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Kapitel III
Konfirmation

 

Die Einführung der evangelischen Konfirmation durch die Ziegenhainer Zuchtordnung ist ein besonderes Ruhmesblatt in der Geschichte der hessischen Kirche. Das Formular, das die Kasseler Kirchenordnung dafür geschaffen hat, liegt direkt oder indirekt allen späteren evangelischen Agenden in Deutschland und darüber hinaus zugrunde. Und Butzer, der eigentliche Schöpfer der beiden hessischen Ordnungen, trägt darum mit Recht den Ehrennamen eines Vaters der evangelischen Konfirmation.

Das ist freilich gegenwärtig nicht nur ein Ehrenname. Es wird heute viel von einer Konfirmationsnot geredet. Die Besinnung auf die Ursachen dieser Not hat auch Butzers ursprüngliche Schöpfung in ein grelles Scheinwerferlicht der Kritik treten lassen. Hierbei sollen sich seine Konzessionen an den Geist der Sekte und seine katholisierenden Neigungen besonders peinlich offenbaren: das Konfirmationsgelübde als Erneuerung des Taufgelübdes soll die Kindertaufe entwerten; das Versprechen der Unterwerfung unter die Kirchenzucht soll eine Verrechtlichung des Kirchenbegriffs wie in der täuferischen Freiwilligkeitskirche oder wie in der römischen Anstaltskirche zur Voraussetzung haben; die exhibitive Einsegnungsformel: „Nimm hin den heiligen Geist” soll den Charakter des katholischen Sakramentalismus an sich tragen.

Die meisten dieser Vorwürfe sind nicht völlig neu, sondern sind schon im 16. Jahrhundert erhoben worden. Damals aber richteten sie sich nicht gegen Butzer, sondern gegen den Konfirmationsentwurf des Erasmus. Von ihm ist der Straßburger Reformator in entscheidenden Stücken abhängig. Gegen den Humanistenkönig, dessen Januskopf am Anfang der Geschichte von Reformation und Gegenreformation steht, und auf den sich in gleicher Weise auch das moderne überkonfessionelle Individualchristentum als seinen Patron berufen kann, ist also von nun an die Kritik zu richten, die man bisher gegen Butzer geschleudert hat.

Dabei ist der Elsässer nicht einmal in allen Stücken dem erasmischen Konfirmationsprogramm verhaftet geblieben, sondern hat schon ein gut Teil Kritik an ihm geleistet. Wie in seiner ganzen Theologie, so hat er auch in dieser Einzelfrage das Erbe des Erasmus unter Luthers Einfluß umgestaltet, das humanistische Gedankengut in dem von Luther empfangenen Feuer umgeschmolzen. Er hat selbst von sich einmal in jungen Jahren gesagt, er sei Martinianer und Erasmianer zugleich. So muß auch seine

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Schöpfung, die hessische Konfirmation, als eine Synthese zwischen lutherischem und humanistischem Geiste verstanden und die heutige Konfirmationsnot von der Erkenntnis aus gewürdigt werden, daß jene Synthese sich nicht mehr als haltbar erweist.

Erasmus hat seinen grundlegenden Gedanken über die Konfirmation, die bis heute fast völlig übersehen worden sind, einen weithin sichtbaren Platz in seinem Lebenswerk gegeben. Sie finden sich ausgesprochen in einem Nachwort zu seinen Paragrafen zum Matthäusevangelium von 1522, unmittelbar im Anschluß an den Widmungsbrief, den er an Karl V. gerichtet hat1). Sie stehen damit am Eingang des großen, alle neutestamentlichen Bücher umfassenden Kommentarwerks, das wohl die theologisch bedeutsamste und wirksamste Schrift des älteren Erasmus gewesen ist. Wir finden diese Gegenwartsbibel des 16. Jahrhunderts in fast allen damaligen Bibliotheken; bis ins 18. hinein hat sie unermeßliche Wirkungen ausgelöst.

Der Aufriß des erasmischen Konfirmationsentwurfes ist folgender: In der Fastenzeit sollen tägliche Katechismuspredigten gehalten werden; für die heranwachsende Jugend ist die Teilnahme obligatorisch. Am Schluß


1) Das Nachwort zur Matthäusparaphrase — daß es kein Vorwort sei, hat Erasmus selbst betont (Cler. IX, 822 E) — bildet wohl die feurigste Verteidigung des freien bürgerlichen Christentums und der Laienbibel, die wir von Erasmus besitzen; hier begründet das mündig gewordene fromme Laienchristentum des ausgehenden Mittelalters sein Recht für die kommenden Jahrhunderte. Die frommen Frauen, ja der zwölfjährige Jesus selbst, der fragend und bekennend vor der Schriftgelehrten seines Volkes die Wahrheit der Schrift erforscht, sind die Urbilder dieses Christentums.
Ich gebe im folgenden die Ausführungen des Erasmus im Zusammenhang, soweit sie sich auf die Konfirmationshandlung beziehen (die begleitenden Reflexionen kommen später zu Worte), nach der von Friedrich Sigismund Augustin besorgten dreibändigen (besten) Ausgabe der Paraphrasen von 1777/80 und füge Band und Seite der Leydener Ausgabe in Klammern bei.
Erasmus hat (Augustin I, XXVI = Cler. VII, S. VI, Abs. 2) gegen den volkstümlichen Mißbrauch des risus Paschalis gekämpft — Oekolampad ist ihm bald in dieser Polemik gefolgt — und statt dessen für die Fastenzeit eine planmäßige Volksunterweisung durch tägliche Predigten gefordert. A.a.O.: Quin et illud mihi videtur non mediocriter ad hanc rem conducturum, si pueri baptizati, quum iam ad pubertatem pervenerint, iubeantur huiusmodi concionibus adesse, in quibus illis dilucide declaretur, quid in se constineat professio baptismi. Deinde diligenter privatim examinentur a probis viris (diese Konfirmationspaten, wie das römische Ritual sie vorsah, haben also eine ähnliche Stellung, wie sie den Ältesten nach ZZO und KKO zukommt), satisne teneant ac meminerint ea quae docuit sacerdos. Si compeerientur satis tenere, interrogentur, ratumne habeant, quod susceptores illorum nomine polliciti sunt in baptismo. Si respondeant se ratum habere, tum publice renovetur ea professio, simul congregatis aequalibus, idque ceremoniis gravibus, aptis, castis, seriis ac magnificis, quaeque deceant eam professionem, qua nulla potest esse sanctior. Wörtlich wiederholt 1526 in der Verteidigungsschrift gegen den Pariser Theologen Bedda, Cler. IX, 457 f.

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wird durch eine nicht öffentliche Prüfung festgestellt, wie viele sich den Inhalt des Taufbekenntnisses richtig angeeignet haben. Wer unter ihnen willig ist, die Pflichten auf sich zu nehmen, die das Taufgelübde ihm auferlegt, wird zu dessen öffentlicher Erneuerung zugelassen. In dieser Handlung erblickt Erasmus den eigentlichen Inhalt des bisherigen Firmelungssakramentes. So feierlich wie möglich, unter Wahrung des ganzen bisher gebräuchlichen Zeremoniells, soll sie vonstatten gehen. Dadurch, daß allein der Bischof sie vollziehen darf, wird ihr Ansehen noch mehr gesteigert.

Trotzdem ist diese Reformfirmelung kein Sakrament mehr. Das haben die altgläubigen Gegner des Erasmus klar erkannt; und er selbst meidet auch offensichtlich diese Bezeichnung. Gelegentlich einmal nennt er sie eine sakramentliche Zeremonie und vergleicht sie mit anderen Weihehandlungen wie der Wasserweihe2). Andererseits steht er doch noch im Banne des herkömmlichen sakramentalen Denkens3). Die Handauflegung


2) Gegen Bedda a.a.O. 559 B.
3) Gegen Bedda zusammenfassend zur Konfirmationsfrage a.a.O. 560 D: Ostendi me nihil secus sentire vel docere de Sacramentis quam tradit Romana Ecclesia, sed tantum de erudiendis in fide rudibus dedi consilium. Dem Vorwurf der Gegner, er habe mit seiner Konfirmationshandlung ein neues Sakrament einführen wollen, begegnet er in demselben Zusammenhang mit dem Hinweis auf die altkirchliche Skrutinienpraxis, die er nur wieder aufgenommen habe. Hier in dem altkirchlichen Vorbild bzw. in der Art, wie ein christlicher Humanist diese auf sich wirken ließ, liegt die Wurzel der erasmischen Konfirmationsanschauung, so sehr auch Anregungen aus der Praxis der böhmischen Brüder mit beteiligt gewesen sein mögen. Sie sind sogar infolge des propagandistischen Eifers, mit dem die Brüder Beziehungen zu dem Führer des deutschen Humanismus erstrebten, wahrscheinlich, wenn auch die Konfirmation in den bei J.Th. Müller I, S. 392 ff. angegebenen Quellen nicht ausdrücklich erwähnt wird.
Bei den Böhmen findet sich die Konfirmation in doppelter Form: als Ergänzung der Kindertaufe und als Ersatz der römischen Firmelung. Die erste Form findet ihre Begründung in der Taufanschauung der Brüder, wonach willentliche und bekenntnismäßige Annahme des Glaubens die Heilswirksamkeit der Taufe bedingen; an sich gilt sie nur als Akt der Aufnahme in die Gemeinde. Diese Auffassung hängt aufs engste mit den leidenschaftlichen Erörterungen über den Sakramentsbegriff zusammen, die den Hussitismus so mannigfaltig zerspalteten; schon bei Peter Chelčický (✝ 1460) ist sie nachweisbar. Nach Lukas von Prag (✝ 1528), dem Organisator der Böhmischen Brüder, unter dem der theologische Austausch mit Luther eröffnet wurde, besteht die Konfirmation in einem durch Handschlag erfolgenden Treuegelöbnis der herangewachsenen Kinder; durch Handauflegung wird daraufhin deren Taufe mit allen Rechten und Pflichten bestätigt; es folgt schließlich — abermals durch Handschlag — Aufnahme in die volle Sakramentsgemeinschaft und Erstkommunion.
Daneben bleibt die Firmelung bestehen als „Bestätigung zur Ritterschaft des Glaubens und zur Hoffnung, die selige Krone zu erlangen”, jedoch finden sich auch beide Formen in eine verschmolzen (Joseph Th. Müller: Gesch. der böhm. Brüder I, 1922, S. 204 ff., 477 ff., über die Firmelung S. 375, 486).
Für Lukas von Prag gehört die Handauflegung zu den Sakramenten, und zwar steht sie auf der Wertskala der „dienlichen” Seinsweisen Christi unter der Taufe, aber über dem Abendmahl (E. Peschke: Die Theologie der böhm. Brüder ➝

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ist ihm eine Übertragung heiligender und segnender Kräfte, wobei er freilich die Frage offen läßt, ob sie durch den äußeren Ritus oder durch das begleitende Gebet oder durch das Zusammenwirken beider Momente zustande komme4). Offenbar aber ist Erasmus möglichst bemüht, den sakramentalen Charakter der von ihm vorgeschlagenen Handlung zurücktreten zu lassen. Nur so kann er ja dem Verdachte entgehen, einen Ersatz für die Kindertaufe, gleichsam eine zweite Taufe, anzubieten. Dagegen


➝ in ihrer Frühzeit I. Das Abendmahl. 1935. S. 277). Auffällig ist, daß die Konfirmation und mit ihr die Lehre von der Ergänzungsbedürftigkeit der Taufe in der Zeit zurücktritt, in der die lutherische Theologie auf die Brüder besonderen Einfluß ausübte: „Die Apologie (1532/38) erwähnt zwar noch die Konfirmation, aber ohne sie irgendwo zu begründen. In der Konfession von 1535 fehlt sie und erscheint erst wieder in der von 1561/64” (Jos. Müller, a.a.O. III, 1931, S. 300).
Anfänglich wird sie (nach der Juli oder August 1503 entstandenen, König Wladislaus von Ungarn überreichten Oratio excusatoria; vgl. I. Palmov: Bratja cesskie v svoich konfessijach II, Prag 1904, S. 15) folgendermaßen begründet: Fide ex divinis scripturis sumpta profitemur temporibus apostolorum istud observatum fuisse: quicunque in pubescentiae annis promissa donorum Spiritus sancti non acceperunt, huiusmodi per orationem manusque impositionem in fidei confirmationem suscipiebant. Eadem quoque de infantibus sentimus: quicunque baptizatus ad veram accesserit fidem, quam imitari re ipsa in adversitatibus et contumeliis proposuerit, hac ipsa ratione, ut nova regeneratio in spiritu eius, vitaque gratiarum revelata videatur, talis ad episcopum aut sacerdotem duci statuique debet, qui interrogatus de fidei veritatibus praeceptisque divinis simulque voluntate bona, intentione stabili, ac veritatis operibus illa omnia sic se habere fatendo testabitur; talis confirmandus est in spe veritatis consecutae, denique orationibus ecclesiarum iuvandus est, quatenus ei incrementum munerum Spiritus sancti ad stabilitatem militiamque fidei accedat. Manus postremo impositione ad firmanda promissa Dei veritatisque habitae in virtute nominis Patris et Verbi eius flatus quoque almi ecclesiae societur.”
Lehrreich ist an dieser Begründung vor allem, daß die Spendung der Konfirmation das Sichtbarwerden der Geistesgaben, die irgendwie mit der Taufe zusammenhängend gedacht werden, zur Voraussetzung hat, und daß durch Handauflegung und Gebet nicht etwa neue geistliche Kräfte mitgeteilt, sondern nur („in spe veritatis consecutae”) angewünscht werden: Die Rationalisierung des Sakramentes ist bereits in vollem Gange; sie wird schon — ein Anfang moderner geschichtlicher Betrachtungsweise — ins N.T. zurückgetragen und aus ihm begründet. An Geschichtsbild und Sakramentsanschauung der böhm. Brüder konnte also der spätere deutsche Humanismus ohne weiteres anknüpfen. Wie auf jener Stufe ihrer Entwicklung sich der Einfluß des auf Kaiser Karl IV. und seinen Kreis zurückgehenden böhmischen Humanismus geltend macht, ergibt sich sehr instruktiv aus Peschkes oben genannter Untersuchung.
4) Die Weihe der 7 Diakonen durch Handauflegung nach Apg. 6 6 wird (Augustin III, 78 = Cler. VII, 690 D) in gut katholischer Weise als sakramentale Übertragung der Amtsgnade verstanden und dabei der sakramentale Charakter der altchristlichen Tischgemeinschaft, der der Dienst der Diakonen gilt, hervorgehoben. Zu Hebr. 6 1 f. wird (Aug. III, 952 = Cler. VII, 1174 D) der Taufe die negative Reinigung von den Sünden, der Handauflegung die positive Ausstattung mit den Gaben des Heiligen Geistes zugeschrieben. ➝

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ist das Moment subjektiver Rührung stark hervorgehoben, wie es nur je später in Pietismus und Aufklärung geschehen ist5)

Dabei liegt aller Nachdruck auf der Erneuerung des Taufbekenntnisses, speziell der Absage an Welt und Teufel. Sie bildet das heiligste Stück der ganzen Handlung und kann garnicht nachdrücklich genug gestaltet werden6). Nicht müde wird Erasmus, ihre heilsamen Folgen auszumalen: der ganze Stand der christlichen Bildung wird sich heben. Die Alten werden alljährlich an ihre Taufverpflichtung erinnert. Und die Jungen empfangen einen Ansporn, sich ihr Taufbekenntnis gewissenhaft anzueignen. Die sittliche


➝ Bei der Kindersegnung von Mk. 10 16 freilich wird (Aug. I, 455 = Cler. VII, 234 C) die Wirkung der Fürbitte Christi besonders hervorgehoben: Quoque magis commendaret omnibus simplicem innocentiam, complexus est singulos et impositis unicuique manibus suis, bene precatus est illis, docens idiotas et imperitos aut quamlibet humiles et abiectos iuxta mundum non esse fastidiendos episcopis, sed omnibus modis fovendos, donec proficiant ad meliora. Rogandus autem inprimis Dominus Jesus ut dignetur illis manus suas imponere beneque ominari. Dabit ille parvulis astutiam qua vitent diaboli laqueos, dabit infantibus linguam, ut ex ore infantium et lactentium perficiatur laus Dei. Im Blick auf die erasmische Konfirmation beachte besonders die Betonung der subjektiven Bekenntnisfreudigkeit als Wirkung dere Handauflegung.
Ganz massiv magisch ist dagegen die Auslegung derselben Geschichte in der Matthäusparaphrase (Augustin I 203 = Cler. VII, 104 D): Adducti sunt igitur parvuli ad Jesum et ille imposuit illis manus, sacri corporis contactu virtutem oecultam infundens puellis, ob simplicem parentum fidem.
5) Es ist für die Ideengeschichte der Sentimentalität im abendländischen Kulturkreise nicht ohne Bedeutung, daß es nach Erasmus die Initiationsriten der Mönchsweihe sind, die die Tränenströme der Zuschauer hervorbrechen lassen. Wieviel rührender aber ist die Konfirmation, wirksamer noch als die geistlichen Schauspiele, die das Mittelalter in seinen Kirchen feierte! Hier übergibt man sich nicht einem Ordensheiligen wie Benedikt oder Franz; hier empfängt man die Weihe zum Laienchristentums und tritt unmittelbar in den Dienst des höchsten Königs. Welch wundersames Schauspiel, die Jünglingsscharen der schlechten Welt mit ihren Lüsten absagen zu hören und von neuem das weiße Unschuldsgewand, das sie in der Taufe empfangen haben, anziehen zu sehen! (Augustin I, XXVII f. = Cler. VII, S. VI Schluß von Abs. 2).
6) Dabei liegt auf dem Bewußtwerden der Taufgnade der Hauptnachdruck. Erst dadurch kann sie wirksam werden (gegen Bedda, Cler. IX, 558 D/E): Posteaquam autem ventum est ad aetatem adultam, quid refert esse baptizatum, si nesciat quid sit baptismus, aut quae sit professio hominis Christiani? Atqui hoc baptizatorum hominum genere Mundus est plenus, praesertim in agris. Horum saluti velle consulere pietatis est, non temeritatis. In diesem Sinne ist dann die erasmische Konfirmation eine „instauratio quaedam et repraesentatio pristini baptismi”, ähnlich wie die tägliche Besprengung mit Weihwasser eine Tauferinnerung darstellt (Augustin I, XXVIII = Cler. VII, S. VI Anfang von Abs. 3).
Genau so wichtig aber wie die bewußte Bejahung des Inhaltes des Taufbekenntnisses ist die willentliche Bindung an die darin gegebene sittliche Norm. Hier liegt die zweite Bedeutung der Erneuerung des Taufgelübdes in der erasmischen Konfirmation; erst so schafft sie wirklich die ➝

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Verantwortung, die mit dem Empfang des Taufsakraments von Eltern und Kindern übernommen wird, ist aufs stärkste hervorgehoben7).

So ist für Erasmus der pädagogische Nutzen das entscheidende Motiv, das ihn zu seinem Konfirmationsvorschlag bestimmt. Es handelt sich für ihn um eine katechetische, nicht um eine sakramentale Handlung. Von ihrer Einführung verspricht er sich die Erneuerung des Katechumenats. Maßgebend ist


➝ Gemeinde der wahren Christen (Cler. IX, 1061 A/B; in der Verteidigung gegen die spanischen Mönche): Ut paucis rem absolvam, Christiani generali nomine dicuntur, quicunque baptizati sunt, ut haec vox complectatur etiam haereticos et apostatas et parricidas; sed vere Christiani sunt, qui sacramento respondent innovatione vitae.
Freilich werden diese subjektiven Elemente des Konfirmationsgelübdes immer wieder überschattet durch die objektiv-sakramentale Bedeutung der erasmischen Konfirmation: a.a.O. 1061 C: Non igitur hic quaeritur, an puer baptizatus sit vere Christianus, sed confertur initium hoc ad reliquos gradus. Quod si puero baptizato nihil potest accedere, cur post instituitur aliisque sacramentis munitur ad perfectum Christianismum? 1061 D: In adultis autem baptismus non est perfectus Christianismus, nisi praeter baptismum accipiant sacramenti gratiam, sed initium ac rudimentum Christianismi. Man gewahrt hier übrigens, daß die Kritik des Erasmus an der herkömmlichen Taufpraxis der Kirche sich auf scholastischen Voraussetzungen aufbaut, von der der Wiedertäufer also grundsätzlich geschieden ist. Dementsprechend wäre es falsch, seinen Konfirmationsentwurf aus täuferischen Einflüssen zu erklären.
Intellektualistisch-moralistisches und sakramentales Verständnis der Taufe sind bei Erasmus keine Gegensätze, sondern verbinden sich für ihn in der Tatsache, daß die sakramentale Gnade nur dort wirksam ist, wo sie verstanden und in Willensimpulse umgesetzt wird (vgl. im Blick auf Taufe und Konfirmation a.a.O. 1061 f.). Insofern ist seine Konfirmation eine Reformfirmelung. Entscheidend ist für ihn jedoch niemals das sakramentale Zeremoniell, sondern der katechetische Akt und seine Folgen. Erasmus ist der Begründer der katechetischen Konfirmation; und wer sie für eine notwendige kirchliche Handlung hält oder an ihr Kritik übt, muß sich mit dem großen Humanisten auseinandersetzen. Das überlieferte Firmelungssakrament nimmt er zum Anlaß, ihre Einführung zu erzwingen. So lautet sein letztes zusammenfassendes Wort in der Konfirmationsfrage a.a.O. 1062 A B: Non enim nec illic nec usquam agitur de iterando baptismo, quae cogitatio mihi ne per somnium quidem unquam venit in mentem, sed de catechismo renovando vel faciendo potius. Nam infantes hodie sine vero catechismo baptizantur. — Nec tamen haec doceo, sed propono Episcopis et Pastoribus consideranda, an haec aut simile quippiam expediat fieri. Catechismus est necessarius; si qua commodior est ratio, sit admonitio mea somnium.
7) In der Tat erwartete Erasmus die Wiederherstellung des ursprünglichen Christentums im Sinne des Renaissanceideals von der Einführung seiner Konfirmation: Quid enim sunt humanae professiones nisi simulachra quaedam huius sanctissimae professionis, hoc est, revocamenta quaedam christianismi prolapsi ad mundum?" (Augustin I, XXVII = Cler. VII, S. VI Abs. 2). (Ein neues Geschlecht von Christen entsteht (Augustin I, XXVIII = Cler. VII, S. VI, Schluß von Abs. 2): Haec si fierent quemadmodum oporteret, aut ego fallor aut haberemus aliquanto sinceriores christianos quam habemus. A. a. O. XXIX (= Cler. VII, S. VI unten); Huiusmodi rudimentis qui fuerint instituti, non venient omnino rudes ad lectionem sacrorum voluminum. Nunc multi sunt quinquagenarii, qui nesciant quid voverint in baptismo, qui ne somniarint quidem, quid sibi velint articuli fidei, quid precatio dominica, quid ecclesiae sacramenta. ➝

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ihm dafür das Beispiel der Alten Kirche,8) deren missionarische Kraft er ihren pädagogischen Bemühungen zuschreibt. Dieselben Wirkungen erwartet auch er von der Unterweisung in der christlichen Philosophie durch die Wiederaufrichtung der christlichen Katechese.

Das Lehrbekenntnis bildet für ihn den Mittelpunkt derselben. Die Rezitation des Apostolikums genügt ihm dafür ebenso wie dem ganzen 16. Jahrhundert. Den Verdacht ernst zu nehmen, es könne hinter ihr jemand seine innere Ablehnung heuchlerisch verbergen, dazu war die Zeit seelisch noch nicht differenziert genug. Dagegen gehören für Erasmus alle sakramentalen Gebräuche des überlieferten Firmelungsritus eigentlich nicht zur


➝ Hoc ita esse saepenumero deprehendimus, vel ex familiaribus colloquiis vel ex arcanis confessionibus. Sed hoc magis deplorandum, quod plerique sacerdotes huismodi sumus, ut nunquam serio cogitaverimus quid sit esse vere christianum.
In der Verteidigung gegen die Ketzerrichterei der Sorbonne betont Erasmus den kirchlichen Nutzen der von ihm vorgeschlagenen pädagogischen Maßnahme. Sie wird sich wirksamer erweisen als die gewaltsame Strenge, mit der man vonseiten der Inquisition den kirchlichen Abfall unterdrücken will (Cler. IX, 821 B): Sperabam autem, si Praesulum auctoritate renovaretur catechismus in adultis, et post cognitam Euangelicam philosophiam renovaretur professio, fore ut plures haberet Ecclesia germaneque vereque Christianos. Id autem videbatur melius successurum, si ducerentur homines magis quam cogerentur. Fides enim persuaderi gaudet potius quam compelli. Ad haec sperabam Catechistarum vigilantia adiuvante Christo nullos aut certe quam paucissimos fore qui resilirent, de quibus expendendum proponebam, an expediret non statim tradere externo iudici, sed monitis, hortatibus, pudore ac remediis pro Christiana charitate lenioribus provocare, donec ex animo profiterentur. Nec interim essent liberi a severitate legum prineipalium, si aut blasphemias evomerent in Christum aut alios ad defectionem sollicitarent aut nostram Religionem petulantius incesserent. Postremo non disputabam de tollenda lege, sed de moderando legis usu.
Man sieht: die in der christlichen Konfirmation gipfelnde kirchliche Unterweisung foll an die Stelle des bisherigen Inquisitionsverfahrens treten; den äußerlichen Schutz des Christentums soll der Staat übernehmen. Die Differenz zwischen Erasmus und seinen Gegnern liegt in der Frage beschlossen, wie weit die von ihm empfohlene pädagogische Milde eine kirchliche Zucht noch möglich mache: auch von humanistischer Seite stößt man im Zusammenhang mit der Konfirmation auf das Problem der Kirchenzucht.
Erst die pädagogische Maßnahmen, die in der Konfirmationshandlung gipfeln verleihen der Taufe ihre rechte Wirkung (gegen Bedda, Cler. IX, 559 B), Si docentur baptizandi, multo diligentius docendi sunt qui baptismum hoc aetatis acceperunt, quo nondum erant dociles, ne baptismus illis cedat in cumulum damnationis. Vgl. das Zitat oben S. 47 Anm. 6, Abs. 1.
Darum schlägt Erasmus folgende liturgische Anrede an die Konfirmanden vor (Cler. IX, 560 A): Baptismus semel datus non iteratur, sed ceremoniis his reducimus vobis in memoriam ut intelligatis, quid sit actum in baptismo et quid illa sibi velint. Proficite in his rudimentis fidei, quae didicistis, nolite denuo pollui vitiis, quae semel in baptismo condonata sunt, servate vestem animae candidam, ut ex tironibus facti robusti milites Christi perveniatis ad acternae vitae triumphum.
8) Vgl. S. 45 Anm. 3, Abs. 1.

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Sache. Wo man daher später in der lutherischen Kirche sowohl wie in der reformierten bloß bei einer katechetischen Konfirmation stehen blieb, ist man mit keinem Schritt über die von Erasmus aufgezeichneten Rahmen hinausgekommen.

Wie sind nun seine Vorschläge historisch zu beurteilen? Sie sind der typische Ausdruck für jenes erasmische Übergangschristentum, das sowohl nach der Reformation wie nach der Aufklärung hinüberzuschillern vermochte; das stolz darauf war, den Bruch mit dem Sakramentalismus der Vergangenheit vollzogen zu haben, ohne ihn jedoch innerlich überwinden zu können. Die christliche Philosophie des großen Gelehrten wehrt ich gegen ein Christentum, das, unwissend und unsittlich in sich selbst, sich bloß auf den rituellen Vollzug äußerer Handlungen stützt. Der Kenner antiker Frömmigkeit will dem Christentum seiner Zeit apostolische Reinheit und die Überzeugungskraft der urchristlichen Märtyrer wiedergewinnen. Der moderne Mensch in Erasmus erstrebt ein persönliches Christentum in freier Entscheidung und eigener Verantwortung. Der christliche Pädagoge will die Grundwahrheiten seines Glaubens tief in die Herzen des Volkes einpflanzen und so den Unterschied zwischen Priestern und Laien überbrücken; zur Kirche gehören für ihn nur die — und zwar unterschiedslos alle —, die die Wahrheiten des christlichen Glaubens aus persönlicher Überzeugung bekennen.

Die inneren Schwierigkeiten, die damit das Konfirmationsprogramm des Erasmus bedrängen, sind offenbar. Und er war groß genug, sie selbst offen zuzugeben. Er hat damit seinen Gegnern die Waffen in die Hand gedrückt, die gegen ihn zu schwingen sie nicht verfehlt haben. Wer sie heute in die Hand nimmt, muß nur wissen, gegen wen er sie zu richten hat.

