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Es kann nach dieser Darstellung der Problematik in den Gereformeerden Kerken nicht ohne Interesse sein, in welcher Weise die Nederlandse Hervormde Kerk in ihrer nun seit einem Jahr gültigen neuen KO1) das Verhältnis von Ortsgemeinde und Gesamtkirche sich gestalten lässt. Denn sie hatte ja aus nächster Nähe jene von uns beschriebenen Konflikte beobachten und die Diskussion um das “gezag der Synode” verfolgen können.
Diese neue Kirchenordnung ist das Produkt jahrelanger theologischer und kirchenrechtlicher Arbeit, für welche die Vorstösse der Gruppen um Hoedemaker, Gunning und Kromsigt, die wir bereits erwähnten, wohl ein Stück Boden bereitet haben, die aber erst in den 30er Jahren durch die Aktionen der “Vereeniging Kerkopbouw” und des “Nederlandsch Hervormd Verbond tot kerkherstel” in ihr für die Gegenwart akutes Stadium getreten ist. Ihre Frucht war der Entwurf eines neuen A.R.2) Zwar wurde auch dieser Entwurf — wie der von 1929 — von der Algemeenen Synode abgelehnt, aber die Neuordnung war nicht aufzuhalten. Es ist bemerkenswert, dass gerade in der Zeit der deutschen Besetzung unter akuter Anfeindung der Verkündigung und im Bewusstwerden der diakonalen Aufgabe der Kirche zugleich die Besinnung auf ihre
1) Kerkorde der Nederlandse Hervormde Kerk,
Uitgave Januari 1951. Eingeführt durch Beschluss vom 7.12.1950
mit Wirkung vom 1. Mai 1951.
2) Die Arbeit der beiden Gruppen und die
Auseinandersetzung mit ihren Gegnern ist von H. Bartels
in seiner Utrechter Dissertation “Tien jaren strijd om een
belijdende Kerk”, 1945 umfassend dargestellt. Dort findet sich
auch eine Synopse des alten A.R. mit den
Reorganisationsvorschlägen und dem neuen Entwurf von 1938 (S. 226
f.).
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rechte Ordnung den entscheidenden Antrieb und die notwendige innere Kraft zur Gestaltung gewann. Zwischen 1942 und 1944 wurden von der “Commissie voor beginselen van Kerkorde” Grundlinien einer neuen KO fixiert und zunächst, um die Schneise zu einer solchen aus den alten Reglementen heraus aufzubrechen, eine Arbeitsordnung entworfen, die sich mit der Einfügung einer ordentlichen, aus allen “Classicalen vergaderingen” beschickten Generalsynode anstelle der alten “Algemeenen Synode” (des obersten “bestuurs”) begnügte.
Nach Diskussion und Beratung in den Classen wurden die darauf bezüglichen Zusatzartikel zum A.R. von der alten Synode am 26. Juli 1944 verabschiedet.1) Die neue Generalsynode, welche am 31. Oktober 1945 — zum ersten Male seit 1619! — in der Nieuwen Kerk zu Amsterdam zu ihrer ersten Sitzung zusammentrat, verlieh der geistigen Wandlung der letzten Jahre auch nach aussen hin Ausdruck: War schon die alte “Algemeene Synode” von einem neuen Geist beseelt zum Mund der Kirche und zu ihrer echten Repräsentantin geworden, so war nun an der zentralen Stelle des A.R. das “bestuur” durch eine echte “vergadering” abgelöst worden. Dies geschah mit dem Ziel, innerhalb der nächsten Jahre die Ordnung der gesamten Kirche und ihrer Organe neu zu gestalten, dabei gleichzeitig jedoch nichts zu vernachlässigen von den anderen, neu erkannten Aufgaben der Kirche.2)
1) Vgl. dazu im einzelnen die Handelingen . . .
van de Algemeene Synode der N.H.K, 1942, 1943, 1944. Für die
Ablösung der Alg. Syn. durch eine Generale Synode wurde formal
der Weg legaler Änderung des A.R. innegehalten. Vgl. Handelingen
1944, S. 298.
2) Aufgabe der — zunächst auf drie Jahre gewählten —
Generale Synode war: “de kerkorde voor te bereiden en vast te
stellen; te getuigen, met de Kerk in al haar geledingen, van
Jezus Christus tegenover Overheid en volk; leiding en vorm te
geven aan den arbeid, waartoe de kerk wordt geroepen op alle
terreinen des levens; gehoor te geven aan de roeping der Kerk
inzake de eenheid der christenheid”. Handelingen 1944, S. 298.
Die Weltkirchenkonferenz von 1948 in Amsterdam ist mit eine
Frucht dieser letzten Bestimmung!
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Wenn man den ersten, im Oktober 1947 der Synode vorgelegten Gesamtentwurf der neuen KO mit den zugehörigen “ordinantiën”1) mit seiner Gestalt nach der ersten Lesung in der Generalsynode2) und der dann am 7. Dezember 1950 (von der verdoppelten Generalsynode) festgestellten endgültigen Fassung vergleicht, und wenn an dann etwa noch darüber hinaus die ersten in die Form von Änderungen des A.R. gekleideten Neuordnungsvorschläge heranzieht,3) spiegelt sich darin die theologische Bewegung dieser Zeit und ihr Niederschlag in Kirchenbegriff und Ordnung.4)
Schon das Vorwort des ersten Entwurfes liess keinen Zweifel darüber, dass diese KO von einem grundsätzlich anderen Gedanken her gestaltet ist als dem der Verwaltung der kirchlichen Angelegenheiten. Sie will die Kirche in ihrer Dynamik von ihrem Auftrag her und in der Erfüllung ihres Auftrages beschreiben.5) Dieser Auftrag aber richtet die Kirche auf das Reich Gottes aus, in dem und in dessen Dienst sie steht; er bedient damit ihren Charakter als Organ dieses Reiches in dem Herrschaftsbereich des Christus, welchem im Handeln der Kirche ihr Apostolat und ihr Bekennen entspricht. Diese Funktionen, also die apostolische Wirksamkeit und das Bekennen (als Akt) stehen im Mittelpunkt der KO, von welchem aus alle
1) Ontwerp voor een Kerkorde der Nederlandsche
Hervormde Kerk, datiert vom 24. Oktober 1947.
2) Kerkorde van de Nederlandse Hervormde Kerk. Eerste
lezing, vastgesteld door de Generale Synode op 14 October 1949.
Das ist die Form nach Berücksichtigung der “consideratiën” der
Classen und Prov. Kerkbesturen.
