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1. Die rechtliche Interpretation des Problems ist kein ergänzender Fachbeitrag des Juristen. Der Begriff der Ehe schließt die Dimension des Rechtes ein. Außerhalb des Rechtes kennen wir geschichtlich keine Ehe. Daraus ergeben sich für den Juristen systematische und historische Fragen. Zugleich muß er in vollem Umfange die Fragestellungen des Theologen mitbedenken. Hier handelt es sich um exegetische, dogmatische und kirchengeschichtliche Gesichtspunkte. Beide Linien müssen rechtstheologisch und kirchenrechtlich verbunden werden.
2. Das uns gestellte Problem ist durch das Herrenwort von der Unscheidbarkeit gegeben (Mt 5,32; 19,1-12 = Mk 10,1-12). Die Besonderheit dieses Textes muß zunächst herausgehoben werden. Wenn es sich hier um eine Aussage in der Form der eschatologischen Ethik handelt, ist uns damit wenig geholfen. Denn die Besonderheit des Scheidungswortes liegt gerade darin, daß im Gegensatz zu vergleichbaren Aussagen eschatologischer Ethik hier die innerweltlichen Verhältnisse nicht aufgehoben oder relativiert werden. Im Gegenteil erhält die konkrete Ehe — und damit unvermeidlich die Ehe als Institution! — einen außerordentlichen Bedeutungszuwachs. Gäbe es dieses Herrenwort nicht, wäre sicher die Ehe einer der bedeutendsten Fragenbereiche christlicher Ethik, würde aber nicht die eigentümliche Schwierigkeit mit sich bringen, die uns beschäftigt.
3. In der Schöpfungsgeschichte wird von der Ehe, also von der Bindung der Geschlechter, dh. eben doch von dem, was die Substanz der Ehe ausmacht, sowohl supra lapsum wie infra lapsum geredet. Darüber hinaus zeigt sich, daß die Ehe die ganze Heilige Schrift von der Schöpfung bis zur Eschatologie, bis hin zu Galater 3,28, thematisch begleitet. Auf diese Durchgängigkeit des Interesses habe ich, und nicht ich allein, schon hingewiesen. Diese Betrachtung ist neuerdings mit dem Einwand bestritten worden, es handele sich hier um eine fragwürdige Aussage über das „Wesen des Menschen”; damit sei eine Art Metaphysik impliziert. Demgegenüber ist zu sagen, daß wir die konkrete Ehe nur infra
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lapsum unter den Bedingungen kennen, die nach der Schöpfungsgeschichte als Folgen des Falls bezeichnet werden, dh. in einer Verkehrung in Herrschaft und Geschlechtsabhängigkeit. Trotzdem liegt die Versuchung nahe, die Geschlechtsverbundenheit supra und infra lapsum gleichzusetzen. Aussagen supra lapsum sind uns aber konkret nicht möglich.
4. Diese Frage hat sehr weitreichende, anthropologische Aspekte. Die Auseinandersetzung der katholischen und reformatorischen Theologie zentriert sich bekanntlich auf das Analogie-Problem und die Auslegung des Wortes von der Ebenbildlichkeit des Menschen. Auf der evangelischen Seite hat sich in der neueren Zeit ein begrenzter Konsensus zwischen Karl Barth, Emil Brunner und Dietrich Bonhoeffer herausgebildet, wonach der „analogia entis” eine „analogia relationis” gegenübergestellt wird. Dies bezieht sich gerade in besonderem Maße auf das in der Genesis bezeichnete Geschlechterverhältnis. In einer besonders sorgfältigen Darstellung dieser Problemlage hat Otto Weber dem Geschlechterverhältnis eine fundamentale Bedeutung beigemessen, im Gegensatz zu der Austauschbarkeit aller übrigen menschlichen Relationen. Gegenüber der Metaphysikkritik bleibt immerhin bestehen, daß es sich hier um eine ontologische Aussage handelt, wonach die Existenz des Menschen schöpfungsmäßig in einer konkreten Struktur bestimmt ist. Demgegenüber muß mit Nachdruck auf den status corruptionis verwiesen werden. Der Fehler traditioneller Betrachtung scheint mir nicht in dieser unvermeidlichen Feststellung zu liegen, sondern darin, daß hier nicht die übrigen Relationen bedacht sind, in denen der Mensch steht, nämlich seine Gleichheit als Bruder und die Universalität des Menschengeschlechts. So sagt Claus Westermann5:
„Gn 4,2-16 gehört ergänzend zu 2-3 hinzu, um den Menschen
als Geschöpf in seinem Gegenüber zu Gott darzustellen. Erst mit
dem Brudersein ist das Phänomen der Gesellschaft da. Gn 4,2-16
zeigt den sozialen Aspekt in seinen beiden Grundelementen: dem
positiven der Arbeitsteilung und dem negativen der aus der
Rivalität entspringenden Konflikte, die bis zur Vernichtung
führen können.
