe. Kann etwas geschichtlich geschehen, so kann es auch von der Weiterentwicklung nicht ausgeschlossen werden; geschieht etwas mit Freiheit, wie die gleiche Kanonistik die Freiheit des Konsenses gegen alle Beispruchsrechte mit großer Schärfe herausgearbeitet hat, so kann diese Freiheit auch verfehlt werden.

Hieran knüpft gerade die protestantische Theorie der Ehescheidung an. Sie hat sich zunächst an grobsinnliche Tatbestände des Ehebruchs und der Verlassung gehalten und dann versucht, die Zumutbarkeit abzuwägen; sie hat sich im 19. Jahrhundert an die idealistischen Begriffe sittlicher Verschuldung angeglichen und findet immer deutlicher in der objektiven Zerrüttung der Ehe den eigentlichen, auch theologisch relevanten Grund der Scheidung. Eben darum schließt sie die willkürliche, durch Herzenshärtigkeit und Verlangen getrübte Disposition der Partner über die Ehe mit Entschiedenheit aus. Der junge Marx hat 1842 — noch ganz im Stile hegelschen Denkens — mit beißender Ironie in einer Kritik des Ehescheidungsgesetze die unsittliche Willkür dieser freien Verfügung gegeißelt. Nicht umsonst hat es auch in unserer Zeit in Bonn eine sehr handfeste scheidungspolitische Lobby gegeben. Der wesentliche Realgrund der Scheidung, der Anerkennung fordert, ist demnach nicht das liberum arbitrium, die freie Disposition des Subjekts, welches sich souverän vermöge seiner reinen Internität aus seiner Bindung zurückzunehmen befugt ist. Es ist im Gegenteil allein eine Folge des servum arbitrium, der handgreiflichen Unfähigkeit des Menschen, noch zum anderen Menschen durchzudringen, die Verfehlung

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der ihm angebotenen, angenommenen und ermöglichten Kommunikation. In diesem Schiffbruch fordert die evangelische Ethik von der Besatzung nicht, wie Kapitäne auf der Brücke mit dem Schiff unterzugehen, sondern erlaubt ihnen, die Boote zu besteigen. Aber daß es ein Schiffbruch ist, und dieser Untergang nicht die Wahrnehmung eines unveräußerlichen Rechtes, darüber darf angesichts der klaren Worte der Schrift über die Herzenshärtigkeit des Menschen kein Zweifel bestehen. Diesen Unterschied zu verwischen, dazu darf sich die evangelische Ethik unter keinem Vorwande hergeben.

Der geschichtliche Prozeß der personalen Institution endet also nicht in der positiven Sackgasse einer abstrakten Unzerstörbarkeit. Er bleibt vielmehr ambivalent. Er kann das intendierte Ziel lebenslänglicher Dauer erreichen und erreicht unter der Bedingung der Unverbrüchlichkeit und Dauer am ehesten die ganze Tiefe und den ganzen menschlichen Ertrag, den er zu umschließen vermag. Er kann aber auch in der negativen Sackgasse einer unerträglichen Zerstörung sich festlaufen, und daraus hat die Rechtsordnung ihre Folgerungen zu ziehen. Man kann diese Folgerungen etwa so umschreiben: Es darf eine Scheidung nur dann geben, wenn die eheliche Gemeinschaft nach menschlichen Urteil unheilbar zerstört ist. Eine Scheidung sollte vor allem dann möglich sein, wenn der Zwang, an der zerstörten Ehe festzuhalten, alle Betroffenen in ihrer menschlichen Existenz schwerer gefährden würde als die Scheidung.

Das Verhältnis von Zerrüttung und Verantwortung könnte etwa in folgenden Grundsätzen zum Ausgleich gebracht werden: Die Ehe kann auf Antrag eines Ehegatten geschieden werden, wenn das eheliche Verhältnis auf der Seite eines oder beider Ehegatten völlig zerstört ist, so daß keine Aussicht auf eine Wiederherstellung ehegemäßer Beziehungen besteht. Ein auf dem Zerrüttungsgrundsatz aufgebautes Scheidungsrecht bedarf jedoch aus immanenten Gründen der Limitierung, damit es nicht zum Recht der einseitigen Verstoßung wird. Wer rücksichtslos darauf ausgegangen ist, seine Ehe zu zerstören, um aus ihr herauszukommen, kann aus diesem eigenen Verhalten nicht ein Recht auf Scheidung herleiten.

In Anlehnung an den Rechtsgedanken des geltenden § 47 des Ehegesetzes bei unverschuldeter Ehezerstörung wäre die Scheidung dann zu versagen, wenn sie unter Berücksichtigung aller Umstände für den anderen Teil einer außergewöhnliche oder unzumutbare Härte darstellte. Gerade durch den relativen Charakter dieses Gedankens könnte

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der Gesichtspunkt der Verantwortung am ehesten verwirklicht werden.

Damit sind zugleich alle Einzelerwägungen, deren Entfaltung dadurch nicht überflüssig wird, auch das Problem der Schuld und Verantwortung, auf einen gemeinsamen Nenner gebracht und zentral verstanden.