3) Vgl. dazu die schon erwähnte Synopse bei
Bartels, a.a.O., S. 226-337.
4) Auf diesen an sich reizvollen und nicht
unergiebigen Vergleich kann und muss hier verzichtet werden; alle
diese Fassungen haben kirchliches Gewicht doch erst in der neuen
KO vom 7. Dezember 1950 erhalten. Zur Einführung in diese vgl.
den Aufsatz von O. Weber, Zur neuen Kirchenordnung der
Nederlandse Hervormde Kerk, in der Festgabe für R. Smend, 1952,
S. 345 ff.
5) In der “Inleiding”, II, heisst es: “Een kerkorde,
afgestemd op het dynamische karakter van de levende, in woord en
daad belijdende gemeente . . .”.
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anderen Stücke geprägt und zu interpretieren sind.1) Es ist deutlich, dass diese Anordnung und Gestaltung einen von dem A.R., aber auch von der alten und bei den Gereformeerden Kerken wieder eingeführten Dordrechter KO differenten Kirchenbegriff voraussetzt; man ist wohlbewusst von diesen Typen abgewichen und über sie hinausgegangen, indem man sich bemühte, die Grundsätze presbyterial-synodaler Ordnung festzuhalten, sie aber vom statisch-administrativen Denken zu lösen, dem dynamisch-finalen dienstbar zu machen und den modernen Erfordernissen entsprechend zu erweitern und umzuformen.2) So hielt man zwar z.B. an der klassisch-reformierten Dreiteilung der Ämter fest, gliederte die beiden ersten aber in sich funktional auf3) und stellte ihnen sogenannte “bedieningen” zur Seite.4) Diese zielen voll auf den Dienst der Kirche im Reich, “in der Welt” ab und fallen für die sozusagen interne Ordnung der Kirche kaum ins Gewicht:
1) Vgl. dazu die “Inleiding”, IV und V. Als
wohl am meisten prägender Theologe des Entwurfes muss A.A.
van Ruler angesehen werden; der ihn auch von seinen
Zentralpunkten her in zwei Broschüren von allgemeinem Gewicht
kommentierte. (“De belijdende kerk in de nieuwe kerkorde” und
“Het apostolaat der kerk in het ontwerp-kerkorde”, beide Nijkerk
1948). Vgl. hierzu im übrigen die Ausführungen von O.
Weber, a.a.O., S. 352 ff.
2) Die “Inleiding” sagt unter IV: “Wederinvoering van
de kerkorden uit den tijd na de Reformatie was niet doenlijk.
Onze vaderen leefden in een wereld, waarin voor een deel
andere vraagstukken aan de orde waren en andere
omstandigheden en mogelijkheden van technischen aard heet
leven beïnvloedden, dan thans het geval is. Waren het
toen vooral de interne opzet van het kerkelijk
leven, de afweer tegen Roomsche en andere dwalingen en de
strijd met de Overheid over de inmenging in kerkelijke zaken, die
als hoofdmomenten om voorziening vroegen en de bepalingen der
kerkorde beheerschten, thans heeft de kerk zich daarenboven te
richten tegen ontkerstening en nihilisme”. In der D.K.O. sei “het
apostolisch-missionair karakter der Kerk in de schaduw” geblieben
(Ontwerp, S. 7). Von erheblichem Einfluss auf die KO ist auch die
theologische Arbeit O. Noordmans’; vgl. besonders seine
Schrift “Kerkelijk denken voorwaarde voor Kerkorde”.
3) KO, Art. IV, 1. 2. 5.
4) KO, Art. VII.
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sie haben eine Funktion, aber keine “regeermacht”, welche nämlich ausschliesslich von den “ambten” ausgeübt, besser: “bedient” wird.1)
Jedenfalls wird man diese Gesamtausrichtung der KO auf die Bewegung (also nicht die Formel!) des Bekennens und der apostolischen Wirksamkeit im Auge zu halten haben, wenn man die Frage nach der inneren Struktur und dem Verhältnis der Organe zueinander stellt; eine Frage, die von der Tendenz dieser KO aus völlig sekundär ist.2) Alle “übergemeindlichen” Organe, seien es nun “ambtelijke vergaderingen” oder “organen van bijstand”, danken ihre Legitimität nur ihrer prinzipiell nach “aussen” gerichteten Funktion; ihr “Recht” steht und fällt mit der Ausübung des Dienstes im Reich Gottes (durch die Gemeinden!).
In Bezug auf diese innere Struktur ist die KO ein überaus differenziertes und empfindsames Gebilde: eine zergliederte Zentralisierung zum Zwecke einer inhaltlich und strategisch-einheitlichen Ausrichtung des Dienstes in der Welt auf der einen Seite, — die freie Entscheidung der Ortsgemeinde, die als eigentlicher Träger von Arbeit und Verantwortung deutlich hervortritt, auf der anderen Seite.3) Hier ist alles auf eine Wechselwirkung abgestellt, sodass der KO ein doppelter Zug eignet: eine Linie “von oben nach unten”, von der Gesamtkirche zur Gemeinde, eine zweite “von unten nach oben”, von der Gemeinde zur Gesamtkirche. Das deutet sich bereits in den ersten beiden Artikeln der KO an, wenn es nämlich einerseits heisst: “De Nederlandse Hervormde Kerk . . .
1) Vgl. dazu besonders Van Ruler, Het
apostolaat . . ., S. 96 ff.
2) O. Noordmans’ Warnung (Kerkelijk denken .
. ., S. 29 f.) ist offenbar nicht überhört worden: “De
ambten in de kerk mogen niet op elkander
gericht zijn. Hun werking richt zich naar buiten op
onderscheiden terrein en zoo alleen kan het presbyteriale systeem
zijn kerkelijken aard zuiver bewaren”.
3) Vgl. dazu die Ordinantiën 3-6, 8-10, 12-16; Van
Ruler, a.a.O., S. 121.