Die Hauptschwierigkeit lag in dem unklaren Verhältnis der neuen Handlung zu den kirchlichen Sakramenten, besonders der Taufe. Die Scholastik hatte hier die beiderseitigen Gnadenwirkungen klar gegeneinander abgegrenzt. Erasmus dagegen hatte der Firmelung den Sakramentscharakter genommen und ihre Wirkung ausschließlich in die Seele des Menschen verlegt, sie von seiner Erkenntnis und seinem Willen abhängig gemacht. Hoben dieselben Argumente nicht auch die sakramentale Heilsbedeutung der Taufe auf? War die Erneuerung des Taufbekenntnisses, die Erasmus vorschlug, nicht im Grunde eine Wiederholung des Taufsakramentes? Und zwar eine Wiederholung, bei der dessen eigentliche Wirkung nachgeholt wurde? Denn was bedeutete eine bloßer Vollzug des Taufritus ohne persönliches Bekenntnis des Täuflings? Blieb die stellvertretende Ablegung des Gelübdes nicht unvollständig? War seine feierliche persönliche Wiederholung nicht die eigentliche, die richtige Taufe? Erasmus ein heimlicher Bundesgenosse der Täufersekte, seine Konfirmation ein Ersatz der Kindertaufe — es bedarf nicht des Scharfsinns rückschauender Historiker, solche Verdächtigungen auszusprechen. Die

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zeitgenössischen altgläubigen Gegner des Erasmus waren klug genug, sich diese Möglichkeit der Polemik nicht entgehen zu lassen. Und er konnte sich nur schwer dagegen verteidigen. Zu sehr ist er — zwar nicht in den Einzelheiten seiner dogmatischen Anschauung von der Taufe, aber in seinem allgemeinen Lebensgefühl — mit dem Moralismus verwandt, der auch die Religiosität der persönlichen Überzeugung bei den Täufern kennzeichnet.9)

Und war er nicht ein sektiererhafter Wiedertäufer, so war er zum mindesten ein Beförderer des Schismas in der Kirche. Denn was geschah mit dem, der sich weigerte, sein Taufbekenntnis vor der gesamten Gemeinde zu wiederholen? Würde man ihn mit Gewalt dazu zwingen, so würde man der ganzen Handlung ihren Sinn rauben. Ließe man


9) Alle altgläubigen Gegner des Erasmus haben an diesem Punkte sein Konfirmationsprogramm angegriffen; und man kann nicht sagen, daß er ihre Vorwürfe zu entkräften vermocht hätte. Man kann zu seiner Entschuldigung nur anführen, daß er sie vorausgesehen hat, und daß sie unmittelbar in den Voraussetzungen seiner philosophia christiana begründet liegen. Die Religion der persönlichen Überzeugung steht gegen die Frömmigkeit, der die durch das Sakrament gestiftete Gemeinschaft eine Vorgegebenheit des Glaubens bedeutet.
Schon in der Matthäusparaphrase (Augustin I, XXVIII = Cler. VII, S. VI) verwahrt er sich gegen den Vorwurf, er wolle eine Wiederholung des Taufsakramentes einführen und nennt dagegen die von ihm vorgeschlagene Konfirmationshandlung eine instauratio quaedam et repraesentatio pristini baptismi.
Er kann sich dabei auf die scholastische Wertung der Taufe berufen, die in ihr nur die Eingangspforte zu den übrigen sakramentalen Gnaden erblickte. Vgl. die Zitate S. 48 Anm. 6, Abs. 3. Die Kindertaufe eröffnet daher nur den Frühverstorbenen den Weg zur himmlischen Seligkeit (a.a.O. 1061 E); wer aber sich als Erwachsener nicht aufgrund eigener Erkenntnis und persönlicher Willensentscheidung in die Nachfolge Christi begibt, ist kein Christ (a.a.O. 1061 E): Qui baptizatus est absque gratiae perceptione, aut qui eam mala vita perdiderunt, titulo et sacramento Christiani sunt, sed vere Christiani non sunt, quia nec discipuli sunt Christi nec ab illo possidentur, sed a Satana.
Wenn darum Erasmus den Mitgliedern der Sorbonne (Cler. IX, 820 f.) versichert: „Nunquam dubitavi quin infantes baptizati pertinerent ad Corpus Ecclesiae”, so ist das nur mit der Einschränkung richtig, daß er hier unter der Kirche ausschließlich die sakramentale Rechtsgemeinschaft meinte, deren religiösem Wert er mit vollendeter Skepsis gegenüberstand.
Deutlicher gibt er dann 1528 seine wahre Meinung den spanischen Mönchen gegenüber zu erkennen, indem er (IX, 1061 A B) erklärt: „Christiani generali nomine dicuntur, quicunque baptizati sunt, ut haec vox complectatur etiam haereticos et apostatas et parricidas; sed vere Christiani sunt qui sacramento respondent innovatione vitae.”
Wahre und falsche Kirche stehen einander gegenüber. Die Taufe kann auch den Eintritt in die falsche bedeuten; die Konfirmation als Entschluß zur Lebenserneuerung aufgrund der empfangenen Taufgnade besiegelt den Eintritt in die wahre Kirche. Wie nahe berührt sich Erasmus in seiner Lehre von der Konfirmation von seinen ganz anderen Voraussetzungen aus mit der täuferischen Lehre und Praxis! So unmöglich es ist, dieses Konfirmationsprogramm aus täuferischen Einflüssen zu erklären, so naheliegend mußte es später angesichts der Wiedertäufergefahr für einen Erasmusschüler sein, ihr durch die Verwirklichung jenes Programmes zu begegnen.

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ihn gewähren, so würden zwei Klassen von Christen entstehen: solche, die ihr Taufbekenntnis erneuert hatten, und solche, die bloß getauft waren. Und die Kirche war machtlos, diesen Zwiespalt zu heilen. Wenn sie das Bekennen der Freiwilligkeit überließ, zerstörte sie selbst ihr Gefüge, begab sie sich ihres Anspruchs auf alle Getauften, auf der ihre Weltherrschaft im Mittelalter beruht hatte, entließ sie gerade die aus ihrer Gehorsamsverpflichtung, die am engsten an sie gebunden werden mußten.

In der Konfirmationsfrage erfolgt der konkrete Zusammenstoß zwischen dem modernen Menschen Erasmus und dem mittelalterlichen Zwangschristentum. Er sucht ihm freilich aus dem Wege zu gehen, indem er seinerseits Kirchenzuchtmaßnahmen vorschlägt gegen die, die die Erneuerung des Taufbekenntnisses verweigern. Aber auch jetzt muß er jeden Glaubenszwang ablehnen. Einzig von den Sakramenten sollen sie ausgeschlossen werden. Zur Predigt indessen sollen sie erst recht geführt werden, damit eindringliche Belehrung sie doch noch bekehre. Seiner christlichen Philosophie traut Erasmus die Kraft zu, die Kluft, die das Freiwilligkeitsprinzip in der Kirche aufreißt, wieder zu schließen, die ihr Widerstrebenden innerlich zu überwinden.10)


10) Auch in diesem Punkte hat Erasmus den kommenden Widerstand klar vorausgesehen und ihn noch ernster gewertet als den in der Tauffrage, die ganze Kirchenzuchtstelle in den späteren Auflagen der Paraphrasen darum auch weggelassen (vgl. Cler. IX, 1060 B/C). Schon in der ersten Auflage der Matthäusparaphrase (Augustin I, XXVIII = Cler. VII, S. VI, Abs. 3) setzte er sich mit der Möglichkeit auseinander, daß sich Leute weigern, das bei ihrer Taufe von ihren Paten abgelegte Bekenntnis bei ihrer Konfirmation sich ihrerseits zu eigen zu machen. In seiner grundsätzlichen Einstellung zu dieser Möglichkeit ist er sich allezeit gleichgeblieben. Sie schließt ein Dreifaches ein: 1) Jede Gewalt muß ausgeschlossen bleiben. 2) Nur ein zeitweiliger Ausschluß von den Sakramenten kommt in Frage. 3) Inzwischen wird die „christliche Philosophie” ihre Wirkung schon tun. Ich setze die entscheiden Stelle hierher: Posterioris difficilior est solutio. Sed omnia tentanda sunt, ne quis resiliat a prima fide. Quod si non potest obtineri, fortassis expediet illum non cogi, sed suo relinqui animo, donec resipiscat, nec ad aliam interim vocari poenam, nisi ut ab eucharistia sumenda reliquisque sacramentis arceatur. Caeterum nec a sacris nec a concionibus excludatur. Atque etiam libellos de philosophia christiana conscriptos passim circumferri velim, in quibus purus ille Christus depictus sit; non ceremoniis iudaicis, non commentis aut decretis hominum obnubilatus, denique non tetricus et asper, sed ut est blandus et amabilis. Huiusmodi rudimentis qui fuerint instituti, non venient omnino rudes ad lectionem sacrorum voluminum.
Zu 1) Im Vordergrunde steht dabei die Wertung des Christentums als einer Sache freier persönlicher Überzeugung und Entscheidung nach dem gegen Bedda formulierten Grundsatz (Cler. IX, 562 E): Fides enim persuasio est, cogi non potest nec debet. Unter diesem Gesichtspunkt ist jeder Unterschied zwischen einem Ungetauften und einem unwissenden oder unsittlichen Getauften hinfällig, die freiwillige Übernahme der erasmischen Konfirmationsverpflichtung indessen notwendig (a.a.O.): Iam quid interest inter eum qui baptismo renatus non est et eum qui tinetus infans nihil credit eorum quae tradentur in Symbolo, necque quicquam servat eorum quae susceptores ipsius nomine sint professi? Uterque coram Deo aeque profanus est, nisi quod huic resipiscenti non est opus altero lavacro nisi Spiritus. ➝

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Damit greift schon bei Erasmus die Frage der Kirchenzucht in das Konfirmationsproblem ein. Aber ihre Lösung ist anders, als wir sie bei Luther fanden. Gewiß, beide kennen nur den Ausschluß vom Sakrament als äußerste Zuchtmaßnahme. Aber was bei Luther eine Forderung seelsorgerlicher Liebe ist, gemessen an der Heiligkeit des Sakramentes, ist bei Erasmus eine rein äußerliche Strafmaßnahme. Ein innerer Zusammenhang zwischen Abendmahl und Zucht besteht ebensowenig wie zwischen Zucht und Konfirmationsgelübde. Eine kirchliche Ehrenstrafe soll die Ableitung der Taufbundserneuerung erzwingen. Die philosophia christiana reicht offenbar doch nicht aus, die bedrohte christliche Einheit zu sichern; kluges pädagogisches Handeln muß ihr zu Hilfe kommen. Der ganze Optimismus des beginnenden Zeitalters rationaler Pädagogik steht hinter dem erasmischen Konfirmationsprogramm.


➝ Freilich billigt Erasmus in der Auseinandersetzung mit der Sorbonne der Kirche das Recht zu, Maßnahmen gegen die vom Taufglauben Abgefallenen zu ergreifen (Cler. IX, 820 f. 822 A B). Er will nicht, daß die Einheit der christlichen Welt, die auf jenem Glauben beruht, aufgehoben werde; den weltlichen Machthabern hat er durchaus das Recht und die Pflicht zugewiesen, mit der Schärfe des Schwertes gegen die Ketzer einzuschreiten (vgl. a.a.O. 904 ff. de poena haereticorum). Nur die Diener der Kirche sollen sich als Nachfolger der Apostel nicht mit Gewaltmaßnahmen beflecken. Wenn der allgemeine Taufzwang — Erasmus denkt nicht daran, ihn anzutasten — ein Recht der Kirche auf die Seelen begründet, so ist es doch nur ein moralisches; sie durch gütige Belehrung zur Erkenntnis dessen zu bringen, was ihnen ihm Zusammenhang mit ihrer Taufe in ihrem Christenstande geschenkt ist, und in ihnen den Willen zu erwecken, sich dieser Gaben würdig zu erweisen.
Zu 2) Wer sich aber dessen weigert, sein Konfirmationsgelübde also nicht ablegt, gegen den hat die Kirche nur eine moralische Strafe: den Ausschluß von den Sakramenten. Äußere Gewalt würde nur verstockte Heuchler erzielen, auch den verborgenen Unglauben nicht treffen, der schon dem Abfall gleichzusetzen ist. Nicht die Furcht, sondern die Scham soll die Einheit des Glaubens mit der Kirche wiederherstellen (Cler. IX, 562 E): Nam qui non credunt, iam resilierunt apud Deum. Hi fortassis et minus inficerent alios et citius ad meliorem mentem redirent, si semoverentur, quemadmodum semovebantur olim flagitiosi, contumaces et poenitentes ad tempus; metus enim legum frequenter hypocritas facit et linguas cohibet verius quam corrigit animos. Charitas autem leges, quatenus licet, accomodat ad utilitatem.
Zu 3) So liegt aller Nachdruck auf der frei wirkenden Kraft der christlichen Philosophie. Weil sie herrscht, darum wird die in Freiheit geforderte und geleistete Erneuerung des Taufgelübdes die Christenheit nicht in zwei Völker auseinandersprengen, ein freiwillig christliches und ein freiwillig heidnisches. Sondern die Wahrheit der christlichen Philosophie wird auch die widerstrebenden Herzen erobern und alles Getrennte zu einer schönen Einheit der Christenheit zusammenbinden. Darum muß der Ausschluß von den Sakramenten von desto treuerem Hören der Predigt und eifrigerer Beschäftigung mit den Quellen der christlichen Philosophie begleitet sein, damit bei allen spontan die Wiederholung des Taufbekenntnisses erfolgen und dadurch der Anfang der Erneuerung der christlichen Kirche gemacht werden kann.
Die Richtigkeit der erasmischen Konfirmation hängt ab von der Wahrheit und Wirkungskraft der philosophia christiana. Es ist klar, daß der Optimismus des großen Humanisten von dieser Macht überzeugt war. Aber es ist ebenso klar, ➝

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Und doch wäre es ohne dasselbe wohl schwerlich zu einer evangelischen Konfirmation gekommen. In der positiven Auseinandersetzung mit ihm lag und liegt das Moment weiteren Fortschrittes in der Konfirmationsfrage.

Was hat Luther dazu beitragen können? Direkt nur wenig. Immerhin sind seine zerstreuten Äußerungen über das katholische Sakrament der Firmelung nicht nur negativ zu werten, sondern enthalten auch Richtlinien zum evangelischen Verständnis der Konfirmation. Noch mehr aber weisen uns, wie wir sehen werden, seine Gedanken über Abendmahlszucht in diese Richtung.

Noch in der Hebräerbriefvorlesung von 1517/18 erwähnt Luther die katholische Firmelung ohne eine Spur von Kritik.11) Damit tritt er zuerst 1520 hervor, in der Schrift von der babylonischen Gefangenschaft der Kirche. Hier wird der Firmelung der Charakter eines Sakramentes bestritten. Sie ist nicht ausdrücklich von Christus eingesetzt; es fehlt ihr also das göttliche Verheißungswort, auf das der Glaube sich berufen könnte.12) Noch schärfer wird dieser Gegensatz 1522 hervorgekehrt. Da


➝ daß die, die eine andere Anschauung vom Christentum hatten, auf diese Form der Konfirmation nicht eingehen konnten. Als einen Weg, das Christentum in Europa abzuschaffen („impium est et in perniciem vergit fldelium, viam aperiens abolendae Christianae religioni”), hatte das Gutachten der Sorbonne sie bezeichnet. Und der Scharfblick der Gegner hatte einen entscheidenden Punkt richtig erkannt: wurde diese Konfirmation eingeführt, so war die Einheit der Christenheit aufgehoben, dem Abfall Tür und Tor geöffnet, falls nicht die christliche Philosophie des Humanismus die innere Gewalt besaß, die Herzen aller an sich zu fesseln. Insofern diese Hoffnung niemals dem Glauben der Reformation entsprechen kann, ist auch die Einführung jenes Konfirmationsprogrammes auf dem Boden reformatorischen Christentums als verhängnisvoll anzusprechen. Mochten auch die kirchlichen und pädagogischen Notwendigkeiten des 16. Jahrhunderts jenes Programm eine zeitlang begünstigen — die heutige Lage des Christentums und seiner Pädagogik widerstreitet seinen tiefsten Tendenzen. Und es wird Zeit, daß daraus die Folgerungen gezogen werden!
11) Schol. zu Hebr. 6 1, Ficker II, S. 66 = Hirsch-Rückert S. 185. Beachte dabei die enge Verbindung, in der Luther hier die als Sakrament gewertete Konfirmation, zusammen mit Taufe und traditio symboli, sieht. Auch das Chrysostomuszitat zeigt, daß Luther sich seine Anschauung von diesen Dingen von Anfang an unter dem Einfluß des christlichen Altertums gebildet hat. Darin liegt für ihn ein wichtiger Berührungspunkt mit dem zeitgenössischen christlichen Humanismus.
12) WA 6, 549 21: Mirum est, quid in mentem illis venerit, ut sacramentum confirmationis facerent ex impositione manuum, qua legimus Christum parvulos tetigisse, Apostolos dedisse spiritum sanctum, ordinasse presbyteros et infirmos curasse . . . . . Si autem sacramentum est, quicquid, Apostoli fecerunt, cur non magis praedicationem fecerunt sacramentum? — 550 7: Nos autem pro hac vice sacramenta divinitus instituta quaerimus, inter quae ut Confirmationem numeremus, nullam invenimus causam. Ad sacramenti enim Constitutionem ante omnia requiritur verbum divinae promissionis, quo fides exerceatur. At nihil legimus Christum uspiam de confirmatione promisisse, licet ipse multis imposuerit manus et Marci ult. inter signa ponat ,Manus egris imponent et bene habebunt', at haec nemo sacramento, sicut nec potest, aptavit.

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erscheint sie als ein „Menschensündlein”, „ein rechter Lügenstand”; ja es fällt das Wort vom „Affenspiel der Firmelung”, das dann in der Interimszeit die strengen Lutheraner aufgegriffen und lange wiederholt haben.13)

Aber man darf diese negativen Äußerungen nicht isoliert betrachten. Schon in der Schrift von der babylonischen Gefangenschaft gibt Luther dem Wunsche nach einer evangelischen Konfirmation Ausdruck. Er nennt sie eine cerimonia sacramentalis, wählt also denselben Namen dafür, der der Kasseler Kirchenordnung den Vorwurf des Katholisierens eingetragen hat, und den wir auch bei Erasmus gefunden haben. Nach 1. Tim. 4, 5 sieht er darin eine Weihehandlung, bei der durch Wort Gottes und Gebet das Natürliche geheiligt wird. Und als äußeres Zeichen dafür wünscht er die Wiedereinführung der Handauflegung als einer schon zur Zeit der Apostel gebräuchlichen Segenshandlung.14) Schon in der Hebräerbriefvorlesung


13) Vom ehelich Leben WA 10 II, 282 15 ff.: „Sonderlich aber meyde das affen spiel der fermelung, welchs eyn rechter lügen thand ist. Ich laß zu, das man fermele, ßo fern das man wisse, das gott nicht davon gesagt hatt, auch nichts darumb wisse, und das es erlogen sey, was die Bischoffe darinnen fur geben. Sie spotten unßers gottis, sagen, es sey eyn Sacreament gottis, und ist doch eygen menschen sundle.” Zum richtigen Verständnis dieser Stelle ist wichtig zu wissen, daß sich die Schärfe ihrer Polemik dagegen richtet, daß aus dem sakramentalen Charakter der römischen Firmelung Grade geistlicher Verwandtschaft als Ehehindernisse hergeleitet wurden.
14) WA 6, 549 31: Atque utinam esset in Ecclesia talis manuum impositio, qualis erat Apostolorum tempore, sive eam confirmationem sive curationem appellare vellemus. Es folgen Klagen über den gegenwärtigen Verfall dieser kirchlichen Handlung, speziell ihre völlige Beschlagnahme durch die Bischöfe und der nochmalige Nachweis, daß ihr die göttliche Verheißung fehle, sie also kein Sakrament sei. Ihre Wiederherstellung muß also allen diesen Umständen Rechnung tragen (550 14): Quare satis est pro ritu quodam Ecclesiastico seu cerimonia sacramentali confirmationem habere, similem caeteris cerimoniis consecrandae aquae, aliarumque rerum. Nam si omnis alia creatura sanctificatur per verbum et orationem, cur non multo magis hominem liceat sanctificari eisdem, quae tamen, quia promissionem divinam non habent, sacramenta fidei dici non possunt. In dieser Wertung der Konfirmation als „sakramentaler Zeremonie” ist nicht nur dem Namen (vgl. oben S. 45 zu Anm. 2), sondern auch der Sache nach die größtmögliche Annäherung zwischen Luther und Erasmus erreicht. Und doch, welch tiefer Unterschied in der Art, wie sie das gleiche altkirchliche Gut aufnehmen und prägen! Bei Erasmus liegt aller Nachdruck auf der freien Willensentscheidung des zu Konfirmierenden, bei Luther ist dieser der Gegenstand einer Segenshandlung, der gläubigen Fürbitte der Kirche. Was Luther an die Stelle der katholischen Firmelung gesetzt haben will, ist ein objektives Geschehen, das sich zwar nicht auf eine besondere Verheißung, sondern auf die allgemeine gründet, die jedem christlichen Gebet gegeben ist. Wir haben hier das eine Grundelement der lutherischen Konfirmation vor uns; es schließt ein objektives göttliches Gnadenhandeln in sich, aber es ist nicht sakramental im mittelalterlichen Sinne.

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hatte er in ihr das äußere Zeichen der Sündenvergebung erblickt.15)

Noch positiver lautet eine Predigtäußerung vom März 1523, also aus derselben Zeit, in der das Abendmahlsverhör proklamiert wurde. Auch hier denkt Luther an eine Segenshandlung, bei der die gläubige Fürbitte der Gemeinde im Vordergrund steht. Unter dieser Voraussetzung könnte er u.U. sogar die Ölsalbung ertragen. Aber schließlich bleibt es doch bei der Handauflegung als dem eigentlichen Konfirmationsritus. Als äußeres Zeichen der Sündenvergebung bezeugt sie zugleich, daß bei dem Jugendlichen der rechte Fiduzialglauben vorhanden ist.16)

So rückt hier die Segenshandlung der Konfirmation in enge Verbindung mit Abendmahlsverhör, Beichte und Absolution, also mit der seelsorgerlichen lutherischen Kirchenzucht. So gibt uns Luther selbst die Berechtigung, seine klassischen Ausführungen über die Abendmahlsvorbereitung aus der Formula missae et communionis von 1523 in unsern Zusammenhang einzubeziehen. Wenn er da die Möglichkeit zugibt, daß das Abendmahlsverhör nicht bloß in alljährlicher Wiederholung, sondern einmal für das ganze Leben gehalten werden könne, so denkt er dabei doch wohl an den ersten Empfang des evangelischen Abendmahls und bietet damit den Ansatzpunkt


15) Glosse zu Hebr. 6 4, Ficker I S. 24 = Hirsch-Rückert S. 33: experti sunt remissionem peccatorum seu fiduciam bonae conscientiae, quod fit per impositionem manuum. Luthers Anschauung vom Wesen der Handauflegung ist aus der Absolution erwachsen, über deren Charakter als Sakrament auf dem Boden der lutherischen Reformation bekanntlich zunächst die Zeugnisse nicht übereinstimmen. Auch Luthers Auffassung von der Geistmitteilung ist immer an der Tatsache der Sündenvergebung ausgerichtet. Darin liegt für ihn — im Gegensatz gegen die Täufer — der eigentliche Sinn der Kindersegnung nach Matth. 19 13-15 (WA 46, 327 41 ff.; aus einer Predigt von 1537): „Höre du allhier, es gebüret deiner Vernunfft nicht nach deiner vermessenheit zu richten, wie Christus sie segne und ihnen den Heiligen Geist gebe. Ehr will sich nicht meistern lassen.” Wie viel massiver und rationalistischer ist doch die Vorstellung von der Segensübertragung bei Erasmus; vgl. oben S. 46 f. Anm. 4. Rein rechtlich und darum wohl nicht von Luther stammend is die Anschauung von der Handauflegung im Genesiskommentar zu Gen. 48 13 (WA 44, 695 19).
16) WA 11, 66. Für Luther ist auch für die Krankensalbung nach Mark. 6 13 das fürbittende Gebet die Hauptsache: Si ergo vis inungi, fac ut oratio fiat pro te, et si ab fidelibus, certum est quod sanus fias. Confirmatio, ut volunt Episcopi, non curanda, sed tamen quisque pastor posset scrutari a pueris fidem, quae si bona et germana esset, ut imponeret manus et confirmaret, non improbamus. Sollte hiermit Luther zu den erasmischen Anregungen aus der Matthäusparaphrase Stellung nehmen, so hat er sie jedenfalls charakteristisch umgestaltet. Er stellt sie unter den Gesichtspunkt der Vorbereitung zum ersten Abendmahlsempfang und der Herstellung der Abendmahlszucht. In der dafür notwendigen Erforschung des persönlichen Heilsglaubens liegt das subjektive Element der lutherischen Konfirmation (vgl. oben S. 55 Amn. 14). In der Handauflegung liegt das Bindeglied für beide Elemente, die dadurch zu einer Handlung zusammengeschlossen werden können.

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für die evangelische Konfirmation.17) Sie steht in engster Verbindung mit Luthers Einführung der Abendmahlszucht.

Erasmus war dafür von Taufe und Taufbekenntnis ausgegangen; Luther geht aus von Beichtbekenntnis und Abendmahl. Beide Wege treffen zusammen und laufen von da ab gemeinsam. Und an der Stelle, wo das geschieht, steht die von Butzer in Hessen eingeführte Konfirmation. Sie liegt genau in der Mitte zwischen Erasmus und Luther, in der Mitte zwischen Taufe und Abendmahl.

Die Vereinigung der beiden Auffassungen, die 1538 in Hessen erfolgt ist, hat sich in allmählicher Entwicklung vollzogen. Deren Hauptetappen sollen jetzt aufgezeichnet werden. Sie liegen ausschließlich auf dem erasmischen Wege, der immer näher an den lutherischen Standpunkt herangeführt wird, ohne jenen ganz zu verlassen und diesen völlig zu erreichen.18)

Das Konfirmationsprogramm des Erasmus hat in der Bewegung der Reformation fortgewirkt. Sein katechetisches Anliegen berührt sich mit deren evangelistischen und volkspädagogischen Tendenzen. Aber es gewinnt mit der reformatorischen Anschauung vom Heil zugleich ein neues Ziel. Aus der philosophia christiana wird die Botschaft von der Rechtfertigung des Sünders vor Gott. An die Stelle weisheitsvoller pädagogischer Belehrung tritt der Unterricht im Wort des göttlichen Gesetzes und der göttlichen Gnade. An die Stelle des humanistischen tritt das reformatorische Wortverständnis. Dadurch gewinnt die katechetische Konfirmation eine neue Bedeutung, einen tieferen Sinn.

Er tritt uns zuerst bei Zwingli entgegen. 1521 in seinen Schlußreden veröffentlichte er seine Kritik an der römischen Firmelung. Einflüsse von Luther und Erasmus her durchkreuzen sich dabei. Von diesem stammt die geschichtliche Begründung der Katechese und ihre Betrachtung im Zusammenhang mit der Entwicklung der Kindertaufe: seitdem diese sich durchgesetzt habe, habe die Kirche einen geordneten Unterricht ihrer getauften Kinder eingerichtet und ihnen dann zur angemessenen Zeit die Wiederholung des Taufbekenntnisses abgefordert.19)


17) WA 12, 215: „Arbitror autem hanc interrogationem seu explorationem sufficere si semel in anno fiat cum eo qui petit communicari. Quin poterit tam intelligens esse, qui petit, ut vel semel in tota vita vel prorsus nunquam interrogetur. — Über den Zusammenhang der Stelle vgl. oben S. 11, Schluß von Anm. 11.
18) Es darf dabei nicht außer acht gelassen werden, daß Luther selbst die zerstreuten Einzeläußerungen, die wir aus seinen früheren Schriften zusammengestellt haben, nie zu einem einheitlichen Bilde ausgeformt hat. Am stärksten haben wohl die Ausführungen von de captivitate Babylonica nachgewirkt, und zwar stärker in ihrem negativen Teile als in ihrem positiven.
19) Vgl. zum folgenden Zwinglis Sämtliche Werke Bd. II (= C.R. 89) S. 122 ff. — Zw.’s Ausgangspunkt ist — echt humanistisch — die Bemühung um den geschichtlichen Ursprung der katholischen Firmelung im N.T. und bei den alten Kirchenlehrern. Daraus ergibt sich für ihn als eigentlicher Sinn der ➝

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Aber Zwingli denkt dabei nicht wie Erasmus an eine einmalige, jährlich von immer neuen Jahrgängen wiederholte Handlung, sondern sieht das geschichtliche Vorbild in Zürich schon erfüllt durch ein zweimal jährlich stattfindendes, für alle Kinder immer wieder von neuem verbindliches Katechismusverhör. Hier wird der Fortschritt in der häuslichen Unterweisung durch Eltern und Paten bei den Heranwachsenden öffentlich


➝ Handlung (a.a.O. 122 23), „das die kind, die den glouben durch vatter und muter oder gotten und göttinen verjehen hand, mit mit eygnem hertzen oder mund, so sy zu verstand kämind, den glauben mit eygnem mund verjähind und syind darumb zu dem priester gfürt, daß sy da im glauben wol bericht wurdind, unnd nach bericht des glaubens inn offenlich bekantind vor allen menschen”. Die persönliche Zustimmung der Konfirmanden zum Taufbekenntnis ist also für Zwingli wie für Erasmus das leitende Interesse bei ihrem Konfirmationsvorschlag. Dem gegenüber steht der Versuch einer geschichtlichen Begründung erst in zweiter Linie. Sie erfolgt nicht quellenmäßig, sondern — wie oft im 16. Jahrhundert — so, daß man das, was zur eigenen Anschauung paßt, aus der gegenwärtigen kirchlichen Praxis als isoliertes Stück herausnimmt und als das geschichtlich Ursprüngliche ausgibt. So beweist Zwingli die persönliche glaubensmäßige Zusage als das ursprüngliche Hauptstück der katholischen Firmelung aus der Tatsache, „das man noch hüt by tag, ee man firme, predger vom glauben, wo es recht zugat”; oder es wird auch (123 1) aus einem alten, inzwischen abgestorbenen, aber vom Hörensagen bekannten Brauch das geschichtlich Ursprüngliche erschlossen. So sehr man den methodischen Wert dieser Wendung zur Vergangenheit im Blick auf die Geschichtswissenschaft der Folgezeit anerkennen mag, so sehr muß man sich hüten, die Ergebnisse, die die Geschichtsdarstellung des christlichen Humanismus aufzuweisen hat, ohne weiteres als geschichtliche Wirklichkeit zu nehmen. Sein Bild von der Kirche des christlichen Altertums ist ein Wunschbild, aus den Kräften der eigenen Seele geformt; es kann freilich das Umgekehrte auch nicht geleugnet werden, daß diese Kräfte auch aus der christlichen Antike, nicht nur aus der Laienfrömmigkeit des ausgehenden Mittelalters, ihre Nahrung zogen. Aus der Vermählung des christlich-antiken Geistes mit der Frömmigkeit des Spätmittelalters ist der christliche Humanismus entstanden, der auf Reformation und Gegenreformation so stark eingewirkt hat. Und wer das Verhältnis jener beiden Urelemente richtig bestimmt, hat ihn geschichtlich richtig gedeutet.
Die geschichtliche Begründung, die Zwingli seinem Konfirmationsentwurf gibt, und die in Geist und Methode dem Humanismus entnommen ist, macht es mir auch mehr als wahrscheinlich, daß er von hier aus den entscheidenden Anstoß dafür bekommen hat. Ferdinand Cohrs (Die evang. Katechismusversuche vor Luthers Enchiridion, IV (= Mon. Germ. Paed. XXIII), 1902, S. 236 Anm. 5), bestreitet das und will den Kinderfragen der böhmischen Brüder den ersten Platz zuerkennen. Aber seine chronologische Begründung ist nicht stichhaltig. Wenn Zwingli, der etwa Ostern 1522 mit seiner neuen katechetischen Praxis in Zürich begonnen haben wird, zu diesem Zeitpunkte frühestens die Paraphrasen des Erasmus vor Augen gehabt haben kann, so ist die Zeit für die Aneignung der neuen Anregungen genau so kurz wie für den Einfluß der Kinderfragen. Ihre ersten deutschen Übersetzungen sind auch erst 1522 nachzuweisen; und wir können garnicht sagen, wann Zwingli eine davon in der Hand gehabt hat. Wir wissen ja auch gar nicht, ob nicht beide Anregungen zusammengetroffen sind. Dann haben die Kinderfragen den lutherischen Einfluß verstärken helfen und sind vorbildlich geworden für die Reduktion des erasmischen Entwurfs auf die bloße Katechese. ➝

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festgestellt und diesen zugleich Gelegenheit gegeben, ihren Taufglauben persönlich zu bekennen.20)

Diese katechetische Konfirmation reinster Prägung ist das Ergebnis einer radikalen Kritik, die Zwingli vom Standpunkt Luthers aus an der erasmischen Reformfirmelung vorgenommen hat. Alles sakramentale Zeremoniell ist weggefallen, der lutherische Protest gegen das sakramentale Mißverständnis der Konfirmation ist mit rücksichtsloser Schärfe geltend gemacht. Dabei polemisiert Zwingli auch gegen den Begriff der sakramentalen Zeremonie, den Luther und Erasmus gemeinsam haben und den Butzer später übernehmen sollte: Rechne man alles, was durch Wort Gottes und Gebet geheiligt wird, unter die Sakramente, so setze man dadurch den Wert der beiden einzigen herab, die Gott durch sein Wort ausdrücklich eingesetzt habe.21) So wirkt hier das reformatorische