In der christlichen Deutung des Sündenfalls ist es begründet, daß
der soziale Aspekt praktisch kaum oder gar keine Bedeutung
bekommen hat. Nach dieser Deutung war mit dem Sündenfall die
eigentliche Entscheidung für das geschichtliche Sein des Menschen
gefallen. Der Brudermord des Kain hatte daneben nur noch die
Bedeutung einer Steigerung,
5 Cl. Westermann, Genesis (Biblischer Kommentar zum Alten Testament), 1966, 433.
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also keine qualitative, sondern nur eine quantitative (konsekutive? d. V.) Bedeutung. Hier ist auch die Erklärung für die Tatsache zu sehen, daß die im Kern individuell gedeutete Sünde von Gen 2-3 derart stark eingeengt wurde, auf Sünde im Bereich der Geschlechtlichkeit, während die Sünde im Bereich des sozialen Handelns darüber in erschütternder (!) Weise zurückgetreten ist.”
Die dritte, und zwar umfassende Relation, die der Universalität
des Menschengeschlechts, wird im Mythos vom Turmbau zu Babel
dargestellt. Erst diese drei Relationen bieten die Gesamtstruktur
menschlicher Existenz auf der Ebene des Schöpfungsmythos dar.
Diese weiteren Relationen sind ebensowenig austauschbar wie das
Geschlechterverhältnis. Isoliert, formalisiert und
verallgemeinert man dagegen das Verhältnis von Mann und Frau in
den Dialog zweier abstrakter, eigenschaftsloser Personen, so
verliert die menschliche Geschichte den konkreten Inhalt.
5. Soweit die Aussagen supra lapsum überhaupt eine Auslegung ermöglichen, können wir sie ohne falsche Idealisierung nicht anders als konfliktlos darstellen. Die konkrete Ehe infra lapsum ist gekennzeichnet durch die Verkehrung der positiven Zuordnung in ein einseitiges Herrschaftsverhältnis des Mannes und die Betonung der Geschlechtsabhängigkeit der Frau. Die Geschlechtsabhängigkeit des Mannes wird nicht angesprochen; jedoch erscheint sie demnach als relativ geringer. Die so entstehende patriarchalische Ehe ist durch die Sterblichkeit des Menschen bedingt, dh. durch die Wahrnehmung der Möglichkeit, durch die Generation die Identität des Stammes fortzusetzen. Eine solche Ordnung wäre auch matriarchalisch möglich. Die geringe geschichtliche Bedeutung des Matriarchats, das dieselbe Funktion zu erfüllen imstande gewesen ist, beruht darauf, daß die Frau relativ geschlechtsabhängiger und daher zu politischem und kriegerischem Handeln weniger frei ist. Für die Frau sind Sozialisationsformen in der Art von kriegerischen Männerbünden, die zur Staatsbildung und Kriegführung dienen, relativ atypisch. Auch heute zeigen die Frauen eine geringere Neigung zur Verbandsbildung. Dies drückt sich auch in der geringeren politischen Aktivität aus, auch wo ihr gleiche Chancen gegeben sind.
6. Die Besonderheit des Herrenwortes liegt darin, daß allein hier eine protologische Aussage enthalten ist, wonach die Verstoßung zu Anfang oder von Anfang an (ap archés) nicht zulässig gewesen sei. Dieses Wort stößt sich mit dem status corruptionis, steht zugleich aber in vollem Gegensatz nicht nur zum mosaischen
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Gesetz, sondern auch zu der Rechtstradition der gesamten
Menschheit.