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bestaat uit al de Hervormde gemeenten”, und andererseits (von den Gliedern der Gemeinde), dass sie “tot een Hervormde gemeente . . . en mitsdien tot de Nederlandse Hervormde Kerk” gehören.1) Die NHK als Ganze ist als “openbaring van de heilige katholieke of algemene Christelijke kerk” bezeichnet,2) empfängt diesen Charakter aber praktisch von den Gemeinden her, die “rondom Woord en sacramenten . . . vergaderd” werden3) als “Christusbelijdende geloofsgemeenschap”,4) und zu denen man “krachtens het genadeverbond” gehört.5) Erst auf dieser Basis wird dann eine Unterscheidung zwischen “belijdende leden (lidmaten)” und (blossen) Taufgliedern sowie solchen, “die uit Hervormde ouders zijn geboren” gemacht,6) d.h. also nach dem Grad der persönlichen bewussten Anerkennung der Zugehörigkeit zur Kirche und der sich daraus ergebenden Pflichten. Diese Pflichten sind dabei grundsätzlich nicht verschieden, wohl allerdings die Recht, d.h. der Anteil an der Ordnung der Kirche, indem die Teilnahme an der Ältestenwahl (aktiv und passiv) sowie die Berechtigung “met een ambt bekleed” oder “in een bediening gesteld” zu werden, das öffentliche Bekenntnis zur Voraussetzung haben.7)
Wil die KO “het leven en werken der Kerk”,8) den “dienstbetoon” der Glieder und Gemeinden “aan elkander
1) KO, Art. I und II; “Inleiding”, VI (Ontwerp,
S. 9); vgl. Van Ruler, a.a.O., S. 118 ff.
2) KO, Art. I.
3) KO, Art. II.
4) KO, Art. VIII,1.
5) KO, Art. II,1.
6) KO, Art. II,1.
7) KO, Art. VII,2; Ord. 3. Für die Belege im einzelnen
vgl. O. Weber, a.a.O, S. 356 ff.
8) KO, Art. III,1.
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en de wereld”1) ordnen, so bedeutet “regering der kerk” in ihr das “onderhouden” dieser Ordnung durch die “ambten”.2) Sie liegt an keiner Stelle in der Hand eines einzelnen, sondern wird “opdat niet de ene gemeente over de andere, het ene ambt over het andere, noch de ene ambtsdrager over de andere heerschappij voere . . . uitgeoefend in vergaderingen, waarin de ambten bijeen zijn”, wie es eingangs des Artikels über die “ambtelijke vergaderingen” in Aufnahme des Art. 1 der französischen Disziplin und entsprechend der alten niederländischen Ordnungen heisst.3) Es zeigen sich auch hier wieder zwei Linien: Einmal steht die Gemeinde (bzw. die Gemeinden) in ihrer Gesamtheit in der Erfüllung ihres Dienstes in der Welt und üben — in diesem Zusammenhang — alle Glieder aneinander “herderlijke zorg”, die den Dienern am Wort und den Ältesten lediglich in besonderem Maße, nicht also ausschliesslich aufgetragen ist;4) zum zweiten aber findet die Gemeinde nun ohne Zweifel sich gegenüber die “ambten” vor, denen der Dienst in der Regierung der Kirche vom Herrn aufgetragen ist.5) Es ist nämlich bemerkenswert, dass die KO diese Regierung nicht direkt in die Hände von Menschen, Amtsträgern legt, sondern die Amtsträger lediglich mit der Wahrnehmung
1) KO, Art. II,1.
2) KO, Art. IV,1.
3) KO, Art. V,1. — Dem Grundcharakter der KO
entspricht es übrigens, dass von dieser Regierung der Kirche in
ihr eigentlich nur in den beiden Artt. IV und V über die “ambten”
und die “ambtelijke vergaderingen” die Rede ist, alle technische
Einzelheiten aber in ordinantiën festgelegt sind: Die Regierung
ist dem Apostolat und Bekennen untergeordnet und dienstbar.
4) KO, Art. XX,2; sie hat zum Ziel “de gemeente op te
bouwen in het geloof, de hoop en de liefde, opdat zij niet
afwijke van den weg van het belijden der kerk” (XX,3).
5) KO, Art. IV,1 lautet: “Om deze orde der Kerk
van Christuswege te onderhouden en in de verscheidenheid
der diensten te voorzien, zijn er de volgende drie
ambten: dat der dienaren des Woords, dat der ouderlingen
en dat der diakenen”. Vgl. O. Weber, a.a.O., S. 362
f.
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des — sachlich-institutionellen — Amtes beauftragt.1) Die “Inleiding” zum Entwurf sagt: “De . . . kerkorde is gebouwd op het bijbelse gegeven, dat Christus zijn kerk regeert door middel van het ambt”, welches wird “gedragen door de ambtsdragers”.2)
Man will damit ersichtlich ausdrücken, dass weder die Kirche noch die Amtsträger noch die Ämter an sich die Regierung haben, sondern dass sie alle lediglich eine Dienst- und Gehorsamsfunktion erfüllen, um Christi Regierung, welche durch Verkündigung und Zuspruch des Wortes geschieht, wirksam werden zu lassen. Aber hierin liegt auf den Ämtern eben doch eine besondere Verpflichtung. Von hier aus erklärt sich auch, dass die KO sich jedem Versuch, grundsätzlich und ein für alle Mal eine — sei sie gleich nur mittelbare — absolut höchste Instanz zur Ausübung des kirchlichen “gezags” anzuweisen, versperrt. Das kann kein Bischof sein, es kann aber auch nicht grundsätzlich die — dann je autonom verstandene — Gemeinde bzw. ihr KR sein, so wenig wie es grundsätzlich die Synode ist.3) Die Regierung der Kirche wird “door middel van de ambten” “in vergaderingen” ausgeübt.4)
Als solche “vergaderingen” werden in einer Linie genannt: “kerkeraad”, “classicale vergadering”, “provinciale kerkvergadering” und “generale synode” resp. “voor de plaatselijke gemeente”, “voor de in een classis verenigde gemeenten”, “voor de in een kerkprovincie verenigde gemeenten en classes” und “voor de gemeenten,
1) Dies trotz der kräftigen Warnungen von
E. Schweizer (Leben des Herrn), siehe dazu weiter unten
K. Barth (Lebendige Gemeinde, S. 18) und anderen.
2) “Inleiding”, VI (Ontwerp, S. 9).
3) Vgl. dazu Van Ruler, a.a.O., S. 118.
Bronkhorst schreibt in “Schrift en Kerkorde”, S. 265,
gewiss sei “synodaal gezag . . . middellijk gezag, maar het
onmiddellijke gezag ligt niet bij de plaatselijke kerkeraden,
maar alleen bij den Heer der Kerk”.
4) KO, Art. V,1.
