Die Kirche, von der das Neue Testament Zeugnis ablegt, fängt nicht erst in einem bestimmten, geschichtlichen Zeitpunkte an zu leben. Sie ist vielmehr ewig, weil sie in dem ewigen, auf das Heil der Welt gerichteten Gotteswillen gegründet ist. Die Stiftung der Kirche ist erstens ein ewig-göttlicher Akt vor aller Schöpfung. Kirche sind diejenigen, die erwählt sind vor der Grundlegung der Welt (Eph. 1, 4), so wie auch der Messias, der Knecht und Sohn Gottes, erwählt und geliebt ward vor der Schöpfung der Welt (Joh. 17, 24). Kirche sind die vorherbestimmten Kinder und Söhne Gottes (Eph. 1, 5), sind die Menschen, die Gott nach seinem Vorsatz vorherbestimmt hat zum Lobe seiner Herrlichkeit und so zu Erben gemacht hat. Die göttliche Erwählung also schafft die Gemeinde der Glaubenden und Hoffenden, der Söhne und Erben (Eph. 1, 11). Es geschieht etwas mit ihnen, was sie selber weder erdacht noch getan haben. Sie werden in einen neuen Stand versetzt, in eine neue Situation, in ein neues Leben gebracht durch einen anderen, ewigen, göttlichen Willen und Beschluß. Der ewig-göttliche Heilsratschluß ist es, der den geschichtlichen Akt der Berufung zum Glauben und zur Rettung begründet (Röm. 8, 29-30; 2. Thess. 2, 13-14). In der verborgenen vorweltlichen Ewigkeit des Ratschlusses, daß Gott ein Volk seiner Gerechtigkeit, seines Friedens und seines Heils will, beginnt die Stiftung der Kirche und ihre Geschichte. Dieser Wille Gottes ist unabänderlich und unumstößlich: Gott hat sein Volk, das er vorherbestimmt hat, nicht verstoßen (Röm. 11, 2). Durch Gnadenwahl ist der heilige Rest, das wahre Gottesvolk aus Israel abgesondert und auch in der jetzigen Zeit vorhanden (Röm. 11, 5). So ruht die Stiftung der Kirche in der ewigen Wahl Gottes, welche sich in dem geschichtlichen Kommen der Gnade verwirklicht. Das unterscheidet sie von allen Gründungen, die
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aus menschlichen Willen stammen und innerhalb der Zeit und Geschichte zustande kommen, um mit dieser zu vergehen. Der ewige Ratschluß Gottes jedoch gründet und stiftet das ewige Gottesvolk.
Darum kann auch die Kirche selber als eine präexistente Wirklichkeit bezeichnet werden. Sie ist ewig und vorweltlichen Ursprunges, doch mit der Bestimmung zur geschichtlichen Wirklichkeit. Sie ist geschichtlich, doch mit der Herkunft und dem Ursprunge aus der ewigen Wirklichkeit Gottes. So ist schon im spätjüdischen Denken, etwa im Buche Henoch, die Gemeinde der Heiligen eine präexistente Größe; sie wird beim Anbruch der messianischen Zeit mit dem Messias offenbar.5) Im Himmel, bei Gott ist sie verborgen. Die auserwählten Gerechten sind ihre Glieder (Henoch 38, 1-5); sie gehört mit dem präexistenten Menschensohn-Messias zusammen (Henoch 62, 7-8). Von dieser ewigen, himmlischen Gemeinde der Gerechten heißt es 4. Esra 7, 26: „. . . Tage kommen, . . . da wird die unsichtbare Stadt erscheinen.” Sie ist nach dem syr. Baruch 4, 3.6 die Stadt, „die bei mir geoffenbart ist, die hier im Voraus bereitet ist”, „schon jetzt bei mir bereit gehalten ebenso wie auch das Paradies”. Wir sehen, wie dieser Präexistenzgedanke aufs engste mit der Eschatologie zusammenhängt. Was die Endvollendung offenbart, ist ewig schon bei Gott gewesen. Gottes ewiger Wille tritt in der Endzeit vollkommen und offenbar und siegreich in die Erscheinung.
Das Neue Testament nimmt den Gedanken auf. Die Gerechten und Gesegneten des Vaters sind die, denen das Reich bereitet ist seit der Grundlegung der Welt (Matth. 25, 34). Die teilnehmenden dürfen am himmlischen Gastmahl des Königs der Gottesherrschaft, sind die ἐκλεκτοί, die Auserwählten (Matth. 22, 9-14). Auch die präexistente Gemeinde des himmlischen Jerusalem erscheint im Neuen Testament wieder; es ist die himmlische Gottesstadt, die ganz bei Gott und ganz allein Gründung Gottes ist (Gal. 4, 26; Hebr. 12, 22; Apok. 21, 2). Sie kommt in der Endzeit vom Himmel her herab; sie ist erfüllt von Gottes Herrlichkeit. Sie ist die Mutter der Christenheit (Gal. 4, 26). Zu dieser Stadt des lebendigen Gottes sind die Christen jetzt schon herzugetreten (Hebr. 12, 22). Diese Aussagen führen uns hinüber zu dem Problem der geschichtlichen Realisierung der ewigen Stiftung Gottes. Denn sie zeigen uns, daß die ewige Kirche, das himmlische Jerusalem mit der irdischen, geschichtlichen Kirche offenbar aufs engste zusammengehört, so, daß im Ernste überhaupt nicht von zwei Kirchen gesprochen werden kann. Denn auf Erden Kirche
[32] 5) Vgl. A. Schweitzer, Die Mystik des Apostels Paulus, Tübingen 1930, S. 103.
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sein, zur Gemeinde Gottes oder Christi gehören, heißt eben nichts anderes, als Glied der ewigen, himmlischen Kirche geworden zu sein.
Gottes ewiger Ratschluß aber, Menschen zu seinem Reiche zu erwählen und zu dem von ihm gesetzten Zeitpunkt die ewige Kirche, das himmlische Jerusalem erscheinen zu lassen, ist eins mit seinem Handeln. Und dieses Handeln Gottes greift hinein in die irdische Welt, es trifft die konkreten Menschen in dieser Welt. So führt es zur Stiftung der Kirche inmitten der irdischen Welt. Das Neue Testament spricht hier vom berufenden Handeln Gottes (καλέω) und zweitens von seinem einsetzenden Handeln (τίθημι).
Gott ruft und beruft Menschen in Christus zu seinem Reich durch die Verkündigung des Evangeliums. Dieser Ruf realisiert sich, vom getroffenen Menschen her gesehen, in Glauben und Umkehr. Die Kirche ist die Schar der Gerufenen (κεκλημένοι). Aus der Macht des göttlichen Rufes, der nicht ungehört bleiben kann, entsteht die geschichtliche Kirche. Von der Vorherbestimmung führt über die Berufung der Weg zur Gerechtmachung und Verherrlichung, zum Heilsziel der Gemeinde (Röm. 8, 30). Damit daß Gott uns in sein Reich und seine Herrlichkeit hineinruft, ist die Gemeinde gegründet (1. Thess. 2, 12). Diese Berufung geschieht so, daß sie in die Gemeinschaft seines Sohnes hineinführt, welcher nur durch die Berufung wirklich „unser Herr” werden kann (1. Kor. 1, 9). „In einem Leibe” sind die Gläubigen berufen zum Frieden Christi (Kol. 3, 15). So schafft die göttliche Berufung die Kirche. Die Berufung führt und zieht zu Christus hin, wie es auch von der Erwählung heißen kann, daß sie „in Christus” geschehe (Eph. 1, 4). Berufung ist der Akt geschichtlicher Offenbarung; darum kann sie nicht außerhalb von Christus geschehen, darum ist sie die Schaffung des Leibes Christi. Das letzte Ziel des geschichtlichen Berufungsaktes aber ist wieder das eschatologische: zum Hochzeitsmahl des Lammes, zur verklärten Gemeinschaft in der vollendeten Gottesherrschaft führt die Einladung, der Ruf Gottes (Apok. 19, 9; 1. Tim. 6, 12). Zwischen Erwählung und Vollendung, vorweltlichem Sein der Kirche und endzeitlicher, endgültiger Verwirklichung der Gottesgemeinde steht der geschichtliche, kirchestiftende Berufungsakt als Bindeglied.