Unabhängig von der Frage, wieweit die außerbiblische
Rechtstradition die Ehe sakral oder profan verstanden und
gestaltet hat, haben alle Zeiten und Völker ihr die größte
Bedeutung beigemessen und unermüdlich getrachtet, sie als eine
fundamentale Ordnung zu gestalten. Das vitale Interesse an der
eigenen Identität durch Fortpflanzung und die Selbstachtung des
Menschen haben dazu geführt, Ehe- und Familienrecht mit der
größten Sorgfalt und Verbindlichkeit zu gestalten. Die biblische
Betrachtung kann nicht dazu berechtigen, der außerbiblischen
Tradition eine auch nur relative Abwertung einer solchen
Existenzfrage zuzuschreiben. Sowohl im Patriarchat wie im
Matriarchat, dh. in den älteren — weil primitiv, komplizierten —
Sozialformen ist der genealogische Zusammenhang das Prinzip des
Aufbaues. Jeder Einzelne hat im Sippenverband seine definierte
Stellung. In der Genealogie erfährt der Mensch Geschichte — das
Herkommen von den Vorfahren und die Fortsetzung in die Zukunft.
7. Das Herrenwort kann protologisch, im souveränen Verweis auf den ursprünglichen Schöpfungswillen Gottes oder aber innergeschichtlich als Traditionswissen jenseits der mosaischen Gesetzgebung verstanden werden. Vor einer positiven Scheidungsordnung könnte infra lapsum nicht mit dem Fehlen der Konflikte gerechnet werden, die zur Scheidung führen: Ehebruch, Verlassung, Nachstellung, Prostitution der Frau. Das Fehlen scheidungsrechtlicher Bestimmungen würde bedeuten, daß diese Fälle durch Todesstrafe (der am Ehebruch Beteiligten), gewaltsame Rückführung (wie im Trojanischen Krieg), durch Ächtung gelöst worden wären. Scheidungsrecht wäre dann eine Humanisierung solcher (und leichterer) Konflikte, durch welche ein freies Überleben ermöglicht wird. Die Kritik Jesu am mosaischen Scheidungsrecht würde dann bedeuten, daß auch diese Lösung der Rechtsvernunft die Beteiligten in Selbstrechtfertigung und Sünde beläßt. Damit wäre der Widerspruch zwischen protologischer und geschichtlicher Aussage behoben. Ausgeschaltet werden muß bei der Auslegung jedenfalls die Idealisierung der Frühzeiten als konfliktloser Gemeinschaft.
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8. Alle Rechtskulturen lassen trotz der transpersonalen
Verbindlichkeit der Eheformen die Scheidung zu. Es gibt nur
schwache Spuren dafür, daß in älteren Rechtskulturen die Ehe als
unscheidbar angesehen worden ist. Dies gilt etwa für die ältere
Form der römischen Manus-Ehe. Selbst die sakrale
Konfarreationsehe der römischen Priesterfamilien konnte im
Ausnahmefall durch die liturgische Diffarreation gelöst
werden.
Bis zur Moderne erwies sich das Gewicht und die Festigkeit des
Eherechts in allen Kulturen darin, daß die Scheidung ein relativ
seltener Ausnahmefall geblieben ist. Andererseits wurde eine
Häufung von Scheidungen und Ehestörungen deutlich als ein
Verfallszeichen gewertet, so in der Spätantike. Selbst die erste
Aufklärung hat mit der Freigabe der Konventionalscheidung daran
nichts geändert, weil die Gemeinüberzeugung diesem Rechtsgedanken
entgegenwirkte. Die ausdrückliche Reaktion darauf hat etwa in
Deutschland zur Einführung der Verschuldensscheidung geführt (so
problematisch sie für unsere heutige Erkenntnis ist). Erst in
unserem Jahrhundert ist eine wesentlich veränderte Lage
eingetreten. Aufgrund objektiver und subjektiver Momente ist die
Scheidung zum Massenphänomen geworden. Objektiv ist die
Vereinzelung der Ehepaare zur Kleinfamilie, subjektiv die
Emanzipationstendenz durchgreifend wirksam. Unter diesen
Umständen handelt es sich in der jetzigen Ehe-Debatte nicht mehr
darum, wie Ehe zu verstehen ist, sondern ob Ehe als verbindliche
Lebensform noch anerkannt wird und durchzuhalten ist. Im gewissen
Umfange geraten wir mit unserer heutigen Fragestellung hinter
diese Situation.
Die Scheidungsgründe der älteren Rechte weisen aufs Ganze
betrachtet meistens zwei deutlich unterschiedene Linien auf.