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classes en kerkprovincies tezamen en mitsdien voor de gehele Kerk”.1) Wie man als Ältester oder Diakon grundsätzlich durch die Gemeinde gewählt wird, seine Funktion dann aber (in der Gemeinschaft des örtlichen KR) kraft des Amtes im Auftrage des Herrn ausübt, so ist auch, für die Mitglieder der anderen “vergaderingen” nicht der Auftrag der wählenden, sondern ihre Funktion in der beschickten “vergadering” ausschlaggebend, in die sie entsandt sind.2) Die “meerderen vergaderingen” bestehen nicht einfach aus “afgevaardigden”, sondern aus “afgevaardigde ambtsdragers”, wie man durch die Hinzufügung in der endgültigen Fassung offenbar hat unterstreichen wollen.3)
Aus diesem Charakteristikum des Amtlichen ergeben sich für die Synoden wichtige Folgerungen, welche sie von den gereformeerden Synoden mindestens des Doleanz-Typus unterscheiden:
1) KO, Art. V,2 (Im Folgenden abgekürzt: KR,
Cl.verg., Prov.KV, Gen.Syn.).
Classis und Kerkprovincie erscheinen also als durchaus variabler,
zweckmässiger Rahmen der Gemeinden, welche dadurch deutlich als
Grundfaktor der KO hervortreten. Es gibt also keine Kreis- oder
Provinzialgemeinden! (Vgl. z.B. KO der Rheinprovinz von 1923, §§
36 und 52 und öfter in deutschen Ordnungen territorialen
Charakters).
2) Bronkhorst schreibt in “Schrift en
Kerkorde”, S. 261: dass die Synoden als “samenstroomen van het
presbyteraat voor het verrichten van ambtelijke handelingen, als
een uitbreiding van den kerkeraad eener plaatselijke gemeente”
aufzufassen seien, wodurch die “afvaardiging” durch die Gemeinde
“het karakter eener erkenning” erlange. Wie für seinen örtlichen
Auftrag “erkent” die Gemeinde, “dat hij dit ambt (sc. als Glied
der verg.) van Christus ontvangen heeft”.
Für die Betonung dieses amtlichen Charakters hat sich besonders
O. Noordmans eingesetzt, wobei er mit Leidenschaft gegen
die Überbewertung der Abordnungsqualität als eines dem Wesen der
Kirche nicht entsprechenden, schon seit Dordrecht und besonders
in der Zeit der Republik eingedrungenen politischen Maßstabes
polemisiert. Kerkelijk denken, S. 27 f.
3) KO, Art. V,6: “ambtsdragers” fehlt im “Ontwerp”,
ist aber in der ersten Lesung aufgenommen.
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1. Der alte Satz bleibt in Gültigkeit, dass “in de meerdere vergaderingen . . . geen andere zaken worden behandeld, dan die in de mindere vergaderingen niet kunnen worden afgedaan of naar de orde der Kerk tot het werk der meerdere vergadering behoren”.1) Die Synoden haben eine subsidiäre, darüber hinaus aber auch eine eigene “Kompetenz”: es gibt erst auf bestimmten “Stufen” beginnende Aufgaben. Das bedeutet z.B., dass ihr Agendum nicht ausschliesslich durch Anträge der “minderen vergaderingen” entsteht, sondern dass auch die einzelnen abgeordneten Amtsträger von sich aus ein Antragsrecht haben, wie es sich deutlich etwa bei den Bestimmungen über die Erweiterung und Neueinführung von “ordinantiën” und ebenso bei denen über Änderungen der KO zeigt.2) Allerdings muss dem sogleich wieder hinzugefügt werden, dass dies Recht durch die erforderte Stellungnahme und Zustimmung der Classen aufgewogen ist.3) Der Grundsatz, dass immer zwar eine “vergadering” die Entscheidung fällt, dabei aber an Rat und Zustimmung einer anderen bzw. ihres Moderamens oder des besonderen “Organe” gebunden ist, zieht sich als Leitgedanke der presbyterialen Ordnung durch die ganze KO hindurch.
2. Aus diesem Charakter der “meerderen vergadering” als Versammlung der Ämter ergibt sich weiterhin die Konsequenz, dass diese zwar nicht in Permanenz tagende Gremien sind, wohl aber die Abordnung zu ihnen jeweils für den Zeitraum von 3 (zur classicalen vergadering), 4 (zur provinzialen kerkvergadering), bzw. 5 Jahren (zur
1) KO, Art. V,3; übernommen aus Art. 30 D.K.O,
wo das zweite Glied — inhaltlich nicht verschieden — lautet: “of
dat tot de Kerken der meerdere vergadering in ’t gemeen
behoort”.
2) KO, Art. XXVII,2 und XXVIII,1. Dies Recht war in
der ersten Lesung noch nicht vorgesehen.
3) KO, Art. XXVII,4 und XXVIII,3.
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generalen synode) erfolgt1) und diese vergaderingen in diesem Zeitraum ausser den festgelegten ordentlichen Sitzungen auch öfter zusammentreten können, sowohl auf Verlangen mehrerer sie beschickenden “minderer vergaderingen” als auch auf Wunsch der “meerderen vergadering” als auch schliesslich — allerdings nur bei der Classis und Generalsynode, nicht bei der provincialen kerkvergadering —, wenn das Moderamen ihre Einberufung für erforderlich hält.2) Die Abordnung ist also nicht an ein bestimmtes Agendum gebunden: “geloofsbrief” und eventuelle “instructiën” sind voneinander getrennt.3) Besonders Instruktionen können den Abgeordneten von der sie sendenden “vergadering” erteilt werden, jedoch behalten diese für die Abstimmung die Freiheit ihrer persönlichen Entscheidung.4) Von einer Rückberufung einmal Abgeordneter Amtsträger spricht die KO nicht; sie kommt einer Amtsenthebung gleich und ist praktisch nur infolge der Anwendung kirchlicher Zuchtmaßnahmen möglich. Auch damit ist der amtliche Charakter gegenüber dem der Abordnung hervorgehoben.
3. Die Kontinuität der “meerderen vergaderingen” als Instanz wird durch das von ihnen aus ihrer Mitte gewählte “breed moderamen” (für die Gen.Syn. “synodus contracta” genannt) gewährleistet.5) Diesen Organen fällt neben der Ausführung von Beschlüssen und Aufträgen der “vergadering” die Erledigung aller mehr formalen und technischen Zuständigkeiten derselben sowie Leitung und Koordinierung der Arbeit der “organen van bijstand” zu; grundsätzlich (einige Tätigkeiten sind in den “ordinantiën” genau vorgeschrieben) arbeiten sie “in naam van, naar de lijnen getrokken door en in
1) Ord. 1, Art. 4,4; 7,2; 10,1.
2) Ord. 1., Artt. 6,1-3; 12,1-2.
3) “Geloofsbrieven” sind nach Ord. 1, Art. 21,1 von
allen “afgevaardigden naar een meerdere vergadering”
vorzuweisen.
4) Ord. 1, Art. 24,3.
