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Thesen

 

I.

1. Die im Göttinger Gespräch von 1949 über die theologische Begründung des Rechts gewonnenen und in Thesen niedergelegten Ergebnisse sind in der verantwortlichen praktischen Arbeit an Rechtsfragen vielfach mit Gewinn verwendet worden. Ihre weiterführende Verarbeitung in der theologischen Forschung und Erörterung hat bisher nur an Einzelpunkten eingesetzt. Zu den Grundfragen, die zugestandenermaßen in Göttingen offen blieben, gehörte das Problem der Institutionen. Dieses Problem hat in den vergangenen Jahren vor allem in der Soziologie zunehmende Bedeutung gewonnen. Die These 2 von Göttingen hat die Frage nach den sozialen Bezügen des Menschen nicht ausdrücklich berührt.

2. Die theologische und juristische Arbeit der Eherechtskommission der Evangelische Kirche in Deutschland über die Institution der Ehe, die die Göttinger Thesen heranzog, hat eine Reihe von Strukturprinzipien sichtbar werden lassen, deren allgemeinere Bedeutung Anlaß zu näherer Untersuchung gegeben hat. Es erhebt sich die Frage, ob sich hier eine neue Möglichkeit zur Betrachtung derjenigen Bereiche ergibt, welche herkömmlich unter dem Begriff der Ordnung in allen seinen Abwandlungen (Schöpfungs-, Erhaltungs-, Notordnungen, Anordnungen) erörtert werden.

 

II.

3. Die Institutionen sind Stiftungen Gottes. Die Erkenntnisgrundlage ihres Stiftungscharakters ist die Offenbarung Gottes im Alten und Neuen Testament.

4. a) Die Aussagen über die Institutionen stellen einen Sachverhalt dar, der sowohl ontologisch wie theologisch zu verstehen und auszulegen ist; denn in den Institutionen tut sich der Herrenwille Gottes in Gestalt ihrer ausdrücklichen Einsetzung kund. Mit dieser setzenden Stiftung durch das Wort Gottes ist ihr ontologischer Wirklichkeitsgrund gegeben, wenn anders die Theologie des geschehenden Wortes mit der theologischen Ontologie identisch ist.
b) Gottes setzender Schöpferwille bezieht sich jedoch nicht nur auf die Welt des Ontisch-Phänomenalen, sondern verwirklicht sich zugleich in ihr durch den Vollzug seines Wortes. Die Institutionen sind daher einerseits (1) keinesfalls — mittels einer Analytik ihrer phänomenalen Strukturen — „aus” diesen selbst zu erkennen, sondern — allein durch den Glauben — aus dem stiftenden Worte Gottes, das ihnen konkrete Gestalt verleiht. Andererseits (2) sind sie aber auch nie abstrakt aus einem theoretischen Prinzip ableitbar oder verstehbar, sondern können

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nur in stetem Bezug auf ihre konkrete Geschichtlichkeit „im” Raum phänomenaler Wirklichkeit erkannt werden.
Die ontisch-phänomenale Eigenart der Institutionen bedarf also der ontologisch-theologischen Erhellung, weil ihr Sein in dem Tatbestand gründet, daß sie in Gottes Wort gefaßt und mit Gottes Wort verbunden sind.

 

III.

5. Das Erscheinungsbild der Institutionen führte zu dem Versuch, ihre Kennzeichen und Elemente wie folgt zu bestimmen:
a) Institutionen sind der Ausdruck typischer Beziehungsformen, die weitgehend gestaltungsmäßig, aber im Grundriß vorgegeben sind.
b) Die Verwirklichung der Institutionen bedarf des Aktes einer Annahme. Dieser Akt hat Entscheidungscharakter und ist als solcher eine Hingabe. Durch den Vollzug von Annahme und Hingabe werden Institutionen nicht erst geschaffen.
c) Die Institutionen sind in ihrem Grundriß unverfügbar. Sie können zwar beschrieben und in Einzelheiten ausgestaltet, aber nicht abschließend definiert werden.
d) Die Institutionen beziehen sich auf diejenigen Grundverhältnisse menschlichen Daseins, die den höchsten Grad der Existenzialität besitzen.
e) Die Wirklichkeit von Institutionen ist nicht nur ein Zustand, sondern ein Vorgang. Im Stiftungscharakter der Institutionen ist die Einheit von Zustand und Vorgang beschlossen. Der Versuch, beide Momente von einander zu lösen, verfehlt den Tatbestand.
f) Die Stiftung Gottes nimmt den Menschen in Verantwortung.

 

IV.

[6.] Bei der Aussprache ergaben sich weitere Fragestellungen:
a) Die Hl. Schrift ist nach Aussagen über die Stiftung von Institutionen zu befragen.
b) Wie verhält sich der Gestaltungswandel der Institutionen zu dem heilsgeschichtlichen Stiftungsvorgang?
c) Wie verhalten sich die Institutionen zueinander? Kann eine über die andere verfügen? Ist eine von ihnen ohne ihre Gesamtheit denkbar? Stehen sie in einem Rangverhältnis?
d) Was trägt der Begriff der Institutionen für das Problem von Gesetz und Evangelium aus?
e) Die Beziehung von Institutionen und Gesetz ist sowohl nach der Seite der innerweltlichen Wirklichkeit wie auch nach der Seite des Problems von Gesetz und Evangelium zu prüfen.
f) Das Verhältnis des Menschen zu den Institutionen führt bei der Frage der Gestaltungsaufgabe (Integration) vor die Frage des rechten Gebrauchs.
g) Ist ein Austritt aus den Institutionen möglich und was würde er bedeuten?