Kirche im Rechtssinn ist eine verfassungsmässig organisirte Corporation, d.h. eine Corporation mit Corporationsgewalt. Keine Corporation ohne Corporationsgewalt. Die Corporationsgewalt wird nothwendig durch die Verfassung erzeugt. Die Verfassung bewirkt die Organisation der Gesammtheit, die Erzeugung des
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Gesammtwillens, welcher die Gesammtheit zur Geßammtheit macht, durch Subordination, durch Unterordnung der Einzelnen unter die Gesammtheit, d.h. durch Erzeugung und Vertheilung der Corporationsgewalt. Deshalb giebt es, wie keine Corporation ohne Corporationsverfassung, so keine Corporation ohne Corporationsgewalt.
Die Kirchengewalt ist Corporationsgewalt, nicht Staatsgewalt.
Die Kirche ist Heilsanstalt. Der Staat ist nicht Heilsanstalt. Die Aufgaben der Kirche sind andere als die des Staats. Die Kirche hat nicht Staatsaufgaben, sondern ihre eigenen Aufgaben zu erfüllen. Die Kirche ist nicht um des Staates willen, sondern um ihrer selbst willen da. Die Existenz der Kirche folgt nicht aus der Existenz des Staats. Den Grand ihres Bestehens trägt die Kirche in sich selbst. Die Kirche ist Heilsanstalt, nicht Staatsanstalt.
Die entwickelten Sätze bedeuten die Verschiedenheit von Staat und Kirche, bedeuten die Thatsache, von der schon im Vorigen ausgegangen ist, dass die Kirche nicht Glied des Staates, sondern ein selbstständiger Organismus ist, dass die Kirche eine dem Staat gegenüber stehende Corporation darstellt.
Die Verschiedenheit von Staat und Kirche
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bedeutet aber ferner Verschiedenheit von Staatsgewalt und Kirchengewalt. Der Staat ist nicht Kirche, die Staatsgewalt bewegt sich nicht in der Richtung der Kirchenzwecke: die Staatsgewalt ist nicht Kirchengewalt 10). Sie ist in der Staatsgewalt nicht enthalten. Sie ist von der Staatsgewalt nicht abgeleitet. Sie ist durch die organisatorischen Vorgänge geschaffen, welche die Kirche, nicht durch diejenigen, welche den Staat erzeugt haben. Die Entstehung der Kirche ist zugleich Entstehung der Kirchengewalt. Die Kirchengewalt steht der Kirche nicht kraft staatlicher Verleihung, sondern kraft ihrer Existenz zu. Die Kirchengewalt ist eine der Kirche eignende Gewalt. Das heisst: die Kirchengewalt ist Corporationsgewalt, nicht Staatsgewalt.
Aus der Thatsache, dass der Staat nicht Subject der Kirchengewalt ist, folgt, dass ihm grundsätzlich die Ausübung der Kirchengewalt nicht zusteht. Im Princip ist die Kirchengewalt von der Kirche, d.h. von ihrem Träger, zu verwalten.
10) Es braucht kaum bemerkt zu werden, dass hier unter Kirchengewalt nur das s.g. jus in sacra, die Regierungsgewalt in der Kirche, welche die einzige wahre Kirchengewalt ist, nicht das s.g. jus circa sacra, die Kirchenhoheit, die Regierungsgewalt über die Kirche, welche ihrem Begriff nach Staatsgewalt ist, verstanden wird.
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Die Verschiedenheit von Staatsgewalt und Kirchengewalt bedeutet die Verschiedenheit von Staatsregiment und Kirchenregiment. Das Kirchenregiment ist im Staatsregiment nicht enthalten. Der Territorialismus, die Kirche als Staatsanstalt und deshalb die Kirchengewalt als Bestandtheil der Staatsgewalt setzend, folgerte consequent die Identität von Staatsregiment und Kirchenregiment, d.h. die Regierung der Kirche durch den Staat. Aus der Thatsache, dass die Kirche nicht integrirendes Glied des Staates ist, ergiebt sich umgekehrt mit der gleichen logischen Nothwendigkeit das Selbstregiment der Kirche. Das Recht, sich selber zu regieren, ist ein der Kirche kraft ihres Begriffes angeborenes Recht. Die Kirche ist ihrem Wesen nach eine sich selber regierende Corporation. Die moderne Entwickelung steht im Begriff, diesen Satz auch für die protestantische Kirche zur Wahrheit zu machen. Das Kirchenregiment ist Corporationsregiment, nicht Staatsregiment.
Aber die Kirche ist eine öffentliche Corporation.
Die Kirche ist Heilsanstalt. Die Kirche setzt sich zur Aufgabe, Lehrerin, Verwalterin, Hüterin der göttlichen Heilsordnung zu sein. Die Kirche predigt die göttliche Offenbarung über das Verhältniss des Menschen zu Gott: das Sittengesetz.
