Vorwort
1958
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Vom 3. bis 5. März 1958 tagte zum erstenmal ein Arbeitsausschuß des Comenius-Instituts, der sich aus Fachvertretern der Jurisprudenz, der Theologie und Pädagogik zusammensetzte. Ihm war die Aufgabe gestellt, sich vom evangelisch-protestantischen Standpunkt aus mit den Problemen des Elternrechts auseinanderzusetzen und zunächst eine rechtsphilosophische und positiv-rechtliche sowie eine evangelisch-theologische Grundlegung zu erarbeiten.
In den Diskussionen der genannten Tagung stellte sich heraus, daß die Frage nach dem Elternrecht und nach seiner praktischen Ausgestaltung in eine vielschichtige Problematik führt, deren Erörterung notwendig wird, wenn der Gesamtfragenbereich richtig gesehen werden soll in seiner Beziehung zu Aufgaben, die sich ergeben aus unserer heutigen Staats- und Gesellschaftssituation, aus der faktischen Lage, Aufgabe und Möglichkeit unserer Familien und Familienerziehung, aus der gegenwärtigen Bildungs- und Erziehungssituation, aus Problemen des Schulwesens und der Schulwirklichkeit heute, aus der pädagogischen, gesellschaftlich-sozialen und geistig-kulturellen Situation des Lehrers in der Gegenwart usw. Es zeigte sich also, daß die Komponenten und teilweise auch Kontrahenten: Staat, Gesellschaft — Eltern, Familie, Kind — Schule, Lehrerschaft — Erziehung, Bildung, Kultur — Wirtschafts-, Berufs- und Sozialleben — Weltanschauung, Konfession, Kirchen — bei einer umfassenden und adäquaten Beschäftigung mit dem Problem des Elternrechts nicht unberücksichtigt bleiben können. Dabei obliegt dem Teilnehmerkreis die besondere Aufgabe, eine evangelisch-protestantische Stellungnahme, wie sie heutigen theologisch-kirchlichen Erkenntnissen entspricht, innerhalb des gesamten aufgewiesenen Fragenbereichs wie speziell zum Elternrechtsproblem deutlich zu machen und in aller einstweilen nur erreichbaren Vorläufigkeit und Unabgeschlossenheit zu formulieren. Dies erscheint um so wichtiger, weil die Tagungsteilnehmer — wie die Aussprachen ergeben haben — der Ansicht waren, daß eine bewußte evangelische Stellungnahme zur Elternrechtsfrage — die für das Elternrecht nur eintreten kann um des Menschen willen, zur Stärkung der Familie und zur Hilfe für den Lehrer und nicht zur Sicherung und Wahrung ihres kirchlichen Bestandes, bzw. zur Durchsetzung kirchlich-konfessioneller Machtansprüche — wesentlich dazu beitragen könnte, die Diskussion um das Elternrecht zu entspannen und sie von geschichtlich entstandenen Vorurteilen und Belastungen zu befreien.
Die Arbeit der Elternrechtskommission des Comenius-Instituts wird mit der Erörterung von Einzelproblemen aus dem oben angegebenen Fragenbereich fortgesetzt. Sie kann deshalb noch in keiner Weise als abgeschlossen betrachtet werden. Trotzdem ist beschlossen worden, die beiden Hauptreferate, die anläßlich der ersten Tagung gehalten wurden, u. zw. das juristische von E. Stein und das theologische von W. Joest, bereits jetzt zu veröffentlichen und
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hiermit als Material- sowie als Diskussionsgrundlage für anderweitige Beschäftigungen mit dem Problem vorzulegen. Dabei bleibt vorbehalten, daß das Comenius-Institut zu einem späteren Zeitpunkt weitere Arbeitsergebnisse seiner Elternrechtskommission folgen läßt.
Der Beitrag von H. Dombois, der diesem Sammelband eingefügt wurde, ist ursprünglich für die Vollversammlung des Lutherischen Weltbundes in Minneapolis verfaßt worden. Er steht außerdem in enger Beziehung zu den Untersuchungen, die von der Eherechts- und sog. Institutionskommission des Christophorus-Stiftes, Forschungsstätte der evg. Studiengemeinschaft, durchgeführt werden. Seine Berührungen mit der Thematik und den Fragestellungen des Arbeitsausschusses des Comenius-Instituts liegen jedoch auf der Hand, so daß in seinen Ausführungen von einem anderen Blickpunkt aus ebenfalls u.E. wichtige Fragestellungen, Diskussionspunkte sowie Lösungsvorschläge in Sicht kommen.
Münster, Juni 1958
Comenius-Institut
i. A.: Ingeborg Röbbelen