Anerkannt werden mit beträchtlichen Varianten massive Realgründe,
wie Ehebruch, Lebensnachstellung und vergleichbare
gemeinschaftsstörende Handlungen, so gut wie nirgends aber die
bloße Subjektivität, Konflikte, Abneigung. Eine Freistellung
individueller Entscheidungen aus dem sozialen Kontext im modernen
Sinne ist bis in die Gegenwart objektiv nicht rezipiert. Auf der
anderen Seite gibt es in vielen großen Rechtskulturen, aber nicht
überall einseitige Verstoßungsscheidungen oder auch
einverständliche Lösung ohne Rückgriff auf einen zu benennenden
Rechtfertigungsgrund. Beide Linien werden hier nur im Typus
angesprochen. Wo Verstoßungsscheidung und Realscheidung direkt
nebeneinanderstehen,
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tritt die letztere deutlich zurück, weil man meist die mit der letzteren oft verbundene soziale Diffamierung selbst dort vermeidet, wo sie zu begründen wäre.
9. Berichtigt werden muß das Verständnis des römischen Rechtssatzes „consensus facit nuptias”. Dies ist der am weitesten bei Nichtjuristen verbreitete Rechtssatz, der zugleich regelmäßig mißverstanden wird. Er ist nämlich überhaupt kein Rechtssatz in dem Sinne, daß beschrieben wird, auf welche Weise die rechtliche Verbundenheit der Ehegatten zustandekommt. Er bezeichnet vielmehr lediglich eine übereinstimmende Gesinnung, die im Römischen Recht als Voraussetzung der Ehe angesehen wurde, deren Begründung mit anderen Rechtsvorgängen (deductio in donum, Verleihung des honor matrimonii, Dotalverträge) verbunden wurde. Die in diesem Konsensbegriff ausgedrückte Anschauung war die Grundlage für die freie Löslichkeit dieser Eheform. Diese rechtliche Gestaltung stellte eine Sonderbildung dar, die im gesamten Bereich der mit dem Christentum in Verbindung getretenen Rechtskulturen kein Analogon besitzt. Der Satz ist daher auch kein Naturrechtssatz. Soweit der Eheschließung ein konsensuales Moment innewohnt, kommt dieses in sehr verschiedenen Formen, regelmäßig in einem Gefüge von Rechtsakten zum Ausdruck.
10. Unabdingbar gehört zum Begriff der Ehe der Statuscharakter, der die soziale Position beider Teile zueinander und in der Gesamtheit ausdrückt. Die Ehe schließt grundsätzlich Publizität ein und steht in einer Gesamtrechtsordnung. Es gibt jedoch historische Bildungen, in denen diese Momente eingeschränkt sind; daraus entstehen jedoch manifeste Schwierigkeiten. Diese Aspekte sind daher nicht einfach folgenlos verzichtbar.
11. Die durch das Herrenwort bedingte kirchliche Gesamttendenz gegen die Auflösung der Ehe gerät daher in eine doppelte Front — allgemein gegen die Rechtsüberzeugung von der Scheidbarkeit der Ehe, speziell in Konflikt mit den weit verbreiteten, aber partikularen Anschauungen des römischen Eherechts, die auch in der byzantinischen Rechtstradition weitergewirkt haben. Die Kirche hat andererseits in ihrem eigenen Bereich die Geschlechterbeziehung ausschließlich auf die rechtliche Vollehe bezogen und Nebenformen, wie das Konkubinat und ähnliche Erscheinungen, rigoros ausgeschlossen. Der Taufbewerber wurde durch die Disziplin der Kirche veranlaßt, seine Beziehungen zu legalisieren,
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seine Konkubine zu entlassen oder zu heiraten. Hier wirkte einerseits das Herrenwort und die biblische Strenge in Fragen der Sexualität, andererseits der Wunsch mit, durch untadeliges Verhalten anarchistischer Mißdeutung des Christentums und religionspolitischer Verleumdung entgegenzutreten. Die gute ethische Tradition der Antike — traditionell und philosophisch sehr weitgehend durch reflektiert! — sollte durch eine bessere Haltung überzeugend überboten werden.