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Sie predigt die Sühne des Gesetzes: die Erlösung. Die Kirche steht in unmittelbarem Dienst des Sittengesetzes. Ihr unmittelbares Ziel ist die Erfüllung des göttlichen Willens: die Aufhebung der Sünde. Ihre Aufgabe ist die höchste Aufgabe, welche der Menschheit gestellt ist: die Vollkommenheit des Menschen. Ihre Aufgabe ist die gleiche wie die des Staats. Staat und Kirche stehen Beide im Dienst der menschlichen Vollkommenheit, der Staat im Dienst des Rechtsgesetzes, die Kirche im Dienst des Sittengesetzes. Wie der Staat unmittelbar durch das Rechtsgesetz, so ist die Kirche unmittelbar durch das Sittengesetz gefordert. Die Zweitheilung der ethischen Gesetze ergiebt die Zweitheilung der ethischen Mächte. Die Kirche ist ethisch gleich nothwendig wie der Staat. Die Kirche ist ethisch gleichberechtigt mit dem Staat.
Die entwickelte ethische Gleichberechtigung der Kirche mit dem Staat ist als solche rechtlich nicht vorhanden, macht als solche die Kirche noch nicht zur öffentlichen Corporation. Sie gelangt zur rechtlichen Existenz und Bedeutung erst durch Rechtssätze, welche die ethische Gleichberechtigung der Kirche mit dem Staat realisiren, rechtlich zum Ausdruck bringen. Eine öffentliche Corporation ist die durch Rechtssätze mit dem Staat als ethisch gleichwerthig gesetzte
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Corporation. Die Kirche wird zur öffentlichen Corporation, sie wird zur Kirche im Rechtssinn erst durch das öffentliche Recht.
Die Rechtssätze, welche die ethische Gleichberechtigung der Kirche mit dem Staat aussprechen, sind die nämlichen, welche überhaupt das Wesen der öffentlichen Corporation begründen. Sie sind an erster Stelle privilegirende Rechtssätze. Dahin gehört die Behandlung der Kirchenbeamten als öffentliche Beamten: die Zutheilung der Beamtenprivilegien (beneficium competentiae u.s.w.) auch an die Kirchenbeamten, die Gewährung des öffentlichen Glaubens auch für die von Kirchenbeamten ausgestellten Zeugnisse. Dahin gehört die Zusage des weltlichen Arms für die Verfügung kirchlicher Verwaltungs- und Gerichtsbehörden: die Execution der kirchlichen Abgaben, die Vollstreckung geistlicher Urtheile. Dahin gehört die Anerkennung geistlichen Rechts, z.B. des Eherechts, als von nicht blos geistlicher, sondern auch weltlicher Wirkung. Dahin gehört die Sorge des Staates für die Ertheilung des Religionsunterrichts, die Uebung des staatlichen Schulzwangs im Interesse desselben, die Errichtung theologischer Facultäten an den Hochschulen. Dahin gehört die Bekleidung der kirchlichen Anstalten mit juristischer Persönlichkeit (Vermögensfähigkeit). Dahin gehört die Ausstattung der
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Kirche mit Staatsmitteln. Dahin gehört endlich auch die Gewährung der Zeichen der Oeffentlichkeit, des öffentlichen Gottesdienstes, des Glockengeläutes u.s.f.
Es versteht sich von selber, dass weder die Fülle der aufgeführten Privilegien für die Eigenschaft der Kirche als einer öffentlichen Corporation nothwendig 11), noch auch die Gewährung eines oder des anderen Privilegs (z.B. der Zeichen der Oeffentlichkeit, einer Dotation) hinreichend ist. Es kommt darauf an, dass in Privilegien der gedachten Art das ethische Interesse des Staates an der Kirche ausgesprochen sei, dass die Gleichstellung von geistlichen Beamten und Staatsbeamten, von geistlichem Recht und weltlichem Recht, von geistlicher Bildung und weltlicher Bildung u.s.f. die Idee der ethischen Gleichberechtigung der Kirche mit dem Staat zu realisiren bestimmt ist. Es kommt darauf an, dass die ethische Gleichberechtigung der Kirche mit dem Staat Princip des öffentlichen Rechts sei.
Die Rechtssätze, welche die ethische Gleichberechtigung der Kirche mit dem Staat aussprechen,
11) Die Aufhebung der weltlichen Kraft des geistlichen Eherechts, d.h. die Einführung der Civilehe, bedeutet z.B. für sich allein noch keine Behandlung der Kirche als Privatcorporation, d.h. noch keine Trennung der Kirche vom Staat.