Gott hat Abraham zum Vater vieler Völker „gesetzt” (Röm. 4, 17): so ist die Kirche als die Gemeinschaft derer, die durch Glauben
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gerechtfertigt werden, die Setzung Gottes in der Rechtfertigung Abrahams, mit der diese Verheißung verbunden ist. Diese Redeweise vom setzenden oder einsetzenden Handeln Gottes bezieht sich aber vor allem auf die Ämter und die Ordnungen, die Gott seiner Kirche gibt. Der heilige Geist setzt in der „Herde” (dies ist ein stehendes Gleichnis für das Volk Gottes, die Kirche) die Bischöfe, die die Gemeinde Gottes als Hirten leiten sollen (Apg. 20, 28). Apostel, Propheten und Lehrer hat Gott in der Gemeinde eingesetzt (1. Kor. 12, 28). Gott hat dem Apostel den Dienst der Versöhnung gegeben und in der Gemeinde das Wort von der Versöhnung gesetzt, aufgerichtet (2. Kor. 5, 18-19). Gott ist der Stifter des Apostelamtes. Menschen in dieser Welt ruft er in Amt und Auftrag, die nun Botschafter Christi werden und deren Wort die Gemeinde sammelt und leitet (vgl. auch 1. Tim. 1, 12; 2, 7). Gott ist selbst in Christus durch das Apostelamt als den Träger des Dienstes der Versöhnung der Stifter der geschichtlichen Kirche. Das göttliche Stiftungshandeln verwirklicht sich als Handeln an Menschen und dadurch sodann als Handeln durch Menschen, sodaß die Stiftung der Kirche ein wahrhaft geschichtlicher Akt wird. Wie aus diesen Menschen etwas Neues wird durch das Handeln, das an ihnen geschieht, durch den Ruf in Dienst und Amt hinein, zeigt uns Mark. 1, 17: „Ich will machen, daß ihr Menschenfischer werdet.” Die schöpferische Tat des in göttlicher Vollmacht handelnden Menschensohnes bewirkt, daß aus den galiläischen Fischern die Herolde der kommenden Gottesherrschaft werden, durch deren Ruf die endzeitliche Gemeinde gesammelt wird.
Ebenso aber wie von dem Amte der Apostel gilt von der Kirche im Ganzen, daß Gott ihr ihre Ordnung gibt: Gott hat im Leibe die Glieder gesetzt, wie er wollte (1. Kor. 12, 18), d.h. die Ordnung der Kirche in der Mannigfaltigkeit und Einheit der Gnadengaben und Dienstleistungen entstammt dem frei bestimmenden und setzenden Willen Gottes, hinter welchem es einen tieferen Grund und eine höhere Autorität nicht mehr gibt. Nur durch die Bewahrung und Übung dieser gottgesetzten, pneumatischen Ordnung der Kirche kann der Aufbau der Gemeinde stattfinden. In ihr hat der einzelne Christ mit seinem Charisma seinen Ort; durch sie wird er zum Dienste und zum Mittragen der Gemeinschaft gewiesen; nur in der Bindung an den setzenden Gotteswillen kann die Kirche werden und leben.
Nun aber ist vor allem zu bedenken, was schon an dem Gedanken der Berufung sichtbar wurde:
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Das kirchenstiftende Handeln Gottes wird geschichtlich in Christus und durch Christus. Von der Stiftung der Kirche reden, heißt eine christologische Aussage machen. Christus ist der Stifter der Kirche. Er ist es nur in der Kraft Gottes und aus der ihm von Gott gegebenen Vollmacht. Aber darin und dadurch ist er wirklich dieser Stifter: als der Offenbarung Gottes, als der Messias des Reiches Gottes, der nichts Anderes zu tun hat, als Gottes Volk zu sammeln und Gottes Tempel neu zu bauen.
Es geht um das Handeln des Jesus, der der Christus ist. Jeglicher Versuch, den geschichtlichen Jesus gegen den erhöhten Christus auszuspielen oder umgekehrt, verfälscht den wahren Zusammenhang der Dinge bis zur Unkenntlichkeit. Das Christusgeschehen muß als ein unteilbar Ganzes genommen werden, wenn wir Christus als den Stifter der Kirche verstehen wollen. Das Christusgeschehen als Ganzes ist der offenbarungs- und heilsgeschichtliche Akt, durch den die Kirche in der Welt gestiftet wird.
Christus ist der Stifter der Kirche
1. dadurch, daß er in die Welt gesendet wird, welche
Sendung der Sammlung der endzeitlichen, messianischen
Gottesgemeinde dient;
2. durch sein geschichtliches Handeln und Verkündigen,
insbesondere aber die Jüngerberufung und -aussendung,
die Stiftung des Abendmahls und die Beauftragung des
Petrus, — ein Handeln, das ihn ausweist als den, der zum
Messias des Reiches Gottes bestimmt ist;
3. dadurch, daß er durch seinen Kreuzestod und seine
Auferstehung zu dem erhöhten Kyrios wird, der
das ganze Leben seiner Gemeinde beherrscht und bestimmt, indem
diese durch die Sendung des Geistes und die Leitung des
Geistes, der der Geist Christi ist, neu gesammelt und in die Lage
versetzt wird, welche bis zur Herstellung der vollendeten
Gemeinde durch seine Wiederkunft andauern soll.
Menschwerdung, Geschichte Jesu, Tod und Auferstehung, Sendung des Geistes durch den Erhöhten (hierzu vgl. besonders Joh. 20, 21-23; Apg. 2) sind eine einzige Einheit kirchengründender Christusgeschichte. Von hier aus gesehen, ist es abwegig, einzelne für sich genommene Ereignisse oder Handlungen wie das Petrusbekenntnis bzw. die Beauftragung Petri (z.B. Ed. Meyer) oder die Abendmahlsstiftung
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(F. Kattenbusch) oder den Pfingsttag (der breite Strom der kirchlichen Überlieferung sowohl in der katholischen als der evangelischen Kirche) als den Stiftungsakt bzw. den Stiftungstag der Kirche anzusprechen. Was das Pfingstfest anlangt, so bleibt dieses nämlich gebunden (1) an die Jüngerberufung durch den geschichtlichen Jesus als den ersten Grundstock der für die Gottesherrschaft durch den Messias zu sammelnden Gemeinde der Endzeit, (2) an die Fruchtbarmachung seines Todes für die Vielen, d.h. für die Gemeinde aus allen Völkern, in der Stiftung des Herrenmahls, (3) an die Ostererscheinungen, durch welche die neue Sammlung und Beauftragung der Apostel stattfindet. Diese Ereignisse finden dann durch die Geistessendung ihre Vollendung und ihren Abschluß, welche allein durch Tod und Auferstehung Christi ermöglicht sind. Durch die Geistessendung tritt die missionierende Kirche als die in die Welt gesendete auf den Plan, wie Apg. 2 aufs deutlichste zeigt; es beginnt jetzt die Bewegung der Kirche in die Welt hinein, die bis auf den heutigen Tag anhält, sodaß Pfingsten in der Tat die Geburtsstunde der durch den Geist erfüllten und geleiteten Kirche ist. Nur geht es nicht an, das Pfingstereignis zu isolieren und allein zum Stiftungstage der Kirche zu erklären und zu sagen: „Seine (des Geistes) Herabkunft am Pfingsttage wird als die Geburtsstunde der Kirche betrachtet”, oder: „Durch das Pfingstwunder wird die Kirche in und mit der ersten Pfingstgemeinde gestiftet”.6) Pfingsten ist nicht möglich ohne die vorhergehenden Ereignisse kirchengründender Art, wie andrerseits diese des Pfingstgeschehens bedürfen, welches zeigt, daß Auferstehung und Erhöhung den Herrn nicht von seiner Gemeinde trennen, und den erhöhten Herrn durch den Geist in seiner Gemeinde gegenwärtig werden läßt. Durch die Wirksamkeit des heiligen Geistes wird die Stiftung der Kirche immer wieder erneuert und aktualisiert. Das Pneuma ist der gegenwärtige Vollzug der Stiftung der Kirche. Christus ist nur so der Stifter der Kirche, daß er der durch den Geist die Kirche leitende und erfüllende Herr ist. Die Stiftung der Kirche ist nicht nur Geschichte als Vergangenheit, als die Akte des Heilsgeschehens von der Menschwerdung Christi bis zur Sendung des Geistes, sondern auch Geschichte als Geschehen, als Gegenwart. So muß vom Neuen Testament, insbesondere von Apg. 2 und Joh. 20 her gesehen, der Stiftungsbegriff in Anwendung auf den Ursprung der Kirche ausgelegt, ergänzt und gegen das Mißverständnis geschützt werden, als handle es sich bei der Stiftung der Kirche nur um ein vergangenes,
[33] 6) Fr.Jos. Peters, Die Lehre der kathol. Kirche, Bonn 1932, S. 344. — Th. Harnack, a.a.O. S. 5.