5) Ord. 1, Art. 22,1.
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verantwoordelijkheid aan de ambtelijke vergaderingen”.1) Um die Entwicklung solcher Moderamina zu personell-permanenten Gremien zu verhindern, bestimmt die KO allerdings, dass die Wiederwahl in sie nur einmal möglich ist.2) Dazu kommt wesentlich noch, dass ihr Kern, nämlich das auch in ihnen als solches fungierende und aus Praeses, Assessor und Scriba bestehende Moderamen der “vergadering” selbst, in jedem Kalenderjahr neu gewählt wird.3) Damit ist in der Tat einem synodalen Episkopalismus eine kräftige Grenze gezogen.
4. Neben diesem “breed moderamen” kennt die KO noch ein zweites Institut, mit dem die “vergadering” sozusagen umgeben ist und das — vergleichbar mit den Deputaten der D.K.O, — wiederum in ihrem Auftrag arbeitet: die schon erwähnten “organen van bijstand” (bei der Generalsynode “raad”, sonst “commissie” genannt), deren Mitglieder von der sie einsetzenden “vergadering” (in den “minderen” in Zusammenarbeit mit dem entsprechenden “raad” der Generalsynode) ernannt werden.4) Ihre Aufgabe ist “dienstbetoon en voorlichting” sowohl an die “vergadering” selbst für ihre Beratungen und Beschlüsse als auch an die Gemeinden für die Arbeit auf einem bestimmten “terrein des levens”.5) Sie unterstreichen den Charakter der “vergaderingen” nicht nur als Versammlung zur Kirchenregierung, sondern auch als im Wege des “belijdens der kerk” und mit dem Mittel von Zeugnis und Verkündigung
1) Ord. 1, Art. 22,2.
2) Ord. 1, Art. 20,1.
3) Ord. 1, Art. 6,4; 9,4; 12,3; Praeses oder
Assessor kann auch ein Ältester sein.
4) KO, Art. VI; Ord. 1, Art. 23. Als die wichtigsten,
die zur Gen.Syn. regelmässig einen Adviseur entsenden, sind in
Ord. 1, Art. 10,2 genannt: “de raad voor de zending, de raad voor
de arbeid tot verbreiding van het evangelie, de raad voor het
jeugdwerk, de raad voor de zaken van kerk en theologie, de raad
voor de herderlijke zorg, de algemene diaconale raad, de algemene
kerkvoogdijraad, de generale financiële raad, de raad voor het
verband met andere kerken”.
5) KO, Art. VI,1; Ord. 1, Art. 23,1; vgl. auch die
“Inleiding” zum Entwurf, VI (Ontwerp, S. 9). Van Ruler
(Het apostolaat . . .,S. 106) charakterisiert ihre Aufgabe als
“dienst aan den dienst der kerk” und fordert für sie “speelruimte
en armslag”, wenn ihre Arbeit fruchtbar werden soll (S.
115).
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arbeitende, den Dienst der Gemeinden an und in der Welt stärkende und unterstützende “werkgemeenschap”.1)
Der Dienstcharakter der synodalen Tätigkeit kommt gerade in der “zorg voor den dienst des Woords” klar zum Ausdruck. Die Generalsynode schafft die Voraussetzungen für die Ausbildung und legt ihre Grundlinien fest. Sie lässt durch kirchliche Professoren die Examina abnehmen und gibt den Kandidaten eine weitere praktische Ausbildung im Predigerseminar, wonach sie nach Unterzeichnung der Verpflichtungsakte zum Dienst am Wort in der NHK zugelassen werden.2) Damit ist die materielle Aufgabe der Synode erfüllt. Die Wahl und Berufung zum Prediger erfolgt durch die Ortsgemeinde, d.w.s. durch ihren KR.3) Die vom “breed moderamen” der Classis zu erteilende Autorisierung (nach erfolgter Wahl) bzw. Approbation (wenn der Gewählte die Berufung angenommen hat) ist eine formelle Handlung, bedeutet kein materielles Besetzungs- oder Eingriffsrecht.4) Die Wahl der übrigen Amtsträger nimmt die Gemeinde ganz selbständig vor.5)
Der Charakter der die Gemeinde regierenden Ämter tritt nun allerdings in der Ausübung von “opzicht en tucht” deutlicher zutage. Diese ist über die Gemeindeglieder — nur über diese! — dem KR zugewiesen, während sie für Älteste, Diakonen und alle, die eine “bediening” ausüben, der “classicalen verg.”, für die Prediger und die Gemeinden als Ganze der “provincialen kerkvergadering” aufgetragen sind.6) Dazu bedient sich die Classis und die Prov.KV einer fünfköpfigen “Commissie voor het
1) Vgl. “Inleiding”, VI (Ontwerp, S. 9).
2) Vgl. KO, Art. XIV und Ord. 7, Artt. 1-18.
3) Vgl. Ord. 3, Artt. 2,3 und 13-21.
4) Vgl. Ord. 3, Artt. 15 und 20.
5) Vgl. Ord. 3, Artt. 2-12. Die Gemeindeglieder können
diese Wahl selbst vornehmen oder ganz dem KR — jeweils auf die
Dauer von sechs Jahren — übertragen.
6) Ord. 11, Art. 5,1 und 2; Art. 1.
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opzicht”,1) während das Schwergewicht auf die von den Classen gewählten, aber im Auftrage der Prov.KV arbeitenden Provincialen Kerkvisitatoren — dem persönlichsten Element der KO — fällt.2) Gegen einen Prediger kann ohne ihr Advies kein Kirchenzuchtverfahren eingeleitet und eine Exkommunikation nicht beschlossen werden.3)
Die aus den Gemeinden zu den “meerderen vergaderingen” verlagerte Aufsicht erfährt ihre entscheidende Qualifizierung dadurch, dass sie als brüderlicher Dienst verstanden und in diesem Sinne zu üben ist und eine ausgesprochen erhaltende, in Bezug auf die Betroffenen heranziehende Tendenz hat.4) Der Gefahr, sie in Herrschaft entarten zu lassen, hat man dadurch — wohl sehr wirksam — zu begegnen getrachtet, dass die Mitglieder der entsprechenden classicalen und provincialen “commissies” nur je auf ein Jahr gewählt werden.5) Lediglich die ausgesprochen beratende, helfende, nicht aber entscheidende und rechtsprechende Funktion der Visitatoren (je zur Hälfte Älteste und Prediger) wird für vier Jahre ausgeübt.6)
Die Prediger unterstehen einer besonderen “opzicht over de dienst des Woords en de catechese”, welche zum Ziel hat “opbouw van de evangeliebediening en . . . wering uit verkondiging en kerkelijk onderricht van datgene, wat de fundamenten der kerk aantast doordat het de gehoorzaamheid aan de Heilige Schrift uitsluit en doordat het de gemeenschap met de belijdenis der
1) Ord. 11, Art. 5,3.