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sind aber auch ebenso Macht mindernde Rechtssätze für die Kirche. Derselbe ethische Werth des kirchlichen Lebens, welcher jene Privilegien der Kirche zuwendet, nöthigt den Staat kraft sittlicher Pflicht, sich zu dem kirchlichen Leben nicht blos durch Ertheilung von Privilegien, sondern unmittelbar durch Förderung und Antheilnahme in Beziehung zu setzen. Gewiss: die Staatsgewalt ist nicht Kirchengewalt, die Kirche hat sich selbst, nicht der Staat die Kirche zu regieren. Aber die ethische Bedeutung der Kirche fordert Antheilnahme des Staats an der Ausübung der Kirchengewalt, fordert, dass der Staat sich nicht gleichgültig gegen das innerkirchliche Leben verhalte, fordert, dass der Staat mit der Kirche am kirchlichen Leben arbeite. Der Staat ist die höchste ethische Macht des menschlichen Gemeinlebens. Der Dienst, welchen der Staat dem ethischen Gesetz zu leisten hat, nimmt seine Machtentwickelüng auch innerhalb der Kirche in Anspruch, soweit staatliche Machtentwickelung nöthig ist, um den Staat von der Erfüllung ihrer hohen Aufgaben seitens der Kirche zu vergewissern. Gerade weil der Staat sich dessen bewusst ist, dass die Kirche mit ihm an demselben Ziele arbeitet, dass die Kirche dem Rechts- und Staatsleben seine sittliche Grundlage zu bereiten berufen ist, dass die Erfüllung der Kirchenaufgaben für
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den Staat nicht gleichgültig ist, — ist es die Pflicht des Staates, nicht blos, negativ einschreitend, Kirchenhoheit, d.h. Vereinspolizei, gegen etwaige Ausschreitungen des kirchlichen Lebens, sondern positiv zu einem Theile die Kirchengewalt selbst mit der Kirche zu üben. Der Staat hat mit am Steuer zu stehen, um mitzuhelfen, dass das Schiff der Kirche die rechte Bahn halte. Es liegt darin nicht eine Herabsetzung der Kirche. Die Betheiligung des Staats an der Ausübung der Kirchengewalt ist umgekehrt die rechtliche Form für die Anerkennung der Kirche als ethisch gleichberechtigt mit dem Staat. Die Machtminderung, welche der Kirche durch die Theilnahmerechte des Staates widerfährt, ist Ausdruck desselben Rechtsprincips, dem die vorhin entwickelte Machterhöhung durch die Privilegien des öffentlichen Rechts entspringt. Die, Machtminderung der Kirchengewalt durch die Theilnahmerechte des Staats ist, genau gedacht, ebenso wie jene Vorrechte, ein Privileg der Kirche, Sie zeichnet gleichfalls die Kirche als öffentliche Corporation vor den Privatcorporationen aus. Sie ist in gleicher Weise Ausdruck des ethischen Interesses, welches der Staat dem kirchlichen Leben, nicht dem Leben der Privatcorporation zuzuwenden berufen, und um
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seiner selbst, um seiner höchsten Aufgaben willen zuzuwenden verpflichtet ist.
Aus diesem Gedankengang ergeben sich die Befugnisse, welche das moderne Recht insbesondere für das Verhältniss des Staates zur katholischen Kirche entwickelt hat: die Mitwirkung der Staatsgewalt bei der Ernennung der geistlichen Beamten, der Bischöfe wie der niederen Geistlichkeit, auch die Einwirkung, welche herkömmlich von den katholischen Mächten bei der Papstwahl und bei der Ernennung von Cardinälen geübt wird, die Mitwirkung des Staats bei der kirchlichen Vermögensverwaltung u.s.f. Insbesondere fallt unter den gegebenen Gesichtspunkt auch der Einfluss, welcher in einer Reihe von deutschen Staaten (Bayern, Württemberg, Baden) auf die wissenschaftliche Ausbildung, auch auf die theologisch-wissenschaftliche Ausbildung der Geistlichen geübt wird. Das Interesse des Staates an der rechten Verwaltung des geistlichen Amts, welches seine Mitwirkung bei der kirchlichen Stellenbesetzung begründet, berechtigt ihn ebenso, an diesem vor Allem entscheidenden Punkt, der gesammten Ausbildung der Geistlichen, neben der Kirche bestimmend in die innerkirchliche Entwickelung einzugreifen 12).
12) Dies hat schon Dove in Richter’s Kirchenrecht, ➝
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Gewiss kann auch an dieser Stelle kein fertiger Catalog der Befugnisse gegeben werden, welche dem Staat auf dem Gebiete des Kirchenregimentes zuzuweisen sind. Es genügt, klar zu stellen, dass diese Minderung des Selbstregiments der Kirche nur die andere Seite der Privilegirung der Kirche ist, dass sie mit der gleichen Nothwendigkeit aus der höchsten Werthschätzung des kirchlichen Lebens seitens des Staates hervorgeht, dass sie keine „Bevormundung”, sondern die rechtliche Anerkennung der Kirche darstellt. Zugleich ergiebt sich aus diesem Gesichtspunkt das Maass der staatlichen Einwirkung auf das Gebiet des kirchlichen Lebens. Der Staat soll das Selbstregiment der Kirche nicht aufheben, sondern nur beeinflussen, soll unter möglichster Wahrung der kirchlichen Autonomie nur dafür zu sorgen berechtigt sein, dass die kirchliche Entwickelung nicht in Widerspruch mit jenen ethischen Interessen trete, zu deren höchstem Wächter er, der Staat selber, bestellt ist. Gerade in Anerkennung der Kirche als einer dem Staat ethisch gleichstehenden Macht sieht der Staat sich berufen, seinen Posten nicht blos der Kirche
➝ 6. Aufl. S. 499. Note 28. mit Recht hervorgehoben. Dagegen Hinschius, Kirchenrecht I., S. 60., dessen Anschauung Dove jetzt in der 7. Aufl. S. 535. Note 30. erfolgreich bekämpft.