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historisches Ereignis mit allerlei gleichfalls nur historischen Nachwirkungen.
Jedoch ist es noch notwendig, die geschichtlichen Handlungen Jesu kurz näher zu kennzeichnen, die für die Konstituierung der Kirche wichtig sind, da es heute vielfach üblich ist, ihnen die Bedeutung abzusprechen, die ihnen im Zusammenhange des kirchengründenden Christusgeschehens zukommt.7)
Dieser Zusammenhang wird ebenso wie das Gewicht der Einzelhandlungen Jesu selbstverständlich nur dann recht erkannt werden, wenn zwei Voraussetzungen feststehen, die hier nicht im Einzelnen erörtert werden können, nämlich (1) die Tatsache der messianischen Sendung Jesu und sein Wissen um diese,8) (2) die Ausrichtung dieser Sendung auf die Sammlung und Berufung des endzeitlichen Gottesvolks.
Wir heben auf Grund dieser beiden Voraussetzungen
1. die Jüngerberufung hervor (Mark. 1, 16-20 par.). Ohne
diese sind alle weiteren Akte der Gründung der Kirche nicht
verständlich. Mit ihr hebt diese an. Es treten hier vier Züge in
Erscheinung, die alles kirchengründende Geschehen im Neuen
Testament prägen. Zuerst die souveräne Wahl der
Jünger durch Jesus, die von der Überlieferung überhaupt nicht
begründet wird. Daß diese Menschen Jünger werden, liegt in keiner
Weise in ihrem menschlichen Willen begründet. Es trifft sie
nämlich, dies das Zweite, der Ruf Jesu, der in der
Vollmacht des Menschensohnes handelt, und dieser Ruf bedeutet die
Forderung der Nachfolge. Es ist der Ruf des
geschichtlichen Herrn, und dieser Ruf erreicht und trifft sie
auch wirklich; sie können sich ihm nicht entziehen. Mit ihm ist
aber den berufenen Jüngern zugleich der neue Auftrag
gegeben, — das dritte Element — daß sie Menschenfischer werden
sollen. Die Berufung in die Nachfolge ist die Begabung des
Jüngers mit einem Dienst und der Vollmacht, die zur Ausrichtung
des Dienstes an der Gottesherrschaft unlöslich hinzugehört. Die
von dem Ruf getroffenen Menschen aber gehen hin und vollbringen
den Befehl. Sie antworten mit dem vollständigen
Gehorsam, der alles hinter sich läßt. Dieser ist das
vierte Element, in dem Wirkung des Rufes und totale Entscheidung
menschlicher Person eins sind, und es gehört zu allem
kirchengründenden Geschehen als einem Handeln an Menschen und
wiederum durch Menschen unabtrennbar hinzu. Alles zusammen aber
rührt
[33] 7) Einzelauseinandersetzung und
-begründung kann an diesem Orte nicht gegeben werden. Der
Zusammenhang der oben folgenden Thesen mit den Forschungen und
Auslegungen von F. Kattenbusch, K.L. Schmidt, A. Schlatter,
J. Schniewind, J. Jeremias, E. Lohmeyer, R. Otto u.a. ist
für den Kundigen auch ohne diese deutlich. — Zur katholischen
Anschauung von der Stiftung der Kirche vgl. z.B. K.
Adam, Das Wesen des Katholizismus, 5. Aufl., Düsseldorf
1928, bes. S. 46 ff., 82 ff.; B. Bartmann, Lehrb. der
Dogmatik, II. Bd., 7. Aufl. Freiburg 1929, S. 141 ff.; Fr.
Hettinger, Lehrbuch der Fundamentaltheologie, 3. Aufl.
Freiburg 1913, S. 421 ff.; L. Kösters, Die Kirche
unseres Glaubens, 2. Aufl. Freiburg 1937 (Volksausgabe). Ich
zitiere Bartmann a.a.O. S. 141: „Christus, der
Gottmensch, selbst hat die Kirche gegründet als gottgesandter
Messias und Heiland der Welt.” Wenn er den Protestantismus zu den
„drei großen Gegnern der Kirche” (mit der Ostkirche und dem
Anglikanismus zusammen) rechnet, da er „nur eine unsichtbare
Kirche von Christus gegründet sein läßt, die den vollsten
religiösen Individualismus gestattet”, so ergibt sich hoffentlich
ebenso aus dieser Schrift wie aus den neueren ev.-theol.
Bemühungen um das Kirchenproblem überhaupt — ich nenne K. Barth
und W. Stählin —, was von einem solchen Satze zu halten ist!
8) Vgl. hierzu H.-D. Wendland,
Geschichtsanschauung und Geschichtsbewußtsein im Neuen Testament,
Göttingen 1938, S. 73 ff.
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aus der freien, königlichen Vollmacht dessen her, der sich als der verborgen-offenbare, glaubenfordernde Menschensohn befugt weiß, Menschen in das nahe herbeikommende Reich zu rufen und in seinen Dienst zu stellen: mit diesem eschatologischen Handeln Jesu beginnt die irdische Stiftung der Kirche. Indem Jesus diese Menschen zu etwas Neuem macht, was sie vorher nicht waren, begründet er eschatologische Gemeinschaft in Gottes Gegenwart werdendem Reich.9)
Einen Schritt weiter führt uns die Perikope Mark. 3, 13 ff. par. Jesus schafft mit der Einsetzung der Zwölf das neue Zwölf-Stämme-Volk, das neue Volk Gottes. Die Zwölf empfangen den Auftrag, den Ruf der kommenden Gottesherrschaft weiterzutragen und erhalten die Vollmacht, die Dämonen auszutreiben. In Wort und Tat wird ihnen Anteil gegeben an der Vollmacht des Menschensohnes. Eben dadurch ist das Handeln Jesu von Anfang an Gründung und Stiftung der Kirche.