➝ In unserem Zusammenhang geht uns vor allem die Tatsache an, daß die moderne Individualfrömmigkeit (und, wenn wir die Kinderfragen der böhmischen Brüder mit in Anrechnung bringen, auch die spätmittelalterliche Laienfrömmigkeit) mit ihrer Forderung der persönlichen Zustimmung zum Taufglauben — Zwingli und Erasmus stimmen darin überein — in Konflikt gerät mit der kirchlichen Praxis der Kindertaufe. Auch für Zwingli ist das, was er unter der Konfirmation versteht, ein notwendige Ergänzung zur Kindertaufe, diese also ohne dasselbe nutzlos, ja schädlich. Und es klingt durch seine Ausführungen von 1523 — noch ist die Täufergefahr in Zürich nicht brennend! — ein leises Bedauern mit hindurch, daß in der Kirche die Großtaufe so völlig verschwunden sei (123): „Und so sy dem vesten glauben imm hertzen ggeben habend und mit dem mund verjehen, hat man sy getoufft. Welchen sitten der leer ich beger noch hüt by tag wider angenommen werden, namlich, das man sydtenmal man die kinder so jung toufft, sy fürneme ze leren, so sy zu sölchem verstand kummend, daß sy vernemmen mögend das wort gottes, joch nach dem touff, nit als wol gelert werden, als die jungen vor zyten vor dem touff gelert sind.” — Charakteristisch ist, daß Zwingli im März 1525, in De vera et false religione (opp. III 823), zwar gegen eine falsche Wertung der Kindertaufe polemisiert, an der Firmelung aber weder Kritik übt noch positiv einen Ersatz für sie fordert, sondern rein historisch über ihren Ursprung berichtet: Confirmatio tunc sumpsit exordium, quum vulgo coeptum est infantes tingi, quum apud priscos ii modo tingerentur, qui in vitae dimicatione constituti essent.
20) II, 123 32: Sölicher gstalt mein ich die firmung gebrucht sin, damit die, so vormals unwüssend getoufft warend, hernach, so sy zu vernunfft kommend, wüssenhaffter sach den glouben selbs verjehend, doch erst nachdem sy in dem handel des heils wol bericht warend. Das zeiget auch an der nam confirmatio, das heißt: ein bestätigung. Und sölte die Firmung ein widergedächtnus der zukunfft oder inbringen des heiligen geists sin, hette sy wol einen andren namen.
21) Zwingli sähe am liebsten das Wort Sakrament als einen Sammelbegriff ganz abgeschafft und ließe jeder heiligen Handlung ihren eigenen Namen. Will man es aber doch gebrauchen, so soll man es auf die von Gott ausdrücklich eingesetzten Handlungen beschränken und es nicht auf bloß menschliche Segenshandlungen anwenden (124 23): „So verr du aber sacrament nennen wöltist ein gesegnet oder ghelget ding, so werden dann nit allein firmung und ölung und wyhe, sunder wyhwasser, wyhrouch, fladen, balmen und sant Johanstrunck sacrament.” — 125 4: „Denn verstand ir sacramentum, es sye ein zeichen, das ➝

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Wortprinzip auf eine radikale Reduktion des erasmischen Konfirmationsentwurfes hin, bei der auch lutherische Ansätze Schaden nehmen. Oekolampad in Basel ist dem zwinglischen Beispiel gefolgt, hat aber engeren Anschluß an Luther gefunden.22)

Denn bei einer bloßen Negation konnte die Entwicklung der evangelischen Konfirmation nicht stehen bleiben; dazu waren die lutherischen Anregungen doch zu stark. Die weiteren Entwicklungslinien in den zwanziger Jahren können wir besonders deutlich in der entstehenden fränkischen Landeskirche verfolgen. Im Ansbacher Ratschlag vom 30. September 1524 finden wir den ersten lutherischen Konfirmationsentwurf. Auch hier wirkt sich Luthers Einfluß nur in einer Ablehnung der sakramentalen Firmelung aus; seine positiven Gedanken sind nicht verwertet. Dagegen ist die Abhängigkeit von Erasmus mit Händen zu greifen. Wie bei ihm wird die Konfirmation verstanden als „eine christliche erinnerung des göttlichen gnadenzeichens davor empfangener tauf” durch persönliche Erneuerung des Taufbekenntnisses.23) Auch der Crailsheimer Pfarrer Adam Weiß geht in


➝ mit dem wort gottes oder des menschen gesegnet oder geheiliget sye, so sind iro wol me dann sibne. Verstond aber ir sacramente sin die zeychen oder pfand, die gott mit sinem eignen wort gegeben und geheilget und bevestet hat, so müssen ie nit sacrament sin, die nur uß dem ansehen und wort des menschen kummend.” — Wenn diese Polemik auch Erasmus mit trifft, so scheint sie doch in erster Linie gegen die positiven Ausführungen Luthers, die er in De captivitate zur Konfirmationsfrage gemacht hat (vgl. oben S. 55 Anm. 14), gerichtet zu sein. Zwingli sucht da den Begriff der „sakramentalen Zeremonie” von Luthers Sakramentsdefinition aus ad absurdum zu führen und hat damit auf dem Boden des Protestantismus die geschichtliche Konsequenz für sich gehabt. Die Frage ist nur, ob Luthers Weitherzigkeit in diesem Stücke der geschichtlichen Tradition der Kirche und der biblischen Wirklichkeit nicht besser entspricht.
22) Nur darin geht Oekolampad über Zwingli hinaus, daß er die katechetische Jugendunterweisung in den Dienst der Abendmahlsvorbereitung stellt. Darin haben wir unstreitig einen Einfluß von Luthers Seite aus zu sehen. Ihm kommt der Baseler Reformator wie in der Zuchtfrage (vgl. oben S. 34 ff., Anm. 21) so auch in der Konfirmation näher als der Züricher. Vgl. die Baseler Reformationsordnung vom 1. April 1529 = Aktensammlung zur Gesch. der Baseler Reformation III, 1937, S. 383 ff. Hier wird S. 389 die Jugendfürsorge den Leutpriestern zur Pflicht gemacht: „Deszhalb fruchtbar sin, das die leutpriester die jungen kind, so von syben jaren in dz vierzehndist jare ungeverlich alt sind, alle jar viermal für sich und ire diacon in die kilchen offentlich beruffen, ob sy betten können, auch die bott des herren wissend, befragen und demnach sy in glauben und liebe gottes tugentlich unterwisen. Darby sollen die jungen, so vorhyn die sacrament nie empfangen und jetzt des herren nachtmal nemen wöllen, durch die leutpriester oder diacon, was sy von den sacramenten halten, in der offenen kilchen unterrichtet werden.” Dazu Ernst Staehelin: Das theologische Lebenswerk Johannes Oekolampads, 1939, S. 477 ff.; die Bedeutung der Reformationsordnung für die Entwicklung der Konfirmation wird freilich von St. mit keinem Worte erwähnt.
23) Die fränkischen Bekenntnisse, 1930, S. 238 f. Wie bei Erasmus und Zwingli wird die Konfirmation historisch erklärt aus dem Wegfall der Großtaufe und dem Aufkommen der Kindertaufe: „Das darum in der römischen Kirchen ➝

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einem Gutachten von 1527/28 über diese Anschauungen nicht hinaus, nur daß er wieder wie Erasmus einen einzigen jährlichen Konfirmationstermin festgesetzt haben will24)

Erst in den fränkischen Gutachten, die im Frühjahr 1530 zur Vorbereitung auf den Augsburger Reichstag verfaßt sind, treten die positiven Gedanken Luthers deutlicher hervor. Zwar nicht in der Wertung der Handauflegung. Dieser Zeremonie wird nur für die Zeit der Apostel geistliche Bedeutung zuerkannt. Nachher sei sie völlig in Abgang gekommen, ihre Wiederaufnahme in der Papstkirche sei nur ein äffisches Spiel25).


➝ verordent worden sei, so ein solch getauft kind zu seinem verstand kome, das es alsdann vor dem bischof oder pfarher und anderm volk offenlich annemen, bewilligen und bestetigen solle dasienig, so zur zeit seiner unmundigkeit in der tauf mit ihm gehandelt ist und seine todten an seiner statt versprochen haben.” Auch der Name Konfirmation wird geschichtlich als Bestätigung des Taufgelübdes erklärt.
Diess „historisch” gewonnene Bild gewinnt nun sofort eine gewisse normative Bedeutung: „Und so solche firmung oberzelter weis beschen und lauter erklert wurde, damit kein andrer mißglaub daraus erwüchse, sovern sie auch nit für ein göttlich gnadenzeichen, sunder allein für ein christliche erinnerung des göttlichen gnadenzeichens davor empfangener tauf (wie dann ein jeder christ sonst bei ihm selbst schuldig ist) wurde gehalten, wolten wir dawider nit streiten oder fechten.”
Mit einer ähnlichen Schärfe, wie wir sie bei Zwingli gefunden haben, bestreiten auch die fränkischen Theologen von den Voraussetzungen der lutherischen Sakramentsdefinition aus den Sakramentscharakter der Konfirmation. Kurz und bündig erklärt der erste Nürnberger Ratschlag von 1524 (a.a.O. 435): „Die firmung ist erdichtet; die schrift sagt nichts davon, so bedeutet es nichts und hat kein zusagung. Darumb ists kein sacrament.” — Wesentlich milder, bei aller grundsätzlichen Übereinstimmung, lautet das Urteil des Heilsbronner Priors Johann Schopper (a.a.O. 181): „Mogen wol ein schoner prauch in der kirchen sein, der nit zu verachten ist von keinem menschen, doch das man nit zel den sacramenten von got ausgesetzt gleich.”
Während die Herausgeber der fränkischen Bekenntnisse (S. 57) die Auffassung der fränkischen Theologen von der Firmelung ausschließlich von Zwingli ableiten, weiß in der Nachfolge Casparis Karl Thieme: Der wahre lutherische Konfirmationsbegriff, 1931, S. 3, etwas von den Beziehungen zu Erasmus. Aber indem er den Nachweis zu führen trachtet, daß nach der reformatorischen Lehre von der Taufe ein persönliches Glaubensbekenntnis des Täuflings erforderlich sei, führt er die Forschung einen falschen Weg. Denn gerade die Beziehung zur Taufe weist nicht auf den lutherischen, sondern den erasmischen Konfirmationsbegriff hin.
24) Th. Kolde: Zur Geschichte der Konfirmation = Beiträge zur bayr. Kirchengesch. IV, 1897, S. 189 ff. Das Gutachten des Adam Weiß findet sich abgedruckt bei G. Bossert: Theolog. Studien aus Württemberg 1882, S. 185 ff. Kolde stellt a.a.O. fest, daß Weiß im Besitz der Paraphrasen des Erasmus war, und leitet seine Gedanken über die Konfirmation von dort her.
25) So Kaspar Löner, Pfarrer in Hof, in einem Gutachten vom Februar oder März 1530, abgedruckt bei Wilhelm Gußmann, Quellen und Forschungen zur Gesch. der Augsburg. Glaubensbek. I 2, 1911, S. 135. Handauflegung ist ihm nicht, wie Luther, ein Zeichen der Sündenvergebung, sondern der Amtseinsetzung. Die Apostel bezeugten damit, „daß Gott den heiligen geist hett geliehen und zu seinem glauben und dienst berufen, denen sie die hand auflegten, als den dienern des worts und der gemein.”

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Dagegen findet man es unbedenklich, die Konfirmation als sakramentliche Zeremonie zu bezeichnen, wenn nur der Unterschied gegenüber den beiden von Christus eingesetzten Sakramenten gewahrt bleibe26). Besonders bemerkenswert aber ist, daß sie nicht nur mit Erasmus als Taufbestätigung gefaßt27), sondern auch mit Luther in Beziehung zum Abendmahl gesetzt wird28). Der Beweis dafür wird, echt humanistisch, so geführt, daß die lutherische Sitte des Abendmahlsverhörs in die Geschichte zurückgetragen wird; angeblich haben schon die altkirchlichen Bischöfe sie geübt, nachdem sich die Kindertaufe einmal durchgesetzt hatte. Der Ausdruck Konfirmation wird in diesem Zusammenhange nur im uneigentlichen Sinne auf Abendmahlsverhör und Glaubensbekenntnis bezogen; die eigentliche Konfirmation liegt im Empfang des Abendmahls.

In die lutherische Entwicklungsreihe der Konfirmation gehören auch die beiden Ordnungen, die der Waldecker Reformator Johann Hefentreger (Trygophorus) dafür hinterlassen hat. Die ältere der beiden ist jedenfalls


26) So urteilt der Ansbacher Pfarrer Johann Rurer in seinem Gutachten vom Februar oder März 1530, Gußmann a.a.O. S. 9: „Ich gebe gern zu, daß weihe, firmung, ee, olung usw. sacrament genennet werden, und ich will mich des namens halben mit nimant zanken.”
27) Dabei ist bei Löner in dem Anm. 25 genannten Gutachten eine eigentümliche Wandlung dahingehend festzustellen, daß es sich bei ihm nicht um eine Bekräftigung des Taufbekenntnisses vonseiten des Konfirmanden, sondern um eine Bestätigung der Taufgnade vonseiten der Kirche handelt. Auf deren Fürbitte liegt damit aller Nachdruck; und es kommt in praxi eine Segenshandlung heraus, wie Luther sie gewünscht hatte. Nur die Beziehung auf die Taufe erinnert noch an den Zusammenhang mit Erasmus. Auf einer ersten Stufe ist hier die Synthese zwischen dem Konfirmationsprogramm des christlichen Humanismus und der lutherischen Reformation erreicht. Von der katechetischen zweigt sich die fürbittende Konfirmation ab, die auf lutherischem Boden noch eine Zukunft haben sollte. Gußmann a.a.O. S. 135 f.: „Das lateinisch confirmare, dem auch das teutsch gemeß ist, haißt nicht firmen, anstreichen oder binden, wie man davon redt, als wers der kresam, sonder bekreftigen und bestetigen, wie Christus Luk. 22 32 zu sant Peter sagt . . . . Das geschieht, wen man mit dem wort der tauf erinnert, sterkt und trost den teufling, bit mit dem psalmusten: Conserva hoc deus, quod operatus es in nobis. Welchs noch ein christlicher, guter brauch were, wenn es ein ieder bischof, das ist pfarrer, uber seinen tauflingen thet, den ie der geist durchs wort geben wird und Christus zusagt (Matth. 18 19) zu geben, was wir in seinem namen bitten.”
28) Diese zweite Stufe einer Synthese zwischen Luther und dem christlichen Humanismus in der Konfirmationsfrage ist erreicht in dem Gutachten des Blaufelder Pfarrers Georg Amerbacher vom 4. April 1530, Die fränkischen Bekenntnisse S. 520 f. Die geschichtliche Einleitung darf uns die grundsätzliche Wichtigkeit seiner Ausführungen nicht verdecken. Amerbacher will die Entstehung der katholischen Firmelung schildern: „Es muß ja dieser brauche sein anfang in der ersten kirchen gehabt haben. Im anfang der kirchen wurde der heilig geist allein durch auflegung der hende den glaubigen ubergeben, so die neuen christen im glauben befestigt, stark und bestendig machet. Das weret aber nicht lenger dan bis das euangelion ein furgang erlangt und fur warhaftig erkennet. ➝

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Pfingsten 1529 und vielleicht noch bis 1531 in dem Städtchen Waldeck, wo Hefentreger damals Pfarrer war, zu praktischen Anwendung gekommen — das älteste Beispiel einer lutherischen Konfirmationsfeier, das wir bisher kennen. Der jüngere Entwurf von 1534 war für die Stadt Wildungen bestimmt, deren Pfarrstelle Hefentreger (✝ 1542) seit 1531 innehatte29).

Beide Ordnungen sind ihrem Charakter nach als lutherisch zu bezeichnen, obwohl sie die Gedanken des Wittenberger Reformators nur ausschnittweise und noch dazu mißverstanden wiedergeben. Aber was sie positiv enthalten, steht auch in Luthers Programm einer Abendmahlszucht; eine flüchtige Berührung, die der Wildunger Entwurf mit den Ideen des Erasmus aufzuweisen hat, macht nur deutlich, wie verschieden die Welt, in der der Waldecker Reformator lebt, von der des der alten Kirche


➝ Do nun das auflegen der hand jetz aufhöret und durch falsche prediger sich aller irtumb (wie dan der teufel neben der gesunden lere auch seinen samen heimlich einwurft) erreget, sahen es die bischove, so irem ampt treulich vorstunden, fur gut an, keinem menschen, weder alten noch iungen, die sacrament zu reichen, ire glaube were dan zuvor durch fleissig fragen wol und eigentlich erkant. Bei wem nun ein rechter glaube befonden, dem wurden die sacrament mitgeteilt, und dis were ir firmung, confirmatio genent, das ist die bestetigun im glauben.
Die nachkomenden aber, dieweil sie in der heiligen schrift die auflegung der hende lasen und erfahen das christlich ampt irer vorgeenden bischoven, den ernstlichen catechismum gegen iungen und alten, folgten sie der tate on allen glauben nach, hindangesetzt alles fragen, unterrichten und so den Christen zu wissen von nöten, und blibe allein das schmiren und backenschlagen. Diesen neuen brauch nun zuverlassen und uns des rechten zu gebrauchen und mit sonderlichem fleiß den rechten catechismum wie im anfang der kirchen, als gehort, in steter guter ubung zuhandlen, will allen frommen treuen hirten zuton gebüren.”
29) Viktor Schulze: Ein unbekanntes lutherisches Konfirmationsbekenntnis aus dem Jahre 1529 = Neue Kirchl. Ztschr. XI, 1900, S. 233 ff.; ders.: Waldeckische Reformationsgeschichte, 1903, S. 265 ff. — E.Chr. Achelis hat (Neue Kirchliche Ztschr. XI, 1900, S. 423 ff.) zu Unrecht die beiden Ordnungen aus der Geschichte der Konfirmation ausgeschieden wissen wollen, weil sie in der Tat Erwachsene und nicht Jugendliche als Konfirmanden voraussetzen; er faßt dabei den Begriff der Konfirmation viel zu eng, rein von der katechetischen Seite aus. Indem er dabei ohne Spur eines Beweises eine Abhängigkeit von der Reformatio Ecclesiarum Hassiae Lamberts von Avignon konstruiert, hat er die Forschung über die Geschichte der Konfirmation um eine der Hypothesen bereichert, die dieses Gebiet allmählich zu einem Irrgarten haben werden lassen. Während Hefentreger rein aus Luther geschöpft hat, ist Lambert von den spätmittelalterlichen Einfüssen abhängig, die ich in meiner oben S. 8 Anm. 6 zitierten Arbeit nachgewiesen habe. — V. Schulze ist geneigt, die frühere (Waldecker) Ordnung von 1529 noch im Rahmen der späteren (Wildunger) von 1534 als gültig zu betrachten. Ich kann mich dieser Auffassung nicht anschließen. Die beiden Fassungen des Konfirmationsgelübdes sind nicht auf gegenseitige Ergänzung angelegt, sondern die zweite schließt die erste aus. Es ist also eine Entwicklung von der ersten zur zweiten Ordnung anzunehmen.

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angehörigen christlichen Humanisten ist.30) Wir sahen, wie sich die evangelische Gemeinde bei Luther als Abendmahlsgemeinde konstituiert hat. Ähnlich läßt sie auch Hefentreger entstehen aus solchen, die, überwältigt vom Worte Gottes, freiwillig dem Irrglauben der Evangeliumsgegner wie dem Scheinglauben der Vermittlungsleute absagen, sich freiwillig der Zucht der christlichen Gemeinde unterwerfen und sich als Katechumenen einer unterrichtlichen Vorbereitung unterziehen bezw. als Hausväter ihre Hausgenossen im Katechismus unterrichten lassen.31)

In diesen Stücken, vor allem in der Anerkennung, daß solches freiwillige Bekenntnis für jeden wahren Christen unerläßlich sei, stimmen beide Ordnungen grundsätzlich überein. Ein gewisser Unterschied freilich besteht in dem Inhalt ihrer jeweiligen Konfirmationsbekenntnisse. Das von 1529 ist eine Umschreibung des Apostolikums, besonders des 3.


30) Die erste der 9 Bedingungen, denen sich 1534 die Konfirmanden unterwerfen sollen, lautet (N.K.Ztschr. XI, 239): Ut agnoscant evangelii susceptionem nihil aliud esse quam renovationem illius professionis, quam olim ipsorum nomine susceptores fecerunt coram baptismate eamque deo praestandam esse. — Eine persönliche Erneuerung des Taufbekenntnisses hält H. also mit Erasmus für notwendig. Aber sie geschieht richtig nur unter den Wirkung der Predigt des Wortes Gottes im evangelischen Glaubensbekenntnis. Damit tritt die Erneuerung des Taufbekenntnisses unter das Zeichen des Kampfes gegen Rom, und zwar in doppelter Richtung: 1) Der evangelische Glaube ist der alte Glaube, den die Kirche allezeit mit ihrem Taufbekenntnis ausgesprochen hat. 2) Wer römisch gesinnt bleibt, bricht sein Taufbekenntnis.
31) Die Einleitung zu den 13 Artikeln des Gelübdes von 1529 lautet unter der Überschrift: De ratione confitendi fidem et evangelion Jesu Christi folgendermaßen:
Si quos eatenus promoverit vivificus ille domini sermo, ut potentiam esse dei persuasum habeant velintque hoc ipsum, quod a deo docti sunt, pro ipsius nominis gloria adversus furiosum regnum tenebrarum inferorumque portas, deinde pro excitandis iis, qui utroque adhuc pede claudicant suntque titulotenus modo Christiani, palam profiteri, suaeque coram ecclesia fidei rationem reddere, ibi primo omnium videant, ne quis publicus evangelii adversarius aut manifestis criminibus obnoxius ad hoc confessionis genus recipiatur, antequam in ore duorum triumve testium resipuisse comprobetur, et ne quid temere fiat, pro catechumenis ad tempus habendi sunt futuri confessores, donec ipsimet se penitus excutiant, quo animo quove spiritu ad faciendam confessionem capiantur, interim vero discent: Orationem dominicam, Symbolum fidei, Decem praecepta, Promissiones de Baptismate, Eucharistia, Remissione peccatorum, ut se omnia percontanti stare et ad verbum possint reddere, deinde et hos fidei articulos, et, ut illos sane intelligant. — Die 9 Bedingungen, auf die sich 1534 die Wildunger Konfirmanden verpflichten sollten, haben — mit Ausnahme der ersten (vlg. Anm. 30) — denselben Inhalt. Nur daß hier die Verpflichtung zur Kirchenzucht in aktivem und passivem Sinne — unter Nr. 8 und 9, N.K.Ztschr. XI, S. 239 — noch deutlicher ausgesprochen ist „Ut ad aedificationem et incrementum ecclesiae oratione, consilio, verbis et factis pro virili velint incumbere, et, si opus sit, ad corrigendos in ecclesia flagitiosos aut excpmmunicandos etiam consilia et opera praestare.” „Ut disciplinae evangelicae ultro se velint submittere fraternamque correptionem, si commereantur, sustinere.”

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Artikels, beherrscht von den Grundgedanken reformatorischer Theologie — nebenbei ein beachtenswertes Zeugnis für die theologische Reife seines Verfassers —, trägt also ausschließlich einen lehrhaften Charakter. Die fünf Konfirmationsfragen von 1534 dagegen sind ebenso ausschließlich auf die Kirche als Gemeinschaft der Evangeliumsgläubigen bezogen. Sie bejahen sie in ihrer empirischen Gestalt als Schöpfung des Heiligen Geistes und fordern den Gehorsam gegen ihr geordnetes Amt und die von ihr geübte Zucht. Wer sie mit ihnen bejaht, tritt damit bewußt und willensmäßig ein „in dye Versammlung und gemeynschafft der heyligen Christenheit.”32)

Wenn man auch alle diese Gedanken bei Luther nachweisen kann, so stehen sie doch bei ihm in einem größeren Zusammenhang und weisen darum auch in andere Richtung. Zucht ist bei ihm eingebettet in Beichte und Absolution und ist die Vorbedingung für die Teilnahme an der durch das Altarsakrament gestifteten Liebesgemeinschaft der Kirche. Bei Hefentreger fehlt die Beziehung auf die Abendmahlsgemeinschaft völlig. Dadurch verliert sein Konfirmationsbekenntnis den Charakter als Beichtbekenntnis. Es wird aus einer Handlung, die unmittelbar in den Schoß der feiernden Gemeinde einführt, zu einer Kampfhandlung gegenüber der ungläubigen Welt. Die Hefentregersche Konfirmation ist die Absage des unter dem Wort gläubig Gewordenen an die Römische Kirche. Dieses negative Moment überwiegt alles andere; und von ihm kann die Konfirmation nicht leben. Sie ist hier mehr ein Protest nach außen hin als der Ausdruck einer geistlichen Verbundenheit, mit der die Kirche als Liebesgemeinschaft alle ihre getauften Glieder umschließt. Damit ist auch alles segnende Handeln der Kirche fortgefallen; von der Handauflegung ist keine Rede33). Der einzelne hat alles allein


32) Das Bekenntnis von 1529, abgedruckt N.K.Ztschr. XI, S. 235 ff. u Wald. Ref.gesch. S. 211 ff., umfaßt 13 Punkte. 1 und 2 entsprechen dem 1. und 2. Artikel des Apostolikums; 3-12 behandeln zum 3. Artikel die Lehre vom Wort Gottes und den Sakramenten (dabei wird die Erbsünde im Zusammenhang mit der Taufe behandelt), von der Kirche und ihrer Absolutionsvollmacht, von der Wiederkunft Christi, Gericht und ewigem Leben; Punkt 13 fordert von jedem Christen, daß er sich im Wort und Wandel zu diesen Wahrheiten bekenne. — Die 5 Konfirmationsfragen von 1534 stehen N.K.Ztschr. XI, S. 240, Wald. Ref.gesch. S. 266.
33) Was hier vermißt wird, ist in wundervoller Tiefe in der Einsegnungsformel der Ordnung von 1534 enthalten, die als einziges Stück H.’schen Ursprungs in die waldeckische Agende von 1556 übergegangen ist. Sie zeigt, daß H. die Konfirmation auch als Segenshandlung zu würdigen verstand; nur ist dieses Verständnis in seinen beiden Ordnungen sonst nicht durchgedrungen. Die Formel lautet (N.K.Ztschr. XI, 241): „Der almechtige Gott und Vatter vnsres hern Jesu Christi, der dich durch seyne gnad vormittelst dem Sacrament der heyligen Tauff zu seynem reich beruffen vnd nun von neuwem an durch seyn göttlichs wortt erwecket hait, der wölle mit gnaden in dyr bestettigen, was er durch seynen heyligen geist in dyr angefangen haitt. Vnd nachdem du selbst durch deyn eygen mundtlichs bekantnys begerst der heyligen Christenheit zugerechnet zu werden, so nem ich dich an im namen vnsres herrn Jesu Christi stadtt der heiligen Christlichen ➝

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zu tun; und fast hat es den Anschein, als ob sein Tun die Kirche erst konstituiere. Hefentreger hat selbst ein Gefühl für diese Mängel. Er verwahrt sich gegen die Unterstellung, als solle durch solches fromme Tun des Menschen Gottes Rechtfertigungshandeln irgendwie hintangesetzt werden. Aber indem er dann von ihm aus die Konfirmation zu begründen trachtet, vermag er nichts anderes anzuführen als die volkspädagogischen Erwägungen, mit denen Luther den politischen Zwang zum Katechismuslernen gerechtfertigt hatte34). Und ahnt garnicht, wie sehr er dadurch alle kirchlichen Gesichtspunkte, die er in Luthers Nachfolge für die Konfirmation geltend gemacht hatte, selber entwertet!

Man merkt an diesen Unstimmigkeiten, wie schwer es den Schülern des Reformators fiel, die praktischen Erfordernisse der Zeit mit den Grundsätzen seiner Theologie zu einer echten evangelischen Konfirmation zu vereinen. So dürfen wir uns auch nicht wundern, daß wir in der Confessio Augustana nichts über sie finden. Deren Artikel 25 identifiziert zwar die Privatbeichte mit dem kirchenzuchtlichen Abendmahlsverhör und legt darauf großen Wert; aber die Firmelung wird nicht erwähnt, von ihrem Ersatz verlautet nichts. Melanchthon redet abgesehen von beiläufigen 


➝ kirchen zur gemeynschaft der gnad und huld gottes, vnsers hymlischen vatters, und zur gemeynschafft des buts Jesu Christi, seynes lyeben sohns, vnd zur gemeinschafft des heiligen geists, das du in der heiligen Christenheit vnd vnder der gemeynschafft der heyligen vormittelst dem waren Christlichen glauben alhyr auff erden mytt den kyndern gottes teyll vnd gemeynschafft haben mögest am heiligen Evangelio, an der Absolution, an den heiligen Sacramenten, am gebett vnd an allem, so durch gottes wort den gleubigen zugelassen wyrdt, vnd hernachmals am vnuergenglichen erb vnd vnaussprechlicher frewd des ewigen Lebens. Amen.”
34) H. beteuert 1534 (N.K.Ztschr. XI, 239) unter Anführung Korrekter Formeln über die Rechtfertigungslehre, er habe seine 9 Bedingungen der Zugehörigkeit zur Kirche nicht aufgestellt, „quasi ex his operibus fit iusticia . ., sed ut hic rudiores velut politiam aut economiam Christianismi agnoscant, das Euangelisch Landrecht, burgerrecht vnd hawßhaltung.” — 1531 hatte Luther in der Einleitung zum Kleinen Katechismus erklärt (W.A. 30 I, S. 349): „Denn wie wol man niemand zwingen kan noch sol zum Glauben, So sol man doch den haussen dahin halten und treiben, das sie wissen, was recht und unrecht ist bey denen, bey welchen sie wonen, sich neeren und leben wollen, Denn wer inn einer Stadt wonen wil, der sol das Stadrecht wissen und halten, des er geniessen wil, Gott gebe er glaube odder sey im herzen für sich ein schalck odder bube.” Vgl. oben S. 13 Anm. 16.
Auf diese Äußerung Luthers spielt H. offenbar an. Aber wie sehr hat er sie mißverstanden! Luther meint hier wirklich ein „Stadtrecht”, die politische Grundlage des Gemeinwesens, die die evangelische Lehre abgibt, weil sie Recht und Unrecht unterscheiden lehrt. H. dagegen überträgt den Begriff auf die kirchliche Gemeinschaft, wo es gerade nach seiner Darstellung der Konfirmation nur die Rechtsordnung seelsorgerlicher Liebe gibt, der der einzelne sich freiwillig unterwirft. Luther weist den Lernzwang dem Staate zu; H. will ihn gerade durch seine auf Freiwilligkeit beruhende Einrichtung bewirken. Welche Verwirrung der Begriffe! Wie unbegreiflich muß doch Luthers Schülern seines Unterscheidung der beiden Reiche gewesen sein!