2) Ord. 11, Art. 2.
3) Ord. 11, Art. 5,4; Art. 7,1e.
4) Sie ist “gegrond in de barmhartigheid van Jezus
Christus, het Hoofd der Kerk, geschiedt tot eer van God, tot
bewaring der gemeente en tot behoud van hen, die dwalen”. (KO,
Art. XX). Entsprechend ist in Ord. 11, Art. 4 von “opbouw, . . .,
behoud, terechtbrenging” die Rede.
5) Ord. 11, Art. 5,3.
6) Ord. 11, Art. 2,3.
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vaderen verbreekt”.1) Sie dienst also dazu, die Kirche “in den weg van het belijden” zu halten; Entscheidungen können immer nur individuell getroffen werden.
Auch in der Lehrzucht sind die Mittel zunächst brüderliches Gespräch und “herderlijk vermaan”.2) Die Entscheidung eines Verfahrens ist der Generalsynode vorbehalten; diese kann allerdings im äussersten Falle einen Prediger absetzen. Die Initiative zu einem solchen Lehrzuchtverfahren liegt bei der Prov.KV oder ihrem “breed moderamen”; nicht also bei KR oder Classis, wie bei den Gereformeerden Kerken. Wo sie “reden hebben om aan te nemen”, dass ein “dienaar des Woords . . . zo predikt en leert, dat hij de fundamenten der Kerk aantast”, werden die “visitatoren-provinciaal” mit einer Untersuchung beauftragt und bemühen sich gegebenenfalls durch “broederlijke samenspreking en herderlijk vermaan” den betreffenden Prediger “tot verandering van gevoelen te brengen”. Erweisen sich ihre Bemühungen als erfolglos, so kann die Prov.KV den Prediger “tot een samenspreking” einladen, an welcher dann auch fünf Mitglieder des “Raad voor de zaken van Kerk en Theologie” (orgaan van bijstand der Generalsynode) teilnehmen, die dem betroffenen Prediger und der Prov.KV ihr Urteil schriftlich mitteilen. Danach bleibt (auf dieser Stufe) dem Betroffenen noch einmal Gelegenheit zu mündlicher Verteidigung vor der Prov.KV und schriftlicher Zusammenfassung seiner “inzichten”, bevor diese unter Berücksichtigung des Urteils des “Raad voor de zaken van Kerk en Theologie” entscheidet, ob ihrer Meinung nach der betreffende Prediger sich noch oder “niet meer beweegt in den weg van het belijden der Kerk en daarmede de fundamenten der Kerk aantast”.
1) Ord. 11, Art. 14,1; KO, Art. XX.
2) Zum Folgenden siehe Ord. 11, Artt. 15 und 16 über
“Het opzicht van de provinciale kerkvergadering” und “Het opzicht
van de generale synode”.
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Ist sie dieser Ansicht, so übergibt sie ihr motiviertes Urteil der Generalsynode.
Diese lässt sich die “bezwaren” des Predigers gegen das Urteil der Prov.KV schriftlich einreichen, holt erneut ein Gutachten des “Raad voor de zaken van Kerk en Theologie” ein und zieht zu ihrer Sitzung wiederum drei Mitglieder dieses Organs heran. Der betroffene Prediger kann sich nochmals persönlich verteidigen und sich dabei auch von Amtsträgern der Kirche unterstützen lassen. Falls die Synode zum gleichen Urteil wie die Prov.KV kommt, erhält er sechs bis neun Monate Beratungszeit, während welcher er keinerlei Dienst tut. Kann er auch nach dieser Zeit das Urteil der Synode aus Gewissensgründen nicht anerkennen oder erklärt sich nicht ausdrücklich positiv dazu, so ersucht ihn die Synode, “ontheffing van zijn ambtsbediening te vragen”. Erst wenn er dazu nicht bereit ist, enthebt sie ihn seines Amtes.1)
Man hat ersichtlich das Gewicht einer solchen Entscheidung, welche zugleich doch eine bestimmte Lehre aus dem Reich Gottes ausschliesst, nicht unterschätzt.2) Eben darum hat man sie ausschliesslich der vollen Generalsynode vorbehalten. Es ist allerdings auf der anderen Seite auffällig und auch besonders von H. Diem scharf kritisiert worden,3) dass hier die Ortsgemeinde und ihre Berufung, über die Lehre zu urteilen, völlig ausgeschaltet ist; sie erhält erst nach dem Urteil der Generalsynode offiziellen Bescheid. Wenn sie allerdings an dem Verkünder einer erklärten Irrlehre
1) Durch Ord. 11, Art. 17 ist für wegen der
Lehrzucht ausscheidende Prediger auf zunächst drei Jahre eine
angemessene Versorgung vorgesehen, um die Gewissensentscheidung
nicht von wirtschaftlichen Erwägungen abhängig zu machen.
2) Die Stücke des Art. 16, welche die Generalsynode
berechtigen, einen Prediger um Rücktritt von seinem Amt zu
ersuchen oder ihm dessen zu entheben (Abs. 6 bis 10), treten erst
am 1. Mei 1961 in Kraft, um der Kirche eine Übergangszeit zu
geben (Overgangsbepaling Nr. 248, 250).
3) H. Diem, De plaatselijke gemeente in de
kerkorde, in “In de Waagschaal”, 3. Jg., Nr. 28-30.