Neben die Jüngerberufung stellt sich die Beauftragung des Petrus (Matth. 16, 18-19). Wir sehen schon aus dem Bisherigen, dies Wort steht gar nicht isoliert. Ebenso ist gerade für das Verständnis dieses Wortes Voraussetzung die Erkenntnis, daß der Messias und die Gemeinde der Heiligen und Gerechten zusammengehören, so im Danielbuche (Kap. 7), so im Henoch, so auch in der gesamten Jesusüberlieferung, in der die Bilder für Gottes Volk wie die „Herde”, die „Pflanzung”, die „familia dei” immer wiederkehren (Schniewind). Auf Petrus als Felsen wird die Gemeinde gebaut, d.h. auf den Apostel, auf den, der durch Gottes Offenbarung die Erkenntnis Jesu als des Christus geschenkt bekam, nicht auf seinen Glauben oder gar seinen Charakter. Wieder ist die Offenbarung zugleich Auftrag, Ruf ins Amt. Jesus gibt Petrus (wie allen Aposteln Matth. 18, 18) die Vollmacht, die Schlüssel der Himmelsherrschaft zu verwalten, die seine eigene ist (vgl. Apok. 3, 7 f.; 1, 18). Kirche ist da, wo das Amt des Apostels ist, zu bannen und freizusprechen. Tod und Leben, Gericht und Gnade wird von den Amtsträgern der Kirche durch die Verkündigung des Wortes Gottes bewirkt und ausgeteilt (vgl. 2. Kor. 2, 14-16). Dieses apostolische Amt setzt Jesus an die Stelle des rabbinischen. Der einmalig-besondere Auftrag an Petrus wird indirekt bestätigt durch die erste Erscheinung des Auferstandenen vor diesem (1. Kor. 15, 5; Luk. 24, 34) und durch die Stellung des Petrus als Wortführers und Leiters der ersten Gemeinde nach der Apostelgeschichte. Dieser zweifellose Vorrang des Petrus bedeutet so wenig eine
[33] 9) E. Lohmeyer, Das Evangelium des Markus (Meyers Krit.-exeg. Komment. z. N.T. I, 2, 10. Auf.), Göttingen 1937, S. 32. — Zum eschatologischen, kirchengründenden Handeln Jesu vgl. H.-D. Wendland, Die Eschatologie des Reiches Gottes bei Jesus, Gütersloh 1931, S. 146 ff. Die Hauptthesen dieses Versuches kehren hier in abgewandelter Gestalt wieder, unter dem besonderen Gesichtspunkte des hier zu entwickelnden Themas. Besonders verweise ich auf die Auslegung der hierher gehörigen synoptischen Texte durch J. Schiewind im „Neuen Testament Deutsch”: „Das Ev. nach Mark.” und „Das Ev. nach Matth.”, Göttingen 1937, 3. Aufl.
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Ausschließung der anderen Apostel von der Vollmacht und eine kirchliche Alleinherrschaft eines einzigen Amtsträgers, wie die Vollmacht aller Apostel, der Grundstein der Kirche zu sein (Eph. 2, 20; Apok. 21, 14), nicht den Sinn einer klerikalen Hierarchie gegenüber den anderen Gläubigen einschließt, die vielmehr der Apostel „Brüder” sind, allesamt Söhne des einen Vaters, Diener des einen Herrn und Miterben Christi. Wohl bleibt ein Rätsel in der Auserwählung gerade des Petrus, aber rätselhaft ist Gottes Wahl zum Heile wie zum Amte immer; in beidem hat die Gnade verborgenen Grund und Unergründlichkeit, uns zum Heile. Die Stiftung der Kirche kann nur durch die Einsetzung konkreter Menschen in bestimmten Dienst und Vollmacht vor sich gehen. Es heißt hier immer: „Dieser da!” — Jesus handelt in dieser Beauftragung als der Messias des Reiches Gottes, der das Amt und die Macht hat, die Gemeinde zu stiften, der dieses Reich gegen wird, die diesem Reiche dient. Diese Gemeinde ist ewig. Das Totenreich kann sie nicht überwältigen. Wie könnte auch vom Volke Gottes etwas anderes gelten? Freilich, Jesus blickt hier über seinen Tod hinaus: „Ich werde bauen”. Aber das kann nur den verwundern, der nicht weiß, daß er in göttlicher Vollmacht spricht und handelt. Was er tun kann, ist nicht mit seinem Tode zu Ende, wenn er in die Gottesherrschaft einzugehen gewiß ist (Mark. 14, 25 par.). Seine Gemeinde soll und wird bleiben bis zu seiner Parusie. Darum muß ihr aber auch der irdisch-geschichtliche Grundstein gegeben werden, der nur aus Menschen, Petrus und den Aposteln überhaupt, bestehen kann, Menschen freilich, die als das, was sie hier sind und zu tun haben, ausgezeichnet werden durch die Vollmacht, die allein der zum Weltrichter bestimmte Menschensohn weitergeben kann.10)
Endlich lassen sich auch an der Stiftung des Herrnmahls (Mark. 14, 22-25 par.) diejenigen Momente kurz herausheben, die sie in den Zusammenhang des kirchengründenden eschatologischen Handelns Jesu einordnen. Zunächst geht auch hier wieder übereinstimmend durch alle Berichte der Zug, daß es bei der Einsetzung des Abendmahls um das freie Ordnung und Bestimmen, das willentliche Handeln Jesu geht, der dies Sakrament stiftet. Die Jünger sind ganz und gar die Empfangenden (v. 22 λάβετε), die eine Gabe nehmen dürfen, denen etwas geschenkt wird, mit denen etwas geschieht. Indem Brot und Wein die neue Bestimmung und Füllung empfangen — woher? aus der göttlichen Vollmacht des Menschensohnes! —, Leib und Blut des Herrn zu sein und dadurch denen, die sie genießen,
[33] 10) Zu diesem Abschnitt vgl. besonders die Auslegung von J. Schniewind zu Matth. 16, 18-19 a.a.O. S. 183 ff.
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Anteil zu geben an der neuen Gnadenordnung der Endzeit, sind die empfangenden Jünger zusammengefügt zur neuen Einheit der Gottesgemeinde. „Die diesen Reich gemeinsam trinken, sie sind die ,familia’ Gottes, die Schar Gottes, das neue Volk Gottes, zur Einheit zusammengeschlossen.”11) Aus Jesu Tode soll die Kirche der Völker erwachsen, sie empfängt jetzt deutlich einen universalen Horizont; denn sein Tod geschieht für die „Vielen” (Mark. 14, 24).12) Sie wird also weit hinausgreifen über den Kreis der jetzt am Tische des Herrn verbundenen Jünger. Und doch ist diese kleine Gemeinschaft, der hier die Heilskraft des kommenden Todes Jesu anvertraut wird, wiederum der Anfang und Grundstock jener universalen Kirche der Jünger aus allen Völkern. Die Folge dieser Stiftung ist, wie Paulus gesehen hat, daß aus der so begründeten und vermittelten Christusgemeinschaft der eine Leib der Kirche, das ἓν σῶμα der Glaubenden und Hoffenden und Liebenden, also auch die neue wahre Gemeinschaft der Jünger untereinander entspringt (1. Kor. 10, 16-17 vgl. 12, 12-14). Als Fruchtbarmachung des Todes Jesu für die Vielen, für die Völkerwelt weist die Stiftung des Abendmahls hinaus über Jesu Tod. Er wird nicht mehr mit den Jüngern essen und trinken bis zu jenem Tage der vollendeten Gottesherrschaft, da die Tischgemeinschaft erneuert wird (Mark. 14, 25). Er wird nicht mehr in ihrer Mitte weilen, und gerade darum will er nun in Brot und Wein real, geschichtlich, leiblich unter ihnen gegenwärtig und für sie da sein. Brot und Wein werden jetzt die leiblich-geschichtliche Gegenwart dessen sein, der nicht mehr bei den Jüngern ist. Sie treten an die Stelle der geschichtlichen Jesusperson und sind doch er selbst. Das ist die paradoxe Identität von Brot und Wein mit dem sterbend-siegenden, zur Gottesherrschaft eingehenden Christus. So gibt denn das Mahl des Herrn Anteil an den Gütern, an dem Heil und Leben, an der Sündenvergebung und Gottesgemeinschaft der zukünftigen Königsherrschaft Gottes. Als dieser eschatologische akt ist das Herrenmahl kirchenstiftend wirksam. Gerade weil es im Herrenmahl um Gottes Herrschaft und die Vermittlung des Anteils an ihr geht, nicht um die Begründung, Sicherung und Erhaltung einer irdischen Institution, und sei sie religiöser oder kultischer Art, gerade darum geschieht in der Einsetzung des Herrenmahls die Stiftung der christlichen Kirche.13) Gleichviel ob nun Luk. 22, 29: „So verordne ich euch, wie mir mein Vater verordnet hat, das Reich” (διατίθεμαι = verfügen, anordnen) in unmittelbarem Zusammenhange mit der Abendmahlsstiftung steht
[33] 11) So J. Schniewind zu Mark. 14,
23 a.a.O. S. 173.