12. An dieser Stelle ist es notwendig, gewisse Mißverständnisse über den Rechtsbegriff auszuräumen, die insbesondere im theologischen Bereich wirksam sind. Hier wird das Recht im Ganzen oder wenigstens primär als normativ verstanden. Es umfaßt jedoch neben seiner unbestreitbaren Normativität wesentlich andere Formen. Im normativen Bereich kämen göttliche Gebote und Verbote, Gesetze des Gemeinwesens und frei übernommene Verpflichtungen, insbesondere Verträge, als normative Größen in Betracht. Daneben stehen jedoch prozessuale Formen, sowohl im forensischen wie im politischen Bereich. Integrationsvorgänge im Verfassungsrecht, insbesondere Wahlen und Gruppenbildungen sind solche Prozesse im weiteren Sinne. Als dritter Bereich kommen Formen der Rechtseinräumung, Übertragung und Gestaltung in Betracht. In diesen Bereich fällt auch die Eheschließung. Sie ist kein Kontrakt auf Leistung, auch nicht im übertragenen Sinne. Die Eheschließung ist vielmehr ein sogenannter Status-Kontrakt, durch welchen — nach der Formulierung Max Webers — „jemand jemandes wird”. Der Vertrag auf Leistung begründet eine Verpflichtung, die dann folgeweise erfüllt wird. Im Gegensatz dazu stellt der Status-Kontrakt den Zustand der Verbundenheit als solchen her, aus dem dann bestimmte Verpflichtungen folgen und erwachsen. Dies ist für die Ehe besonders deutlich. Die Summe aus der Ehe hervorgehender Verpflichtungen ist als solche nicht Gegenstand der Eheschließung; sie ist auch niemals abschließend zu definieren, sondern ist in dem Lebensverhältnis inbegriffen, aus dem sie hervorgeht. Ein solches Verhältnis umschließt zugleich das wechselseitige Lebensrisiko. Alle Versuche, die Ehe zu definieren oder in Gestalt sogenannter Ehezwecke material zu umschreiben, müssen in dem Maße fehlgehen, als sie abschließende und grundlegende Bedeutung beanspruchen. Der Gesamttypus, der hier gemeint ist, ist als personale Institution zu bezeichnen. Er kommt außerhalb des Familienrechts besonders im Amtsrecht und Gesellschaftsrecht in unterschiedlichen Formen vor. In den Bereich der
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Rechtseinräumung und Rechtsgewährung gehört auch der Begriff der Gnade als Rechtsbegriff. Er kann und darf aus dem Rechtsbereich nicht ausgeschlossen werden.
13. Um aus dieser allgemeinen Orientierung näher an unseren
Fragenbereich heranzukommen, knüpfe ich an das Verfassungsrecht
der Kirche an. Nach einem fundamentalen Grundsatz der Alten
Kirche war der Bischof unversetzbar. Er galt als mit seiner
Gemeinde verheiratet. Die Analogien zwischen Kirche und Ehe aus
den apostolischen Texten sind ja bekannt. Dieser Gedanke ist zur
Verdeutlichung benutzt, aber sonst nicht weiter ausgeführt
worden. Der unversetzbare Bischof konnte aus dem Amt entfernt
werden. Er wurde dann durch liturgische „Deposition” laisiert.
Unversetzbarkeit und Laisierung hängen systematisch zusammen. Zu
Anfang des zweiten Jahrtausends ist jedoch ein
verfassungsrechtlicher Umschlag eingetreten. Das
Versetzungsverbot wurde aufgegeben. Wenn der Bischof entamtet
wurde, sprach ihm die kanonistische Theorie den unverlierbaren
„character indelebilis” zu. Wenn auch ohne Legitimation der
Kirche, war er (und jeder entamtete Priester) nach wie vor
befähigt, gültige Akte seiner Amtskompetenz zu vollziehen. Auch
diese Konzeption hängt zusammen wie ihr Gegenbild in der Alten
Kirche.
Dieser historische Vorgang ist für unser Problem von
hervorragender typologischer Bedeutung. Der altkirchliche Bischof
stand in einer Relation, die für sein Amt konstituierend war und
bei Entamtung dahinfiel. Dem lateinischen Bischof und Priester
des zweiten Jahrtausends verblieb nach dieser Anschauung nach
Entamtung eine Art Amtsqualität.