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Bemerkungen in den Loci von 152135) und in der Apologie36) erst 1535 von einer evangelischen Konfirmation. Er billigt da die katechetische Konfirmation des Erasmus in der aller sakramentalen Riten entkleideten, ausschließlich auf Glaubensverhör und Wiederholung des Taufbekenntnisses beschränkten Form37).

Viel enger ist der Anschluß an Luther bei Calvin, dem wir den wichtigsten vorbutzerischen evangelischen Konfirmationsentwurf verdanken. Er findet sich in der ersten Auflage der Institutio von 1536, ist also vor den hessischen Ordnungen entstanden. Wie diese von ihm unbeeinflußt sind, so haben sie auch später nicht auf Calvin zurückgewirkt. Sondern die betreffenden Sätze der Institutio von 1536 sind unverändert in die von 1559 übergegangen, so sicher ist sich der Genfer Reformator von Anfang an in dieser Sache gewesen38).


35) Im Zusammenhang der Abendmahlslehre steht da (Ausg. von Plitt-Kolde 19254, S. 242) nur die lakonische Gleichsetzung von Konfirmation und Handauflegung. Vorher hat er den Abendmahlsempfang selbst als confirmatio bezeichnet: „Est autem significatio huius sacramenti, confirmare nos toties, quoties labascunt conscientiae, quoties de dei voluntate erga nos dubitamus. Id cum alias saepe, tum maxime cum moriendum est, accidit; potissimum igitur eo morituri confirmandi sunt. Neque vero vita christiana est, nisi assiduo moriamur. Confirmationem opinor impositionem manuum esse.” Bei Melanchthon sehen wir also zuerst den Ritus der Handauflegung in enge Verbindung mit dem Abendmahl treten, gleichsam als eine Vergewisserung des in diesem geschenkten Heilsgutes der Vergebung. Die Verwandtschaft mit den später ausgesprochenen Gedanken Luthers ist so augenfällig, daß man über die natürlich vorhandene Abhängigkeit von de capt. bab. hinaus einen gegenseitigen Austausch annehmen dürfte. Vgl. oben S. 56.
36) De numero et usu sacramentorum § 6: Confirmatio et extrema unctio sunt ritus accepti a patribus, quos ne ecclesia quidem tamquam necessarios ad salutem requirit, quia non habent mandatum Dei. Propterea non est inutile, hos ritus discernere a superioribus, qui habent expressum mandatum Dei et claram promissionem gratiae. — Immerhin ist bemerkenswert, daß die Abwertung dieser Handlungen gegenüber den beiden Sakramenten Taufe und Abendmahl nicht ihr völliges Verschwinden bedeuten soll. Der Weg zu ihrem evangelischen Verständnis ist offen gehalten.
37) Hier in der zweiten Auflage der loci (C.R. XXI, 469) vertritt Melanchthon bekanntlich einen erweiterten Begriff von Sakrament, den er auch später beibehält, und wonach auch Dinge darunter gerechnet werden können, denen die Schrift eine besondere göttliche Verheißung zuerkennt, ohne daß sie als Riten besonders von Gott eingesetzt wären. Er zählt in diesem Zusammenhang neben Gebet, Anfechtungen, Almosen, Ordination, Obrigkeit und Ehe auch Konfirmation und letzte Ölung auf (a.a.O. 470). Nach einer fast wörtlichen Wiederholung des obigen Zitates aus der Apologie fährt er fort: Sed confirmatio magnopere probanda esset, si usurparetur ad hoc, ut examinaretur iuventus et fidem propriam confiteretur. — Vgl. unten S. 76 zu Anm. 59 und 60; über die späteren Anschauungen Melanchthons von der Konfirmation s. unt. S. 81 ff.
38) Vgl. den Abschnitt de confirmatione in Opera selecta, ed. P. Barth, Bd. I S. 163 ff. mit dem gleichen Abschnitt in Bd. V, S. 438 ff. — Wenn die Herausgeber V, S. 439 für Calvins geschichtliche Behauptungen die patristischen Nachweisungen nicht so liefern konnten, daß ihr Schriftsteller irrtumslos dastünde, ➝

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Die erasmische Grundlage ist auch bei ihm unverkennbar. Zugleich sind auch schon die Veränderungen wirksam geworden, die man in Zürich und Basel an ihr vorgenommen hatte. Auch für Calvin kommt allein die katechetische Konfirmation ohne sakramentale Zutaten in Betracht. Auch er begründet sie aus der Geschichte der Alten Kirche, besonders aus der Einführung der Kindertaufe. Auch er findet in der persönlichen Erneuerung des Taufbekenntnis ihren eigentlichen Inhalt.39)

Aber mit ähnlich grundsätzlicher Härte wie Zwingli, nur in noch wissenschaftlicherer Form, über der große Systematiker Kritik an dem sakramentalen Charakter der Firmelung. Die Argumente stammen aus Luther. Hinzu tritt noch als neues Motiv ein erst mit dem Humanismus hervorbrechendes, geschichtlich begründetes Distanzgefühl gegenüber der neutestamentlichen Zeit, das zugleich getragen ist von dem Bewußtsein, in der reformatorischen Worttheologie die neutestamentliche Wahrheit rein, ohne überflüssige zeremonielle Zutaten, zu besitzen. Gewiß hat ehemals die Handauflegung sichtbare Geistesgaben verliehen. Aber mit deren Verschwinden ist die ganze Zeremonie gegenstandslos geworden. Mindestens seit Augustin hat sie nur — so wird geschichtlich nachgewiesen — den Charakter einer äußeren, die Fürbitte begleitenden Handlung.40) Vor allem


➝ so übersehen sie, daß der Reformator hier unter dem Einfluß einer Geschichtstradition des christlichen Humanismus schreibt, über deren Wert wir schon oben S. 57 ff. Anm. 19 gehandelt haben. Sie ist von Erasmus an immer mehr angeschwollen, ohne dadurch der geschichtlichen Wahrheit näher zu kommen. Das Zitat aus Hieronymus, Contra Luciferianos c. 8 f., hat schon Butzer 1533/34 als Stütze für seine Anschauung von der Konfirmation verwandt; vgl. unten S. 77 Anm. 60.
39) a.a.O. I S. 169: „Utinam vero morem retineremus, quem apud veteres fuisse suspicor (die Ausgabe von 1559 setzt dafür V, 447 als Abschluß einer langen dogmengeschichtlichen Erörterung admonui), priusquam abortiva haec sacramenti larva nasceretur. Non ut esset confirmatio, quae sine baptismi iniuria nec nominari potest: sed christiana catechesis, qua pueri aut adolescentiae proximi fidei suae rationem coram ecclesia exponerent . . . Puer decennis ecclesiae se offerret, ad edendam fidei confessionem; rogaretur de singulis capitibus, ad singula responderet. Si quid ignoraret aut minus intelligeret, doceretur.
Dabei wird der pädagogische und kirchliche Nutzen besonders hervorgehoben: Haec disciplina, si hodie valeret, profecto parentum quorundam ignavia acueretur, qui liberorum institutionem. quasi rem nihil ad se pertinentem, secure negligunt, quam tum sine publico dedecore omittere non possent. Maior esset in populo christiano fidei consensus, nec tanta multorum inscitia et ruditas; non adeo temere quidam novis et peregrinis dogmatibus abriperentur, omnibus denique esset quaedam velut methodus doctrinae christianae.
40) a.a.O. S. 164: Sed cessarunt illa virtutum miracula et manifestae operationes, quae per manuum impositionem distribuebantur, nec nisi ad tempus esse debuerunt. Oportuit enim novam evangelii praedicationem, novum Christi regnum, inauditis et inusitatis miraculis illustrari et magnificari. A quibus ubi cessavit Dominus, non protinusi ecclesiam suam deseruit, sed regni sui magnificentiam, verbique sui dignitatem satis excellenter manifestatam docuit.

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aber würde eine sakramentale Firmelung die Taufe entwerten. Das Argument, mit dem die altgläubigen Gegner des Erasmus gegen dessen Konfirmationsvorschlag gekämpft hatten, wird auch jetzt gegen sie selbst gewandt. Nur eine Konfirmation, die gar nichts Sakramentales an sich hat, sondern ausschließlich katechetischen Charakter besitzt, läßt die Würde des Taufsakramentes unangetastet.41)

Sie ist in erster Linie ein Bekenntnisakt derer, die als Kinder getauft sind; wenn sie in die Unterscheidungsjahre gekommen sind, wiederholen sie ihr Taufbekenntnis. Dabei ist nun das Neue bei Calvin, daß er diesen katechetischen Bekenntnisakt mit seinem universalistisch-unionistischen Kirchenideal verbindet. Ein neues Einheitsbekenntnis, in dem alle reformatorischen Kirchen übereinstimmen können, soll der Konfirmationshandlung zugrunde gelegt werden42). Dagegen scheint das Zuchtmotiv — volkspädagogisch gewandt — nur leise anzuklingen.

Ein anderes Bild ergibt sich indessen, wenn wir uns den praktischen Forderungen zuwenden, durch die jene Vorschläge verwirklicht werden sollten. Sie sind enthalten in der Eingabe der Genfer Prediger an ihren Magistrat vom 16. Januar 1537. Deren deutliche Anklänge an die Institutio von 1536 zeigen, daß Calvin daran den entscheidenden Anteil hat.43)

Hier gewahren wir zum ersten Male, wie stark der Genfer Reformator von Luthers Forderung der Abendmahlszucht innerlich ergriffen ist. Evangelische Kirche fällt ihm mit evangelischer Abendmahlsgemeinschaft zusammen.44) Zu ihrer Herstellung begehrt er vom Genfer Rat die


41) a.a.O. S. 166: Videte malitiosam et sonticam satanae fraudem, qui ex Deo estis. Quod vere in baptismo dabatur, in sua confirmatione dari mentitur, ut furtim incautos a baptismo abducat. Quis iam dubitet, hanc satanae esse doctrinam, quae promissiones baptismi proprias a baptismo abscissas, alio derivat et transfert . . . . Verius ergo definire hanc confirmationem possum quam ipsi hactenus definierunt: nempe insignem esse baptismi contumeliam, quae usum ipsius obscurat et abolet.
42) a.a.O. S. 169: Esset autem optima catechisandi ratio, si formula in hunc usum conscripta esset, summam continens et familiariter explicans omnium fere religionis nostrae capitum, in quae universa fidelium ecclesia consentire sine controversia debet . . . . Ita unicam veram et sinceram fidem, qua unanimiter Deum unum colit fidelium populus, teste et spectante ecclesia profiteretur. — Die Herausgeber der opera selecta denken V S. 447 Anm. 3 bei dieser Formel eines Einheitsbekenntnisses merkwürdigerweise an die wahrscheinlich erst 1553 entstandene „manière d’interroguer les enfans”, ohne zu fragen, ob sie nicht zunächst in der zeitlichen Nähe von 1536, dem Erscheinungsjahr der ersten Auflage der Institutio, zu suchen sei; vgl. Anm. 49.
43) Articles concernant l’organisation de l’église et du culte à Genève, proposés au Conseil par les Ministres le 16 janvier 1537, I S. 369 ff.
44) Der fundamentale erste Satz, von dem die ganze Eingabe ausgeht, lautet: „Il est certain que une esglise ne peut estre dicte bien ordonee et reiglee synon en la quelle la saincte Cene de nostre Seigneur est souuentefoys celebree et frequentee” (a.a.O. S. 369). Darum wird für den Normalfall sonntägliche Abendmahlsfeier vorgesehen (a.a.O. S. 370).

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Einführung der Abendmahlszucht.45) Ein besonderes Zuchtamt, entsprechend dem der Straßburger Kirchspielspfleger und also wie dieses auf dem ursprünglichen lutherischen Begriff des evangelischen Laienamt fußend, soll die Reinheit der Abendmahlsgemeinde wahren.46)

Zu deren Herstellung und dauernder Erhaltung bedarf es eines doppelten Bekenntnisaktes. Erstmalig sollen sich alle Bürger, angefangen von den Ratsmitgliedern, zum evangelischen Glauben bekennen und dann erst zum Sakrament zugelassen werden.47) Außerdem aber soll mehrmals im Jahr der heranwachsenden Jugend durch ein Katechismusexamen Gelegenheit gegeben werden, öffentlich ihren Taufglauben zu bestätigen.48) Für beide Zwecke ist ein kurzes, leicht faßliches Glaubensbekenntnis nötig.


45) Die Abendmahlsfeiern müssen vor Profanation geschützt werden, zumal solange noch Alt- und Neugläubige durcheinander wohnen: II fault doncq que ceux qui ont la puissance de fayre ceste police mettent ordre que ceux qui viennent en ceste communication soyent comme approuuez membres de Jesuchrist.” (372.)
46) a.a.O. S. 373: Die Obrigkeit soll „ordonner et eslire certaynes personnes de bonne vie et de bon tesmoignage entre tous les fideles, pareillement de bonne constance et que ne soyent poent ayses a corrumpre, lesquelz estans departis et distribues en tous les quartiers de la ville, ayant loil sus la vie et gouuernement dung chascun et sil voyent quelque notable vice a reprendre en quelque personne, quil en communiquent auecq quelcung des ministres pour admonester quicunque sera celluy lequel sera en faulte et lexorter fraternellement de se corriger.” Das weitere Bußverfahren soll dann nach Matth. 18 durchgeführt werden.
47) Als Heilmittel zur Wiederherstellung der religiösen Einheit schlägt C. (a.a.O. S. 374) dem Genfer Rat vor, „que tous les habitans de vostre ville ayent a fere confession et rendre rayson de leur foy, pour cognoistre lesquelz accordent a leuangille et lesquelz ayment mieux estre du royaulme du pape que du royaulme de Jesucrist. Ce seroyt doncq ung acte de magistratz crestiens si vous, Messieurs du Conseil, chascun pour soy, faysiez en vostre conseil confession par laquelle on entendist que la doctrine de vostre foy est vrayement celle par laquelle tous les fidelles sont vnis en vne eglise.” In die Hand der Ratsmitglieder, die ihren evangelischen Glauben bekannt haben, und einiger Diener des Wortes sollen dann die übrigen Gemeindeglieder ihr Glaubensbekenntnis ablegen, „qui est le droict commencement dune esglise:” Wie die Abendmahlsgemeinde die eigentliche christliche Gemeinde ist, so erfolgt der Zutritt zu ihr durch das persönliche Abendmahlsbekenntnis. Diese Beitrittserklärung wird durch die Konfirmation der heranwachsenden Jugend zu einer Dauereinrichtung.
48) Als Begründung für die kirchliche Jugendunterweisung wird (a.a.O. S. 375) angeführt, daß die Kinder „doibuent a lesglise vne confession de leur foy.” Aller Unterricht hat also das im Katechismusverhör abgelegte persönliche Glaubensbekenntnis zum Ziel. Das Verfahren wird dann auf die uns seit Erasmus bekannte Weise aus der altkirchlichen Taufpraxis „geschichtlich” begründet: „Pour cette cause anciennement on auoyt certain catechisme pour jnstituer vng chascun aux fondemens de la religion crestienne et qui estoyt comme vng formulayre de tesmoignage dont vng chacun usoyt pour declairer sa crestiente, et nommeement les enfans estoyent enseignez de ce catechisme pour venir testiffier a lesglise leur foy dont il nauoyent peu rendre temoignage a leur baptesme.” Im Blick auf Röm. 10 10 wird dann das persönliche ➝

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Und wer sich darauf verpflichtet, kann zur evangelischen Abendmahlsgemeinde gehören.49)

Diese katechetische Konfirmation Calvins ist also beides: Erneuerung des Taugelübdes und Vorbereitung zum Abendmahlsempfang. Aber sehen wir davon ab, daß die Genfer Eingabe von 1537 keine praktischen Folgen hatte, jener Konfirmationsentwurf also zunächst gar nicht durchgeführt


➝ Glaubensbekenntnis des Täuflings als unabdingbare biblische Forderung (ordonnance) bezeichnet, deren Erfüllung besonders in der Gegenwart angesichts der Saumseligkeit vieler Eltern und also wegen ihres pädagogischen Nutzens unerläßlich sei. (376.)
49) Gefordert wird (376) „vne briefue somme et facile de la foy crestienne, laquelle soyt apprinse a tous les enfans et que certaynes fassons de lannee ils viennent par deuant les ministres pour estre jnterroguez et examinez et recepuoyr plus ample declaration selon quil sera besoing a la capacite dung chacun deux, jusques a ce quon les aye approuez estre suffisamment jnstruicts.”
Erfüllt ist diese Forderung gleich 1537 worden. Zwar nicht, wie man zunächst vermuten könnte, in der „Instruction et Confession de Foy, dont on use en Lesglise de Geneve.” (a.a.O. S. 378 ff.); sie trägt in ihrer Formulierung keinen ausgesprochenen bekenntnismäßigen Charakter. Wohl aber findet sich dieser in der „Confession de la Foy, laquelle tous Bourgeaus et Habitans de Geneve et Subjects du Pays doibvent jurer de garder et tenir extracte de Linstruction dont on use en Lesgise de la dicte Ville” von 1537 (a.a.O. S. 418 ff.); vgl. die Wendungen: nous protestons, nous pretendons, nous recongnoissons, nous confessons und ähnliche.
Calvin und seine Amtsgenossen bestätigten selbst diesen Zusammenhang in der Vorrede, die sie 1538 der lateinischen Übersetzung obiger Schriften mitgaben (426 ff.). Sie verteidigen die Notwendigkeit des Glaubenseides mit der Heiligkeit des Abendmahls und der dadurch hergestellten sakramentalen Gemeinschaft (429). Hier ist für Luther und Calvin der gemeinsame Ansatzpunkt für ihr Zuchtprogramm. Daß evangelische Kirchenzucht Abendmahlszucht sei, hat Calvin von dem Wittenberger Reformator gelernt. Sein eigener Beitrag liegt darin, daß er den Zuchtgedanken in den Dienst seiner kirchlichen Einigungspläne, durch Schaffung eines kirchlichen Einheitsbekenntnisses stellt; vgl. oben S. 69 f. Anm. 42 und 47. Auch die seelsorgerlichen Beweggründe sind die gleichen wie bei Luther: „Quare non alia lege pacem ac quietem obtinere cum nostris ipsorum conscientiis potuimus, quam ut solenni professione nomen Christo darent, qui in eius populo censeri, atque ad spirituale sacrosanctumque illud epulum admitti vellent” (429).
Dazu tritt dann noch die von Erasmus übernommene Beziehung zwischen Taufbekenntnis und Konfirmationsgelübde. Aber sie ist charakteristisch verändert. Nicht mehr wie bei dem großen Humanisten erscheint der persönliche Bekenntnisakt notwendig, weil die Taufe ohne die Einsicht der mit ihr geschenkten Gnade und auferlegten Verantwortung wertlos wäre, sondern weil jeder Mensch den Taufbund gebrochen hat. Die Sünde, nicht die wachsende Einsicht fordert die Erneuerung des Taufgelübdes; es ist Beichtbekenntnis. Es genügt nicht, es einmalig abzulegen; denn „nemo non defecerat a baptismi professione. Si militiae desertori primum sacramentum, quod perfidia sua violavit, sufficere autumant, verbum pro causae nostrae patrocinio non faciemus. Sin ipse quoque sensus communis aliud dietat, omni calumnia liberamur.” (429). Ganz in der Weise der späteren Foederaltheologie (über Calvin als Vorläufer derselben vgl. Gottlob Schrenk, Gottesreich und Bund im älteren ➝

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wurde.50) Vor allem war in ihm keine einmalige kultische Handlung vorgesehen, in der jene beiden Seiten der evangelischen Konfirmation zu einer inneren Einheit zusammengeschmolzen worden wären. Das geschah erst durch Butzer und wurde praktisch erst in den beiden hessischen Ordnungen verwirklicht. Erst hier ist die volle Synthese zwischen der erasmischen und der lutherischen Konfirmation erreicht. Wie ist Butzer zu ihr gelangt?

Er geht aus von dem Taufproblem, das durch Erasmus selbst gestellt51) und durch das Täufertum gefährlich aktuell geworden war.


➝ Protestantismus, vornehmlich bei Johannes Coccejus, 1923, S. 44 ff.) wird dann die Möglichkeit einer Taufbunderneuerung an den verschiedenen Bundesschlüssen Gottes mit seinem Volke klargemacht (429 f.) und schließlich den Verächtern der evangelischen Konfirmation ins Stammbuch geschrieben (430): „Cum tot ergo ecclesiae primoribus, cum principe omnium prophetarum Mose, cum Deo ipso disceptent, qui talem promissionis formam licentiosa maledicentia insectari sibi permittunt.
50) Daher ist es wohl zu erklären, daß Calvin sein Konfirmationsprogramm von 1536/37 noch in die Institutio von 1559 (V 447) mit demselben Wunsche wie anfangs übernahm: Utinam vero morem retineremus quem apud veteres fuisse admonui; vgl. dazu oben S. 68 Anm. 39.
51) Daß es erasmische und nicht täuferische Einflüsse sind, die bei Butzer von Anfang an seine Wertung der Kindertaufe bestimmen, zeigen die Ausführungen der Straßburger Prediger über die Taufe in dem aus der Geschichte des Abendmahlsstreites bekannten Brief an Luther vom 23. November 1524 (W.A. Br. 3, Nr. 797 95 ff.). Karlstadts Versuch, die Kindertaufe abzuschaffen, wird schlechthin abgewiesen. Aber wie von Erasmus wird im Blick auf die Alte Kirche an der gegenwärtigen Taufpraxis Kritik geübt und dabei sogar von einem ridiculum votum bei der Kindertaufe gesprochen; als Heilmittel wird die katechetische Konfirmation nach erasmischen Vorbilde empfohlen: Quare licet usui primitivae ecclesiae, ac etiam Scripturae, quae doctos Christum iubet baptizari, magis forte responderet, non nisi adultos baptizari, quia, docti pietatem, baptismo Christum confiterentur, et interim falsa in aquae baptismum flducia tolleretur, qua multi hodie etiam imprudentes tenentur, cum de salute non ablutorum male sperant, attamen hoc tribuere communi consensui haud ita gravaremur, ut infantes ablueremus, modo, cum ridiculum videamus votum eorum, qui e fonte sacro levant, statueretur certum tempus catechizandi pueros, doctrinae Christi iam capaces, quos huius, quantum nobis scire licuit, baptizassemus rudes. —
Wie sehr Butzer über den Verdacht geheimer Wiedertäuferei erhaben ist, zeigt der Konflikt, den er in den Jahren 1527 bis 1529 mit Capito in der Tauffrage ausgefochten hat (vgl. zum Folgenden Martin Usteri: Die Stellung der Straßburger Reformatoren Bucer und Capito zur Tauffrage = Th. St. Kr. 57, 1884, S. 456 ff.). Wenn dieser 1528 in seinem Hoseakommentar die Kirche definiert hatte (a.a.O. S. 471) als „civitas eorum, qui fidem in Deum et dilectionem mutuam per Christi spiritum ex animo profitentur”, so ist die Einschätzung der Kirche als Bekenntnisgemeinschaft bei ihm unstreitig lutherisches Erbe. Indem er aber mit Erasmus das persönliche Taufbekenntnis als konstitutiv ansah für die Zugehörigkeit zur Kirche, mußte er notwendig zur Ablehnung der Kindertaufe kommen. Capitos Synthese zwischen Luther und Erasmus bedeutete den Weg ins Täufertum. Gerade weil Butzer ihn nicht gehen wollte, mußte er auf andere Weise eine Vereinigung zwischen seinen beiden großen Lehrmeistern versuchen. — Usteri hat a.a.O. den Einfluß, den Erasmus in der Tauffrage auf die schweizerischen und oberdeutschen Reformatoren ausgeübt hat, völlig übersehen.

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Er ist dabei für uns jetzt über den Verdacht erhaben, als wolle er sich in Konkurrenz zur sektiererhaften Erwachsenentaufe eine eigene sakramentale Handlung ausdenken. An und für sich hätte er sich wohl mit einer katechetischen Erneuerung des Taufbekenntnisses begnügen können, wie sie in Abhängigkeit von Erasmus durch Zwingli und Oekolampad geschaffen worden war; denn selbstverständlich ist auch deren Beispiel nicht ohne Wirkung auf ihn geblieben.

Aber im Ringen mit der Täuferbewegung hatten sich ihm die erasmischen Anschauungen vertieft, hatten für ihn Element, die in der bisherigen protestantischen Entwicklung zu kurz gekommen waren, neue Bedeutung gewonnen. Zu ihnen gehört auch die Handauflegung. Im ganzen Neuen Testament fand er sie als geistmitteilende Segenshandlung.52) Christi Kindersegnung nach Mark. 10 bietet ihm wie der ganzen reformatorischen Täuferpolemik den Hauptbeweis für den objektiven Wert der Kindertaufe. So tritt sie für ihn seit 1530 in enge Beziehung zur Taufe53) und wird durch


52) Schon 1530 rückt er sie in nächste Nähe zu den beiden evangelischen Hauptsakramenten; der Begriff der sakramentalen Zeremonie ist hier schon vorgebildet. Vergleiche Martinie Buceri Responsiones ad Quaestiones a Georgio Morello et Petro Latomo Valdensium provincialium Ablegatis, de Religione rebusque Ecclesiasticis propositas 1530, abgedruckt bei Herzog: Ein wichtiges Dokument betr. die Einführung der Reformation bei den Waldensern (= Ztschr. f. histor. Theol. 1866, S. 311 ff.). Die z.T. noch unerschlossenen Dokumente über diese wichtigen Verhandlungen, die Butzers Kampf gegen den Sektentyp deutlich offenbaren, sind beschrieben von J.H. Todd: The Waldensian Manusripts preserved in the Library of Trinity College, Dublin. London and Cambridge 1865, S. 8-21. Herzog S. 337: Sacramenta praeter Baptismum et Eucharistiam nulla novimus quam forte manuum impositionem et unctionem, utraque celebris etiam apostolis videtur, sed non tantum quantum priora duo. — Der Straßburger Katechismus von 1534 bezeichnet die Handauflegung als Sakrament; vgl. August Ernst und Johann Adam: Katechetische Geschichte des Elsasses, 1897, S. 42 ff.
53) Herzog a.a.O. S. 324: Nobis loco omnium initialium caeremoniarum unum baptismum instituit, nisi velis adserere impositionem manuum et solemnem benedictionem, qualem praestitit Christus apportatis sibi pueris quos voluerant discipuli arcere. Im Zusammenhang der Stelle werden die ntlichen Initiationssakramente den atlichen gegenübergestellt, sodaß die Beschneidung zur Taufe, die Darstellung im Tempel zur Handauflegung in Parallele tritt.
Ganz abwegig sind die Behauptungen, die Emil Hansen in seiner für die spätere Entwicklung der Konfirmation in Norddeutschland sehr verdienstvollen „Geschichte der Konfirmation in Schleswig-Holstein” (Schriften des Vereins für schlesw.-holst. K.G. I 6, 1911) über die Butzerische Konfirmation macht. Sie einzeln aufzuführen erübrigt sich durch die folgende Darstellung; sie stellen übrigens nur die extremste Form der Irrtümer dar, die seit dem 19. Jahrhundert über die hessische Konfirmation verbreitet werden (vgl. oben S. 6 Anm. 4). Warnen muß man nur die Theoretiker und Praktiker eines Neubaues der Konfirmation, diese Irrtümer unbesehen zu übernehmen. Eine löbliche Ausnahme macht übrigens Martin Doerne in den historischen Teilen seines ausgezeichneten Buches: „Neubau der Konfirmation”, 1936. Vgl. seine Auseinandersetzung mit Hansen über den Charakter der butzerischen Konfirmation S. 28 ff.