12) Wir folgen hier der Interpretation des ὑπὲρ πολλῶν
durch J. Jeremias, Die Abendmahlsworte Jesu, Göttingen
1935, S. 82 ff.
13) Vgl. E. Lohmeyer, Evangelium des Markus,
S. 310.
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oder nicht, so tritt hier jedenfalls das eschatologische Handeln Jesu als kirchenstiftendes besonders klar hervor: Durch das Anteilempfangen an der zukünftigen Gottesherrschaft kraft der Gnadenverfügung des Messias und Königs der Gottesherrschaft entsteht die Gemeinde der Jünger, die Kirche, als eine bleibende, ewige, unerschütterliche. Sie ist doppelt begründet in der Ewigkeit. Denn sie entspringt aus dem Vollmachtshandeln des Menschensohnes, der den Auftrag Gottes vollzieht, und sie empfängt die Zugehörigkeit zum dereinst vollkommen erscheinenden Reiche Gottes.
Wir haben von dem kirchenstiftenden Handeln des geschichtlichen Jesus gesprochen, des Jesus, der sich als der kommende und zugleich schon verborgen-gegenwärtige, darum Glauben fordernde Menschensohn-Messias weiß. Darum haben wir nicht geredet von dem Gründer einer irdischen Institution, von dem immer nur ein relatives und endlich verschwindendes geschichtliches Fortwirken ausgesagt werden könnte. Der geschichtliche Jesus ist nun aber zugleich der ewige Herr seiner Kirche, der erhöhte Kyrios in göttlicher Würde und Herrlichkeit. Damit sind wir auf die Bedeutung von Kreuz und Auferstehung für die Stiftung der Kirche gestoßen. Die Vollendung der Sendung Jesu als des leidenden Menschensohnes, der sich für die Vielen als Lösegeld dahingibt (Mark. 10, 45), in seinem Kreuzestode, und die Bestätigung und Verewigung seines Anspruches, der Messias der Gottesherrschaft zu sein, durch die Auferweckung (vgl. z.B. Apg. 2, 22-24. 36), sie sind es, die (1) Jesus zum ewigen Herrn seiner Kirche machen und die Sendung des Geistes, seine ewige Gegenwart bei seiner Gemeinde ermöglichen (Matth. 28, 20b), — sie sind es, die (2) die Jüngerschaft auf eine neue Stufe ihrer Geschichte heben, indem sie durch die Ostererscheinungen zu Zeugen des auferweckten Christus gemacht und mit dem heiligen Geiste erfüllt wird. Damit ist die Kirche in der neuen Lage, die bis zur Parusie des Herrn andauert; sie ist neu gestiftet durch Tod und Auferstehung des Herrn. Wir haben also eine vorösterliche und eine nachösterliche, in Ostern begründete Stiftung zu unterscheiden, aber keineswegs zu scheiden. Der Zusammenhang beider ligt vorzüglich in drei Tatsachen beschlossen:
1. In der Identität des geschichtlichen Jesus und des erhöhten, auferweckten Christus. Der Herr, der die Jünger in seine Nachfolge ruft und sie aussendet zur Verkündung der Reichsbotschaft, ist zugleich
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der, der sie neu sammelt durch seine Erscheinungen und neu sendet durch die Gabe des Geistes (1. Kor. 15, 3 ff.; Joh. 20, 21 ff.).
2. In der Identität des Zwölferkreises vor und nach Ostern, der die Keimzelle der endzeitlichen, messianischen Gemeinde in beiden Situationen, vor und nach Ostern, ist und bleibt. Zugleich wird die Neustiftung der Kirche durch Ostern darin sichtbar, daß sich der Apostelkreis nicht nur ergänzt, sondern auch entscheidungsvoll erweitert (Apg. 1, 15-26; 9, 1-19a par.; 1. Kor. 15, 7-9 Paulus und Jakobus). Es ist mit der Auferweckung Christi wirklich etwas Neues geschehen für die Gründung der Kirche. Aber dieses Neue nimmt den durch das geschichtliche Handeln Jesu gestifteten Anfang in sich auf. Das Neue ist dies, daß die Gemeinde jetzt ihre Existenz allein hat und haben kann als die Kirche des auferweckten und erhöhten Kyrios. Er ist das jetzt gelegte Fundament (1. Kor. 3, 11; Eph. 2, 20; 1. Petr. 2, 4-6). Aber eben an der Stellung und Aufgabe des Petrus und des Zwölferkreises wird deutlich, daß der Auferstandene sein geschichtliches, kirchenstiftendes Handeln weder ausstreicht noch aufhebt, vielmehr es neu begründet und damit zugleich bestätigt und zum Abschluß bringt.14)
3. In der gleichbleibenden Aufgabe der Jüngerschaft vor und nach Ostern; sie empfing vor Ostern und behielt nach Ostern den Auftrag, die Botschaft vom nahegekommenen Reiche Gottes auszurichten. Dieses ist auch nach Ostern die entscheidende Wirklichkeit, aus der die Gemeinde stammt und der sie dient. Das tritt z.B. in der Apostelgeschichte deutlich hervor (1, 3; 19, 8; 20, 25; 28, 23). Noch immer steht seine Vollendung als zukünftige aus, so gewiß andererseits in der Gabe des Geistes das „Angeld” auf die zukünftige Herrlichkeit der Gemeinde gegeben ist. Darum bleibt die Gemeinde auch nach Ostern die auf die Zukunft des Reiches Gottes ausgerichtete. Der auferweckte Kyrios ist der, der kommen wird, den Weltkreis zu richten (Apg. 17, 31).
Das Bindeglied zwischen der Jüngerschaft vor Ostern und der Gemeinde nach Ostern aber stellt in aller Deutlichkeit die Abendmahlsstiftung dar. Denn hier ist schon die neue Kirche der Völkerwelt ins Auge gefaßt, und hier ist weiter der Anteil an der kommenden Gottesherrschaft gebunden an Jesu Tod, durch den die neue Heilsordnung der Endzeit verwirklicht wird. Der geschichtliche Jesus bindet also im voraus die kommende Kirche an seinen Tod, der die Sühnkraft des stellvertretenden Leidens und Sterbens
[33] 14) W. Künneth sagt in seiner „Theologie der Auferstehung”, München 1933, S. 182: „Wenn auch die empirischen Vorbedingungen der Kirchenbildung in der Jüngerschaft Jesu und in seinem Handeln vor der Auferstehung liegen, so kann doch weder von einer Stiftung der Kirche durch Jesus noch von einer Gleichsetzung dieser Jüngerschaft mit der Kirche die Rede sein.” Eine Gleichsetzung kommt in der Tat nicht in Frage; ebenso wichtig dürfte es doch sein, den zugleich heils- und realgeschichtlichen Zusammenhang der Jüngerschaft vor mit der Gemeinde nach Ostern herauszuarbeiten, wie es oben versucht wird. Die Stiftung der Kirche durch Jesus |34| liegt weder vor Ostern allein noch in und nach Ostern allein. Es scheint mir den Sachverhalt nicht zu treffen, wenn man in der Jüngerschaft Jesu und seinem Handeln vor der Auferstehung nur „empirische Vorbedingungen der Kirchenbildung” sehen will. Man kann nicht hier ein empirisches und dort ein pneumatisches Wirken Jesu Christi unterscheiden. Nach der synoptischen Überlieferung ist auch das geschichtliche Handeln Jesu ein geistgetragenes, und in der Jüngerberufung, der Beauftragung des Petrus und der Stiftung des Abendmahles handelt Jesus als der Menschensohn in göttlicher Vollmacht, der befiehlt und stiftet wie Gott selber. Was er also vor Ostern an kirchengründenden Akten vollbringen, geschieht schon in der Richtung auf die Vollendung seiner Sendung durch Kreuz und Auferstehung und kann gar nicht als etwas bloß „Empirisches” von der Auferstehung und ihren Wirkungen losgelöst werden.