Für unser Problem bedeutet dies: Man kann nicht Ehemann oder
Ehefrau ohne einen Partner sein; es gibt diesen Status nicht ohne
die Relation zu dem Anderen. Gleichwohl besagt gerade das
Schriftwort über das beiderseitige Verbundensein etwas, was in
der ontologisch-qualitativen Dimension liegt. Beides gehört
zusammen. Versuchen wir den Tatbestand von der je einen Seite
aufzurollen, so verlieren wir den Anderen aus dem Gesicht.
Qualität ohne Relation ist ebenso verkürzt wie eine bloße,
womöglich funktional verstandene Relation ohne das Moment des
Verbundenseins. Diesen Widerspruch oder diese beiden
komplementären Seiten vermögen wir nicht zusammen in den Griff zu
nehmen. In diesem Sinne zeigt sich das Herrenwort als positive
Paradoxie. Es transzendiert unser deduktives Begriffsvermögen,
von dem aus wir unsere Entscheidungen logisch zu begründen
versuchen. Man
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ist versucht, die Strukturform dieses Verhältnisses an andere paradoxale Aussagen anzuschließen, wie etwa die Christologie von Chalcedon. Vorgreifend könnte man sagen, daß die unterschiedlichen Haltungen der Kirchen jeweils von dem Standort bestimmt sind, von dem aus sie diesen Tatbestand angehen. Von einer ontologischen Interpretation aus kommt man zu einer Art unzerstörbarem quasi-metaphysischen Eheband. Von der Relation her kommt man dazu, deren konkretes Vorhandensein und mögliche Zerstörung in Erwägung zu ziehen.
14. Aus dem Gesagten wird deutlich, daß der Begriff der
personalen Institution über die mögliche Auflösung und Aufhebung
des so begründeten Status selbst begrifflich nichts aussagt. Der
Status hält sich durch, und vollends die Ehe wird mit der
Intention auf lebenslängliche Dauer geschlossen — obwohl sie
manifest gestört werden und scheitern kann. Die Interpretation
als Institution ist unverzichtbar notwendig für die rechtliche
Auslegung des Eherechts auch im kirchlich-kanonischen Bereich.
Mit dem Tatbestand einer Zerstörung von Ehen aber haben sich die
Kirchen immer wieder auseinandersetzen müssen.
Hier wird erneut die Tatsache wichtig, daß die juristische
Interpretation niemals allein die Auslegung ideeller Strukturen
als solcher sein kann. Sie ist immer mit vorfindlichen Fakten
verbunden, die als solche rechtlich relevant, aber nicht selbst
rechtlicher Natur sind. Die Jurisprudenz ist in der klassischen
Tradition als „notitia rerum humanarum” bezeichnet worden.
Gemeint ist hier nicht nur die aligemeine Lebenserfahrung und
Kenntnis menschlicher Verhältnisse, die aus dem Umgang mit
Rechtsproblemen erwächst. Die res humanae sind sehr viel
konkretere Tatbestände, nämlich gerade der Inhalt an
Lebenswirklichkeit, der in den rechtlichen Beziehungen enthalten
ist und sie ausmacht. Res ist also hier weit mehr als eine Summe
von äußeren Gegenständen, über die man verfügen oder streiten
kann. Res sind schlechthin die Lebensgehalte, die in der
Dimension des Rechtes reflektiert und geklärt werden. Diese
faktische Basis an Lebensgehalt aber muß immer mitbedacht werden,
wenn auch völlig legitim der Rechtsbegriff der Ehe unter
Einschluß ihrer normativen Gehalte und Anforderungen bedacht
wird. In dieser Koinzidenz von Recht und Faktum kommt etwas zum
Ausdruck, was grundsätzlich den Problemen der Inkarnation und der
Sakramentstheologie thematisch analog und sozusagen kongenial
ist. Gerade wegen dieser gewichtigen
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Faktizität aber und nicht allein wegen des Bedeutungsanspruchs
des Rechts reicht umgekehrt eine rein funktionale Betrachtung
dieser Probleme nicht aus. Vielmehr müssen hier res und ius immer
zusammenkommen.
Die bloße Faktizität kann sich nicht aus sich selbst durch ihr
bloßes Dasein rechtfertigen — aber das Recht kann nicht durch
rigorose Ausdehnung seiner Normativität fehlende Fakten erzeugen
oder erzwingen.