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die Verbindung mit ihr — und nur dadurch — selber zur sakramentalen Handlung.54) Der Taufe wird dadurch nichts hinzugefügt, sie bleibt Gottes vollgültiges Handeln am Menschen. Sofern aber die Konfirmation ein Taufgedächtnis ist, hat sie ihre subjektive Seite in der Erneuerung des Taufbekenntnisses, ihre objektive in der erneuerten symbolischen Versicherung der göttlichen Gnadengabe durch die Handauflegung.55) Im Hintergrund


54) Diese Verbindung wird bewiesen durch den 19. der 22 Artikel, die im Sommer 1539 — also bald nach der Entstehung der beiden hessischen Ordnungen — auf einer Straßburger Synode beschlossen wurden (vgl. Johann Adam: Evangelische Kirchengesch. der Stadt Straßburg, 1922, S. 188). Er lautet (nach T.W. Röhrich: Gesch. d. Ref. im Elsaß, II, 1832, S. 268 ff.): „Deshalb, wie Gott wollte die Alten beschnitten haben, und der Herr Jesus selbst das Sacrament seines Segens und Verleihung des heiligen Geistes, die Handauflegung samt dem Geber, den Kindern mittheilet, also theilen wir ihnen auch den Tauf mit, der nichts mehr thun und seyn kann denn des Herrn Händauflegen und Segnen.” — Die 16 Artikel der Synode van 1533 (a.a.O. S. 263 ff.) enthalten nichts über Handauflegung und Konfirmation, schon das ein Beweis gegen die oft wiederholte Behauptung, Schenkfeld habe durch seine auf dieser Synode erhobene Forderung, eine Konfirmation einzurichten, Butzer auf einen diesem eigentlich fremden Weg gedrängt. Das im Corpus Schwenkfeldianorum IV 782 ff. abgedruckte Protokoll der Synode enthält keinerlei Anspielung auf die Konfirmation, aus dem Munde Schwenkfelds freilich (799 15) den Wunsch nach Herstellung eines christlichen Bannes und einer „Sammlung im Heiligen Geist”, aber vonseiten Butzers keine Äußerung dazu. In seinem nach Abschluß der Synode an Butzer gerichteten Brief von Ende August 1533 (Corp. Schwenkf. IV 812 ff.) beklagt Schw. unter Berufung auf Luther und gemessen an der rechten apostolischen Kirche die Unvollkommenheit des evangelischen Kirchentums und vermißt darin besonders den brüderlichen Bann und die Handauflegung. In diesem Zusammenhang bedauert er in der Nachfolge des Erasmus und unter wiederholter Berufung auf Zwinglis Auslegung der 18. Schlußrede (vgl. oben S. 57 Anm. 19; Corp. Schwenkf. III, 822, V, 118) den Verfall des altkirchlichen Katechumenats. Daß die Kirche in ihrer Anfangszeit die Kindertaufe nicht gekannt habe, ist ihm durch jene humanistischen Autoritäten ganz gewiß geworden (Corp. Schwenkf. III, 858). Andrerseits wirft sein Iudicium de Anabaptistis (Corp. Schwenkf. III, 830 ff.) den Täufern Überschätzung der äußeren sakramentlichen Handlung vor. Sein Spiritualismus, der ihn von den Täufern trennt, speist sich also aus humanistischen Quellen. Zugleich fühlt er sich als Vollender Luthers, wenn er zur Vorbereitung nicht nur auf das Abendmahl, sondern auch auf die Taufe Unterricht im Wort und persönliches Glaubensbekenntnis fordert (Corp. Schwenkf. III, 829).
55) Dabei ist schon 1530 das Streben unverkennbar, das subjektive Bekenntnis gegenüber dem objektiven göttlichen Handeln zu entwerten. Die Waldenser hatten, darin den Täufern gleich, die Behauptung aufgestellt, daß die Lehre der Taufe im N.T. vorangehe, daß also die kirchliche Taufhandlung der Belehrung folgen müsse. Butzer gibt die biblische Grundlage dieser These zu, bestreitet aber, daß es sichere Kriterien gebe, an denen man den effektiven Erfolg jener Belehrung erkennen könne: „Numquam tamen exegit, ut ullis sacramentum conferrent renovationis, nisi in quibus certa eius signa viderent. Neque certum signum confessio eius est et qualiscunque vitae externae, quae sola nobis conspicitur, castigatio” (a.a.O. 326). Damit ist der grundsätzliche Bruch mit dem Sektenbegriff vollzogen. ➝

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steht der später überwundene Sakramentsbegriff des jungen Butzer, der scharf zwischen der sakramentalen Gnadengabe und deren äußeren Zeichen scheidet.56)

Die die Handauflegung begleitende Geistmitteilung denkt sich Butzer durch die Kraft der Fürbitte bewirkt. In diesem Sinne habe die Kirche zu allen Zeiten jene äußere Handlung geübt, bis es dann zu dem Mißbrauch der römischen Firmelung gekommen sei. Nur daß seit den Tagen der Apostel die Handauflegung der Taufe nachfolgt, während Christus selbst sie ihr vorangehen ließ.57)


➝ Entsprechend wird dann in dem um die Jahreswende 1533/34 entstandenen Sendbrief „Quid de baptismate infantium iuxta scripturas Dei sentiendum” (im ff. abgekürzt de bapt. inf.) beont, daß Gott in der Taufe mit uns handelt, nicht wir mit ihm: Quanti nostra quaeso pollicitatio, quanti nostra professio? Ne igitur, quod est sacramentum Redemptionis domini Jesu Christi, rei certissimae, doni ἀμεταμελήτου, faciamus symbolum tantum nostrae pollicitationis, rei tam nihili quam dubiae. Ecclesia Christi vim et spiritum exhibet, nihil conatus humani. Dominus lauat nos et seipso induit (C I). Der ganze Tenor der genannten Schrift richtet sich gegen die täuferische These, daß das persönliche Bekenntnis einen Wesensbestandteil der Taufe ausmacht, daß diese also, falls das Glaubensverhör fehle, unwirksam sei. Wie wenig es Butzer auf den persönlichen Charakter des Taufbekenntnis ankommt, zeigt seine Beschränkung der Taufverheißung auf die Erwählten; seine Erwählungslehre hat ihm ohnehin die in den 30er Jahren immer stärker werdende Verobjektivierung seiner Sakramentslehre erleichtert, indem sie es ihm möglich machte, sich in jedem prekären Falle deren unangenehmen Folgen zu entziehen: „Promissio sine exceptione delata est omnibus, qui Dei sunt. Qui vero Dei sunt, uobis non nisi ex ipsorum aut eorum, in quorum potestate sunt, confessione iudicandum.”
56) Herzog a.a.O. 337: „certum est, quicquid exterum est, symbolum tantum esse internorum.”
57) De bapt. inf. A I:„Impositio manuum adaptatio est ad certum in Ecclesia munus sancte obeundum uel Spiritus sancti ad eiusmodi funetionem collatio.” A VIII: „Qui adferebant Domino Jesu suos infantes quid petebant? Numquid ut Dominus eis bene precaretur? Impositio igitur manuum quo Dominus signo illis suam benedictionem exhibebat, numquid symbolum erat eius quod donabat Christus?” B II: „Accepit puerulos in ulnas, impositisque manibus benedixit. Quid ergo obsecro haec erat benedictio? Quid pro illis oratio? Quid aliud tandem quam redemptionis, quam humano generi perficiebat, communicatio, sine qua nihil non est noxium, nihil non maledictioni subiectum?” Weil darum die Handauflegung alles das bietet, was die Täufer von ihrer Taufe erwarten, fordert Butzer sie auf, die Kindertaufe und jene ntliche Segenshandlung bei sich einzuführen. Für Butzer selbst kommt letzteres nicht in Frage, da die Kirche jenen Brauch nie ganz verloren habe. Die Konfirmation sieht er also nicht an als einen Ersatz der täuferischen Großtaufe, sondern als eine durch Schrift und Tradition geforderte kirchliche Segenshandlung, deren mangelhaftes Verständnis erst die Irrtümer der Täufer hervorgerufen habe. Wenn sie darum einen öffentlichen und feierlichen Akt der Hingabe an Christus fordern, so fragt er sie (B VIII): „Cur autem non satis habetis id fecisse sacramento impositionis manuum, ut Christus? Christus neminem omnino aqua baptizauit usus igitur erga infantes hoc sacramento impositionis manuum. At suis uoluit primum gratiae ➝

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Die Konfirmation eine kirchliche Weihehandlung in der Kraft gläubigen Gebetes der christlichen Gemeinde — damit haben wir den richtigen Ausgangspunkt gewonnen für Butzers Verständnis der Konfirmation als einer sakramentalen Zeremonie. Er hat aus dem Widerspruch, den Erasmus gefunden hatte, gelernt. Darum hat er der rein subjektiven Erneuerung des Taufbekenntnisses das objektive Element der Handauflegung zur Seite gestellt. Daß es in der Taufe nicht um eine menschliche Entscheidung gehe, sondern um eine göttliche Geist- und Gnadenmitteilung, kommt darin zum Ausdruck; zugleich aber auch, daß es sich bei der Geistbegabung um einen niemals in sich abgeschlossenen Prozeß inneren Wachstums handele. Nicht als Konzession an das Täufertum geschah das, wie man wohl gemeint hat, sondern um den Gegensatz zu ihm stärker, als Erasmus das vermocht hatte, herauszuheben. Während dessen Konfirmationsprogramm im Grunde die Wirkung der Sakramente in der Kirche außer Kraft setzte, obwohl er den sakramentalen Pomp der mittelalterlichen Kirche beibehielt, hat Butzer, in positiver Auseinandersetzung mit dem Sakramentsverständnis sowohl der Reformatoren wie der Alten Kirche, eine gewaltige Vertiefung der erasmischen Anschauung erreicht. Er ist damit auf Umwegen zu Luthers ursprünglicher Auffassung von der Handauflegung als einer fürbittenden Segenshandlung zurückgekehrt.58)

Und er steht damit innerhalb des Luthertums nicht allein. Melanchthon hat in der Apologie und in den späteren Auflagen seiner loci ausgeführt,59) daß das Gebet, das sich auf eine göttliche Verheißung gründet, als Sakrament bezeichnet werden könne, und hat unter diesem Gesichtspunkt in der Apologie auch die Handauflegung als Sakrament gewürdigt.60) Butzer und die hessische Kirchenordnungen befinden sich also mit ihrer Anschauung in guter Gesellschaft.

Noch deutlicher wird die Annäherung an Luther erreicht durch die Gleichsetzung der fürbittenden Handauflegung mit der Handlung der Absolution. Sie wird zuerst deutliche ausgesprochen in dem auf Butzer


➝ symbolum esse baptisma, impositionem manuum sequi, ita ut obseruatum ab Apostolis legimus . . . . Quem ordinem et cum infantibus obseruatum esse cum ab ipsis Apostolis tum ab omni hactenus Ecclesia, nemine unquam contradicente, usque ad hoc hominum genus, quod adeo impiis et damnosis dogmatis Euangelium conculcat, uastat Ecclesias.
58) Vgl. oben S. 55 zu Anm. 14.
59) Ap. Conf. XIII 16: „Postremo, si omnes res annumerari sacramentis debent, quae habent mandatum Dei et quibus sunt additae promissiones, cur non addimus orationem, quae verissime potest dici sacramentum? Habet enim et mandatum Dei et promissiones plurimas, et collocata inter sacramenta quasi in illustriore loco, invitat homines ad orandum. Vgl. oben S. 67 Anm. 36 und 37, über ähnliche Anschauungen im fränkischen Luthertum oben S. 62 Anm. 27.
60) Ap. Conf. XIII 12, wo die Handauflegung im Zusammenhang der als sakramentale Zeremonie verstandenen Ordination gewürdigt wird: „Si ordo hoc modo intelligatur, neque impositionem manuum vocare sacramentum gravemur.”

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zurückgehenden Straßburger Katechismus von 1534.61) Damit tritt jene Segenshandlung zugleich in Zusammenhang mit dem Abendmahlsverhör lutherischer Prägung. Seine Einführung und damit die einer Abendmahlszucht auf lutherischer Grundlage wird energisch gefordert. Die Straßburger hatten nämlich nicht nur die römische Privatbeichte abgeschafft, sondern auch deren Ersatz durch eine Glaubens- und Sittenprüfung vor dem Abendmahlsgang bisher zu verhindern gewußt.


61) Vgl. Joh. Michael Reu: Quellen zur Gesch. des kirchl. Unterrichts in der evang. Kirche Deutschlands zwischen 1530 und 1600, I 1, 1904, S. 23 ff. Hier erscheint die seelsorgerliche Handlung der Konfirmation als ein wohltätiger Ersatz der katholischen Ohrenbeichte; „vns jungen vnnd vnerjebten Christen were es on zweifel hoch besserlich” (S. 52), läßt Butzer seine Katechismusschüler im Blick auf diese sagen. Nach dem Anhang, der „Summari für die Jungern”, bedeutet der Glaubensartikel von der Vergebung der Sünden, „dz ich allein in der gemein christi verzeihung der sünden erlangen muß.” Sie geschieht durch zwei kirchlichen Handlungen, durch Taufe und Absolution: „erstlich, so ich von der kirchen durch den tauff werde zum kind Gottes vffgenommen, vnd hernacher, so ich meiner sünden gestraffet vnd der verzeihung von Gott vertröstet würde” (a.a.O. S. 60). — Ganz im Sinne Luthers betont Butzer dabei den freiwilligen Charakter jener seelsorgerlichen Zucht; sie darf darum „gar nit ein werck der allgemeyn sein” (a.a.O. S. 52). — Schon 1533, in De bapt. inf., hat er die Verbindung von Kirchenzucht und Konfirmation, viel tiefer begründet als bei Erasmus, vollzogen. Aus den katholischen Firmelungspaten, denen dieser einen pädagogischen Hilfsdienst zugewiesen hatte (vgl. oben S. 44 Anm. 1, Abs. 3) sind die Ältesten, also Träger eines kirchenzuchtlich-seelsorgerlichen Gemeindeamtes, geworden. Butzer wünscht (F III), daß wir Prediger „ex selectioribus sanctis constitui curaremus presbyteros, qui nobiscum Ecclesiae gubernationi operam suam impenderent, et quicquid ad sanctam paedagogiam censuramque pertinet, una instituerent et administrarent, fraternam administrationem nunquam non urgeremus, catechismos puerorum et omnium rudiorum summo studio adhiberemus. Denique si tanti referre putamus professionem publicam, reuocaremus veterum illum ritum, de quo legis apud D. Hieronymum contra Luciferianos (vgl. oben S. 68 Anm. 38), ut singuli coram episcopis, postquam adoleuissent, et fidem satis edocti essent, profiterentur et impositis manibus ab Episcopo quasi confirmarentur. His si bona fide incumberemus, non dubitarim, haud poenitendam fore apud nos rempublicam Christianam. Abolitionem paedobaptismi non tantum huc nihil profuturam, sed summe obfuturam certus sum in Domino, mi frater. Non potest siquidem haec non esse contra Christum communem nostrum et nostrorum seruatorem.”
Das Konfirmationsgelübde ist hier — im Unterschied von Erasmus — gänzlich dem Zusammenhang mit dem Taufbekenntnis entnommen (die Bestätigung der Taufgnade geschieht vielmehr durch die Handauflegung) und ein Teil der „sacra paedagogia censuraque” geworden, die auf die Kommunion gerichtet ist. In dieser Abendmahlszucht sind Prüfung der Kenntnisse inbezug auf die Heilslehre und Kontrolle des sittlichen Lebens miteinander verbunden. Daß dafür das lutherische Vorbild auf dem Wege über Basel wirksam geworden ist, zeigt der Brief der Straßburger Prediger an Ambr. Blarer vom 20. Februar 1531 (Schieß I, 239 ff), wo im Blick auf die Abendmahlszucht gefordert wird (a.a.O. 245): Nos nihil aeque solicitos tenet quam quod nostra ecclesia nullum usum habet ieiuniorum statarumque precum, item poenitentiae publicae eorum qui publice ecclesiam offenderunt. Excommunicationis παρασκευή sic nos sentimus, ➝

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Der Straßburger Katechismus von 1534 beklagt lebhaft die nachteiligen Folgen dieser Unterlassung. Besonders die Jugend ist davon betroffen. Ihnen soll begegnet werden durch die Einführung der Konfirmation. In Abhängigkeit von Luther trägt sie völlig kirchenzuchtlichen Charakter. Ihren Ursprung aus dem Geiste des christlichen Humanismus merkt man nur daran, daß sie aus der Geschichte der Alten Kirche begründet wird. Schon damals sollen die Bischöfe durch wiederholte Abnahme des Taufgelübdes und der Handauflegung rechte Kirchenzucht aufgerichtet haben. Wer sich von den Gemeindegliedern ihnen darin fügte, unterstellte sich damit freiwillig der brüderlichen Zucht, erklärte sich bereit, sie an sich geschehen zu lassen und sie an andern zu üben, erwarb aber auch die Anwartschaft auf den immer wiederholten Zuspruch des göttlichen Absolutionswortes.62) Die Konfirmation erschließt damit den Zutritt zur Beichte, die erste Handauflegung ist identisch mit dem erstmaligen Empfang der Absolution; und diese wiederum öffnet den Weg zum ersten Abendmahlsgang. Die Konfirmation begründet die Zugehörigkeit zur Abendmahlsgemeinde als einer Gemeinschaft brüderlicher Zucht.

Darin liegt nun auch die vielberufene kirchenrechtliche Funktion der hessischen Konfirmation; Wilhelm Diehl hatte schon recht, als er sie in den Vordergrund rückte.63) Hierin ist in der Tat Butzers eigenartige Konzeption beschlossen, der selbständige Beitrag, den er zur Geschichte der evangelischen Konfirmation geliefert hat. Aber man muß ihn aus den geschichtlichen Zusammenhängen heraus werten, darf jene rechtliche Funktion der Konfirmation ebensowenig überschätzen wie die Neuheit des Gedankens an sich. Sich „öffentlich Christo dem Herrn und seiner kirchen ergeben”64) bedeutet


quae instituta Basileae est, haud videtur futura infrugifera. Certe disciplina aliqua ecclesiastica opus erit propter imperfectiores; nunc dissolutae scopae sumus. Wie sehr neben den lutherischen Anregungen das altkirchliche Interesse des christlichen Humanisten wirksam ist, zeigt der Schlußsatz: Nullum enim fere specimen priscae ecclesiae, si disciplinam et cultum communionis spectes, exhibemus.
62) Reu a.a.O. S. 52 f.: „wiewol man leider jetz auch merckliche ergernüs auß dem kommen bekennen muß, das dz jung volck so gar kein Christlich zucht vnnd besondere lere oder ermanung hat. Derhalb würt ja von nöten sein, man wolle dann das arme junge vnd gemeyn, einfeltig volck gar verderben lassen, das man ordnung für nemme, damit sie etwan besonders in Christlichem thun befragt vnd vnderwisen werden. Diß würt auch auß allen den schrifften, die das Christlich weyden der schäfflein des herren beschreiben, genugsam erzwungen, wie es dann bey allen alten in brauch gewesen ist. Da zogen die Bischöff von einem ort zum andern, aller deren, die jrer sorg befolhen waren, vnd namen von denen, so in der kindtheyt getaufft waren, die bekantnis des glaubens, vnderrichteten sie weiters, legten jn dan die hend auff vnd salbeten sie zu einem Sacrament der mehrung des heyligen geysts vnd bestätigung inn Christlichen läben, dauon nichts dann das gots verächtlich kinderspil der firmung vnser weybischöff vberbliben ist.”
63) Wilhelm Diehl. Zur Geschichte der Konfirmation. 1897, S. 21 f.
64) ZZO Ri I 291 a = Uckeley A VII.

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zunächst, sich in die Abendmahlsgemeinde aufnehmen lassen und sich der brüderlichen Zucht, von der sie durchwaltet wird, freiwillig unterwerfen. Dieses Moment der Freiwilligkeit gibt dem butzerischen Konfirmationsgelübde sein eigentümliches — später der Volkskirche verloren gegangenes — Gepräge und nimmt zugleich dem mit der ganzen Handlung gesetzten Recht jeglichen Zwangscharakter.65) Es handelt sich hier um das Recht als geistliche Lebensordnung, das sich unmittelbar aus dem Charakter der Abendmahlsgemeinde als einer Gemeinschaft seelsorgerlicher Liebe ergibt. Daß sich aber solches Recht aus dem sakramentalen Kultus entwickelt, haben wir schon oben bei der Darstellung von Luthers Forderung der Kirchenzucht gesehen66). Daß Butzer als erster auf dem Boden des deutschen Luthertums jene Forderung in die Tat umzusetzen wagte, darin liegt das eine seiner geschichtlichen Verdienste. Und das andere hat er sich dadurch erworben, daß er von jenen Voraussetzungen Luthers aus, auch hier wieder aus dem Gebiete der Erwägungen kühn zur Tat schreitend, die erasmische Konfirmation innerlich umgestaltete. Durch seine — lutherischem


65) Damit wahrt die butzerische Konfirmation den Grundgedanken lutherischer Kirchenzucht, daß sie nämlich nicht als äußerlicher Zwang über den Menschen kommen, sondern nur den treffen dürfe, der sich ihr freiwillig unterwirft. In dem Maße, als darin der eigentliche Sinn des Konfirmationsgelübdes besteht, ist jede Erinnerung an das Taufbekenntnis ausgemerzt. Der Empfang des Taufsakraments wird nur als der Anfang einer wachstümlich fortschreitenden Vereinigung mit der Kirche als dem Leibe Christi gewertet; Konfirmation und Erstkommunion erscheinen dabei als Station dieses Wachstumsprozesses. Vgl. dazu die (in der Uckeleyschen Ausgabe nicht enthaltenen) „frage stuck zu den kyndern vnd jhre antwort” RI I, 302 f., bes. 303 A: „Bistu auch inn der kirch vnd gemein Christi? Ja. — Wie bistu darein kommen? Durch den heiligen tauff. — Was ist der? Das bad der widergeburt, da durch ich von der angeborenen sund gewaschen, Christo meinem Herren eingeleibet vnd mit jhm bekleidet worden bin. — Wiltu inn der gemeinschaft erharren? Ja durch die hülff des Herren in ewigkeit.”
66) Vgl. S. 9. Diehls scharfe Trennung zwischen der Gemeinde als rechtlicher Organisation und als kultischer Gemeinschaft und seine sich daraus ergebende doppelte Wertung der Konfirmation als Rechtsakt und als „Vertröstung” kann ich nicht für zutreffend halten. Sie liegt auch nicht im Sinne von Butzers Kirchenbegriff. Vielmehr sind für ihn wie für Luther bestimmte rechtliche Ordnungen mit der kultischen Liebesgemeinschaft ohne weiteres mitgesetzt. Sie ist das Primäre, das Recht ihr Akzidenz.
Am allerwenigsten aber ist für Butzer, wie wir gesehen haben, die Handauflegung als „Bestätigung zur christlichen Gemeinde” ein kirchenrechtlicher Akt. Diese zuerst von Theodor Kliefoth (Liturgische Abhandlungen III 1, 1856, S. 86 ff.) ausgesprochene These hat sich für das Verständnis der butzerisch-hessischen Konfirmation als verhängnisvoll erwiesen. Mit jener fürbittenden Segenshandlung schlingt vielmehr die Gemeinde um die, die sich freiwillig in ihre brüderliche Gemeinschaft begeben haben, auch ihrerseits das Band seelsorgerlicher Liebe. Und sie tut das in göttlicher Vollmacht, nicht weil die Konfirmanden durch ihr Gelübde die rechtlichen Voraussetzungen dafür geschaffen hätten, sondern weil derselbe Christus, der die Kinder segnete, auch ihnen seine Verheißung zuteil werden lassen will.

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Verständnis entsprechende — Wertung der Handauflegung als sakramentaler Segenshandlung entrückte er sie der gefährlichen Nähe des kirchenzerstörenden täuferischen Individualismus. Durch die Bindung an die lutherische Abendmahlszucht entzog er sie dem Bereich einer zweckhaften rationalen Pädagogik und gab ihr eine Stätte innerhalb der seelsorgerlichen Ordnungen der Kirche als einer geistlich-sakramentalen Gemeinschaft. Mag manches, was er im einzelnen aus dem erasmischen Erbe noch bewahrt hatte — noch mehr ist später seinem Werke wieder aufgepfropft worden —, heute die Probe seiner Wertbeständigkeit nicht mehr bestehen, jene beiden lutherischen Grundelemente, von denen aus er das erasmische Konfirmationsprogramm umgestaltete, werden ihre Gültigkeit behalten.

Seit Anfang der dreißiger Jahre sahen wir seine Gedanken über die evangelische Konfirmation allmählich sich entwickeln, in den vierziger Jahren treten sie immer mehr in den Mittelpunkt seines kirchlichen Denkens und Handelns67). In den beiden hessischen Ordnungen aber sind sie zum ersten


67) Vier Stücke scheinen mir dabei besonders bemerkenswert: 1) Die Klagen über mangelnde Durchführung der Abendmahlszucht und — im Zusammenhang damit — der Konfirmation. B. sieht darin die Verachtung der obrigkeitlichen Stellen gegenüber dem Predigtamt und der geistlichen Freiheit der Kirche zum Ausdruck kommen und die Missionskraft des evangelischen Kirchentums und damit die Aussichten für die Wiederherstellung einer vom Evangelium aus zu rechtfertigenden kirchlichen Einheit gefährdet. Auf den Einigungsverhandlungen mit den Katholiken hat er darum sein Konfirmationsprogramm gern entwickelt; vgl. unten unter Nr. 3 u. 4. Besonders bezeichnend für B.’s Stimmung ist sein Brief an Vadian vom 12. August 1542 (Vadianische Briefsammlung, hrsg. von Emil Arbenz und Hermann Wartmann, VI, 1908, S. 148 ff., bes. S. 150 f.) mit der bezeichnenden Zusammenfassung: nam de sumentium sacramenta disciplina et professione, ut et de presbyterio, ex omnibus ecclesiae ordinibus cum sua auctoritate ad formam pontificiam constituto, multum adhuc desideratur. Instemus igitur orando: Adveniat regnum tuum.
2) Da — auch nicht in Straßburg — diese Ziele durch obrigkeitliche Maßnahmen erreichbar scheinen, geht B., umso bewußter den niemals gänzlich verlassenen Weg der Freiwilligkeit. Über diese Bestrebungen seiner Altersjahre haben die Arbeiten von Gustav Anrich (Ein Bedacht B.s über die Einrichtung von „Christlichen Gemeinschaften” = Archiv f. Ref.gesch. Erg. Bd. V, 1929, S. 46 ff.) und seinem Schüler Werner Bellardi (Die Geschichte der „Christlichen Gemeinschaften” in Straßburg (1546/1550) = Quellen u. Forschgen. zur Ref.gesch. XVIII, 1934) neues Licht verbreitet. Der Freiwilligkeitscharakter lutherischer Liebeszucht tritt dabei besonders zutage. Die Konfirmation erscheint dann — im engster sachlicher Verbindung mit Beichte und Absolution — als das Mittel, durch das dieser Freiwilligkeitsgemeinde als der Abendmahlsgemeinde ständig neue Glieder zugeführt werden; vgl. Anrich a.a.O. S. 56: „Eben also . . . würden sie nicht allein ihre kinder und haußgesind, so sie zu verstandlichen tagen komen und ihren catechismum gelernet haben, gern lassen für der gemeind ihres glaubens bekantnuß tun und sich in die gehorsame der kirchen Gottes begeben, sonder auch für sich selbs oftermals im jar, wann sie zu des herren disch gon wolten, zuvor sich ihrem seelsorger ertzeigen und die absolution von ihm entpfahen.”
3) Noch näher als vorher werden Konfirmationsbekenntnis und Beichtbekenntnis, Handauflegung und Absolution und damit Konfirmation und Abendmahl miteinander verbunden. An der entscheidenden Stelle (Anrich S. 50) wird wieder, ➝

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und einzigen Male aus der Theorie in die Praxis übersetzt und dadurch geschichtsmächtig geworden. In dieser geschichtlichen Leistung Butzers liegt auch ihre Wirkungskraft im wesentlichen beschlossen.

Wir verfolgen zunächst, wie Melanchthon, der ja in den Jahren nach 1538 mit ihm in immer engere Zusammenarbeit getreten war, auch unter den Einfluß der hessischen Konfirmation geriet. Mit ihm hat die sächsische Kirche, deren geistliche Führung Melanchthon zumal nach Luthers Tode


➝ wie so oft, das sachliche Anliegen in die Form eines historischen Bericht gekleidet. Der altkirchliche Katechumene hat nach Abschluß des kirchlichen Unterrichts „für der gantzen kirchen die bekandtniß seines glaubens geton . . . .; solchem hat dann die gantz gemein gebetten um ein wahren glauben und regierung des heiligen geists und ist demnach von den ordenlichen kirchen dienern mit dem zeichen des hand auflegens bestetiget und durch die gesprochen absolution zum glid der christlichen gemein . . . . uffgenommen worden.” In entsprechender Weise hat man auch die Kinder nicht eher zum Abendmahl zugelassen, „sie hetten denn zuvor in der gemeind Gottes selbs ihren glauben bekennet und sich in die gehorsame Gottes und seiner kirchen begeben. . . . Sollicher brauch der absolution und frewilliger vergebung in die gehorsame der kirchen ist in unserer kirchen . . . gantz und gar verfallen, und wo er ihr nit gar wieder zugestellet wirt, so haben wir, on den zorn Gottes, den wir damit schwerlich uff uns laden, nichts gewissers denn das endtlich zerrütten und undergang der gantzen kirchen. . . . Aber die absolution ist nit allein also zu dem eingang und uffnemen in die kirchen von Christo gegeben, sonder auch fürnemlich datzu geordnet, das sie für die angefochtene betrüvte gewißnen . . . . in der kirchen eine ewige und gewiße artznei sei, die selben zu jeder Zeit zu trösten und zu stercken.”
Ähnlich bezeichnet Butzer in seinem Bericht über das 2. Regensburger Religioonsgespräch (Disputata Ratisbonae, in altero colloquio 1546, 1548 — die Vorrede an Joachim II. von Brandenburg ist unterzeichnet Straßburg, den 20. Nov. 1547) das mit Sündenbekenntnis und Absolution verbundene Glaubensexamen vor dem Sakramentsempfang als notwendig. Die Anwendung auf den ersten Abendmahlsgang ergibt sich daraus von selbst. Die Begründung dieser gut lutherischen Forderung wird in der Alten Kirche, namentlich bei Augustin, gesucht und gefunden. Die sakramentale Wirkung der Handauflegung wird dabei — abermals gut lutherisch —, von dem persönlichen Glauben an die göttliche Verheißung abhängig gemacht: Eadem religione imponuntur etiam manus singulis hominibus et fidem suam coram ecclesia confitentibus et munus aliquod ecclesiasticum suscipientibus. Nec enim alia de causa et hoc sacramentum exhibetur quam ut cuique fiducia promissae gratiae Dei singularis et propria confirmetur. Si hi igitur, quibus promissa Dei munera ita singillatim cum inuocatione S. Trinitatis addicuntur, ea se non certa fide credunt percipere, quid faciunt aliud quam illudunt Deo? (a.a.O. 521 f.).
4) Ein besonders bezeichnender Zug im Konfirmationsprogramm des alternden Butzer ist seine wachsende Vorliebe für das Muster, das ihm die Alte Kirche hierfür darbot. Und es ist verständlich, daß gleichzeitig damit sich auch das erasmische Vorbild stärker geltend machte; denn der Straßburger Reformator kann das kirchliche Altertum nicht mit anderen Augen sehen als mit denen des christlichen Humanisten. Es ist keine Frage, daß sich damit die lutherischen Anregungen nicht in allen Stücken vertrugen. So kommt es, daß der in den hessischen Ordnungen von 1538 erreichte Ausgleich der beiden Bestandteile der butzerischen Konfirmation in der Folgezeit nicht mehr streng festgehalten wird.
Im Hinblick auf Butzers Anteil an den Unionsverhandlungen der 40er Jahre, diese jetzt nur einmal unter dem Gesichtspunkt der evangelischen Konfirmation ➝

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in immer steigendem Maße auf sich zu nehmen hatte, sich den Auswirkungen des butzerischen Konfirmationsprogramms erschlossen.