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gegenüber, sondern, soweit erforderlich, innerhalb der Kirche selbst zu nehmen.
Aus der rechtlichen Relevanz des Zwecks, durch welche die öffentliche Corporation vor der Privatcorporation sich auszeichnet, aus dem Umstände, dass an dem Corporationsleben der öffentlichen Corporation der Staat von Rechts wegen interessirt ist, folgt auch für die Kirche als öffentliche Corporation die doppelte Wirkung: Privilegirung durch den Staat, und Beeinflussung durch den Staat.
Die Bedeutung des Satzes, dass die Kirche im Rechtssinn eine öffentliche Corporation ist, hat sich aus dem Vorigen ergeben. Der Beweis des aufgestellten Satzes ist zugleich dadurch erbracht.
Die Privatcorporation ist die Corporation mit rechtlich irrelevantem Zweck. Zu den Zwecken der Privatcorporation nimmt das Recht nur eine negative Stellung, indem es Vereinigungen zu unsittlichem oder sonst unerlaubtem Zweck verbietet; im Uebrigen ist die Aufgabe der Privatcorporation von Rechtswegen gleichgültig. Das Recht sieht in der Privatcorporation nur einen Verein zu irgend welchem Zweck. Es gewährt der Privatcorporation die Vermögensfähigkeit, d.h. die privatrechtliche Voraussetzung für die Erreichung ihres Zwecks, ohne sich um die Realisirung des Zweckes, die innere Entwickelung des
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Corporationslebens zu kümmern. Die verschiedenen Privatcorporationen sind deshalb für das Recht ununterscheidbar, denn das Recht ignorirt den Zweck, welcher das factisch unterscheidende Moment darstellt. Es giebt juristisch keine Arten der Privatcorporation. Ein literarisches Museum ist dem Recht genau dasselbe wie ein Privatverein zu künstlerischen oder zu sittlichen oder zu sonstigen Zwecken. Der Staat steht zu der einen Privatcorporation so wenig in Beziehung wie zu der andern. Die Privatcorporation existirt deshalb nur für das Privatrecht, nicht für das öffentliche Recht.
Behandelt das Recht die Kirche als Privatcorporation, setzt das Recht den Zweck der Kirche als einen der vielen rechtlich irrelevanten Vereinszwecke, so wird die ethische Bedeutung der Kirche als Gemeinschaft zur Verwaltung der Heilsmittel von Rechtswegen ignorirt. Die Kirche als Privatcorporation ist juristisch ein von anderen Privatcorporationen nicht unterscheidbarer Verein. Die Kirche als Privatcorporation ist keine besondere Art der Corporation. Ist die Kirche blos Privatcorporation, so ist der Zweck, und damit ihre Kircheneigenschaft von Rechtswegen gleichgültig. Die Kirche als Privatcorporation ist ein Verein, der einem literarischen Museum und anderen Privatvereinen rechtlich
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vollkommen gleich steht. Die Kirche als Privatcorporation ist für das Recht nicht Kirche, sondern blosses vermögensfahiges Wesen. Die Kirche als Privatcorporation ist für das Recht als Kirche überall nicht vorhanden. Behandelt das Recht jegliche kirchliche Gemeinschaft lediglich als Privatcorporation, so existirt überall keine Kirche im Rechtssinn, weil von Rechtswegen das die Kirche unterscheidende Moment, der Kirchenzweck, ignorirt wird. Nur die Kirche, welche öffentliche Corporation ist, existirt als Kirche für das Recht, unterschieden von anderen Vereinen. Kirche im Rechtssinn ist nur die öffentliche Corporation zur Verwaltung der Heilsmittel. Die öffentliche CorporationsquaUtät ist gleichbedeutend mit der rechtlichen Relevanz des Kirchenzwecks, mit der Existenz der Kircheneigenschaft für das Recht.
Eine Reihe von Consequenzen ist in dem gewonnenen Satz enthalten.