15. Der Begriff des Kontraktes ist ein Formalbegriff. Er umschließt strukturell verschiedene Formen von Kontrakt — Kontrakte auf Leistung, sachenrechtliche auf Rechtsveränderung, Personalkontrakte im beschriebenen Sinne, staatsrechtliche und völkerrechtliche Kontrakte usw. Infolgedessen erbringt die Einführung des Begriffs noch nichts für unser Problem. Einige katholische Autoren haben in dieser Lage versucht, die Ehe als Kontrakt sui generis zu definieren, damit aber gerade auf eine nähere Bestimmung verzichtet. Da es sich aber um einen Kontrakt handelt, dessen Ziel die Statusveränderung ist, können Kontrakt und Institution nicht voneinander geschieden werden. Institution ist nicht primär eine für sich bestehende Größe, sondern bedeutet sowohl Vorgang wie Zustand. Dies ist eines der Ergebnisse aus den institutionstheoretischen Forschungen, die aus den Arbeiten der Familienrechtskommission hervorgegangen sind. Sie ist kein für sich bestehendes normatives Gefüge. Es ist nun versucht worden, im Bereich der Ehe Kontrakt und Institution zu unterscheiden und auch sachlich zu trennen. Der einsichtige Anlaß zu diesen Versuchen liegt dabei in der inneren Spannung zwischen der Ehe als Kontrakt und ihrem Lebensinhalt, der in dem Gesamtkomplex der Institution vorgegeben ist und zum Ausdruck kommt. Auf der prinzipiellen Ebene müssen wir versuchen, diese Antithese oder Spannung zu analysieren und auszuwerten. In der spanischen Kanonistik gibt es verschiedene Richtungen der Interpretation eherechtlicher Sätze, eine kontraktualistische und eine institutionsrechtliche, die aber nur schwerpunktmäßige Betrachtungsweisen in bezug auf einen einheitlichen Tatbestand darstellen, der selbst nicht geteilt werden kann6.
16. Der Versuch, eine rechtliche Interpretation auf dem Consensus aufzubauen, ist nur historisch zu verstehen. Die Begründung der Ehe durch den nudus consensus beruht auf Beschlüssen des III. und
6 K+E, 154 ff.
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IV. Laterankonzils und bedeutet einen Bruch mit der gesamten
rechtsgeschichtlichen Tradition der indogermanischen und
vorderasiatischen Völker, also aller Völker, mit denen das
Christentum in Berührung gekommen ist. Die eherechtliche
Tradition des römischen Rechts, deren Satz „consensus facit
nuptias”, wird auf den Kopf gestellt, weil er erst hier den
Charakter eines expliziten Rechtssatzes enthält. Ohne den
rechtsgeschichtlichen und kirchengeschichtlichen Kontext ist die
sachliche Bedeutung und der Stellenwert der einschlägigen Canones
(1012ff) unverständlich.
Das sog. Privilegium Petrinum, dh. der Anspruch der Kirche,
unvollzogene Konsensehen aufzulösen, ist kein „Privilegium”,
vergleichbar mit dem Privilegium Paulinum, sondern eine
notwendige Korrektur des reinen Konsensgrundsatzes.
Unangemessen für die rechtliche Interpretation der Ehe ist auch
die Vorstellung, daß in bezug auf die Ehe Gott als Gesetzgeber
aufzufassen sei. Dies ist ein antikisierender Mythos, in dem eine
einseitig normative Vorstellung von Recht, theoretisch
unzulänglich, sich mit der Vorstellung vom theios aner verbindet,
von der großen charismatischen Person, die durch eine umfassende
Gesetzgebung menschliche Dinge schöpferisch ordnet, die
verworrenen in Ordnung bringt. Theologisch gesprochen handelt es
sich vielmehr darum, daß Gott den Menschen trotz des Falls
ermächtigt, sich mit dem anderen Geschlecht zu verbinden und ihn
nach Annahme dieser Möglichkeit auch auf die Verbindlichkeit
seines Handelns behaftet (una caro).
Rechtshistorisch betrachtet entsteht Ehe immer nur in einem
Konnubialverbande als abgegrenzter Rechtsgemeinschaft. Innerhalb
dieser Rechtsgemeinschaft haben deren (in der Regel männliche)
Vollmitglieder vermöge ihrer Rechtsfähigkeit die Möglichkeit, die
Schutzherrschaft über die Tochter eines anderen Mannes de iure zu
erwerben. Die neuere rechtsgeschichtliche Forschung hat die
polemische Behauptung der Aufklärung berichtigt, es habe sich
hier um ein sachenrechtlich-dingliches Geschäft gehandelt. In
Wahrheit geht es hier um die relative Analogie zwischen den
institutionsförmigen, sachenrechtlichen und personenrechtlichen
Kontrakten und der Verbindung des Personalkontrakts mit
begleitenden Realkontrakten, Abgeltung, Dotalverträge usw. Dies
hat insbesondere der Romanist Koschaker klargestellt.