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festhielte, würde sie sich faktisch der Gemeinschaft der Gesamtkirche entziehen, indem sie nun ihrerseits diese der falschen Lehre bezichtigte. So wenig ihr ein solcher Schritt um des Gewissens willen und mit der ganzen sich daraus ergebenden Verantwortung vor Gott verriegelt werden kann, so sehr gilt doch hier das gleiche, wie wir bei der Behandlung des Art. 31 der D.K.O. feststellten: Eine Kirchenordnung ist auf die Erhaltung der Ordnung im Dienst und Leben der Kirche bedacht, wie kann aber nicht das Recht zur kirchlichen Revolution in sich selbst verankern. Wer dieses Recht für sich beansprucht, kann sich niemals auf eine KO oder das “gezag” eines Organs der Kirche berufen, sondern nur direkt auf die Schrift; sein Schritt ist menschlicher Beurteilung dann vielleicht überhaupt entzogen.1)
Die mit der allgemeinen Aufsicht über “belijdenis en wandel der leden” beauftragten 5er-Ausschüsse der Classen und Prov.KV können, falls Ermahnung nicht fruchtet, besondere Maßnahmen zur Erhaltung der Zucht ergreifen.2) Sie können denjenigen, “tegen wiens belijdenis en wandel ernstige bezwaren zijn gerezen”, bis zur Beendigung des Verfahrens unwiderruflich vom Abendmahl ausschliessen und ihm kirchliche Handlungen kraft seines Amtes, seiner Funktion oder “bediening” untersagen.3) Diese Ausschüsse der “meerderen vergadering” greifen hier also offensichtlich in die Ortsgemeinde en: Sie können — abgesehen von zeitweiliger oder definitiver Amtsenthebung — auch “aus der Gemeinschaft der Kirche
1) Bronkhorst schreibt in “Schrift en
Kerkorde”, S. 263: “Wanneer een gemeente meent om des gewetens
wille ‘het kerkverband te moeten verbreken’ kan haar besluit voor
God volkomen verantwoord zijn, maar in het menschelijke vlak zal
zij den schijn van revolutie en ongehoorzaamheid moeten
aanvaarden . . .”, und “Het verzet begint bij het gebed en
eindigt bij het martelaarschap, niet bij het kerkrechtelijk
schaakmat zetten der synode”.
2) Vgl. zum Folgenden die Artt. 4-13 der Ord. 11.
3) Ord. 11, Art. 5,5.
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ausschliessen”.1) Diese Bestimmung geht, da für die Amtsträger weder Urteil noch Zustimmung des KR erfordert wird, über die Bestimmungen der D.K.O. und ihre reformatorischen Ansätze in Emden und Wesel hinaus.2)
Der hier erkennbare Zug zur Zentralisierung oder jedenfalls zu einer entscheidenden Instanz über der Gemeinde und ihrem KR zeigt sich auch an zwei anderen Stellen: 1. Eine “meerdere vergadering” kann auf Ersuchen ihres “breed moderamen” in einer Zuchtsache selbst an Stelle der zuständigen “minderen” beschliessen, wenn jene hinsichtlich ihrer Aufsichtspflicht “in gebreke blijft”, dies nicht zureichend zu begründen vermag und auch nicht bereit ist, ihre Haltung zu ändern.3) 2. Die “Commissie voor het opzicht” der Generalsynode kann, wenn nach ihrer Auffassung durch eine Entscheidung “de gelijkheid in de uitoefening van het opzicht ernstig wordt gekwetst”, diese Sache an eine “soortgelijke ambtelijke vergadering” innerhalb der Kirchenprovinz oder an eine andere Prov.KV zu erneuter Behandlung verweisen; sie kann auch aus eigener Vollmacht ein Urteil revidieren, wenn ihr nachträglich Umstände bekannt werden, die auf die getroffene Entscheidung Einfluss gehabt hätten, wenn sie bekannt gewesen wären,4) — Mehr formaler Art ist ihr Recht, auf Antrag des Betroffenen oder aus eigener Beurteilung eine Entscheidung zu
1) Ord. 11, Art. 6,6; der Art. nennt die
“bijzondere middelen ter handhaving van de kerkelijke tucht”.
2) Vgl. D.K.O. Artt. 71-81 über die Kirchenzucht. Auch
dort ist allerdings Exkommunikation an die Mitwirkung der Classis
gebunden (Art. 77), die Suspendierung von Ältesten und Diakonen
sowie Predigern an diejenige (mindestens?) des KR der
Nachbargemeinde (Art. 79), die Absetzung von Predigern der
Classis unter Mitwirkung der Part.Syn. vorbehalten (Art. 79) und
eine Censur der Amtsträger untereinander vorgesehen (Art.
81).
3) Ord. 11, Art. 7,5.
4) Ord. 11, Art. 10 über “Verwijzing” und Art. 11 über
“Herziening”.
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“vernietigen” (kassieren), wenn sie formale Unterlassungen oder Fehler im Verfahren feststellt; in diesem Falle hat die gleiche “vergadering” oder “commissie” die Angelegenheit erneut zu behandeln.1) Bestimmungen, die — wie jene, dass niemand zweimal in der gleichen Sache mitwirken darf und wie das Recht zur Berufung2) — der Objektivität kirchlicher Rechtsprechung dienen und gegen die man schwerlich Grundsätzliches geltend machen kann.
Während Fragen des Bekennens (und des Bekenntnisses) sowie die Aufsicht über die Lehre und Verkündigung der Generalsynode zufallen, fungiert die Prov.KV als Zwischeninstanz, wie übrigen auch bei der von ihr und der Generalsynode ausgeübten Aufsicht über Finanzen und Besitz (in der KO “toezicht” im Ggs. zur “opzicht” genannt).3) Darüber hinaus bildet die Generalsynode die oberste Berufungsinstanz, sowohl für Gravamina zur Verkündigung und zum “belijden” der Kirche als auch hinsichtlich des Handelns von oder der Differenzen zwischen Organen oder “vergaderingen” der Kirche. Sie übt in den beiden letzten Fällen diese Funktion aus durch ihren “Raad voor bezwaren en geschillen”, also durch ein “orgaan van bijstand”!4)
Eignet der Aufsicht im Zusammenhang mit der Verkündigung eine gewisse Tendenz zur Entscheidung der Gesamtkirche hin, so darf man der KO nachrühmen, dass sie die Regelung aller “normalen” und eigentlichen Regierungstätigkeiten in der Kirche so weit wie möglich bei den Gemeinden belassen bzw. zu ihnen hin verlegt hat. Dem Charakter der Gemeinde als selbständiger Offenbarung des Leibes Christi, als ecclesia completa (nicht als autonome Gemeinde) ist abgesehen von der Zuchtausübung über
1) Ord. 11, Art. 9.
2) Ord. 11, Art. 13,1; Art. 8.
3) Vgl. dazu ordinantiën 16-18.
4) Vgl. für Gravamina Ord. 11, Artt. 19 und 20; für
“bezwaren en geschillen” Ord. 19.
