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Vorwort.

Die folgenden Abhandlungen sollen die Einleitung zu einer größeren Schrift bilden, die unter dem Titel „Der organische Gedanke in Calvins Lehren von Staat und Kirche” zum Beginn des nächsten Jahres erscheinen soll. Hier wird die Darstellung des calvinischen Rechtssystems zum Abschluß kommen. Wenn aber schon jetzt die vorliegenden vier Aufsätze vorausgeschickt werden, so geschieht es einmal aus praktischen Gründen, da die Themata in der beabsichtigten Schrift gar nicht oder wenigstens nicht in der notwendigen Ausführlichkeit behandelt werden können; vor allem aber aus der Erwägung heraus, daß die hier erörterten Teilfragen (die Stellung Calvins zu dem bekanntlich die moderne Rechtsphilosophie stark beschäftigenden Problem des Naturrechtes und seines Verhältnisses zum positiven Recht; die Bedeutung Calvins in der Entwickelung des Widerstandsrechtes) eine erschöpfende, empfindliche Lücken in der bisherigen Calvin-Literatur ausfüllende Darstellung gebieterisch verlangen. Die scheinbar lose sich anschließende vierte Studie über die von der Wissenschaft nur flüchtig beachtete Reform des Zivilprozeßrechtes in Genf durch Calvin hängt, wie der Leser merken wird, innerlich mit den vorhergehenden zusammen. Sie alle wollen nicht zuletzt einschärfen, daß die anerkannten, in erster Linie der urtümlichen religiösen Bewegkraft des Reformators entsprungenen Leistungen auf dem kirchlichen und staatlichen Gebiet ihre Fortdauer und Fernwirkung nicht bloß seinem viel bemerkten Organisationstalent verdanken, sondern daß seine sammelnde und organisierende Tätigkeit restlos verstanden werden kann, wenn man die bekannte, aber vielfach wenig gewürdigte Tatsache im Auge behält, daß der Reformator des Kirchen- und Staatswesens in Genf einst Hörer der berühmten Juristenschulen von Bourges und Orleans gewesen war, daß man den Organisator Calvin von dem Juristen Calvin nicht trennen kann.

Wien, im August 1934,

J. Bohatec.