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vermittelt. Damit ist die Brücke zu der Gemeinde der nachösterlichen Situation geschlagen, welche im Herrenmahl den Tod des Herrn verkündigt, bis daß er kommt (1. Kor. 11, 26). —
Wir kehren nunmehr zurück zu der Aussage, daß Christus der ewige Herr seiner Kirche sei, um im vollen Umfange deutlich werden zu lassen, daß der Stifter- und Stiftungsbegriff christologisch gefaßt werden müssen, nicht geschichtlich und religionsgeschichtlich, wenn sie innerhalb der christlichen Theologie Geltung haben sollen. Das Leben der Kirche ist beherrscht und durchdrungen von dem göttlichen Kyrios, der aber nicht nur der Herr der Gemeinde, sondern zugleich der Herr des ganzen Kosmos und der Weltenrichter ist (Phil. 2, 19 f.; Kol. 1, 15 ff.; Apok. 1, 7; 19, 11 ff.; Matth. 24, 30; 25, 31 ff.). Darum erscheint er auch schon durch die Ordnung seiner Gemeinde als der Herr der ganzen Menschheit; denn in ihr ist kein Unterschied zwischen Griechen und Juden mehr, er ist der Herr aller (Röm. 10, 12 f.; Gal. 3, 28; Apok. 5, 9; 7, 9). So ist die Kirche Christi universal.
Von dem Willen dieses Herrn ist Weg und Arbeit seiner Apostel und Diener abhängig (1. Kor. 4, 19 vgl. 16, 7). Der Kyrios gibt seinen Aposteln die Vollmacht zu ihrem Amt (2. Kor. 10, 8; 13, 10). Dem Herrn dient die ganze Gemeinde mit allen ihren Charismen und Ämtern (Röm. 12, 11; 1. Kor. 12, 5); sie steht am Werke dieses Herrn (1. Kor. 15, 58). Christus ist der Richter über seine Kirche (Apok. 2-3; 1. Kor. 11, 32; 2. Kor. 5, 10). Er wirkt als gegenwärtige Macht in der Gemeinde (1. Kor. 5, 4). Kirche ist nur da, wo das Bekenntnis zu Jesus als dem Herrn ist (Röm. 10, 9; 1. Kor. 12, 3). Sie ist „in dem Herrn Jesus Christus” (1. Thess. 1, 1). So steht Jesus Christus wirklich als der göttliche Kyrios vor uns, der „alle Gewalt” hat, im Himmel und auf Erden (Matth. 28, 18). Diese Gewalt hat er als der Auferweckte und Erhöhte (Phil. 2, 9 ff.; Apg. 2, 36).
Es ist nun sehr wichtig, festzustellen, daß das Johannesevangelium das bisher Gesagte durchaus bestätigt. Seine eigentümliche Art und Bedeutung liegt auch hier darin, daß es in eins zusammenschaut, was nach dem synoptischen und paulinischen Zeugnis getrennt scheinen könnte, und eben dadurch zeigt, daß es nicht getrennt ist. In dem Gleichnis der Schafherde Kap. 10 und dem Bilde vom Weinstock Kap. 15 zeigt uns Johannes auf seine Weise, daß allein der Wille des Herrn die Existenz der Kirche begründet. Die Menschen, die die Kirche bilden, werden allein dadurch zur Gemeinschaft zusammengeschlossen, daß sie diesen Herrn haben. Dem Hirten gehören die
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Schafe; er kennt sie und führt sie, er setzt sein Leben für sie ein. „Daß dieser Herr da ist, macht sie zu seiner Herde.”15) Dementsprechend gilt es vom Weinstock: alle Ranken und Triebe haben von ihm ihr Leben, und „bringen sie Früchte, so wachsen sie aus seiner Kraft.”16)
So gilt denn auch im Johannesevangelium, daß die Herrschaft Christi die Kirche schafft und erhält, des Sohnes, der vom Himmel her gesendet ist und zu seiner Erhöhung und Verherrlichung geht, der als der geschichtlich lebende der ewige Logos ist, der als der leidende und sterbende erfüllt ist von der göttlichen Herrlichkeit.
Die Unabhängigkeit der Kirche von allem Menschenwillen, ihre göttliche Objektivität, kraft deren sie den Menschen als etwas begegnet und gegenübergestellt wird, was Gott geschaffen hat und tut, was durch Menschenkraft wie durch die Macht der übermenschlichen widergöttlichen Gewalten nicht zerstört werden kann, kommt zum Ausdruck in den neutestamentlichen Formeln vom Hause Gottes und vom Tempel Gottes. Gott baut dies Haus, Gott errichtet diesen Tempel, und ihm gehören sie. Schon deswegen darf die „Objektivität” der Kirche nicht mit einer dinglichen, innerweltlichen Gegenständlichkeit und auch nicht mit der innergeschichtlichen Objektivität einer Institution, eines weltlichen Rechts- oder Gemeinschaftsgefüges verwechselt werden. Die Kirche ist vielmehr das „geistliche Haus” (οἶκος πνευματικός 1. Petr. 2, 5). Zu diesem Hause werden die Steine zusammen-, diesem Bau werden sie eingefügt. Aus Gottes und seines Geistes Macht geschieht etwas mit ihnen. Gott baut die Kirche, wir sind die Steine. Das „Objektive” des göttlichen Handelns an uns und das Personale liegt hier gänzlich ineinander, sowohl auf Seiten Gottes als auf Seiten der Menschen, die in das Haus der Kirche hineingebaut werden. Denn alle Steine, die zu dem Bau verwendet werden, sind ja „als Personen gedacht”.17) Es sind „lebendige Steine”. So wird dem falschen Verständnis der Objektivität der Kirche durch die Begriffe des Pneumatischen und des Lebendigen gewehrt. 1. Tim. 3, 15 ist ausdrücklich das „Haus Gottes” mit der „Kirche des lebendigen Gottes” gleichgesetzt. Das Gleichnis vom Hause kann daher in den Sinn, den es auch in der deutschen Sprache hat, hinübergehen, in den Sinn von „Hausgenossenschaft”, „Familie”, die aber vom Hause als einem Ganzen umschlossen bleibt, in dessen Ordnung
[34] 15) Doris Faulhaber, Das
Johannesevangelium und die Kirche, Kassel 1938, S. 49. Wir weisen
nachdrücklich auf diese Schrift hin, die von der joh.
Eschatologie aus das Verständnis der Kirche im Joh. Ev. mit
reichen Ergebnissen entwickelt.
16) a.a.O. S. 50.
17) M. Dibelius zu Eph. 2, 20 in Lietzmanns
Handbuch zum NT.