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die Amtsträger, welche der Gemeinschaft der Ämter vorbehalten blieb, generell Rechnung getragen:1)
Die Neueinrichtung von Gemeinden, Teilungen und Kombinationen von bestehenden geschieht auf Antrag der interessierten KR (bei Neueinrichtung auch von Gemeindegliedern) durch das “breed moderamen” der “classicalen verg.”; nur wenn das Gebiet mehrerer Classen betroffen ist, durch das br.mod. der Prov.KV, das für die Handlungen des classicalen Organs lediglich seine Zustimmung gibt.2) Das “breed moderamen” der Classis kann auf Antrag ein Gebiet als “gemeente in wording” erklären und dort alle Schritte unternehmen, damit baldmöglichst eine selbständige Gemeinde entsteht.3) Bei Vakanzen unter den Amtsträgern der Gemeinde übernimmt nicht einfach die Classis die Funktion des KR, sondern ordnet zwei der Mitglieder ihres “breed moderamens” ab, um den KR baldmöglichst wieder voll funktionsfähig zu machen und die Zwischenzeit zu überbrücken.4) Nur wo alle Amtsträger fehlen und bei den “gemeenten in wording” übt das “breed moderamen” die Funktion des KR aus.5)
Der Eingriff in die Rechte und die Eigenständigkeit einer Gemeinde ist zwar nicht absolut ausgeschlossen, aber doch ausserordentlich begrenzt: Die Generalsynode
1) Das gilt für das Recht der Wahl ihrer
Prediger, Ältesten und Diakonen, vor allem für die selbständige
Regelung und Ausübung aller ihrer Dienste (auch wenn sie sich, in
der Gemeinschaft der anderen Gemeinden stehend, dabei beraten
lassen muss) wie ihrer finanziellen Verwaltung. Vgl. dazu im
einzelnen die ordinantiën 2-6, 8-10, 12-16.
2) Ord. 2, Artt. 4,1; 5; 6; 7; Änderungen in der —
erstmalig durch die Generalsynode festgelegten — Zugehörigkeit
der Gemeinden zu Classen erfolgt in der Regel durch das “breed
moderamen” der Prov.KV (Ord. 1, Art. 33). Dieses hat statt der
Classen auch überall da zu entscheiden, wo mehrere Classen
betroffen sind.
3) Ord. 2, Art. 21.
4) Ord. 1, Art. 3,6.
5) Ord. 1, Art. 3,7; Ord. 2, Art. 4,7.
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kann auf Anraten der “provincialen kerkvisitatoren” und nach Anhören der “breeden moderamina” der Classis und der Prov.KV eine Gemeinde auf die Dauer von fünf Jahren zur “gemeente in herstel” erklären, wenn das geistliche Leben in ihr “een zodanige inzinking vertoont, dat het nemen van bijzondere maatregelen gerechtvaardigd is”; sie ordnet dann für ihre pastorale Versorgung solche besonderen Maßnahmen an.1)
Dass die KO die Selbständigkeit der Gemeinden will, zeigt sich am deutlichsten in der “ordinantie voor de zending”. Diese Tendenz wird auch darin spürbar, dass eine Gemeinde in aller Regel nur eine Predigerstelle haben soll. Grössere Gemeinden behalten zwar ihre Zusammengehörigkeit als “centrale gemeente” mit einem “centralen kerkeraad” für die Regelung der gemeinsamen Erfordernisse und die Berufung von Amtsträgern für besondere Aufgaben; sie werden jedoch in “wijkgemeenten” aufgegliedert, die selbständig alle Funktionen einer Gemeinde ausüben.2)
Diese neue KO ist zunächst wenig mehr als ein Programm. Alles wird darauf ankommen, ob die Hervormde Kerk die geistliche Kraft besitzt, um diese Ordnung in dem Geiste zu leben und zu handhaben, aus dem sie geboren ist. Unterscheidet sie sich in ihrem Ansatz und ihrer Richtung von denen der Reformationszeit, so hat sie auch in Bezug auf die Kirchenregierung die übernommenen Grundsätze modifiziert, die Einrichtungen erweitert. Besonders das letztere fällt ins Auge, wenn man die grosse Zahl der “organen van bijstand” betrachtet, welche für die besonderen Gebiete des Auftrages der Kirche im Dienst des Reiches Gottes geschaffen wurden. Sie sollen den Gemeinden dienen; sie werden dies nur können, wenn
1) Ord. 2, Art. 22.
2) Vgl. dazu im einzelnen Ord. 2, Artt. 9-12.
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ihre Aufgabe in den Gemeinden selbst lebendig ist. Sonst könnten sie eher zersplittern und schaden.
Hinsichtlich des Verhältnisses von Ortsgemeinde und Gesamtkirche (und d.h. in unserem Zusammenhang dann auch Synode) ergibt sich ebenfalls durch die Aufgliederung des synodalen Auftrages und die — übrigens vom Typ unserer deutschen “Kirchenleitungen” doch wohl sehr verschiedenen — “breeden moderamina” eine ganz eigenartig neue Sicht. In ihr kommt die Erkenntnis zum Tragen, dass die Gemeinschaft mit den anderen Gemeinden, die Existenz in der Gesamtkirche, mit zum Wesen der — an sich selbständigen — örtlichen Gemeinde gehört, und also ihr Dasein in dieser Gemeinschaft nicht zufällig und auch nicht in ihr Belieben gestellt ist.1) Um diese Selbständigkeit der Gemeinden weitgehend zu unterstreichen, sind alle gemeinsam (oder wenn man will: zentral) geordneten Aufgaben und Vollmachten diakonal verstanden. Der Synode ist hier tatsächlich von der Ordnung her der ihr legitim am meisten zukommende Dienst angewiesen, der Dienst an der Verkündigung durch das Mittel ihres eigenen Zeugnisses, das in der Kraft des Geistes die Gemeinden zum Gehorsam und zur Gefolgschaft ruft und überredet.
1) Vgl. dazu O. Weber, a.a.O., S. 361 f. A.A. van Ruler (Het apostolaat . . ., S. 118) schreibt: “Het kerk‘verband’ is niet iets, wat er van buiten af nog bijkomt; dan ware de plaatselijke kerk niet een complete kerk of de algemeene kerk ware slechts een wereld verband van zuiver sociologische snit. Het behoort essentieel . . . tot de plaatselijke kerk als complete kerk, opgenomen te zijn in de eenheid der algemeene kerk”, d.h. aber aller “plaatselijke kerken”. Diese Einheit sei aber “meer en geheel iets anders dan een confoederatief verband” und entstehe nicht erst durch eine “aparte en uitdrukkelijke wilsdaad”.
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Angesichts der Mehrschichtigkeit, welche den Begriff ekklesia eignet, dürfte bei allen bestehenden und nicht völlig vermeidbaren Gefahrenpunkten diese final bestimmte Lebens- und Arbeitsordnung einer Kirche eine höchst erfreuliche und ermunternde Spiegelung und Aktualisierung biblischer Erkenntnisse auf reformatorischem Boden darstellen.