Melanchthon hatte schon im Anfang des Jahres 1540 in einem Gutachten die hessische Kirchenzucht und das hessische Ältestenamt als ein Einheitsband für den gesamten deutschen Protestantismus zur Einführung


➝ betrachtet, findet diese Wahrnehmung freilich erst andeutungsweise ihre Bestätigung (vgl. zum Folgenden außer dem in Nr. 3 mitgeteilten Zitat zum Regensburger Religionsgespräch von 1546 das von Butzer verfaßte Responsum Protestantium de reformandis abusibus Ecclesiasticis vom 14. Juli 1541, bei K.Th. Hergang: Das Religionsgespräch zu Regensburg i.J. 1541 und das Regensburger Buch, 1858, S. 398 ff. besonders 424 ff.). Die gut katholische Lehre des Regensburger Buches über das Sakrament der Firmelung (Hergang S. 152 ff.) hat Butzer nicht gebilligt, sondern der von ihm vorgeschlagenen Handlung diejenige stärkende Wirkung zugeschrieben, die die des Regensburger Buches für sich in Anspruch genommen hatte (das Wort confirmatio wird von ihm dabei bewußt doppeldeutig gebraucht).
Dabei wird die ganze Handlung unter den Gesichtspunkt der Zucht gestellt. Aber man merkt wenig von dem Motiv seelsorgerlicher brüderlicher Liebe, dem er sonst so beredten Ausdruck zu geben vermocht hatte. Sondern wirksam ist hier zu Zucht der Schulstube, unter der der freie Schwung des christlichen Humanismus längst ermattet war, wenn er wie Erasmus einst die christliche Jugendunterweisung in allen Glaubensartikeln fordert: „Mit höchstem Eifer müssen sie der Jugend übermittelt und auch von ihr gefordert werden; damit man weiß, wie weit jeder ist, müssen schließlich die zurechtgewiesen werden, die sich als zu wenig aufmerksam erweisen” (a.a.O. 426). Und wenn nun die zo Herangezogenen sich in der Konfirmation „in den Gehorsam Christi und seiner Kirche ergeben” und zum Tische des Herrn zugelassen werden, ist das Vorbild altchristlicher Strenge erreicht, dem auch die besten Kräfte der beginnenden Gegenreformation nacheiferten: „Auf diese Weise werden Bestrafung der Laster, Enthaltsamkeit, Bann und jene ganze heilsame Strenge der Zucht leichter wiederhergestellt, werden allgemein Furcht zu sündigen, Eifer, rechtschaffen zu leben, tägliche Übung, fromm und heilig zu wandeln, geweckt und geführt werden” (a.a.O. 426). Dieses selbe Ziel suchen auch die kirchlichen Gesetze, die im Römischen Recht enthalten sind, und die altkirchlichen Canones zu erreichen. Seine Verwirklichung würde die Wiederherstellung der Einheit der Kirche auf ihrer ursprünglichen Grundlage bedeuten.
Das kirchliche Einigungsstreben des christlichen Humanismus hat auch auf den Konfirmationsentwurf der Kölner Reformation von 1543 hinübergewirkt (ich benutze die von Laurentius Mylius veranstaltete Ausgabe, Bonn 1545). In der theologischen Begründung, die Butzer ihm mitgibt, fällt neben dem Streben, alttestamentliche Entsprechungen dafür heranzuziehen, auf, wie stark das Vorbild des kirchlichen Altertums Berücksichtigung findet. Sachlich begegnen wir in dem geschichtlichen Gewande den uns bekannten Gedanken. Der Charakter einer objektiven Stärkung des Glaubens erscheint danach als durch Handauflegung und Teilnahme an der Kommunion bewirkt.
Neu ist dagegen die Begründung der Konfirmation aus der Taufe. Nicht so wie bei Erasmus wird die Ergänzungsbedürftigkeit des durch die Paten abgelegten Taufbekenntnis vermittelst eines persönlichen Bekenntnisses und Gelübdes behauptet. Sondern die Taufe macht uns nach Butzer zu Gliedern der Kirche und verpflichtet uns damit zu wechselseitiger Liebe und Zucht. Daß diese Verpflichtung aber anerkannt wird, muß öffentlich ausgesprochen werden. Und da Kinder naturgemäß dazu nicht fähig sind, muß es geschehen, sobald sich einer jener Verantwortung bewußt geworden ist. ➝

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empfohlen68). Die Konfirmationsfrage trat vornehmlich 1541 während des Regensburger Religionsgespräch in seinen Gesichtskreis. Damals bezeichnete das Regensburger Buch die Konfirmation im altgläubigen Sinne schlechthin als Sakrament und suchte diese Behauptung dadurch vor reformatorischer Theologie zu rechtfertigen, daß es die Verheißung der Gebetserhörung von Luk. 11 13 auf das Konfirmationssakrament bezog und die Handauflegung als das zugehörige Element betrachtete; auch die Ölsalbung wurde beibehalten. Dem erasmischen Reformprogramm, dem die Verfasser jener Unionsschrift in ihrem Denken sämtlich verhaftet waren, hatten sie insofern Rechnung getragen, als sie katechetische Unterweisung und öffentliches Glaubensbekenntnis als Ergänzung der Kindertaufe mit dem Firmelungssakrament verbanden. Und vielleicht dürfen


➝ Durch diese Umdeutung der erasmischen Konfirmation erfährt auch die objektive Seite der kultischen Handlung eine neue Begründung. Taufgemeinschaft als Liebesgemeinschaft verwirklicht sich in der Gemeinschaft gläubigen Gebets. Darin soll die Kirche für die jungen Christen, die ihre gliedhafte Zugehörigkeit zu ihr verantwortungsbewußt bekennen, die Stärkung des heiligen Geistes erflehen; und sie hat die Verheißung, daß solches Gebet nicht vergeblich sein wird. Das äußere Zeichen aber dieser segnenden Liebe und gläubigen Gewißheit der Gebetserhörung ist die Handauflegung, die nach dem Beispiel Christi und seiner Apostel beibehalten werden soll.
Nach diesen Grundsätzen versucht B. nun die Konfirmationsfragen der KKO, deren Wortlaut im wesentlichen beibehalten wird, zu ergänzen. Der folgenschwere Einschub ist dabei die Wiederholung der Taufabrenuntiation im Konfirmationsgelübde der Kölner Reformation. Denn in dieser rein negativen Formel, die B. wohl nur um ihres altertümlichen Wertes willen beibehalten hat, kommt ja gerade der Gemeinschaftscharakter des Taufsakraments nicht im entferntesten zum Ausdruck. Sie ließ sich mit B.’s tiefen Einsichten über das Wesen der Taufe nicht vereinigen, wohl aber mit dem Konfirmationsideal des Erasmus. Und je mehr sich die Butzersche Konfirmation in der Fassung der Kölner Reformation und nicht der KKO verbreitete, desto mehr wurden jene Butzerschen Gedanken überwuchert von denen des Erasmus. So ist Butzer nicht ohne Schuld daran, daß die folgende Entwicklung der evangelischen Konfirmation nicht eindeutig von ihm beeinflußt wurde, sondern den Idealen des Erasmus immer neue Konzessionen machte. Ein Zeichen dieser Entwicklung ist es schon, daß B. 1545 in seiner „Bestendigen Verantwortung auff der Heiligen Schrifft und war Catholischer Lehre vnd haltung der Allgemeinen Christlichen Kirchen des Bedenckens von Christlicher Reformation, das der Hochwürdigst in Gott Vatter Fürst und Herr Herr Hermann Erzbischoff zu Cöllen und Churfürst etc. hieuor hat außgeben” sich gegen denselben Vorwurf eines kirchenzerstörenden, die Taufe außer Kraft setzenden Individualismus verteidigen mußte, der 20 Jahre früher gegen Erasmus erhoben worden war a.a.O. C. VIII ff. Der Vorwurf traf nicht Butzers theologische Begründungen, aber er bestand zurecht gegenüber der Fassung des Konfirmationsgelübdes, die der kirchliche Traditionalismus B.’s geschaffen hatte.
68) C.R. 3, 958 ff., Gutachten der Wittenberger an die Nürnberger Theologen vom 17. Februar 1540 zur Vorbereitung des Theologenkonvents zu Schmalkalen 1540; hier 965: Restituatur et excommunicatio, non ut ante in litibus rerum prophanarum, sed de flagitiis manifestis, adhibitis in hoc iudicium senioribus in qualibet Ecclesia. Zu Mel.’s früheren Äußerungen über die Konfirmation vgl. oben S. 66 f.).

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wir es auf den Einfluß Butzers, der ja sehr früh mit dem Entwurf des Regensburger Buches befaßt worden war, zurückführen, wenn auch eine Verpflichtung zum Gehorsame gegen die Kirche darin aufgenommen worden war.69)

Indem Melanchthon nun den strengen Sakramentscharakter der Konfirmation bestreitet, sucht er von dem erasmischen Programm nur die katechetische Unterweisung beizubehalten.70) Aber diese Lösung konnte nicht mehr genügen; man sieht, wie er mit dem Problem gerungen hat. Während der Regensburger Verhandlungen machte er einmal sogar den Versuch, die Konfirmation ganz zu umgehen und zu ersetzen durch die zu einer Lehr- und Sittenprüfung ausgestaltete jährliche Generalbeichte; das würde ein Zurückgehen auf die lutherische Vorschläge von 1523 bedeutet haben.71) Aber angesichts der Notwendigkeit, das römische Firmelungssakrament durch eine ähnliche Handlung zu ersetzen, und angesichts der vollendeten Tatsache, die Butzer in Hessen geschaffen hatte, war ein Zurück nicht mehr möglich. In der endgültigen Antwort, die Melanchthon im Namen der evangelischen Stände auf das Regensburger Buch verfaßte, wird mit deutlicher Anspielung auf das hessische Vorbild eine Konfirmation vorgeschlagen, in der katechetische Prüfung, Glaubensbekenntnis und fürbittende Handauflegung zu einer liturgischen Handlung verbunden sein sollen.72)


69) C.R. 4, 216 = Hergang a.a.O. 152 ff.
70) C.R. 4, 415: De confirmatione censuimus, ut restituatur Catechismus. Dtsche Fassg. a.a.O. 419 ff. Noch nach der Abgabe der evangelischen Antwort an den Kaiser kommt Mel. auf die Lösung zurück, a.a.O. 533: Olim in ecclesia fuit consuetudo Catechisandi iuniores et rudes. Et postea in confirmatione flagitabatur professio fidei. Nunc in ecclesiis consuetudo Catechisandi prorsus desiit. Hanc negligentiam necesse est corrigi, et mandandum est pastoribus, ut certis temporibus convocent iuventutem et proponant eis articulos fidei . . . . Et exploretur et audiatur iuventus. Cogantur et patres familias mittere ad tale examen liberos, servos et ancillas. Huius moris restitutio maxime necessaria est. Sed ad hanc rem opus erit pastoribus et ministris eruditis. — Im übrigen wurde in Regensburg die Konfirmation zu den „übergangenen” Artikeln gerechnet, über die man nicht streiten wollte, wenn nur in den Grundfragen die Einheit der Lehre wiederhergestellt sein würde. So lautet auch das Urteil des hessischen Superintendenten Pistorius, der an den Verhandlungen teilnahm, a.a.O. 442.
71) C.R. 4, 546: Pastores in singulis Ecclesiis audiant semel in anno ordine auditores, praesertim rudiores, ac fidem eorumi explorent, idque in templo fiat. Nec potest hac in re quisquam detrectare pastoris autoritatem, quia singuli debemus fidem proflteri, praesertim apud pastores pios et fideles, cum hoc ex officio postulant. Ibi pastor singulos etiam ea quae cuiusque aetas aut mores postulant, prudenter et graviter moneat, et erudiat indoctiores de fide, de moribus, de usu Sacramentorum. Daß dieses ganze seelsorgerliche Verhör der Vorbereitung zum Abendmahl dient, und daß dieses als die eigentliche „Konfirmation” betrachtet wird, ergibt der Zusammenhang.
72) C.R. IV, 489: Vellemus in Ecclesiis ubique Catechismum exerceri, ut liber monet, et post examen et professionem fieri precationem a populo pro pueris. ➝

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In der Ausgabe der loci von 1543 hat sich Melanchthon auch persönlich diese Lösung zu eigen gemacht. Dabei berücksichtigt er auch — wie die christlichen Humanisten es gerne tun, unter der Form eines geschichtlichen Berichtes — die Kirchenzucht, freilich mehr unter dem Gesichtspunkt der Lehr- als der Sittenzucht; jedoch ist dieses Anliegen Butzers nicht völlig außer acht gelassen. Zu dieser Prüfung (exploratio) tritt das öffentliche Glaubensbekenntnis (professio); eine Beziehung zum Taufbekenntnis wird nicht hergestellt, die Absage an Heiden und Ketzer indessen, wie sie auch in der Taufabrenuntiation gegeben war, ausdrücklich hervorgehoben. Immerhin ist also das erasmische Erbe ebensowenig betont wie das butzerische. Am deutlichsten tritt vielmehr das lutherische Verständnis der Konfirmation zutage als einer Handlung segnender Fürbitte (precatio); die Handauflegung wird als ihr äußeres Zeichen, von den Tagen der Apostel noch herstammend, festgehalten.73) Mit diesen drei Begriffen der exploratio, professio und precatio ist das Konfirmationsverständnis Melanchthons umschrieben. Er hat auch später dieses Grundschema nicht mehr verlassen, höchstens das eine oder das andere der drei Momente stärker oder schwächer hervorgekehrt.

Inzwischen hatte sich im albertinischen Sachsen der hessische Einfluß wie auf dem Gebiete der Kirchenverfassung, so auch auf dem der Konfirmation geltend gemacht.74) Die Leipziger Lätarekonferenz von 1544 hat das Katechismusexamen, verbunden met der Handauflegung, also als einen einmaligen liturgischen Akt, wieder eingeführt wissen wollen. Zur Begründung dieser Forderung hat sie sich teilweise wörtlich die Formulierungen der Ziegenhainer Zuchtordnung zu eigen gemacht. Freilich ist auch hier das kirchenzuchtliche Moment schwächer, das der fürbittenden Segnung stärker hervorgehoben.75) In der auf Melanchthon zurückgehenden,


➝ Hanc credimus non esse irritam, nec displicet addi impositionem manuum. Et haec fiunt in quibusdam ecclesiis apud nos. — Der Nachdruck liegt hier also auf der Fürbitte; hier war zugleich der größte Gegensatz und die größtmögliche Annäherung an das katholische Firmelungssakrament erreicht. Von der Kirchenzucht ist keine Rede; doch vgl. 545 f.
73) C.R. XXI, 853: Olim fuit exploratio doctrinae, in qua singuli recitabant summam doctrinae et ostendebant se dissentire ab Ethnicis et Haereticis, et erat mos ad erudiendos homines, item ad discernendos profanos et pios admodum utilis. Postea fiebat publica precatio et Apostoli imponebant eius (sic!) manus. Ita donabantur manifestis donis Spiritus sancti. Sed nunc ritus Confirmationis, quem retinent Episcopi, est prorsus otiosa ceremonia. Utile autem esset, explorationem et professionem doctrinae fieri et publicam precationem pro piis, nec ea precatio esset inanis.
74) S. oben S. 37 ff. und E. Sehling: Die Kirchengesetzgebung unter Moritz von Sachsen und Georg von Anhalt, 1899.
75) A.a.O. 137 f.: Es ist bey den Christen in der alden kirchen eynn Heerlich gebrauch gewesen, das yhre kinder, so in yhrer vnmündigen kintheit getaufft, ➝

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auch von Luther mitunterzeichneten Wittenberger Reformation von 1545 ist diesen Vorschlägen auch auf ernestinischer Seite Rechnung getragen worden; hier wird auch zu Butzers sittenzuchtlichem Anliegen ein klares Ja gesprochen.76)

Aufs neue ist die Frage nach den Erfordernissen einer evangelischen Konfirmation — besonders in Sachsen — brennend geworden in der Zeit des Interims. Dieses versuchte ähnlich wie einst das Regensburger Buch aus der Schrift die katholische Firmelung als Sakrament nachzuweisen und ihre spätere kultische Ausgestaltung zu rechtfertigen. Das erasmische Anliegen blieb berücksichtigt, wenn auch nicht so ausführlich wie 1541.77)

In seiner Abwehr des Interims bestreitet Melanchthon der Firmelung vor allem den Charakter als Sakrament, und das heißt für ihn in diesem Zusammenhang zugleich ihre Heilsnotwendigkeit. Als ein Adiaphoron aber läßt er die Konfirmation — getreu seiner Haltung von 1541 — bestehen.78) Damit aber gewinnt er eine Basis zur positiven Lösung der aufgeworfenen Frage.79) So hat das Leipziger Interim in seiner ersten Fassung vom 19. Oktober 1548 sich das alte Konfirmationsprogramm, das Melanchthon seit Anfang der vierziger Jahre aufgestellt hatte, zu


➝ zcu der tzeit, wen sie zcum vorstandt kummen, von yhren eltern vor der kirchen gemeyn dargestellt vnd von dem Bischof vnd pastorn aus dem Catechismo (des sie eyn gemeyn vnd gewisse forma gehapt) seynt vorhöret worden. Vnd damit diese handlung, die man billich vor heilsam tapffer vnd ernst gehalten, mehr ansehen vnd reuerenz hatte, hat man auch den kindern die hende uffgelegt, wiewoll dan sulchs hernachmals in eynen mißbrauch geraten”: Das Glaubensverhör fiel weg; es wurde ein Sakrament daraus gemacht. „Szo wirdet doch vor gutt vnd nutz angesehen, das diser gebrauch der confirmation vf die alde form widerumb angerichtet werde.” Die Sätze, in denen die ZZO die Konfirmationshandlung beschreibt (Ri. I, 291a, Absatz 4 und 5 von oben = Uckeley A VI), hat sich die Lätarekonferenz fast wörtlich zu eigen gemacht.
76) Sehling, Kirchenordnungen I S. 211: „Dieses wäre hochnötig in allen Kirchen, den Katechismus auf bestimmte Tage zu halten, die Jugend in allen nötigen Artikeln christlicher Lehre zu unterweisen. Dazu möchte die Konfirmation angerichtet werden, nämlich, so ein Kind zu seinen mündigen Jahren kommen, öffentlich sein Bekenntnis zu hören und zu fragen, ob es bei dieser einigen göttlichen Lehre und Kirche bleiben wollte, und nach dem Bekenntnis und Zusage mit aufgelegten Händen ein Gebet tun. Dieses wäre eine nützliche Zeremonie, nicht allein zum Schein, sondern vielmehr zur Erhaltung rechter Lehre und reines Verstands und zu guter Zucht dienlich.”
77) Die Stelle über die Konfirmation bei K.Th. Hergang: Das Augsburger Interim, 1855, S. 77 ff.; vgl. auch die noch viel strenger das katholische Dogma wahrende Anweisung an die Bischöfe in der kaiserlichen Formula reformationis, a.a.O. S. 251.
78) C.R. VI, 840, 844, 932.
79) C.R. VII, 119 f. (24. 8. 1548): De confirmatione concedi potest, si superstitio exeludatur. Entsprechend erklärt der Torgauer Konvent im Oktober 1548 (a.a.O. 175): „Von der Confirmation sind wir selbst willig, diese nützliche Ceremonien aufzurichten.”

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eigen gemacht; und das Zeller Interim ist ihm darin wörtlich gefolgt.80) Der Zeller Theologenkonvent aber machte sich unter dem 20. November 1548 an die Arbeit, die Grundlagen für eine neue Konfirmationsagende zu legen; die Vorarbeiten der Lätarekonferenz von 1544 boten ihm dafür wertvolles Material.81) Das Ergebnis liegt vor in der sächsischen Intersimsagende von 1549. Bestätigung des Taufglaubens durch Wiederholung des Taufbekenntnisses und der Abrenuntiation einerseits, durch fürbittende Segnung der Kirche andrerseits — das ist der Sinn dieser Konfirmation; auf die Prüfung in der christlichen Glaubenslehre wird wie bei Erasmus aller Nachdruck gelegt, die Verbindung zum ersten Abendmahlsgang ist völlig gelöst.82) Wie sehr der Gesichtspunkt der katechetischen Unterweisung bei diesen Konfirmationsplänen im Vordergrund steht,


80) C.R. VII, 179: „Wir für gut angesehen, daß die Jugend, die erwachsen ist und zum hochwürdigen Sakrament des Leibs und Bluts Christi gehen will, von den Bischöffen oder ihren Pfarrherren verhört werde ihres Glaubens, und daß sie den bekennen und die Zusagen, die ihre Pathen in der Taufe für sie gethan und dem Teufel abgesagt, bekräftigen und ratificirn, und also in ihrem Glauben bestätiget und confirmirt werden mit Auflegung der Hände und christlichen Gebeten.” Auffällig ist, wie stark man hier die erasmische Grundlage der evangelischen Konfirmation hervorkehrt, in demselben Augenblicke, da man mit dem Reformkatholizismus in freundschaftliche Fühlung treten möchte. — Wörtlich dasselbe C.R. VII, 217 als Beschluß der Altzeller Konvents vom 22. Nov. 1548 (dies Datum nach Nikolaus Müller: Zur Geschichte des Interims = Jahrb. für brandenburg. KG. V, 1908, S. 51 ff.).
81) Das Datum für das C.R. VII, 198 ff. abgedruckte Bedenken des Konvents nach Nik. Müller a.a.O. Die Konfirmationshandlung wird hier nach den drei bekannten Gesichtspunkten Mel.’s gestaltet; die Absicht ist, daß sie mit „vorhergehender Verhöre in allen Articeln christlicher Lehre und mit öffentlicher klarer Bekenntniß des Glaubens und Zusage, im wahren Glauben und wahrer Anrufung Gottes durch göttliche Hülf ewiglich zu bleiben und mit ernstlichem Gebet dabei ernstlich und ehrlich gehalten würde” (C.R. VII, 199 f.).
82) Agenda, wie es in des Churfürsten zu Sachsen Landen in den kirchen gehalten wirdt, hrsg. von Emil Friedberg, Hall 1869. Hier S. 30: „Die Confirmatio, oder wie man es zu deutzsch nennet, Firmunge, sol geleret vnd gehalten werden, vnd sonderlich die iugent, die erwachsen, von irem Bischouen oder weme es dieselbigen beuelen, verhöret ires glaubens, das sie den bekennen, vnd die Zusage, die ire paten in der Taufe vör sie gethan, vnd dem teufel abgesaget haben, becreftigen, vnd also in iren glauben vermittelst göttlicher gnaden cofirmiret vnd bestetiget werden, mit auflegung der hende vnd christlichen gebeten vnd ceremonien . .” Im Folgenden wird die Notwendigkeit dieser Wiederholung des Glaubensbekenntnisses noch einmal unterstrichen und geschlossen: „dan solchs dienet zu unterweisung der iugend, vnd zu gottes furcht, gueter zucht vnd gueten sitten.” — Die Konfirmation ist nicht Vorbedingung für die Zulassung zu Beichte und Abendmahl; dazu braucht es offenbar noch keiner besonderen Reife, „aber die confirmation sol geschehen in verstendigen Jaren, darinn sie iren glauben und zusage besser verstehen” (S. 31). Ähnliche Gedanken schon im Altzeller Bedenken, C.R. VII, 281.

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zeigen Melanchthons unvollendete Katechismusentwürfe, die im Zusammenhang mit ihnen in dieser Zeit entstanden.83)

An keinem entscheidenden Punkte haben diese Gutachten und agendarischen Entwürfe der Interimszeit das Anliegen einer evangelischen Konfirmation preisgegeben, die Bahn der bisherigen Entwicklung verlassen. Wer indessen in der adiaphoristischen Frage Melanchthon entgegenstand, mußte auch seine Konfirmation ablehnen. Auch aus Laienmund, aus dem Kreise der sächsischen Ritterschaft, sind in dieser Beziehung Beschwerden laut geworden; freilich haben dann die Theologen wieder besänftigend wirken können84). Immerhin blieben die Gebiete, in denen das flazianische Luthertum die Herrschaft gewann, der Konfirmation verschlossen; auch in Württemberg, wo der Einfluß von Brenz vorherrscht, hat sie nicht Wurzel schlagen können. Nur auf dem Boden des melanchthonischen Luthertums hat sich in Deutschland — abgesehen von der Reformierten Kirche — eine evangelische Konfirmation eine Zeitlang halten können. Auch in Kursachsen hat die theologische Ächtung des alten Präzeptors die Ansätze dafür schließlich zum Verschwinden gebracht85).

Melanchthon selbst ist seit den Kampfjahren, die das Interim zur Folge hatte, in der Freudigkeit des Einsatzes für eine evangelischen Konfirmation


83) Vgl. Ferdinand Cohrs in Supplementa Melanchthoniana V, Philipp Mel.’s Schriften zur Praktischen Theologie I Katechetische Schriften 1915, S. LXIV ff.
84) Unter dem 6. Juli 1548 hatte sich der Meißner Landtag mit einer Konfirmation unter den auch von Mel. gemachten Einschränkungen einverstanden erklärt: „Aber also wäre die Confirmation eine nützliche Ceremonie und Gebrauch, daß die Getauften, so sie zu ihren Jahren kommen, ihres Glaubens verhört, Bekenntniß thäten und in den Gehorsam christlicher Kirchen sich selb willig ergäben (vgl. ZZO) und dann mit Auflegung der Hände iuxta ritum apostolicum über sie um Stärk und Beständigkeit gebethen würde, mit Reformation und Abstellung der Mißbräuche, so in dem eingeführet, sonderlich daß es an ihm selber zur Seligkeit nicht für nothwendig gelehret würde.” — Aber am 28. Dez. 1548 fordert die sächsische Ritterschaft Abschaffung von Firmung und letzter Ölung (C.R. VII 267). Ein Gutachten der Theologen vom gleichen Tage (a.a.O. 268) wies sie unter Hinweis auf das hessische Vorbild zurück: die Konfirmation „ist nicht ärgerlich, sondern nützlich und löblich, so sie dermaßen gehalten wird, wie oft davon geschrieben und wie sie an etlichen Orten in Brauch ist . .”.
85) Vgl. Johannes Nicolai: Die Konfirmation in Sachsen = Beiträge zur Sächs. Kg. 41/42, S. 23 ff. — Die sächsische KO. von 1580 setzt (Sehling I, 425 f.) die jährliche Katechismusprüfung der Konfirmation gleich, knüpft also bei der von Erasmus ausgehenden Entwicklung an derselben Stelle an, wo einst Zwingli eingesetzt hatte. Der Eifer, mit dem hier die Arbeit eines ganzen Menschenalters durchgestrichen wird, hat auch wertvolles lutherisches Gut zerstört. Und was übrig blieb, war nicht eine lutherische Konfirmation, sondern eine erasmische. Ich setze die vielberufene, aber wenig gekannte Stelle hierher: Die Pfarrer sollen dem Volk predigen, daß die jährliche Katechismusunterweisung sei „die rechte christliche Konfirmation oder Firmung, das ist die Bestätigung des Glaubens, so die Paten anstatt des neugetauften Kindleins bekannt, darauf auch das Kind getauft worden, wenn sie nämlich solches in diesem examine erinnert und demselben in ihrem ganzen Leben nachzukommen fleißig ermahnet werden.”

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wesentlich erschüttert worden. Wo er überhaupt dazu Stellung nimmt, steht das katechetische Interesse im Vordergrund, während das kirchenzuchtliche Moment zurücktritt. Erasmus beginnt über Luther und Butzer zu triumphieren. So ist in der Confessio Saxonica von 1551 die Konfirmandenprüfung zu einer bloßen exploratio doctrinae zusammengeschrumpft. Jeden besonderen Konfirmationsritus möchte er am liebsten bloß als unverbindliche historische Reminiszenz gewertet wissen und die ganze Handlung wieder, wie anfänglich in den Tagen der Regensburger Gesprächs, durch eine als Lehrprüfung verstandene Privatbeichte ersetzen86). Erst in den deutschen Loci von 1558 ist er zu seinem alten Programm zurückgekehrt, ohne ihm die Wärme einer besonderen Überzeugungskraft einhauchen zu können.87)

So sind diese Ausstrahlungen der butzerischen Konfirmation, die sich von Hessen aus nach dem nahen Orten erstreckten, ohne dauernde Wirkungen geblieben.88) Dieses Urteil läßt sich nicht in gleicher Weise ausdehnen


86) Vgl. oben S. 84. — Nachdem Mel. C.R. 28, 435 die erasmische Konfirmation als die geschichtlich ursprünglichere hingestellt hat, fährt er fort: „ac in Ecclesiis nostris similia fiunt in catechesi iuniorum et in privata confessione, in qua pastores doctrinam populi explorant.”
87) C.R. 22, 456: „Doch were zu wünschen, daß man die Confirmation also anrichtet, das man die Jugend verhörte, vnd sie dazu hielte, den rechten Glauben zu bekennen, straffet die vnvleissigen vnd leichtfertigen. Aber den züchtigen, vleissigen vnd Gottesfürchtigen leget der Priester seine hende vff das Heubt, und betet für sie, dis were nicht vnfruchtbar.” — Bei der Beurteilung der Konfirmationsanschauung des alten Melanchthons muß auch sein Anteil an der Erbacher Kirchenordnung von 1560 mit berücksichtigt werden; vgl. Erwin Preuschen: Die Erbacher K.O. von 1560 und Phil. Mel. = Beitr. zur hess. K.G. VI, 1917, 231 ff. Wie sehr viele lutherischen Kirchenordnungen begnügt auch sie sich mit einem besonders ausführlichen und gründlichen Abendmahlsverhör der Erstkommunikanten. Mel. ist (a.a.O. S. 247) mit dieser Regelung völlig einverstanden, fordert nur — ohne daß der Druck der Ordnung seine Vorschläge berücksichtigt hätte — die Privatabsolution als Abschluß jenes Verhörs. Man sieht, wie wenig ihm seine sonstigen weitergehenden Konfirmationsprogramme als unerläßliche Forderungen galten.
88) Der Weg von der hessischen Konfirmationsordnung über die Kölner Reformation (vgl. oben S. 82 f. Anm. 67, 4) zum Common Prayer Book mag hier außer Betracht bleiben, so reizvoll ein Vergleich mit der anglikanischen Konfirmation sein würde. Immerhin ist es beachtlich, daß die reformatorische Kritik am katholischen Firmelungssakrament im 25. der 39 Artikel von 1571 ihren Niederschlag gefunden hat: Quinque illa vulgo nominata Sacramenta, scilicet Confirmatio, Poenitentia, Ordo, Matrimonium Extrema Unctio pro Sacramentis Evangelicis habenda non sunt, ut quae partim a prava Apostolorum imitatione profluxerunt, partim vitae status sunt in Scripturis quidem probati, sed Sacramentorum eandem cum Baptismo et Coena Domini rationem non habentes: ut quae Signum aliquod visibile seu ceremoniam a Deo institutam non habeant. Die Wittenberger Artikel von 1536, die mit zur Grundlage der anglikanischen Bekenntnisbildung gehören, schweigen gänzlich über Firmelung und Konfirmation.
Daß daneben auch Erasmus auf die Anglikanische Theologie eingewirkt hat, ist selbstverständlich, bildet doch der christliche Humanismus ihre eigentliche ➝

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auf das Verhältnis der hessischen Ordnungen zu den Konfirmationsformularen im lutherischen Norddeutschland. Auf verschiedenen, oft seltsam verschlungenen Wegen, die hier nicht im einzelnen aufgezeigt werden können,89) hat sich dort der hessische Einfluß geltend gemacht. Einer seiner ersten Vermittler aber ist Antonius Corvinus, zuerst hessischer Pfarrer in Witzenhaufen, dann Reformator der niedersächsischen Lande.

Als Verfasser der Kirchenordnung Herzog Erichs II. von Braunschweig-Kalenberg90) hat er nur das angewandt, was er in Hessen gelernt hat. Weithin lehnt er sich an Ziegenhainer Zuchtordnung und Kasseler Kirchenordnung an, hat sie vielfach sogar wörtlich übernommen. Und doch ist er dabei in bemerkenswerter Selbständigkeit mit dem darin enthaltenen Gedankengut verfahren.

Corvinus hat schon in seiner hessischen Zeit für die Fragen der Kirchenzucht ein besonders lebhaftes Interesse bewiesen.91) Abendmahlszucht ist


➝ Substanz. Befragen wir nun den ersten großen Meister dieser Theologie, Richard Hooker, nach seinem Verständnis der evangelischen Konfirmation (The Laws of Ecclesiastical Polity, Book V, cap. LXVI = Works, edd. W. Church and F. Paget, vol. II, 1888, S. 337 ff.), so müssen wir die Antwort einem langen, gelehrten dogmengeschichtlichen Exkurs entnehmen, aus dem dreierlei hervorgeht: 1) Die Konfirmation ist kein sakrament, sondern „a sacramental complement” zur Taufe (a.a.O. S. 344), die allein und vollgültig den Heiligen Geist mitteilt. 2) Die Beziehung auf die Taufe — an sich wie die ganze Art der patristischen Beweisführung erasmisches Erbteil — besteht nicht subjektiv in der Erneuerung des Taufbekenntnisses durch die Konfirmanden, sondern objektiv im Segenshandeln der Kirche. 3) Diese Handeln besteht wie auch vielfach im lutherischen Protestantismus Deutschlands in dem mit der Handauflegung verbundenen Gebet um den Heiligen Geist, dem nach Gottes Verheißung ohne weiteres die Erhörung gewiß ist. Auch bei Hooker hat also das reformatorische Gut bei weitem das Übergewicht über das humanistische. Vg. a.a.O. S. 337: „The ancient custom of the Church was after they had baptized, to add thereunto imposition of hands with effectual prayer for the illumination of God’s most Holy Spirit to confirm and perfect that which the grace of the same Spirit had already begun in baptism.”
89) Vgl. Emil Jansen: Geschichte der Konfirmation in Schleswig-Holstein, 1911, S. 82 ff.
90) Aus ihr auch separat gedruckt „Ordnung der Confirmation oder Firmung, Wenn vnd wie man die halten sol, in dem löblichen Fürstenthum Herzog Erichs des Jüngeren” 1542. In den folgenden Zitaten bezieht sich „Konf.-Ordn.” auf diesen Sonderdruck, „K.-Ordn.” auf das ganze Werk, das G I ff. einen grundsätzlichen Abschnitt enthält: „Von dem Catechismo vnd der Confirmation oder Firmung.”
91) An ihn hat Melanchthon 1533 einen Brief gerichtet, der die Einführung der Kirchenzucht in Hessen betrifft und im Zusammenhang mit der Anfrage der hessischen Superintendenten bei Luther steht. Jenes melanchthonische Schreiben ist C.R. II, 656 auf den 25. Juni datiert. Es muß aber, weil es Luthers (oben S. 17 Anm. 20) genannten Brief vom 26. voraussetzt („respondit Lutherus nec dissuasit”), nach diesem verfaßt sein. Vgl. außerdem ebendort die Mahnung, die Corvinus, im Mai 1536, an Kanzler Feige richtete.