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jegliches Glied sich einzufügen hat. So sind wir Christen das Heuas des Sohnes, Christi (Hebr. 3, 6).
Dasselbe ist auch von der Kirche als dem Tempel, dem „heiligen Tempel im Herrn” (Eph. 2, 21; vgl. dazu 1. Kor. 3, 16-17) zu sagen. „Wir sind der Tempel des lebendigen Gottes” (2. Kor. 6, 16). Er ist die Wohnstätte des heiligen Geistes. Die Gemeinde wird aufgebaut auf dem Grunde der Apostel und Propheten. Gegenüber allen Einzelnen ist sie eine transzendent-objektive Wirklichkeit, die sich aber personhaft-geschichtlich realisiert erstens durch Christus, sodann durch den Dienst der Ämter, die eingesetzt sind, in der Gemeinschaft konkreter Menschen und als solche Gemeinschaft (Eph. 2, 20-22; 4, 11 f.).
Abgesehen von solchen Formeln, die die ganze Kirche als Gottes
bleibendes Werk charakterisieren, das die einzelnen Glaubenden
umschließt und trägt, ist hier vor allem der
Grundordnung der Kirche zu gedenken, d.h. der Ämter und
Kräfte, die sie zu einer in allem Wandel menschlich-vergänglichen
Wesens bleibenden, unerschütterlichen, objektiven Wirklichkeit
machen. Wir heben aus dieser Grundordnung der Kirche als
entscheidend für ihre Erbauung wie ihre Erhaltung vor allem drei
hervor:
1. das Amt,
2. das Wort,
3. das Sakrament.
An ihnen wird der objektive Stiftungscharakter der Kirche deutlich. Die Kirche empfängt diese Ordnung und diese Kräfte des künftigen Aion von Gott. Sie wird durch sie gebaut, erhalten und zu einer Einheit im Glauben, in der rechten Lehre, in der Liebe, zur Vollkommenheit und Fülle Christi hin erschaffen. So wird es von den Ämtern der Apostel, Propheten, Evangelisten, Hirten und Lehrer Eph. 4, 11 ff. gesagt. Ähnlich zeichnet 1. Kor. 12, 28 ff. die Gliederung des Leibes Christi, der zugleich Einheit in der Vielheit und Vielheit in der Einheit ist, der vornehmere und geringere Glieder umschließt. Hier ist deutliche eine Rangordnung in der Kirche gegeben (12, 28: πρῶτον ἀποστόλους, δεύτερον προφήτας, τρίτον διδασκάλους), und doch kann diese nicht eine Hierarchie in dem Sinne werden, den wir heute mit diesem Wort verbinden; denn diese Rangordnung ist umschlossen von der Einheit des Dienstes (alle Ämter in der Kirche sind διακονία 12, 5) und der Liebe (12, 25-26; 13, 1 ff.). Es gibt in dieser Rangordnung keine Herren, vielmehr stehen alle Ämter unter Gott, dem Herrn und dem Geist und empfangen aus
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dieser Trinität Kraft, Vollmacht und Leben (12, 4-6). Vom Herrn her kommt dem Apostel Geist und Kraft (1. Kor. 2, 3 ff.), vom Herrn her die Autorität des Apostels, als Vater die Gemeinde zu mahnen und zu strafen (1. Kor. 4, 14 ff.), vom Herrn her die Vollmacht zur Erbauung der Gemeinde (2. Kor. 10, 8; 13, 10).
Das Amt der Kirche aber ist gebunden an das Wort. Das Wort ist der Kirche gegeben und gesetzt. Sie darf nicht ein fremdes, anderes Evangelium an seine Stelle bringen (2. Kor. 11, 4; Gal. 1, 6-9). Darum spricht Paulus von der διακονία (2. Kor. 5, 18) oder der οἰκονομία (Kol. 1, 25) an diesem gegebenen Wort. Darum seine Furcht vor jeglicher Verderbung und Verfälschung des Wortes (2. Kor. 2, 17; 4, 2). Gott selbst ist der, der das Wort von der Versöhnung gesetzt hat (2. Kor. 5, 19). Er ermahnt durch die Apostel. Sie reden nur als Gesandte an Christi Statt (2. Kor. 5, 20). Eben mit dem Worte von der Versöhnung ist der Kirche und ihren Amtsträgern das Unveränderliche, das Bleibende gegeben, bleibend nicht im Sinne irdischer Dauer, sondern des Ewigen, das auch in seiner Fleischwerdung und gerade hier das Ewige bleibt. Die Kirche lebt weder von Ideen und Theorien noch von Erlebnissen, sondern von dem gesetzten Wort, das sie auszurichten und weiterzusagen hat. Jesus sendet die Zwölf, das Reich zu verkündigen (Mark. 3, 14 ἀποστέλλειν). Mit der Einsetzung wird die Vollmacht für das Wort vom Reich gegeben: „Verkündigt und sprecht: Nahe herbeigekommen ist die Herrschaft der Himmel” (Matth. 10, 7). Diesen Befehl erneuert der Auferstandene: „Macht zu Jüngern alle Völker . . . und lehret sie halten alles, was ich euch befohlen habe” (Matth. 28, 19-20). Mit dem Auftrag der Verkündigung und der Lehre ist nun die Verheißung der ewigen Gegenwart verbunden: Christus selber ist in der Lehre und im Wort vom Reich;18) nur darum ist das Wort vom Reich objektiver Grund und ewige Kraft der Kirche.
Hier haben wir nun auch zugleich das dritte Element der Objektivität der Kirche in dem Befehl: „Taufet sie!” Die eschatologische Bußtaufe der Bereitung auf das nahe Endgericht (Johannes der Täufer) ist zur Taufe auf Vater, Sohn und Geist geworden, weil sie durch die Auferstehung des Herrn in die neue heilsgeschichtliche Situation nach Ostern hineintritt. Sie ist und bleibt aber auch jetzt das Sakrament des Zutritts zur nahenden Gottesherrschaft, sacramentum initiationis. Dazu kommt das Herrenmahl als zu wiederholende, immer neue Konstitution des Leibes Christi. Die eigentümliche Objektivität
[34] 18) Vgl. auch J. Schniewind a.a.O. z.St.
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der Kirche im Sakrament ist eine zwiefache: sie liegt einmal im mandatum Christi, im Befehl des Herrn, der im Abendmahl noch konkretisiert wird in den Einsetzungsworten, die dies Sakrament zum Heile mächtig machen: „Das ist mein Leib”, sie liegt sodann im Element, in Wasser, Brot und Wein als der kreatürlich-leibhaften Realität der neuen Gnadenordnung. Die Sakramente sind die objektvien Zeichen der Kirche als göttlicher Stiftung, die Anzeichen dafür, daß die Kirche gestiftet ist, und daß ihr Ordnung und Mittel gegeben sind, zu sein, was sie sein soll. „Die Kirche ist nach ihrer objektiven Seite sakramental, d.h. nach Analogie von Taufe und Abendmahl zu verstehen.”19) Das Sakrament legt wie nichts Anderes die heilige Unerschütterlichkeit und Objektivität der Kirche fest. Christus vollzieht in den beiden Sakramenten immer wieder real die Stiftung der Kirche als Verwirklichung der eschatologischen Heilsordnung in neuer Menschengemeinschaft.