Die öffentliche Corporation ist eine mit dem Staat in Verbindung stehende Corporation (oben S. 25). Es ist schon gezeigt, in welche Art von Verbindung die Kirche als öffentliche Corporation mit dem Staat tritt. An dieser Stelle ergiebt sich ganz klar Begriff und Wirkung des viel gemissbrauchten Schlagwortes: Trennung von Staat und Kirche. Die Trennung von Staat und Kirche
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bedeutet die Behandlung der Kirche als Privatcorporation: die Ignorirung des Kirchenzweckes durch das Recht, und demgemäss durch den Staat. Die Trennung von Staat und Kirche bewirkt einerseits die volle Loslösung der Kirchengewalt von den Theilnahmerechten der Staatsgewalt, also die volle Freiheit des kirchlichen Selbstregiments: der Kirche als Privatcorporation gegenüber hat der Staat, eben weil ihr inneres Corporationsleben als rechtlich gleichgültig gilt, nur Vereinspolizei (Kirchenhoheit) auszuüben. Die Privatcorporation unterscheidet sich von der öffentlichen Corporation durch die volle Freiheit ihrer inneren Bewegung. Die Trennung von Staat und Kirche bewirkt die Aufhebung der vorhin entwickelten Rechte des Staats, kraft deren er positiv auf die Verwaltung des Kirchenregiments einwirkt. Andererseits ist aber Trennung von Staat und Kirche gleichbedeutend mit der Aufhebung auch der Privilegien der Kirche, mit der Beseitigung der Gleichstellung geistlicher und öffentlicher Beamten, geistlichen und öffentlichen Rechts, geistlichen und öffentlichen Unterrichts. Die Kirche entzieht sich durch die Trennung vom Staat zugleich der Machtminderung und der Machterhöhung, der Beeinflussung durch den Staat und der Privilegirung durch den Staat, welche ihre Verbindung mit dem Staat hervorbringt. Sie tritt in die volle Freiheit,
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aber auch in die volle öffentlichrechtliche Bedeutungslosigkeit der Privatcorporation ein: sie verschwindet für das öffentliche Recht. Aus dem Vorigen ergiebt sich, dass diese „Trennung” von Staat und Kirche juristisch keine Trennung, sondernVernichtung der Kirche im Rechtssinn bedeutet. Die Kirche, welche blosse Privatcorporation ist, ist juristisch keine Kirche. Die „Trennung” von Staat und Kirche bedeutet das Verschwinden der Kirche für das Recht. Es giebt dort keine Kirche im Rechtssinn, wo die Kirche lediglich als Privatcorporation gestellt ist. Der Rechtsbegriff der Kirche fordert die Verbindung von Kirche und Staat.
Vorhin hat sich die Verschiedenheit von Staat und Kirche, von Staatsgewalt und Kirchengewalt ergeben. Hier stellt sich heraus, dass die Verschiedenheit nicht zur Trennung, sondern zur Ehe führt. Die „Ehe” von Staat und Kirche ist nothwendig, damit überall neben dem Staat eine Kirche, neben der Staatsgewalt eine Kirchengewalt im, Rechtssinn vorhanden sei. Und es steht ausser Zweifel: es soll im Staat eine Kirche nicht blos factisch, sondern auch von Rechtswegen existiren. Das öffentliche Recht soll die Thatsache nicht ignoriren, dass neben dem Staat die Kirche als ethisch gleichberechtigte Gemeinschaft erwachsen ist. Die Üeberzeugung, welche das Christenthum
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in die Welt gebracht hat, dass die Kirche als Heilsanstalt ethisch gleich nothwendig neben dem Staate steht, soll auch im Recht ihren Ausdruck finden. Gerade der Umstand, dass die Trennung von Staat und Kirche mit der Ignorirung der Kirche durch Recht und Staat gleichbedeutend ist, zeigt, dass die Trennung von Staat und Kirche sowohl mit der Aufgabe des Rechts, welches die dem thatsächlichen Leben adäquate Norm sein soll, wie mit dem Wesen des Staates als der höchsten ethischen Macht in Widerspruch steht. Der Staat ist der Hüter des Rechtsgesetzes um des Sittengesetzes willen. Er muss an der Kirche interessirt sein, der Predigerin des göttlichen Gesetzes. Nicht ungestraft kann der Staat die gewaltige sittliche Macht ignoriren, deren Trägerin die Kirche in jeder ihrer Erscheinungsformen ist. Die Trennung der Kirche vom Staat darf nur die ultima ratio des Staates sein. Wehe dem Ultramontanismus, wenn er durch seine Entstellung und Schändung des Kirchenzwecks dem Staat die ultima ratio regum in die Hand zwingt!
Von dem entwickelten Gesichtspunkt aus ergiebt sich ferner der Standpunkt zu der neuerdings von Mejer 13) entwickelten Theorie von der „Freikirche”. Mejer hält nur zwei Formen des
13) Kirchenrecht 3. Aufl. S. 223. ff. Vorrede S. XVII. ff.