Aus diesem Grunde ist sowohl die normative Interpretation wie die
Anwendung des Gesellschaftsbegriffs auf diese Vorgänge
unzulässig. Denn der Gesellschaftsbegriff erfaßt nur die
faktischen Vorgänge der Sozialisation, ist aber zur
Interpretation der
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rechtssoziologischen Elemente nicht ausreichend. In den letzten
Jahren hat vollends der Gesellschaftsbegriff über seine ältere
Bedeutung hinaus einen ideologischen Inhalt gewonnen. Die
Gesellschaft in ihrer Faktizität fällt zusammen mit den in ihr
geltenden Maßstäben und schließt daher die Differenz zwischen
Gesellschaft und Recht wie zwischen Gesellschaft und Staat
tendenziell aus. Recht ist nach dieser Anschauung immer das, was
die Gesellschaft jeweils meint. Das bedeutet im Ergebnis die
Absorption der personalen Rechtssubjektivität und die Aufhebung
des Verantwortungsbegriffs, weil die faktische Anschauung sich
immer selbst rechtfertigt. Es erscheint mir ungenügend, den
Gesellschaftsbegriff ohne kritische Beachtung und Abweisung
dieses ideologischen Moments plane zu verwenden, genausowenig wie
man marxistische Interpretationen unter Einschluß ihres
eventuellen Wahrheitsgehalts als neutral verwenden kann.
Ebenso ist unzulässig, die Ehe als eine staatliche
Institution zu verstehen. Die Ehe ist sowohl vorstaatlich wie
vorkirchlich. Sie beruht auf der beschriebenen Rechtsfähigkeit
des Einzelsubjekts in einer Rechtsgemeinschaft. Der Staat in
keinem historischen Sinne kann sie schaffen, so wenig er sie
erhalten kann. Er kann sie nur schützen und die rechtlichen
Folgerungen different gestalten. Tatsächlich gibt es erst seit
der Aufklärung Gesetzgebungen, die die Ehe unter Einschluß der
Begründungsakte im Ganzen kodifikatorisch regeln. Bis dahin gibt
es nur partielle Regelungen, die meistens das Güterrecht, die
Scheidung u.ä., regelmäßig aber nicht die Eingehung als solche
regeln. Methodisch ist in dieser Anschauung die Verkennung der
Verknüpfung von Gewohnheitsrecht mit der Konstitution
rechtsfähiger Subjekte enthalten.
Es ist das Verdienst der katholischen Naturrechtslehre gewesen,
den vorstaatlichen Charakter der Ehe festzuhalten und im
Bewußtsein aufzubewahren. Dies muß auch derjenige anerkennen, der
wie ich kein Anhänger der Naturrechtslehre ist und dieser nur
eine bestimmte Funktion innerhalb des Rechtsdenkens zubilligen
kann. Andererseits haben wir selbst im eigenen evangelischen
Bereich gegen eine Verschiebung Front machen müssen, welche das
Eherecht wie andere öffentliche Dinge der Gesetzgebungskompetenz
der „Obrigkeit” zuwies. Dies geschah in der Reformation vermöge
der Antithese zu der von der Kirche beanspruchten
Jurisdiktionskompetenz. Fiel die Kirche hier weg, so war in
dieser Verfassungslage kein anderer Träger der öffentlichen
Verantwortung für die anstehenden Fragen vorhanden. Die
gewohnheitsrechtliche Basis dieses Rechtsbereichs wurde dabei
verkannt,
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obwohl die Reformatoren selbst aufgrund gewohnheitsrechtlicher Bräuche heirateten. Wir haben jedoch diese Erkenntnisse mit ihren liturgischen und kirchenrechtlichen Konsequenzen bei den maßgeblichen Repräsentanten der lutherischen Tradition durchgesetzt und sie zugleich wissenschaftlich so begründet, daß sie nicht mehr in Frage gestellt werden können.