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ihm als Luthers Schüler unumgängliches Erfordernis92); zugleich ist ihm dabei wie allen christlichen Humanisten Übereinstimmung mit der Alten Kirche höchstes Ziel.93) Um so mehr muß es nun auffallen, daß seine Kirchenordnung von 1542 bei aller Abhängigkeit von den beiden hessischen Ordnungen von 1538 das Moment der Kirchenzucht völlig außer acht läßt.94) Nur von der Kinderzucht ist die Rede; und die fällt für Corvin völlig mit der katechetischen Unterweisung zusammen. Darum ist ihm auch die Lehrprüfung (exploratio) das eine Hauptstück der Konfirmation.95) Dem Glaubensbekenntnis der Kinder wird keinerlei


92) Expositio Decalogi, Symboli Apostolici, Sacramentorum et Dominicae Precationis, ad captum puerilem in Dialogos redacta. Marpurgi 1537. — In diesem Katechismusdialog belehrt der Lehrer den Schüler über die Abendmahlsvorbereitung (E I): „Accessuri examinentur diligenter et explorantur. Ad haec peccatum confitentibus absolutio evangelica adnuntiatur, quibus etiam post mensam hanc adeundi potestas fit.” Sch.: „Erga facinorosos autem et manifestis criminibus obnoxios quales hic esse debent parochi?” L: „Ii tantisper arcendi hinc sunt, dum erratum cognoscentes in ulam redeant.” Sch.: „Quantum audio, maius quiddam est Christianum esse quam uulgus existimat.” L.: „Tu da operam igitur, ut uere Christianus fias. — Von einer Konfirmation ist hier nicht die Rede.
93) Das zeigt schon der Titel seines Werkes: „Christliche Bestendige vnnd inn der Schrifft vnd Heiligen Veteren wol gegrünte Verklerung und Erleuterung der furnehmsten Artikeln vnser waren Alten Christlichen Religion. Fur Arme Einfeltige Pfarrherrn Inn den Druck gegeben.” Hier P IV unter Berufung auf Matth. 18 und 1. Kor. 5 über die Banngewalt der Kirche: „Wir die lenge von nöten sein, wenn das wort ein zeitlang getrieben vnd in den schwang gebracht ist, das man solche straff und bann wiederumb auffrichte vnd sich der ersten Kirchen, so viel immer möglich, gleichformig mache.”
94) Konf.-Ordn.: „Doch weil diese Ceremonie des Confirmirens, wenn sie recht gebraucht wird, dennoch wol zu leiden vnd zu erhaltung der Kinderzucht sehre nütze ist, So wöllen wir mit Gotts hülffe vnterstehen, den rechten Brauch derselbigen widerumb in vnnser Kirchen zu bringen.”
95) Das andere ist die Handauflegung. A.a.O.: „Denn das ist ein mail war, das die Confirmiren, Firmen oder bestetigen nichts were vnd freilich widerumb inn ein Affenspiel geraten würde, wie es im Bapstum gewesen ist, wenn nicht die Catechesis, das ist die Kinderzucht und lahr, trewlich fur hin gienge. Demnach sol vnd müsset ihr wissen, das diese Ceremonie der Firmung zweyerley Dinge begreiffet, nemlich Catechesin, das ist, die Kinder lahr vnd zucht, so vorhin gehen mus, Zum andern Impositionem manuum, das ist Auflegung der hende.”
Dieselbe Begriffsbestimmung gibt er Okt. 1548 in seiner Kampfschrift gegen das Interim und besonders gegen den brandenburgischen Hofprediger Agricola. Vgl. seine Confutatio Augustani libri, quem Interim vocant, hrsg. v. Wilhelm Radtke, Stud. z. K.G. Niedersachsens 7, 1936, S. 39: Confirmatio temporibus apostolorum non fuit inanis et otiosa caeremonia, qualis hactenus apud papistas celebrata est, sed doctrinae exploratio, ubi a singulis exigebatur christianae fidei summa et postea precatione facta exploratis per manuum impositionem manifesta spiritus dona donabantur. Wenn auch die äußerlich konstatierbaren Geistesgaben in der Kirche verschwunden sind, sollte jene apostolische Handlung doch wieder eingeführt werden (a.a.O. S. 40): Quodsi talis confirmatio rursus institueretur, qualis et fuit olim et in plerisque nostris ecclesiis iam videtur (!), hoc est quae principio ➝

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selbständige Bedeutung zuerkannt; es ergibt sich ganz von selbst aus der Katechese. Von einer Wiederholung des Taufbekenntnisses ist keine Rede. Wenn sich nun nachweisen ließe, daß das katechetische Element, trotzdem es so stark betont ist, ohne Rücksicht auf die Kindertaufe gestaltet ist, so würde das bedeuten, daß die Konfirmation Corvins sich von allen erasmischen Einflüssen frei gemacht bezw. sie völlig umgeformt hat.

Und dieser Beweis ist in der Tat leicht zu führen. An der Stelle, wo Corvin das Wesen der Katechese definiert,96) bestimmt er sie eindeutig vom Abendmahl aus: sie ist die seelsorgerliche Voraussetzung für die Erstkommunion. Und darum erlangt die Corvinische Konfirmation ihre Krönung in der Abendmahlsfeier.97) In ihr finden seelsorgerlicher Unterricht und segnende Fürbitte ihr Ziel.

In dieser Beziehung auf das Abendmahl beweist die Konformationsordnung Corvins ihren Ursprung von Luther her. Freilich ist schon die Verkürzung eingetreten, die wir auch bei dem älteren Luther feststellen konnten:98) die Sittenzucht ist vor der Lehrzucht völlig in den Hintergrund getreten. Butzer hatte hier ein reicheres lutherisches Erbe gewahrt. Indem also Corvin sich von ihm unterscheidet, kann er keineswegs als ein besserer Lutheraner angesehen werden.

Freilich, in dem zweiten Hauptstück seiner Konfirmationsauffassung stimmt er sowohl mit Butzer wie mit dem Luther von 1520 völlig überein. Auch er versteht die Handauflegung als einen Akt fürbittender Segnung.99) Das hat ihm den völlig ungerechtfertigten Vorwurf eingetragen, als habe er den Boden reformatorischer Sakramentslehre verlassen und


explorationem summariam religionis nostrae, deinde precationem publicam pro impetrandis spiritus sancti donis et impositionem manuum complecteretur, non illibenter hanc caeremoniam reciperemus.
96) Konf.-Ordn.: Katechesis ist „ein vnterweisung deren, die Christlichen namen vnd profession an sich nhemen vnd mit anderen der heiligen Sacrament teilhafftig sein vnd werden wollen.” Der Plural „die heiligen Sakramente” ist hier freilich im Blick auf die Großtaufe der Alten Kirche gewählt. Sofern aber damals schon Kindertaufe üblich war, wird die Konfirmation nicht von ihr abgeleitet, sondern als Vorbedingung für die Teilnahme an der Kommunion verstanden. Erinnerungen an die altkirchliche Arkandisziplin wirken dabei mit.
97) K.-Ordn.: „Vnd sol jnen darnach erleuben, das sie zum Tische des Herrn gehen, so offt jnen das von nöten sein würdet.”
98) Vgl. oben S. 20 f.
99) Vgl. die Belege S. 91 Anm. 95. — Auch hier wieder wird die Begründung in der Geschichte gefunden (Konf.-Ordn.): „Wenn die Kinder zehen oder elff jar vngeuerlich alt waren, Haben sie für der ganzen gemein rechnung jres glaubens thun vnnd geben müssen. Vnd wenn sie denn im selbigen bekenntnis geschickt vnd fertig waren, legte ihnen der Bischoff die hendt auff mit bitte, daß ihnen Gott seinen heiligen Geist geben vnd denselbigen in jnen bestetigen wölte. Seind auch darnach zu der Communion des leibs und bluts Christi, so offt jnen das geliebt, zugelassen worden.”

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die römische Firmelung wiederhergestellt.100) In Wirklichkeit ist er sich der scharfen Grenze, die hier besteht, durchaus bewußt gewesen. Gewiß bedeutet ihm die Handauflegung eine „feine alte Zeremonie”, die er dankbar von den Vätern übernimmt. Aber sie ist doch „nur eine äußerliche Zeremonie”, die an sich nichts bewirkt. Entscheidend sind bei der Einsegnung vielmehr die Fürbitte der Gemeinde, daß Gott die Konfirmanden mit dem Heiligen Geist stärken wolle, und das Wort der Verheißung aus Luk. 11 13, daß der himmlische Vater den Seinen solche Bitte gewiß erfüllen werde.101)

Diese Auffassung der Konfirmation als einer nach Gottes Verheißung effektiven Gebetshandlung der Kirche haben wir von Anfang an im Luthertum gefunden. Auch Butzer hatte sich ihr angeschlossen und damit den Anstoß, den die Täufer an der kirchlichen Kindertaufe genommen hatten, überwunden. Daß sie im Gegensatz steht zum römischen Sakramentalismus, tritt nicht nur bei Covinus, sondern auch sonst im norddeutschen Luthertum im Kampf gegen das Interim zutage.


100) Dieser Vorwurf, den zuerst Theodor Kliefoth (Die Confirmation, Liturg. Abhandlungen III, 1, 1956, S. 67) erhoben hat, ist ebenso falsch wie die Behauptung desselben Verfassers, Corvin habe das Regensburger Buch seinem Entwurfe zugrunde gelegt. Über seine Einteilung in katechetische, sakramentale und kirchenregimentliche Konfirmation, vgl. oben S. 6 Anm. 4.
In welch scharfem Gegensatz sich C. zum sakramentalen Verständnis der Konfirmation befand, zeigen die etwas holprigen Verse, die er mit seinem „kurtz christlich bedencken unde bekentnis aufs interim” am 17. Juli 1549 an Herzog Albrecht von Preußen übersandte (Pl. Tschackert: Briefwechsel des A.C., S. 239 f.):

Firmung ist ein gut alter brauch,
wens nicht thut ein beschorner hauf
mit kreuz drücken und schmiren,
sonder die jugent wirt verhort
fur der gemein am pillichen ort,
das sie im glauben nicht irren.

Wen dan die hend sind aufgelegt
durch des worts diener, wie man pflegt,
got umb den geist gebeten,
so wirt erleubt denselben dar,
das sacrament zu nießen gar,
zum tisch des hern zu treten.

Das weihbischöflich affenspiel,
dessen warlich ist hie zu viel,
können wir nicht nachgeben.
Den ohn gots zusag und gepot
geschichts mit lauterm hon und spot.
Lieber christ, merks gar eben.

101) Die Konf.-Ordn. nennt die Handauflegung „nur ein eusserliche Ceremonie, so die Veter des alten Testaments im brauch gehabt, sonderlich wenn sie Gott dem Herrn etwas befolhen oder geopfert haben wollten. . . . Sölcher brauch ist nu geplieben auch zur Zeit Christi, der Apotelen vnd etlicher Veter.” „Vnnd bedeut derhalben nichts anders, dan das Gott solchen leuten, denen die hende auffgeleget werden, Ewige hülffe vnd beystand durch seinen Heiligen Geist thun wölle; denn die hende reichen heisset ja so viel als helffen.” „Doch müsset jr . . es nicht dafur halten, wenn wir nach geschehenem verhör den Kindern die hende aufflegen, das eben umb solcher eusserlichen Ceremonien willen des aufflegens jnen der Heilige Geist gegeben werde, Sonder viel mehr vmb des Worts vnnd Gebets willen der Kirchen. Denn vnns ist ja nicht vergeblich zugesagt: . . . (Luk. 11 13) . . . Ist nicht dis ein herrliche zusagung die sendung des heiligen Geistes belangend?”

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Dieser Kampf richtete sich in Norddeutschland, wenigstens was die Konfirmation betrifft, auch gegen das Formular der Kirchenordnung Joachims II. von Brandenburg von 1540. Hier sind in der Tat die entscheidenden Forderungen des Interims schon acht Jahre früher verwirklicht; und man versteht, wie sich inbezug auf die Konfirmation der brandenburgische Hofprediger Agricola zu einem Verteidiger der kaiserlichen Unionspolitik aufwerfen konnte. In Brandenburg liegt aller Nachdruck auf der Wiederholung des Taufbekenntnisses durch die Kinder; die fürbittende Segnung durch die Kirche bestätigt zugleich die Richtigkeit dieses persönliches Bekenntnisaktes. Aber er wird zugleich seiner Einmaligkeit entkleidet: allezeit soll der Christ zum Bekenntnis seines Glaubens gerüstet sein. Als Sinnbild dieser Bereitschaft wird seine Stirn mit dem Zeichen des Kreuzes gesalbt. Damit was das überlieferte sakramentale Zeremoniell wiederhergestellt, und für den nur äußerlich Blickenden wurde die Firmelung wieder als Sakrament gefeiert. In Wirklichkeit hatte sie einem neuen Sinn bekommen; und zwar den, den Erasmus ihr gegeben hatte. Er hatte einst den Gedanken der persönlichen Erneuerung des Taufgelübdes in den Mittelpunkt seines Konfirmationsprogramms gestellt. Und als einzige evangelische Kirchenordnung Deutschlands ist ihm die brandenburgische von 1540 völlig darin gefolgt, hat auch wie er, konservativ und doch im Grunde achtlos, das überlieferte Ritual beibehalten. Darin zeigt sich der reformkatholische Einschlag, der sich bei dem Lehrmeister und seinen Berliner Schülern durchsetzte und der diese fähig machte, mit den Verfassern des Interims Hand in Hand zu gehen.102)

So zeichneten sich erst jetzt in der Interimszeit die beiden Möglichkeiten ab, um die erasmische Reformfirmelung im evangelischen Sinn umzugestalten. Schon vorher waren sie hier und da ergriffen worden; jetzt aber, wo sich die gegenreformatorische Tendenz des erasmischen Programms klar enthüllt hatte, wurden sie für jeden evangelischen Erasmusschüler zur unabweisbaren Alternative. Man konnte jene entweder, wie Zwingli es zuerst getan hatte, so reduzieren, daß, auf den ersten Blick wenigstens, nichts Unevangelisches mehr an ihr haften blieb. Oder man konnte sie ersetzen durch eine bloße Segenshandlung, bei der von Bekenntnis und Gelübde nichts Entscheidendes mehr übrig blieb; damit waren dann die Anregungen des Erasmus grundsätzlich überwunden. Das waren die beiden Wege, die allen denen offen standen, die nicht wie Butzer die erasmischen Einflüsse mit den Anregungen, die Luther sporadisch gegeben hatte, zu einer einheitlichen evangelischen Konfirmation zu verschmelzen vermochten.


102) Vgl. das Kapitel „Von der confirmation oder firmung” aus der K.O. von 1540 bei Sehling III S. 59. Es ist aus dem Gesagten verständlich, daß es in der K.O. von 1572 fehlt. — Wie sehr von einem streng katholischen Standpunkt aus dieses Kapitel als ungenügend empfunden wurde, zeigt die Kritik die schon 1541 Friedrich Nausea daran übte; vgl. W. Friedensburg: Die K.O. Joachims II. in kath. Beleuchtung, Jb. für brandenburg. K.G. V, 1908, S. 20.

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Corvinus hat das Verdienst, trotzdem er sonst vom christlichen Humanismus abhängig ist, als erster den zweiten Weg beschritten zu haben. Darum stellt seine Konfirmation, obwohl sie von der hessischen ausgegangen war, einen besonderen Typus dar.

Den ersten der beiden Wege sind die norddeutschen Theologen gegangen, die der Kampf gegen das Interim im Jahr 1548 zu einer Konferenz in Mölln zusammen geführt hatte. Unter der kraftvollen Führung des Hamburger Superintendenten Aepinus verwahrten sie sich hier energisch gegen die im Interim vorgesehene Konfirmation.103) Die Handlung selbst erklärten sie jedoch bei rechtem Gebrauch für eine „denklike Ceremonia in der Kercken.”104) Sie verstanden sie mit dem gesamten christlichen Humanismus aus der altkirchlichen Tauf- und Katechumenenpraxis als eine Bestätigung der Taufe durch die mündig gewordenen Kirchenglieder. Ihre Notwendigkeit ergab sich aus der Praxis der Kindertaufe; ihr wichtigstes Stück war dann die Katechese als Glaubensprüfung.105) Ihr gegenüber war alles andere unwesentlich: entsprechend dem ursprünglichen erasmischen


103) Bekenntnisse vnd Erkleringe vp dat Interim, durch der Erbarn Stede Lübeck, Hamborch, Lünenborch etc. Superintendenten, Pastoren vnd Predigere rho Christliker vnd nödiger Vnderrichtinge gestellet. 1549. — Hier wird übrigens zuerst — im Zusammenhang mit dem Kampf gegen das Interim — der weitere Sakramentsbegriff der Alten Kirche, wonach jede Lebensäußerung der Kirche ein Sakrament ist, mit grundsätzlicher Schärfe und für lange Zeit aus dem Raum der evangelischen Kirche verwiesen. Der christliche Humanismus hatte sich jene weitere Fassung des Sakramentes zu eigen gemacht; die Stellung des Erasmus im Abendmahlsstreit ist nur so zu erklären. Auch Melanchthon hatte sie übernommen, wenn er sie auch in die reformatorische Sakramentslehre einzubauen versuchte (vgl. oben S. 67 Anm. 37). Nachdem sie damit zuende war, was auch der Name „sakramentale Zeremonie”, den Erasmus, Luther und Butzer der Konfirmation gegeben hatten, nicht mehr anwendbar. Die interessante Stelle lautet a.a.O. L. III: „Vnd also hebben ak die olden Theologj dat wordt Misterium (verdruckt zu Ministerium) edder Sacrament allenthaluen gebruket, vnd vp disse ardt thoreden konden die Türcke vnd die Römische Kercke wol alle ere ritus, Ceremonien vnd mißbrüke Sacramente heten vnd maken; Wo se denn ock doen in erem Racionali diuinorum.” (Das Rationale divinorum des Wilhelm von Duranti (✝ 1296) hält in der Tat auch in seinen spätesten Auflagen den alten weiten Sakramentsbegriff fest; vgl. W. Maurer: Bekenntnis und Sakrament, Bd. I S. 57).
104) a.a.O. L IV.
105) a.a.O. L. IV. Der Katechismusunterricht der Alten Kirche war nicht nur für Erwachsene bestimmt, sondern „ock vor de kinder, de vnmündlich gedöfft vnd namals in dem Catechismo vnderrichtet weren, vnnd in der Confirmation eren in der Döpe angenommenen gelouen süluest bekennenden.” Indem dabei die Konfirmation ihren Sakramentscharakter verliert, wird sie ganz — wie bei Erasmus — dem Gesichtspunkt pädagogischer Nutzbarkeit unterworfen. Von ihr gilt, wie von allen menschlichen Traditionen: „Paedagogiae edder eutaxiae, dat ys tucht vnd kinderlere, wenn se am besten syn vnd synt nicht lenger in der Kercken tholiden, wenn dewile se ad aedificationem der Kercken buwing denstlik syn. Wenn se öuerst ad destructionem gereiken, so möten se vorworpen vnd affgedan werden.”

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Programm, das hier in der Hauptsache unverändert übernommen wird, werden alle kultischen Zutaten zwar nicht abgelehnt, kommen aber praktisch nicht zur Geltung. Von einer eigentlichen Konfirmationshandlung ist in den auf dem Möllner Tag vertretenen Landeskirchen auf lange Zeit hinaus keine Rede. Die grundsätzliche Zustimmung zu den erasmischen Ideen hat sie überflüssig gemacht.

Wer aber nun doch an einer evangelischen Konfirmation festhalten wollte, mußte den erasmischen Ideenkreis gänzlich verlassen. Diesen Weg haben, ähnlich wie Corvinus, seit Ende der vierziger Jahre die pommerschen Theologen eingeschlagen. Soweit wir sehen können, sind sie — natürlich unter den allgemeinen Voraussetzungen von Luthers Theologie — in durchaus selbständige Weise darauf gekommen; jedenfalls lassen sich bestimmte historische Abhängigkeiten zunächst nicht nachweisen. Es hat sich dabei aber in Pommern von Anfang an ein ganz klarer Konfirmationstypus herausgebildet, der mit dem corvinischen am meisten Ähnlichkeit besitzt.

Schon auf der Stettiner Synode von 1545, auf der die Einführung der Konfirmation für ganz Pommern beschlossen wurde, tritt er uns völlig deutlich entgegen: die Konfirmation besteht nur aus zwei Stücken, dem Glaubensverhör und der fürbittenden Segnung mit Handauflegung.106) Beide dienen ausschließlich der Vorbereitung zum ersten Abendmahlsgang. Von einer Wiederholung von Taufbekenntnis und -gelübde ist keine Rede; die Katechese ist auf das Abendmahl hin ausgerichtet, nicht vom Taufglauben her bestimmt. Das Verhör gibt nicht dem Konfirmanden Gelegenheit zu persönlichem Bekenntnis, sondern schafft für Pfarrer und Gemeinde die seelsorgerlichen Voraussetzungen für die Zulassung zum Abendmahl. So ist in der pommerschen Konfirmation nichts mehr von dem erasmischen Sauerteig enthalten. Von der hessisch-butzerischen unterscheidet sie sich außerdem noch durch das Fehlen des kirchenzuchtlichen Motivs. Daß damit eine Verkürzung der lutherischen Gedanken eingetreten ist, wurde oben schon im Blick auf Corvin ausgeführt.

Es schien nun freilich zunächst so, als könnte sich dieser pommersche Typus nicht rein erhalten. Als die beiden Generalsuperintendenten Paul von Rode und Johann Knipstro ihre Landeskirche gegen das Augsburger


106) Nach J.H. Balthasar: Erste Sammlung einiger zum Pommerschen Kirchenhistorie gehörenden Schriften, Greifswald 1723, abgedruckt von Otto: Wann ist der Konfirmationsact in Pommern eingeführt worden? = Monatsschrift für die evang.-luth. Kirche Preußens 1853. S. 277 ff., wiederholt auch bei Walter Caspari: Die evangelische Konfirmation, vornämlich in der lutherische Kirche, 1890, S. 70, Anm. 1: „Catechismus quater in anno breviter repetendus est. Eo finito examinandi sunt Catechumeni, qui nondum utuntur Sacramento altaris. Qui vero Catechismum probe didicerint, coram altari impositione manuum confirmandi sunt et postea ad Sacramenta admittendi, qui usus incepit apud Apostolos in Actis.

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Interim verteidigten,107) kamen sie auch auf die Konfirmation zu sprechen. Ihre Äußerungen darüber klingen so, als ob es sich für sie dabei schon um eine fest eingeführte Feier handele.108) Sie schließen sich bei ihrer Schilderung ganz an die erasmischen Gedankengänge an. Die Bedeutung der Firmung sehen sie nicht darin, daß sie zur Vorbereitung auf die Erstkommunion dient, sondern daß „die getaufte Jugend Bekenntniß ihres Glaubens thun müsse” und die Abrenuntiation wiederhole. Die unter Handauflegung erfolgende Spendung des aaronitischen Segens und die Zulassung zum Abendmahl erscheinen dann fast an die Voraussetzung jenes Gelöbnisses gebunden. Kurzum, das Ganze ist eine unglückliche Konstruktion. Man merkt dahinter die deutliche Absicht, sich dem kaiserlichen Willen möglichst gefügig zu erweisen. Und die erasmischen Gedanken werden offenbar nur deshalb so sehr hervorgehoben, weil sie auch der Interimskonfirmation zugrunde lagen.109)

Daß diese Anpassung nur eine äußerliche war, beweist der Fortgang der pommerschen Entwicklung. Der Entwurf einer Kirchenordnung für die Stadt Stralsund aus dem Jahre 1555 zeigt uns wieder das ursprüngliche Bild: seelsorgerliche Abendmahlsvorbereitung und fürbittende Segnung


107) Gottlieb Mohnicke: Der Pommerschen Theologen Bedenken über das Augsburgische Interim = Ztschr. f.d. hist. Theol. 1843, 4. Heft, S. 36 ff.; hier S. 45 f. Von der Firmung.
108) Jedenfalls wird unter den Stücken, die S. 54 ff. als zur weiteren Reformierung der pommerschen Kirche notwendig aufgeführt werden, die Konfirmation nicht genannt.
109) Nach Aufzählung der fünf Hauptstücke des lutherischen Katechismus wird von der Konfirmanden a.a.O. gefordert, daß sie „von dem Allen guten Bericht thun müssen und angeloben, daß sie bei dem Glauben an Gott den Vater, Sohn und Heiligen Geist, in welchem sie getauft sind, bis an das Ende beständig bleiben, daß sie alle Sünde, so wider Gottes Gebot ist, meiden und fliehen sollen, und wider den Teufel und seine List, dem sie abgesagt haben, streiten und aller guten Werke sich befleißigen, und daß sie auf die heilige Zukunft unsers Heilands Jesu Christi endlich wachen und warten. Auf solches Bekenntniß, Vermahnung und Unterweisung wird mit Auflegung der Hände über sie gebetet und ihnen der Segen gesprochen, nach dem Exempel des Herrn Christi und der Apostel, und werden danach zum Sacrament des Leibes und Blutes Christi und zu allen Christlichen Sachen zugelassen.” — Noch die 5. Greifswaldische Synode von 1551 (Otto a.a.O. S. 283) legt auf die persönliche Bestätigung des Taufbekenntnisses entscheidenden Wert: „Dieweil die Apostel den getauften Christen die Hände aufgelegt haben und über sie gebetet, daß sie den heiligen Geist empfingen und ihre Taufe bestätigten, so achten wir Christen es sehr nützlich und gut, daß die Confirmatio Catechumenorum erhalten werde, wie wir sie denn allbereit in unseren Kirchen in Brauch haben; und ob sie etwa in etlichen Kirchen noch nicht in Gebrauch wäre, daß sie auch wiederum daselbst aufgerichtet und in Uebung gebracht werde, doch also, daß niemand unverhöret, ohne Bekenntnis seines Glaubens zugelassen werde.” „Auf solche Ermahnung, Bekenntniß und Unterweisung soll mit Auflegung der Hände über sie gebetet und der Segen gesprochen werden, wie hiervon eine sonderliche forma fürgestellet ist.” Beichte, Absolution und Erstkommunion folgen zu gelegener Zeit.

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bilden die beiden Hauptstücke der Konfirmation.110) Es existiert für sie in Stralsund sogar handschriftlich eine besondere Agende, über deren geschichtliche Herkunft und Zusammenhang mit dem Konfirmationsformular der Agende von 1569 wir nur Vermutungen aufstellen vermögen.111) Jedenfalls kann die Kirchenordnung von 1563 von der Konfirmation — hier einfach als „Benediktion” bezeichnet — als von einer langjährig bewährten Einrichtung der pommerschen Kirche reden.112)

Die Agende von 1569 bestätigt uns auch, daß die ursprüngliche Grundlagen der Konfirmation in Pommern treu bewahrt worden sind. Sie wird gehalten „umme des catechismi unde umme des gebedes willen.”113) Verhör und Handauflegung sind beide notwendig zur Vorbereitung auf das Abendmahl.114) Auch von der Taufe ist im Zusammenhang der Handlung die Rede. Aber sie wird nicht durch diese ergänzt; sondern sie bietet, weil sie das ganze menschliche Leben umschließt und festlegt, auch die Grundlage für das, was in der Konfirmation geschieht. In der Taufe hat das Kind den heiligen Geist empfangen; sie gewährt daher den „trost, dat de junge leve jöget ock höret tom rike Christi.”115) Und die segnende Handauflegung ist insofern „Bestätigung im Christentum,” als die von der mit der Taufe empfangenen Gnade Zeugnis ablegt, den Konfirmanden also seines Christenstandes gewiß und ihm die damit verbundene


110) Sehling IV, 550. Wie 1545 wird eine vierteljährliche Prüfung im Katechismus eingerichtet „Und de kinder, so ehn wol könen und upgesecht hebben, schölen van den pastoribus den segen entfangen; und darna schölen se na rade ehrer oldern und seelensorgern to dem sacrament und allen christliken saken to gelaten werden.” „Men schal over de kinder beden mit segening, gelick wo de here Christus aver de kinder bedede und segende se mit upleginge der hende.”
111) a.a.O. „Die förm overst der segeninge is sunderlik scriftlik vorvatet mit dem bede, dat men over de catechumenos lesen schal.” Vgl. Anm. 109, Schluß.
112) Sehling IV, 385 f.; in dem hochdeutschen Neudruck von Otto 1854, S. 32. Wenn hier von einer Agende für die Konfirmation die Rede ist, so wird wohl auf die von 1569 vorausverwiesen, die schon seit Ende der 50er Jahre im Entwurf vorlag. An die von 1542 ist nicht zu denken, sie enthält nichts über die Konfirmation; doch vgl. oben Anm. 109 u. 111. Im übrigen wird die liturgische Willkür während der 50er und 60er Jahre in Pommern genau ebenso geherrscht haben wie anderswo.
113) Sehling IV, 443. Obwohl die Textgestaltung bei Sehling an manchen Stellen fragwürdig ist, wird hier nach ihm zitiert; in Zweifelsfällen ist Otto zu vergleichen.
114) a.a.O. 443. „De leven veder vor dem pawestdome” haben „de jungen christen ersten vlitich im catechismo unde christendome underrichtet, eer man se to en hochwerdigen sacramenten togelaten hesst. Wenn se överst de hövetstücke der christliken lere wüsten, so hebben se se gestellet vor de ganze gemeine, unde godt aver se angeropen, dat he se dorch sinen geist in warer erkenntnisse Jesu Christi erholden wolde.”
115) Das ist das Thema des ersten grundlegenden Teiles der Konfirmationsvermahnung, Sehling IV, 441.