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Verhältnisses von Staat und Kirche für an sich consequent: das Verhältniss der Landeskirche, wie es sich in den protestantischen Territorien Deutschlands in der Reformationszeit entwickelt hatte, und das nach seiner Auffassung jetzt in Entwickelung begriffene Verhältniss der „Freikirche”. Das Verhältniss der Landeskirche bedeutet die Regierung der Kirche durch den Staat; das Verhältniss der Freikirche die freie Selbstregierung der Kirche als eines privaten Gesinnungsvereins. Die Freikirche Mejer’s ist die vom Staat getrennte Kirche, ist die Kirche, welche nur Privatcorporation ist. Die Entwickelung zur Freikirche ist nach dem Vorigen eine Entwickelung zur Aufhebung der Kirche im Rechtssinn. Die Landeskirche andererseits, die vom Staat regierte Kirche, ist eine Kirche, welche integrirendes Glied des Staates, ist eine Kirche deren Verfassung Stück der Staatsverfassung, deren Gewalt in Folge dessen Stück der Staatsgewalt ist. Die Landeskirche bedeutet gleichfalls Aufhebung der Kirche im Rechtssinn, weil sie die Vernichtung der Kirche als eines selbständigen Organismus darstellt. Die Kirche als öffentliche Corporation, die Kirche im Rechtssinn, ist der Gegensatz der Freikirche wie der Landeskirche. Die Mittelstellung zwischen Landeskirche und Freikirche, die Verbindung mit dem Staat (und damit Privilegirung durch den Staat),
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und dennoch die Verschiedenheit vom Staat, wie sie von der modernen Entwickelung angestrebt wird, ist nicht, wie Mejer es auffasst, eine äusserliche Vereinigung innerer Gegensätze, welche deshalb blosses Uebergangsstadium zu sein bestimmt wäre, sondern ist gerade die normale Stellung der Kirche zum Staat, welche durch den Begriff der Kirche wie des Staates gefordert ist. Das Toleranzprincip des modernen Staats, welches nach Mejer zur Behandlung der Kirche als Privatcorporation, d.h. nicht als Kirche führt, ergiebt lediglich die Consequenz, dass der Staat nicht blos eine Kirche, sondern mehrere Kirchen als dem Kirchenzweck entsprechende, deshalb ihm ethisch gleichberechtigte, von ihm zu privilegirende und zu beeinflussende öffentliche Corporationen setzt. Das Toleranzprincip führt nicht zur Aufhebung des Kirchenbegriffs für das Recht, sondern lediglich zur Lösung der bisherigen durch den Staat nicht blos anerkannten, sondern regierten Landeskirche vom Staat, d.h. führt zur Verschiedenheit von Kirche und Staat, und damit zur Entwickelung, nicht zur Aufhebung des Kirchenbegriffs.
Die Kirche im Rechtssinn ist die vom Recht als mit dem Staat ethisch gleichberechtigt behandelte Corporation zur Verwaltung der Heilsmittel. Es steht noch die Frage nach dem
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rechtlichen Machtverhältniss zwischen Kirchengewalt und Staatsgewalt zur Verhandlung. Die Beantwortung auch dieser Frage ergiebt sich aus dem Begriff von Staat und Kirche, von Staatsgewalt und Kirchengewalt.
Die katholische Kirche fordert die „Freiheit” der Kirche. Sie versteht unter Freiheit der Kirche nicht blos, dass die Kirchengewalt der Staatsgewalt nicht untergeordnet 14), sondern, dass die
14) So könnte es nach einigen Aeusserungen scheinen. So z.B. nach der Beschwerdeschrift des apostolischen Stuhls gegen Verfügungen der churfürstlich pfalzbayerischen Regierung v.J. 1803. (Gravamina catholicae Religionis et Ecclesiae), gedruckt als Anhang III. der Schrift „Concordat und Constitutionseid in Bayern” S. 190.: duas potestates a se invicem distinetas, in se perfectas et supremas in ordine suo, ecclesiasticam et politicam. Auf diese Stelle bezieht sich neuerdings der Bischof Ignatius von Regensburg in seinem Hirtenschreiben an den Clerus seiner Diöcese vom 28. October 1870. (Archiv f. kathol. Kirchenrecht, Bd. 25., S. XV.), wo es heisst: es sei „stetige Kirchenlehre”, dass die „weltliche Gewalt in ihrer Ordnung die höchste” sei, allerdings mit dem hinzugefügten Vorbehalt, dass als „geoffenbarte Wahrheit” von der Kirche festgehalten werde, „dass das Irdische dem Himmlischen, das Zeitliche dem Ewigen, das Natürliche dem Uebernatürlichen sich unterordnen müsse, und dass Fürsten wie Völker von dem göttlichen Gesetz nicht exemt, sondern bei Ordnung und Verwaltung des ihnen untergebenen Zeitlichen danach zu handeln verpflichtet seien”. Ebenso die deutschen Bischöfe in ihrem Hirtenbrief an den Clerus vom Mai 1871.: Der Papst hat die Fülle der geistlichen Gewalt, aber diese ➝
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Kirchengewalt der Staatsgewalt übergeordnet sei 15). Die katholische Kirche will heute wie zu den Zeiten Gregors VII. und Bonifaz VIII. die Vereinigung beider Schwerter, der weltlichen und der geistlichen Gewalt in der Hand der Kirche 16). Das letzte Ziel der katholischen Kirche ist, nicht bloss Universalkirche, sondern Universalstaat zu sein.
Die Kirchenfreiheit im Sinn der katholischen
➝ geistliche Gewalt ist „keineswegs schrankenlos. Sie ist
beschränkt durch die geoffenbarte Wahrheit —; sie ist beschränkt
durch die göttliche geoffenbarte Lehre, dass es neben der
kirchlichen auch eine bürgerliche Ordnung giebt, neben der
geistlichen auch eine weltliche Gewalt, welche ihren
Ursprung von Gott hat, welche in ihrer Ordnung die
höchste ist, und welcher man in allen sittlich erlaubten
Dingen dieser Ordnung — gehorchen muss”. Auch hier ist übrigens
der Vorbehalt unzweideutig ausgedrückt.