Das Amt, das die Versöhnung kündet, das Wort, das dem Amt gegeben ist, das Sakrament, das ihm zum Vollzuge anbefohlen ist, das ist die dreifache Mauer der Gottesburg, von denen jede einzelne wiederum die andere hält und schützt: das Wort schützt das Amt und Sakrament vor Säkularisierung und heidnisch-kultischer Verdinglichung; das Sakrament schützt das Amt und das Wort vor der Verwandlung in einen moralisch-religiös redenden Lehrstand und vor der Rationalisierung; das Amt schützt das Wort und Sakrament, indem es Menschen in den Dienst ruft und ihnen die Vollmacht gibt, Wort und Sakrament zu verwalten. Indem Amt, Wort und Sakrament dem Menschen von „außen” begegnen, indem sie der Gemeinde der Glaubenden eingestiftet sind durch den Willen des Herrn, sind sie notae ecclesia, Merkmale und Zeichen der Kirche in ihrer göttlichen, nicht irdisch-gegenständlichen Objektivität. Außer uns gesetzt in Kraft des Christus extra nos, machen sie die Kirche zur Ordnung und „Anstalt” des Heils.
Hier zeigt sich uns nun der Stiftungscharakter der Kirche von Seiten der Menschen, die zur Kirche zusammengerufen werden und durch das göttliche Heilshandeln in eine neue Lage versetzt sind. Aus der Stiftung der Kirche entsteht die an den Stifterwillen gebundene Gemeinschaft. Als solche ist die Kirche gekennzeichnet durch den Glauben, den Gehorsam und die Liebe. Wir können in
[34] 19) K. Barth, Kirchliche Dogmatik I/2, Zollikon 1938, S. 253, vgl. auch S. 243, 244, 248, 251.
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keiner Weise erschöpfend sagen, was diese Worte im Neuen Testament in sich schließen und bedeuten, sondern haben hier nur hinzuweisen auf die Kennzeichen, die von unserem besonderen Thema aus sichtbar werden.
„Die Kirche ist immer nur dann und da vorhanden, wann und wo auch der Glaube ist. Nicht als ob der Glaube obgleich kirchenbildend, gleichermaßen wie die Gnade und der heilige Geist kirchenerzeugender Faktor wäre, denn auch den Glauben wirkt die Gnade allein. Die Kirche ist vielmehr lediglich ein Werk Christi, aber ein solches, das kirchenschaffend und -bauend nur ist, indem es Glauben schafft und erhält, also ein Gottesbau, den er sich in den gläubigen Persönlichkeiten und aus ihnen erbaut, d.h. sie ist eine göttlich-menschliche Realität, wie ihr Haupt der Gottmensch ist.”20) Der Glaube ist immer Glaube an Christus, an das Evangelium, inhaltlich gebundener, objektiv bestimmter Glaube (Röm. 3, 22. 26; Gal. 2, 16, 20). Der Glaube wird durch das Heilsgeschehen geschaffen und bestimmt; darum ist er der Glaube, daß Gott Jesus von den Toten auferweckt hat, darum ist er eins mit dem Bekennen, daß Jesus der Herr sei (Röm. 10, 9). Ist der Glaube Glaube an diesen Herrn, so kann er auch als Gehorsam bezeichnet werden; er ist die Unterordnung unter und die Anerkennung der neuen in Christus verwirklichten Gottesgerechtigkeit (Röm. 10, 3 vgl. 1, 5; 11, 30; 16, 26).
Aus dem Gehorsam des Glaubens wächst aber der Gehorsam der Taterfüllung des göttlichen Willens, des Halten der Gebote, wie ihn die ganze Bergpredigt verlangt und wie ihn von neuem der auferstandene Kyrios fordert: „Lehret sie halten alles, was ich euch geboten habe” (Matth. 28, 20). Lieben heißt die Gebote Jesu halten (Joh. 14, 15. 21; 15, 10). Die Bewahrung des Wortes Jesu ist Leben (Joh. 8, 51). Die Erwählung der Jüngerschaft hat die Bestimmung, daß die Jünger Frucht bringen; dazu sind sie gesetzt. So sind Christi und der glaubenden, gehorchenden Menschen Tun miteinander verknüpft; in Christi Handeln ist die Forderung und die Möglichkeit des Fruchtbringens eingeschlossen (Joh. 15, 16). Die Jüngerschaft steht unter dem Gebot der Liebe (Joh. 15, 17). Wiederum ist das Halten der Gebote die Bewahrung der Christusgemeinschaft (1. Joh. 2, 3-5; 3, 22. 24). Wer Jesu Werke und Wort bewahrt, empfängt das ewige Leben und die Zugehörigkeit zur Königsherrschaft Gottes (Apok. 2, 26; 3, 8. 10; 12, 17; 14, 12). Die Gebote Gottes, die Werke und das Wort Jesu sind vorgegebene Größen, an die man
[34] 20) Th. Harnack a.a.O. S. 11.
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sich im Gehorsam des Herzens und der Tat (beides in einem ist erst der Gehorsam im biblischen Sinne) zu halten hat, die aber auch gehalten und bewahrt werden können. Diesem Bewahren gilt die eschatologische Verheißung. Die Kirche ist die Schar der τηροῦντες.
Glauben und Gehorsam sind daher nur wirklich in der Bindung an den Nächsten und den Bruder, in der Agape, der Liebe. Die Kirche ist eine Gemeinschaft, die durch gegenseitige Dienstleitungen auferbaut wird, und alle Charismen haben den Sinn die Gemeinde erbauender Dienstleistung in der Demut und sind umschlossen von der höchsten und letzten Geistesgabe der Liebe, ohne welche sie alle wertlos werden, die die einzig vollkommene unter ihnen allen ist (1. Kor. 12-14). Agape ist das Kennzeichen der Jünger Jesu als Liebe untereinander (Joh. 13, 34. 35; 15, 12. 17; 1. Joh. 3, 23). Wenn die Jünger lieben, so bleiben sie damit in der Liebe, mit der sie zuvor geliebt worden sind (Joh. 13, 34 f.; 15, 9. 12). Denn das Erste und Grundlegende ist die Liebe als die Bewegung des Vaters zu dem Sohne und des Sohnes zu den Menschen, die die Seinen sind (vgl. z.B. Joh. 3, 35; 10, 17; 15, 9 u.ö. mit Joh. 13, 1; 14, 21; 15, 9. 13. 17). In der Bruderliebe wird die Wirklichkeit Gottes sichtbar, und Christus lieben heißt einander lieben (vgl. Joh. 14, 15 mit 15, 12). In dem konkreten schlichten Handeln der Liebe realisiert sich die Kirche als Gemeinschaft der von Jesus Geliebten und Erwählten. Aus dem Gebundensein der Jünger von Gott und Christus her entspringt die Bindung der Jünger untereinander. So ist die Kirche der Ort der Agape Gottes, und ,,Liebe ist das Sein in der Kirche”.21) Wie die Stiftung der Kirche das Werk der Gottesliebe ist — die Christen sind ja die Gottgeliebten, die Erwählten und Geliebten, die vom Herrn geliebten Brüder (Röm. 1, 7; Kol. 3, 12; 2. Thess. 2, 13 vgl. Röm. 5, 8) — so ist nun die Kirche von der Gottesgabe dieser Liebe ganz erfüllt (Röm. 5, 5) und wird auferbaut in der Liebe (Eph. 4, 16; 1. Kor. 8, 1).
So sind Glaube, Gehorsam und Liebe die Zeichen der von Gott in Christus gestifteten Kirche als gebundener Gemeinschaft. Damit ist ebensosehr aller fromme Individualismus als auch das Untergehen der Person in irgendeinem Kollektivismus oder einer dinglich-institutionellen Objektivität ausgeschlossen. Wieder ist damit ein Punkt erreicht, an dem der Stiftungsbegriff in seiner theologischen Verwendung innerhalb der Lehre von der Kirche vom Neuen Testament her gegen ein bloß geschichtliches, bloß rechtliches und institutionalistisches Mißverständnis gesichert werden mußte und konnte.
[34] 21) So D. Faulhaber a.a.O. S. 38. Wir folgen in den Sätzen über das Johannesevangelium ihren wichtigen Ausführungen S. 36 ff., ohne hier diesen wie überhaupt dem Kirchenbegriff des Joh. gerecht werden zu können.