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Verantwortung aufs neue eindrücklich macht.116) Damit ist der völlige Gegenpol zur erasmischen Konfirmation erreicht. Dort bekennt der einzelne; hier bestätigt die Kirche. Dort wird die Taufe ergänzt, hier wird ihre Vollgültigkeit für das ganze Leben des Gläubigen bezeugt. Dort droht die Konfirmation das Sakrament der Taufe aufzuheben; hier hebt sie, in engster Verbindung mit Beichte und Absolution, den heiligen Ernst des Abendmahlssakramentes gebührend hervor.117)

Man kann es nur bedauern, daß das in Pommern erreichte lutherische Konfirmationsverständnis sich nicht auch sonst durchgesetzt hat.118) Das ist vornehmlich ein Zeichen dafür, wie stark auch nach dem Abschluß der Interimskämpfe die erasmischen Einflüsse noch nachwirkten — in der Konfirmationsfrage nicht bloß direkt aus dem erasmischen Schrifttum, sondern auch indirekt und unbewußt durch evangelische Theologen vermittelt. Daß sie sich in der Braunschweigischen Agende von 1569 noch einmal durchsetzten, ist kein Wunder bei dem humanistischen Charakter


116) a.a.O. 443: „dat man aver se mit der ganzen gemeine bede, godt aver se anrope, mit upplegginge der hende, unde den segen aver se spreke, dardorch se also in erem christendome bestediget werden, tüchenisse erer döpe entfangen, up dat se sick erer döpe weten to tröstende jegen den duvel, unde sick erinnern, dat se vor godt in rechtem gloven, in hillicheit unde gerechticheit, die gade gevellich is, leven schölen.”
117) Daß auch so immer noch das zweckhafte Denken der humanistischen Pädagogik wirksam werden konnte, zeigt die Bestimmung der Statuta synodica der pommerschen Synode von Greifenhagen 1574, in der die Katechismusprüfung als Vorbedingung der Zulassung zum Abendmahl vorgeschrieben wird, „quo nervo facile cogent omnes, ut catechismum discant” (Sehling IV, S. 485). Man sieht, der Zwang richtet sich nur auf das Lernen des Katechismus, nicht auf die Beteiligung am Abendmahl. Die Teilnahme an den christlichen Sakramenten ist vielmehr für den Menschen der Reformationszeit ebenso wie für den des Mittelalters das Kennzeichen des Christenstandes und damit zugleich die unerläßliche Grundlage für die Zugehörigkeit zur bürgerlichen Gemeinschaft. Sie ist hier gleichsam die Prämie für die fleißigen Katechismusschüler. Welch ein Unterschied zu unsern Tagen, wo der „Abendmahlszwang” als eine der Hauptlasten der Konfirmation erscheint! Dieser Sachverhalt sowie überhaupt die Bedeutung der Abendmahlsfeier für die pommersche Konfirmation scheint mir verkannt bei Rudolf Smend, Neue Beiträge zur Reform unserer Agende = Stud. Prakt. Theol. VI 3, S. 81, wo ere in Bezug auf sie schreibt: „Hier ist weder Bekenntnis noch Gelübde noch erste Abendmahlsfeier als Gebot oder als integrierender Bestandteil der Handlung.”
118) Hier liegt ohne Zweifel ein Versagen der lutherischen Dogmatiker vor. Was Martin Chemnitz im 2. Teil seines Examen Concilii Tridentini (hrsg. v. E. Preuß 1861, S. 184 ff.) vorzubringen hat, führet an keiner Stelle über Melanchthon hinaus, war also beim Zeitpunkt seines Erscheinens schon antiquiert. Ähnlich teilnahmslos verhält sich Johann Gerhard in den gelegentlichen Bemerkungen, die sich in seinen loci theologici (vgl. das Register der Ausg. von Ed. Preuß, 1866) über die Konfirmation finden. Dabei hat er — wenigstens im Blick auf die Ordination (vgl. a.a.O. VI 98) — den weiteren Sakramentsbegriff bejaht, besaß also die Möglichkeit, die Konfirmation als eine ceremonia sacramentalis im reformatorischen Sinne verständlich zu machen.

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des am Wolfenbütteler Hofe und an der Helmstedter Universität gepflegten Luthertums.119)

Auch in der hessischen Kirche blieben diese Einflüsse des christlichen Humanismus am Werke. Sie haben die hessische Konfirmation in einer Weise umgemodelt, daß dadurch das Gleichgewicht zwischen lutherischen und erasmischen Traditionen aufgehoben wurde, das Butzer in den beiden Ordnungen von 1538 erreicht hatte. Damit ist die entscheidende, oft übersehene Veränderung im Konfirmationsverständnis der hessischen Kirchenordnungen eingetreten. Sie muß man kennen, will man die Konfirmationsagenden von 1566 bzw. 1574 und den Einfluß, den sie weit über Hessen hinaus gewonnen haben, richtig beurteilen. Viele Angriffe, die gegen Butzer und die beiden Ordnungen von 1538 gerichtet sind, treffen ausschließlich jene Erzeugnisse einer späteren Zeit, die mit dem lutherisch-butzerischen Erbe nichts mehr anzufangen wußte, sondern viel stärker den humanistischen Traditionen verhaftet war. Deren wichtigster Träger war damals in Hessen Andreas Hyperius (✝ 1564). Seinen Geist atmen die späteren hessischen Konfirmationsordnungen, die von 1566 noch mehr als die von 1574. Wenden wir uns der Konfirmationsanschauung des Hyperius zu.

Wie für Erasmus, so steht auch für ihn die Wiederholung des Taufbekenntnisses durch die Konfirmanden im Vordergrunde; er leitet also auch die Notwendigkeit der Konfirmation von der Mangelhaftigkeit der Kindertaufe her.120) Bekenntnis und Gelübde bilden den Abschluß der katechetischen Unterweisung, die, wie Hyperius in der Schrift de catechesi ausführt,121) der Katechumenenpraxis der alten Kirche nachgebildet ist. Aus dieser Praxis — und nicht aus der lutherischen Forderung der Abendmahlszucht — wird auch die Verbindung von Konfirmation und


119) Vgl. den Abschnitt: „Von der Christlichen Firmung” bei Richter II, 320 f. Martin Doerne (Neubau der Konfirmation, 1936, S. 23) sieht hier „die klassische Gestalt lutherisch-melanchthonischen Konfirmationsverständnisses”; das ist richtig, wenn man dabei auf melanchthonisch den Hauptton legt. Vgl. zu dieser K.O. F. Koldewey: Die verschiedenen Ausgaben der K.O. d. Herz. Julius v. Braunschweig-Wolfenb. = Ztschr. d. hist. Ver. f. Niedersachsen 1887, S. 260 ff.
120) In den 1563 herausgekommenen Elementa christianae religionis (hrsg. von W. Caspari 1901, hiernach im folgenden zitiert als Elementa) erklärt S. 62 der Schüler: Etenim paratus sum, quam primum parentibus visum fuerit et susceptoribus, me sistere antistiti ecclesiae et coram universa multitudine exigenti eidem fidei confessionem adeoque summam doctrinae quam hactenus percepi reddere. Id vero partim quo illi qui quondam in baptismo responderunt meo nomine ac spoponderunt se ut in elementis christianae religionis instituerer curaturos, liberentur, partim ut mea ipsius voce et confessione me totum Christo redemptori ac domino addicam.
121) Aufgenommen in die Varia opuscula Theologica, Basel 1570; hier S. 436 ff. Zitiert im ff. Opusc. mit Seitenangabe.

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Erstkommunion begründet; Anklänge an die altchristliche Arkandisziplin sind mit wirksam.122)

Freilich weiß Hyperius gut genug, daß um derentwillen einst die Abendmahlslehre nicht zum katechetischen Stoffe gehörte. Daß sie jetzt dazu zu rechnen ist und auch im Konfirmationsbekenntnis eine Rolle spielt, begründet er mit dem Unterschied der Zeiten: Heute haben ja die Konfirmanden von Kindheit an oft an den Gottesdiensten teilgenommen und der Feier der Sakramente zugeschaut; sie werden deswegen den Unterricht darüber schon verstehen können.123) Der erste Abendmahlsgang erscheint dann wesentlich als Fortsetzung und Bekräftigung des in der Konfirmation erfolgten persönlichen Bekenntnisaktes.124) Dem mystisch-humanistischen Zuge der Abendmahlslehre des Hyperius125) entsprechend wird besonders der Gemeinschaftscharakter der sakramentalen Feier hervorgehoben.

Das alles gehört zur subjektiven Linie der hyperianischen Konfirmation. Sie läßt sich restlos aus den Voraussetzungen des christlichen Humanismus und der von ihm gehegten Vorliebe für die altkirchlichen Formen erklären. Selbst wo man, wie bei der Verbindung von Konfirmation und Abendmahl, auf lutherische Einwirkungen schließen möchte, erweist sich bei näherem Zusehen jener Einfluß als alleinherrschend. Ganz ähnlich verhält es sich nun aber auch mit der objektiven Linie im Konfirmationsprogramm des Hyperius. Er ist, wie Butzer und später etwa die pommerschen Ordnung, an dem objektiven Geschehen bei der Konfirmationshandlung interessiert. Aber das hilft ihm nicht wie dort, das erasmische Erbe innerlich zu neutralisieren bezw. zu überwinden, sondern verstärkt noch dessen Mängel.

Für Hyperius ist neben dem persönlichen Bekenntnis die Handauflegung als fürbittende Segnung das Hauptstück bei der Konfirmation. Ihre Kraft wird, wie sonst überall auf reformatorischem Boden, aus dem Gebet der Gemeinde und der ihr zugrunde liegenden Verheißung von


122) Opusc. S. 472: Et quas ob causas olim ad coenam dominicam non statim admittebantur catechumeni seu recens baptizati, credibile est ob easdem nunc nec pueris Coenam sacram distribui.
123) Opusc. 482.
124) Der Schüler versichert Elementa S. 62: „Persuasum namque habeo piorum mentes, quemadmodum ad manuum impositionem et precationem ecclesiae mirifice agitantur arcana spiritus sancti virtute, ita fulciri et roborari easdem, quando in sacra coena mystico corporis et sanguinis Christi pabulo reficiuntur. Quibus autem rebus christiani nominis animus recreari et confirmari possit, eas operae pretium est cupidi appetamus, quamque me imprimis permovet Servatoris nostri Christi de usurpanda sacrae coena praeceptum (Joh. 6 53).
125) Vgl. die gesperrten Worte der vorigen Anm. Um dieses Charakters willen entzieht sich die Abendmahlslehre des Hyp. jedem Versuche, sie im lutherischen oder reformierten Sinne konfessionell festzulegen. Hyp. ist der typische überkonfessionelle evangelische Humanist.

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Luk. 11 13 abgeleitet.126) Die damit erfolgende Geistübertragung macht sie zu einem sakramentalen Akte. Als christlicher Humanist vertritt Hyperius eine Anschauung vom Mysterium, die ihn alle derartigen Segenshandlungen der Kirche als Sakramente im weiteren Sinn verstehen lehrt.127) Damit erscheint ihm die Konfirmation als heilsnotwendig. Aufgrund von Hebr. 6 2 ist ihm die Lehre von der Handauflegung und ihren Wirkungen ein notwendiges Stück des christlichen Glaubens128), und er beklagt schwer ihre Vernachlässigung. So muß man im Blick auf Hyperius die Frage stellen, ob die reformatorische Auffassung von der fürbittenden Handauflegung gewahrt geblieben sei — der Name „Sakrament” oder „sakramentale Zeremonie” tut dabei nichts zur Sache —, oder ob die Bevorzugung des christlichen Altertums den Rückfall in eine überwundene Stufe des Christentums zur Folge gehabt habe.

Diese Frage wird eindeutig beantwortet, wenn man sieht, wie Hyperius auch seine Anschauung von der Notwendigkeit der Handauflegung mit der Ergänzungsbedürftigkeit der Kindertaufe begründet. Er verwendet dabei nämlich ein Argument, das für jeden, der von den Voraussetzungen reformatorischer Theologie herkommt, als ein Schlag ins Gesicht empfunden werden muß: Er beschränkt die Wirkung der Taufe ausschließlich auf die Sündenvergebung, wertet sie also rein negativ und versteht die Handauflegung als ihre positive Ergänzung; durch sie erst werde der Heilige Geist und damit die Widerstandskraft gegen die bösen Mächte und die Kraft zum christlichen Bekenntnis mitgeteilt.129) Und dieselbe


126) Elementa S. 61: Quando autem alicui imponuntur manus, precatio fit ad Deum, pro huiusmodi ope Spiritus sancti impetranda.
127) Opusc. S. 479 unter Bezugnahme auf 2. Tim. 1 6: Hinc emanauit consuetudo qua ritus impositionis manuum apud multos confirmatio seu mysterium confirmationis appellatur. — Wie die Anwendung des weiteren Sakramentsbegriffes zeigt, ist Hyp. in diesem Stücke von dem Ergebnis der Interimskämpfe unberührt geblieben, in denen sowohl von den Flazianern wie von Calvin jener Sakramentsbegriff aufgegeben wurde. — Vergl. S. 95 Anm. 103.
128) Opusc. S. 482.
129) Opusc. S. 478: Itaque magno studio et religione exercebatur illa (scil. impositio manuum) in ecclesiis, et calcar addebatur baptizatis ad bona opera et quaecunque charitatis officia erga homines praestanda; quandoquidem demonstrabatur, quod sicut in baptismo remittebantur peccata, ita in manuum impositione post baptismum dabatur Spiritus Sanctus, qui in omnem deducit veritatem, in confessione syncerae fidei mentes confirmat, actiones piorum regit et gubernat, simulque auxiliatur eorum infirmitatibus, ut diaboli, carnis, mundi illecebris et insidiis queant resistere; denique sic munit ac roborat adversus quaecunque pericula, ut pro Christi nomine uel mortem tolerare non dubitent. Ac fortitudinis donum in primis conferri, cum manus recens baptizato uel electo ad uerbi ministerium imponuntur, Apostoli uerba (2. Tim. 1 6) declarant. — Jene bloß negative Wertung der Taufe findet sich nicht nur in der Scholastik, sondern liegt auch der Depravierung zugrunde, die sie bei Erasmus erfährt; vgl. oben S. 46, Anm. 4 und S. 51 Anm. 9.

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These versucht er auch vom Empfänger der Taufe her verständlich zu machen: Wer erst kürzlich getauft sei, sei noch zu schwach, sich der Versuchungen zu erwehren, und bedürfe darum der unter Handauflegung erfolgenden Geistmitteilung.130)

Sowohl für die Altgläubigen wie für die Reformatoren hatte bisher die Vollgültigkeit der christlichen Taufe festgestanden. Diese hatten sie in der Verteidigung gegen das Täufertum besonders hervorgehoben; jene hatten, mochte auch das Verhältnis von Taufe und Firmelung bei ihnen nicht immer klar bestimmt sein,131) an ihr keinen Zweifel gelassen. Hier standen also alte und neue Kirche gegen den christlichen Humanismus in einer Front; und es zeugt für dessen Stellung zwischen den Konfessionen, daß er diesen gemeinsamen Widerstand gegen sich hervorrief und zugleich sich der Argumente von beiden Seiten zu seiner Verteidigung bedienen konnte. Indem auch Hyperius das tat, hat er in doppeltem Maße alle Angriffe gegen seine Konfirmation heraufbeschworen, die seit den Tagen des Erasmus gebräuchlich waren.

Denn er hat ja nicht nur wie dieser die subjektive, sondern auch die objektive Linie seines Konfirmationsprogrammes von der Ergänzungsbedürftigkeit der Taufe abgeleitet. Und er hat damit beide Linien so verbunden, daß sie nicht in Gegensatz zu einander treten können. Beide sind in seiner Tauflehre begründet, beide stützen und bedingen sich gegenseitig, ja, können sich sogar miteinander decken. So kann das persönliche Glaubensbekenntnis als eine Äußerung des mit der Handauflegung gegebenen Geistes verstanden werden.132) Und schließlich kann Hyperius gar auf den Bekenntnisakt verzichten und bloß die Handauflegung beibehalten.133) Das geschah auch bei Corvinus und den Pommern. Bei ihnen aber war die Segnung eine Bestätigung der Vollgültigkeit der Taufe für das ganze Leben. Hier dagegen bedeutet sie die Mitteilung neuer, die Taufe entwertender Gnadenkräfte. Mit Hyperius hat sich der christliche Humanismus noch weiter, als das schon bei Erasmus der


130) Elementa S. 61: Atqui cum baptizatis permagna adhuc insit imbecillitas atque torpor nec bona opera ab iisdem qua decet diligentia et puritate perficiantur, diabolus item ac mundus mille modis obsistant piis conatibus, opus sane habent Spiritu Sancto, qui ipsorum opituletur infirmitati, qui ad bene agendum impellat, qui satanae in nos insultantis impetum ferociamque comprimat, qui denique in certaminibus et periculis, quae propter veritatis confessionem obtingunt, assistat, animat ac tueatur.
131) Die z.T. heute noch bestehenden Unklarheiten über geschichtliche Entstehung und Verständnis der katholischen Firmelungslehre sind ersichtlich bei Wilhelm Koch: Die Anfänge der Firmung im Lichte der Tridentiner Konzilsverhandlungen = Theologische Quartalschrift 24, 1912, S. 428 ff.
132) Vgl. die zweite Sperrung in Anm. 129.
133) Opusc. 498: Aut si cui minus placet hoc pacto examinari pueros et adolescentes ac confiteri fidem, priusquam coenam adeant Dominicam, utiliter tamen idem fiet, quando iuxta antiquissimam ecclesiarum consuetudinem imponentur illis manus.

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Fall gewesen war, von den Grundsätzen der Reformation entfernt; dabei hat er alles, was an dessen Konfirmationsprogramm anstößig war, getreulich beibehalten.

In der auf Hyperius wesentlich zurückgehenden Hessischen Kirchenordnung von 1566134) ist sein Konfirmationsprogramm — das gilt wenigstens von dem ausführlichen Konfirmationsformular135) — verkirchlicht worden. Das bedeutet zweierlei. Zunächst einmal und vor allem: Die Bahn, die Luther gewiesen und die Butzer in seiner Nachfolge beschritten hatte, ist im Ansatz völlig verlassen; Ausgangspunkt für diese Konfirmation ist ausschließlich der christliche Humanismus. Andrerseits aber haben die Grundgedanken des Hyperius nur so in die Hessische Kirchenordnung Eingang gefunden, daß ihre gefährlichen Spitzen abgebrochen sind und das Anliegen der Reformation nicht mehr direkt verleugnet wird.

Auch hier sind die beiden Hauptstücke der Konfirmation die persönliche Wiederholung des Taufbekenntnisses und die unter Handauflegung erfolgende segnende Fürbitte vonseiten der Kirche. Von den beiden Stücken wird nur das erste mit der Unzulänglichkeit der Kindertaufe begründet.136) Über die Bedeutung der Handauflegung äußert sich dieses offizielle Dokument sehr viel zurückhaltender, als das Hyperius in seinen Privatschriften getan hatte. Ihr sakramentaler Charakter wird unter Anwendung der strengen reformatorischen Sakramentsdefinition bestritten; sie gilt nur für eine sehr alte, von Christus und den Vätern angewandte


134) Mit Recht warnt Caspari in der Einleitung zu seiner Ausgabe der Elementa (a.a.O. S. 3) davor, den Anteil, den Hyperius an der K.O. von 1566 genommen hat, zu über- und den Rhodingschen zu unterschätzen. Caspari hat ganz Recht: sie ist „nicht der korrekte Ausdruck seiner Theologie”, denn sie ist korrekter als seine Theologie.
135) Das zweite, kürzere, aber geschichtlich wirksamere Formular der K.O. ist in der Hauptsache identisch mit den sogen. Hessischen Fragstücken. Über deren geschichtliche Herkunft, die im wesentlichen in den Kinderfragen des Johannes Brenz zu suchen ist, habe ich gehandelt im Pastoralblatt für Hessen-Kassel 45, 1936 S. 1-11: Die Bedeutung der Hessischen Fragstücke für den Bekenntnisstand der Hessischen Kirche. Der Anteil, der Hyperius daran genommen hat, kann also nur gering sein. Der in den Fragstücken gegebenen lehrhaften Zusammenfassung des Inhalts der 5 Hauptstücke von Luthers Kleinem Katechismus folgen 2 Bekenntnis- und Gelübdefragen. Die erste fordert eine Bestätigung der eben explizierten christlichen Lehre; die zweite bezieht sich auf den christlichen Wandel und faßt die hier sich ergebenden Forderungen unter dem Gesichtspunkt des Gehorsams gegen die christliche Kirche zusammen. Dieses „sich in den Gehorsam der christlichen Kirche ergeben” ragt wie ein erratischer Block aus der butzerischen Gedankenwelt der KKO in die spätere Zeit hinüber. Es ist beinahe die einzige Erinnerung daran; immerhin stark genug, den von Butzer geschaffenen Apparat der Kirchenzucht mit der neuen Konfirmation zu verbinden. Aber es ist wirklich nur noch der Apparat; die Seele ist daraus entflohen.
136) Außer den vielen Belegen, die das Konfirmationskapitel der K.O. dafür bietet, verweise ich besonders auf die grundsätzlichen Erörterungen über die Taufe, besonders die Kindertaufe, in der Ausgabe von Philipp Heber (1847) S. 189 ff.

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Zeremonie.137) Dementsprechend wird sie auch nicht als Neuausstattung mit dem Hlg. Geist verstanden, sondern als „Vertröstung”, daß er niemals von den Getauften genommen, sondern in ihnen gemehrt werden werde.138)

Der Prüfstein für den Charakter einer Konfirmationsordnung ist ihr Verhältnis zum Abendmahl. Bei Hyperius fanden wir es bestimmt durch die Abhängigkeit von der altkirchlichen Praxis. In der Kirchenordnung wird diese Rücksicht durchkreuzt durch die reformatorische Forderung der Abendmahlsprüfung und Abendmahlszucht. Freilich wird sie nur so weit bejaht, als die Erkenntnis der christlichen Wahrheit die innere Voraussetzung dafür bildet.139) Luthers Gedanken, daß evangelische Zucht immer auf der freiwilligen Zustimmung des davon Betroffenen beruhen müsse, ist bei der Fassung des Konfirmationsgelübdes nicht Rechnung getragen.140) Dabei wird der Gemeinschaftscharakter der evangelischen Abendmahlsfeier scharf hervorgehoben; daß sich mit dem ersten Abendmahlsgang das Bekenntnis zur christlichen Gemeinschaft verbinde, wird besonders ausführlich behandelt.141) So sind in dieser Ordnung doch Ansatzpunkte vorhanden für den lutherisch-butzerischen Gedanken der Kirchenzucht. Leider tritt er nur in der Einleitung klar hervor142), hat aber auf die Gestaltung des eigentlichen Konfirmationsformulars zu wenig Einfluß gewonnen.

Die hessische Agende von 1574 übernimmt mit geringen stilistischen Änderungen das kürzere Konfirmationsformular mitsamt den Hessischen


137) Heber S. 220: „Niemand aber soll verstehen, daß wir die Auflegung der Hände dermaßen gebrauchen, als hielten wir sie für ein Sakrament Christi und seiner Kirche, denn sie ist erstlich nicht dermaßen von Christo eingesetzt, wie die heilige Taufe und das heilige Abendmahl des Herrn, sondern es haben sich ihrer die Erzväter, Christus und seine Apostel gebraucht. . . . Deshalben gebrauchen wir uns nicht der Auflegung der Hände als eines Sacraments des neuen Testaments, sondern als einer sehr alten Ceremonie von den Vätern und Kirchendienern, beide vor und nach Christo gewöhnlich gebraucht.”
138) Aus dem großen Fürbittegebet Heber S. 233: „. . . Daß sie nicht zweifeln, du wollest . . . deinen heiligen Geist nimmer von ihnen nehmen, sondern allezeit bei ihnen stärken und mehren. . . .”
139) Heber S. 222: „Item sie (scil. die Konfirmanden) lernen sich auch einigermaßen prüfen und bereiten, daß sie nicht unwürdig essen und trinken den Leib des Herrn im Abendmahle, zu welchem sie auf die Bekenntnisse zugelassen werden, welches auch seine Früchte mit sich bringt; und weil sie versprechen den Gehorsam der Kirche, werden sie gleich angehalten, ihren Wandel und Leben desto besser nach Gottes Wort anzurichten.”
140) Im Konfirmationsgelübde ist (Heber S. 232) nicht von „Gehorsam” die Rede, sondern nur davon, „sich den Herrn Christo, der Gemeinschaft der Heiligen und der christlichen Kirche (zu) ergeben.” Daß dieses corpus Christi mysticum zugleich sich als Gemeinschaft der brüderlichen Liebe und Zucht aktiviere, dieser butzerische Gedanke wird nicht ausgesprochen. Über das Konfirmationsgelübde nach der zweiten, kürzeren Fassung vgl. oben S. 104 Anmerk. 135.
141) Vgl. die das Abendmahl betreffenden Konfirmationsfragen Heber S. 230 ff.
142) Heber S. 224; vgl. auch Anm. 139.

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Fragstücken aus der Ordnung von 1566.143) Über die maßgebenden Grundsätze gibt die Einleitung Rechenschaft. Neben den beiden Hauptstücken des Hyperius — Wiederholung des Taufbekenntnisses und Handauflegung — wird noch die Zulassung zum Abendmahl als selbständiges Stück anerkannt.144) Die Abendmahlszucht wird nicht besonders hervorgehoben, dagegen die verpflichtende Kraft von Bekenntnis und Gelübde stark betont.145) Im ganzen ist diese Ordnung zu betrachten als ein weiterer Schritt auf dem Wege, das Programm des Hyperius an den kirchlichen Normalzustand anzugleichen; eigne Ideen werden nicht aufgewandt, um die Schwächen jenes Programms innerlich zu überwinden.

So bietet uns die nachbutzerische Entwicklung der Konfirmation dasselbe Bild, das wir schon vorher gewonnen hatten. Sie ist bestimmt durch das Ringen zwischen christlichem Humanismus und Reformation. Dieses ist durch die Kämpfe der Interimszeit in ein kritisches Stadium eingetreten. Damals war der christliche Humanismus zum ersten Male offensichtlich in den Dienst der Gegenreformation gestellt worden; seine Ideale blieben seitdem, sobald sie in diesem Zusammenhang erkannt waren, auf dem Boden der Reformation verdächtig. Man konnte sich bemühen, ihnen zu entgehen, indem man auf eine feierliche Konfirmationshandlung überhaupt verzichtete und sich bloß auf ein katechetisches Verfahren beschränkte; aber dieser Ausweg, der sich gerne als der genuin lutherische gab und gibt, führte und führt nur dem Gegner wieder in die Arme, solange er nämlich von dessen pädagogisch-didaktischen Prinzipien aus beschritten wird. Man konnte versuchen, die Gedanken des Erasmus zu ersetzen durch eine neue Konfirmationsform, die auf die lutherische Lehre von der Taufe sich gründet und von dem lutherischen Glauben an die Kraft des geistgeladenen Verheißungswortes und an die segnende Gegenwart Christi in seiner Kirche bestimmt ist; dieser Weg, auf dem Corvinus der Kirche Pommerns vorangeschritten war, wurde leider von zu wenigen betreten. Man konnte schließlich die erasmischen Traditionen weiter pflegen, bis sie das lutherische Erbe zu überwuchern drohten; das war der Weg, den man unabhängig voneinander in Braunschweig und Hessen in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts einzuschlagen begann, und auf dem viele Landeskirchen, besonders durch das hessische Vorbild veranlaßt, weiter schritten, durch den Pietismus hindurch der Aufklärung entgegen. In ihr hat dann das erasmische Erbe über das lutherische den völligen Sieg davongetragen; und es besteht noch immer die Aufgabe, ihr durch Neubesinnung auf die Grundlage der Reformation ihren Triumph wieder streitig zu machen.


143) Über dessen Charakter s. oben Anm. 135.
144) Sammlung Fürstliche Hessischer Landesordnungen (1767) Bd. I, S. 389b ff.
145) a.a.O. 390b werden die Konfirmanden ermahnt, „sich zu erinnern des hohen Eids, so sie jrem Gott gethan haben.”

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Überblickt man diese ganze Entwicklung mit all den verschiedenen, immer wieder gescheiterten Versuchen, so versteht man die einmalige geschichtliche Bedeutung der Lösung, die Butzer für das Konfirmationsproblem in den beiden hessischen Ordnungen von 1538 gefunden hat. Hier ist zum ersten Male und einzig in der Geschichte der evangelischen Konfirmation die völlige Synthese von Luther und Erasmus gefunden worden, so zwar, daß keiner durch den andern vergewaltigt wird, vielmehr jeder zu seinem Rechte kommt und das Ganze in innerer Harmonie vor der Wahrheit des Evangeliums bestehen kann.

Wir können und dürfen diese Lösung heute nicht einfach kopieren; aber wir sollen sie geschichtlich würdigen. Es liegt hier weder eine Konzession an das rechtlich gefaßte Heiligkeitsideal der Sekte vor noch an das Sakramentsrecht der römischen Kirche. Es handelt sich vielmehr um das seelsorgerliche Liebesrecht lutherischer Kirchenzucht. Aus der Liebesverbundenheit der Sakramentsempfänger geht es hervor, die Heiligkeit des Sakramentes zu wahren ist sein Ziel, das Ältestenamt ist sein Organ. Indem sich die Jugend diesen Mächten ehrfurchtsvoll, aber freiwillig unterwirft, tritt sie ein in die volle Sakraments- und Zuchtgemeinschaft der christlichen Kirche.

Diese lutherische Liebeszucht verbindet sich nun in der butzerischen Konfirmation mit der Pädagogik des christlichen Humanismus. Dieser steht, vom reformatorischen Standpunkt aus betrachtet, auf einer niedrigeren Stufe. Seine Zucht ist rein äußerlich, ethisch, nicht religiös verbindlich. Das Wortverständnis, das seiner christlichen Philosophie zugrunde liegt, ist dem reformatorischen unterlegen. Seine geschichtliche Kraft scheint heute erschöpft zu sein; und darin liegt die Krisis der evangelischen Konfirmation beschlossen, die einst unter der Einwirkung seiner pädagogischen Ideale entstanden war.

Aber diese Tatsache schmälert nicht im geringsten das Verdienst des Mannes, dem für seine Zeit das große Werk gelang, die Bildungstraditionen des christlichen Humanismus mit den religiösen Errungenschaften der Reformation zu verbinden und diese Synthese mit kirchenbildender Kraft auszustatten. Die Ordnungen von 1538 und speziell die ursprüngliche hessische Konfirmation sind das geschichtliche Denkmal jenes Bündnisses zwischen christlichem Humanismus und Reformation. 400 Jahre hindurch hat es sich als wirkungskräftig erwiesen. Indem wir das dankbaren Herzens bekennen, wenden wir den Blick getrost der Tatsache zu, daß es heute keinen christlichen Humanismus mehr gibt, und wagen es, aufs neue unmittelbar die Kräfte der Reformation zu leben, in der unaustilgbaren Hoffnung, daß wir damit aufs neue unsere Zeit, unser Volk und die darin wirksamen Bildungsmächte ansprechen und so unsern Beitrag für eine neue Epoche abendländischer Geschichte leisten.

 

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