15) Die Belege sind in der reichen Concilsliteratur
neuerdings häufig zusammengestellt worden. Die Bulle Bonifaz
VIII. Unam sanctam wird bekanntlich auch von ultramontaner Seite
als ex cathedra erlassen angesehen.
16) Interessant ist in dieser Hinsicht die von
Döllinger in seiner Erklärung an den Erzbischof
von München-Freysing v. 28. März 1871. citirte Stelle der Civiltà
catto-lica vom 18. März 1871. p. 664.: „Der Papst ist oberster
Richter der bürgerlichen Gesetze. In ihm laufen die beiden
Gewalten, die geistliche und die weltliche in ihrer Spitze
zusammen, denn er ist Stellvertreter Christi, welcher nicht nur
ewiger Priester, sondern auch König der Könige und Herr der
Herrschenden ist” — „der Papst ist kraft seiner hohen Würde auf
dem Gipfel beider Gewalten.”
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Kirche widerspricht dem Wesen der Kirche. Die Kirche ist Heilsanstalt, nicht Machtanstalt. Sie ist nicht um der Gewalt willen da. Die Kirchengewalt ist nicht Zweck der Kirche, sondern nur Mittel für die Zwecke der Kirche.
Die Kirchengewalt soll lediglich die Heilsmittelverwaltung ermöglichen. Sie soll nur der Kirche dienen, nicht der Gesellschaft. Sie soll nur den kirchlichen Organismus zusammenhalten, nicht die gesammten Machtverhältnisse beherrschen. Weil die Kirche Heilsanstalt, nicht Machtanstalt ist, ist die Kirchengewalt begrifflich nicht die höchste Gewalt.
Der Staat ist seinem Wesen nach Machtanstalt. Der Staat ist um der Gewalt willen da, ist da, damit ein Herr über den sämmtlichen Machtverhältnissen des menschlichen Gemeinlebens ordnend stehe. Die Staatsgewalt ist begrifflich die höchste Gewalt, ist da, damit jegliche Macht innerhalb des menschlichen Gemeinlebens ihr unterthan sei. Und die Kirchengewalt macht keine Ausnahme von diesem Satz. Der Staat ist dazu da, damit auch die Kirchengewalt seiner Gewalt unterthan sei.
Die Kirchenfreiheit im Sinn der katholischen Kirche, nicht blos sofern sie die Ueberordnung der Kirchengewalt über die Staatsgewalt, sondern auch sofern sie nur die Nichtunterordnung der
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Kirchengewalt unter die Staatsgewalt, die rechtliche Gleichberechtigung, d.h. die gleiche Souveränetät von Staatsgewalt und Kirchengewalt fordert, widerspricht dem Wesen der Kirche wie des Staats. Der Staat ist gerade dazu da, damit er die höchste Macht, d.h. der einzige Souverän über den Machtverhältnissen des menschlichen Lebens sei.
Die Kirche bildet keinen Staat über dem Staate, sie bildet keinen Staat neben dem Staate; sie ist eine Corporation im Staat. Durch den Satz, dass die Kirche eine Corporation und zwar eine öffentliche Corporation ist, ist ihr volles Verhältniss zum Staat gegeben. Vorhin ist hervorgehoben, dass die Staatsgewalt nicht Kirchengewalt, dass die Kirchengewalt deshalb nicht Gewalt des Staates, sondern Selbstregierungsgewalt der Kirche, d.h. nicht Staatsgewalt, sondern Corporationsgewalt sei. Hier begegnet uns die Kehrseite des Satzes: so wenig die Staatsgewalt Kirchengewalt, so wenig ist die Kirchengewalt Staatsgewalt. Die Kirchengewalt ist Corporationsgewalt, und nur Corporationsgewalt. Die Kirchengewalt ist als Corporationsgewalt der Gegensatz zu der Staatsgewalt, d.h. zu der höchsten Gewalt. Die Corporationsgewalt ist begrifflich eine unterthane Gewalt. Die Kirchengewalt, ethisch mit der Staatsgewalt gleichberechtigt, ist der Staatsgewalt
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rechtlich nicht gleichgeordnet, sondern untergeordnet.
So folgt die Kirchenhoheit (jus circa sacra) des Staates über die Kirche, welche von der katholischen Kirche geläugnet wird, aus dem Begriff des Staates wie der Kirche, aus der Thatsache, dass die Kirche nicht Staat, sondern nur Kirche ist, dass auch für die Kirche der Satz gilt: gebet dem Kaiser, was des Kaisers ist. Wir können die Kirchenhoheit des Staates nicht besser wiedergeben als durch die aus dem Vorigen sich ergebende Formel, dass auch die Kirche zu den Unterthanen des Staates zählt.
Kraft seiner Kirchenhoheit ist der Staat berechtigt, von sich aus ohne Consens der Kirche (d.h. ohne Concordat) die Stellung der Kirche zum Staat und zum Recht überhaupt zu bestimmen. Die Gesetzgebung über die äussere Stellung der Kirche ist Staatsgesetzgebung. Der Staat entscheidet, ob die Kirche eine öffentliche Corporation oder nur eine Privatcorporation darstellt. Die katholische Kirche beansprucht, ihre Stellung zum Staat durch ihr eigenes Recht zu normiren. Die katholische Kirche tritt damit in Widerspruch gegen den Begriff der Kirche. Kraft seiner Kirchenhoheit ist der Staat ferner berechtigt, Vereinspolizei gegen die Kirche zu üben, die Ausübung der Kirchengewalt seitens der Kirche zu
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überwachen, Ausschreitungen der Kirchengewalt zu unterdrücken. Die katholische Kirche läugnet die Kirchenpolizeigewalt des Staates. Sie läugnet eine Consequenz des Kirchenbegriffs.
Es braucht nicht hervorgehoben zu werden, dass die Kirchenhoheit des Staates aus dem Wesen der Kirche als Corporation schlechthin folgt, sei sie öffentliche oder Privatcorporation. Auch die Privatcorporation unterliegt der staatlichen Polizei. Dagegen vermag der Staat die Beeinflussung der Kirchengewalt, jura in sacra, wie früher gezeigt, nur der Kirche gegenüber, welche öffentliche Corporation ist, zu fordern. Hier handelt es sich um eine Beschränkung der Kirchengewalt, welche Wirkung der Privilegirung der Kirchengewalt ist, dort nicht um Beschränkung der Kirchengewalt, sondern nur um Realisirung der aus der Unterthaneneigenschaft jedes Vereins folgenden Staatsgewalt. Die Kirchenhoheit des Staates ist keine Minderung der Kirchengewalt, sondern nur Ausdruck der Gränze, welche durch den Begriff der Kirchengewalt gegeben ist.
Das Vorige können wir dahin zusammenfassen, dass das Verhältniss von Staat und Kirche kein völkerrechtliches, sondern ein staatsrechtliches ist. Völkerrechtlich ist das Verhältniss zweier souveräner Gewalten, deren Machtverhältniss, gerade weil Beide souverän sind, nicht
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durch Rechtsgesetz, sondern durch Kriegsgesetz sich entscheidet. Das Machtverhältniss von Staat und Kirche ist ein durch Rechtssätze bestimmtes Machtverhältniss. Die Kirche steht dem Staat rechtlich nicht gleich gegenüber. Die Kirche ist nicht fähig, völkerrechtlich mit dem Staat zu pacisciren. Die Concordate sind nicht völkerrechtliche Verträge, sondern nur der Ausdruck eines juristisch irrelevanten Consenses der Kirche zu einem staatlichen Gesetzgebungsact. Die Kirche ist ebenso nicht fähig, völkerrechtlich mit dem Staat Krieg zu führen. Die Auflehnung der Kirche gegen den Staat ist keine rechtlich zulässige Kriegserklärung der einen souveränen Macht gegen die andere, sondern Empörung, Unterthanen-Empörung, und deshalb Rechtsbruch, gerade wie der Consens der Kirche zu der staatlichen Gesetzgebung über das Verhältniss von Staat und Kirche Unterthanen-Consens, und deshalb rechtlich gleichgültig ist. Die Kirche, welche aggressiv gegen den Staat vorgeht, ist im Unrecht, nicht blos vom Standpunkt des Staates, sondern vom absoluten Standpunkt aus. Der Staat ist berechtigt, die Kirche zu überwinden, nicht blos kraft seiner physischen Gewalt, sondern von Rechtswegen. Der Kampf des Staates gegen die Kirche ist kein Krieg im Rechtssinn, sondern ein Kampf des Rechtes gegen das
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Unrecht, ist die Vollstreckung des Rechtssatzes, welcher die Kirche als Unterthanin des Staates setzt, ist Execution, nicht Eroberung.
In diesen Sätzen ist die Lösung, und zwar die rechtliche Lösung des Conflictes zwischen Staatsgewalt und Kirchengewalt enthalten, zugleich aber auch die ganze Schwere des Conflicts. Es ist ein Kampf des Staates als der höchsten sittlichen Gewalt nicht gegen die Mächte der Unsittlichkeit, sondern gegen eine andere sittliche Gewalt, ein Kampf, in welchem eine ethische Macht, die Kirche, sich in Widerspruch mit einem ethischen Gesetz, dem Rechtsgesetz, befindet, in welchem auf beiden Seiten die sittliche Ueberzeugung, die Mächtigste der idealen Mächte, die Herzen der Kämpfer zu immer neuem Kampf erregt. Es ist ein Kampf keinem anderen gleich, wohl dazu angethan, einen Mann in seinen innersten Grundvesten zu erschüttern, in welchem es darauf ankommt, aus dem anscheinenden Widerstreit der sittlichen Gehorsamspflichten gegen den Staat und gegen die Kirche den rechten Ausweg, die rechte Lösung zu gewinnen. Wir finden diese Lösung in dem Satz, welcher den Grundgedanken unserer ganzen Darstellung bildet, dass die Kirche dem Staat ethisch gleichgeordnet, rechtlich untergeordnet ist.