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Stellungnahme der Eherechtskommission der Evangelischen Kirche in Deutschland zu dem Entwurf eines Familienrechtsgesetzes (1952).

 

Die Evangelische Kirche in Deutschland hat nach Erscheinen der Denkschrift des Bundesjustizministeriums über ein Familienrechtsgesetz eine Kommission von Juristen, Theologen und Vertreterinnen der evangelischen Frauenverbände berufen, die unter dem Vorsitz von Professor D.Dr. Schumann fortlaufend in der Evangelischen Forschungsakademie Christophorusstift in Hemer (Westf.) getagt hat. Auf Grund der Arbeiten der Kommission hat der Rat der Kirche dem Bundesjustizminister seine Stellungnahme zu den Hauptpunkten der Denkschriften in einem ausführlichen Schreiben zum Ausdruck gebracht. Darüber hinaus hat sich die Kommission nach Veröffentlichung des Regierungsentwurfs zu weiteren gesetzgeberischen Einzelfragen gutachtlich geäußert. Nachdem jetzt der Regierungsentwurf im ersten Durchgang den Bundesrat passiert hat und zur Beschlußfassung dem Bundestag vorliegt, sieht sich die Kommission veranlaßt, die Ergebnisse ihrer Erwägungen zusammengefaßt vorzulegen.

 

I. Grundsätzliches.

Die Evangelische Kirche gehört nicht zu den gesetzgebenden Instanzen und trägt deshalb keine formale Mitverantwortung für die kommende Änderung des Ehe- und Familienrechts. Sie hält es deshalb auch im Allgemeinen nicht für ihre Aufgabe, formulierte Vorschläge für diese zu machen. Von einer sachlichen Mitverantwortung dagegen kann sich die Evangelische Kirche nicht dispensieren, da aus dem Wesen der Sache heraus zu allen Zeiten auf dem Boden der Ehe sich staatliche und kirchliche Belange und Notwendigkeiten begegnet sind. Dabei handelt es sich um zweierlei: Die Kirche wird einmal darauf achten müssen, daß nicht etwa bei Änderungen des Ehe- und Familienrechts der Raum für eine christliche Eheführung durch staatliches Gesetz eingeengt werde.

Sie wird zum anderen darum besorgt sein müssen, daß das Wesensgefüge der Ehe überhaupt, in dem sie eine bewahrende Ordnung Gottes erkennt, nicht etwa durch veränderte Rechtsetzung gefährdet werde. Gerade darauf wird um so mehr zu achten sein, als in ethischer und soziologischer Hinsicht ein weitgehender Auflösungsprozeß von Ehe und Familie bereits seit längerer Zeit im Gange ist. Es mag zweifelhaft sein, ob solcher Auflösung mit Mitteln der Gesetzgebung und der Rechtsprechung wirksam begegnet

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werden kann; man kann aber nicht zweifeln, daß diese Auflösung unter Umständen durch eine Änderung der Gesetzgebung und der ihr folgenden Rechtsprechung, ob auch ungewollt, beschleunigt werden könnte.

Die Neuordnung des Familienrechts drückt sich notwendigerweise weitgehend in der Neuregelung der subjektiven Rechte von Mann und Frau aus. Die Kirche ist hauptsächlich daran interessiert, daß bei der auch von ihr als notwendig anerkannten Neuordnung solcher gegenseitigen subjektiven Rechte die heute gefährdete Institution von Ehe und Familie erhalten und wenn möglich gestärkt wird. Die Ehe ist eine auf der Grundlage der geschlechtlichen Differenziertheit zwischen den Ehegatten geschlossene Gemeinschaft, in die sie eintreten, ohne über sie zu verfügen. Mann und Frau gehen in sie ein mit dem Risiko ihrer ganzen Person und geloben sich gegenseitig umfassende Liebe und Treue. Deshalb wird die Ehe auf Ausschließlichkeit und grundsätzliche Unlösbarkeit hin geschlossen Eine Verbindung, die von vornherein auf ihre Auflösbarkeit hin geschlossen würde, wäre keine Ehe. Ehe und Familie sind die ursprünglichsten menschlichen Gemeinschaften. Sie sind von dem Geheimnis des Ursprungs umgeben, das für den Christen auf Jesus Christus hinweist, das aber auch vom Nichtchristen geachtet werden muß, wenn der Zerstörung des Lebens gewehrt werden soll. Auch die staatliche Gesetzgebung verfügt nicht über dies Wesensgefüge, sondern setzt es voraus.

 

II. Gleichberechtigung und Grundgesetz.

Die Auslegung des Begriffes Gleichberechtigung im Sinne von Artikel 3, Abs. 2 GG erweist sich in solchem Zusammenhang als schwierig. Dieser Artikel kann nach unserer Auffassung von Ehe und Familie nicht beliebig und unbegrenzt im formalen Wortsinne interpretiert werden. Er kann vielmehr nur auf Grund eines vorgegebenen Verständnisses von Ehe und Familie angewandt werden. Nicht alles formal Mögliche, was überhaupt etwas mit Gleichberechtigung bezeichnet werden könnte, kann danach Sinn des Art. 3, 2 GG sein, sondern nur das, was unter Voraussetzung des Wesens von Ehe und Familie innerhalb dieser Institution als Gleichberechtigung möglich und sinnvoll ist. Das Wesen von Ehe und Familie bildet also den Interpretationshorizont der Gleichberechtigung nach Art. 3, Abs. 2 GG. Der Verfassungsgesetzgeber wollte lediglich bestimmte Rechtsfolgen der Ehe, bei denen diese ohne Gefährdung der Institution Ehe möglich erscheint, nach dem Grundsatz der Gleichberechtigung regeln.

 

III. Hauptpunkte der Reform.

Die vorgeschlagenen Gesetzesänderungen sind von unterschiedlicher Tragweite. In den Beratungen der Kommission wie in der öffentlichen Erörterung der gleichen Fragen haben zwei untereinander

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zusammenhängende Fragen im Vordergrund gestanden: Das Entscheidungsrecht des Ehemannes (§ 1354 BGB) und dasjenige des Vaters (§§ 1627ff., 1634).

a) § 1354: Diese Bestimmung hat schon in den Entwürfen eine wesentliche Wandlung durchgemacht, welche die Schwierigkeiten des Gegenstandes deutliche zeigt.

Die Denkschrift Hagemeyer formulierte als § b: „In allen das gemeinschaftliche Leben betreffenden Angelegenheiten entscheiden die Ehegatten gemeinsam.”

Der Regierungsentwurf schlug folgende Fassung vor: (1354) „Die Ehegatten haben alle Angelegenheiten, die Ehe und Familie betreffen, im gegenseitigen Einvernehmen zu regeln. Jeder Ehegatte hat auf den wirklichen oder mutmaßlichen Willen des anderen Rücksicht zu nehmen. Bei Meinungsverschiedenheiten müssen die Ehegatten versuchen, zu einer Einigung zu gelangen. Ist dies nicht möglich, so ist der Mann berechtigt und verpflichtet, unter Berücksichtigung der Auffassung der Frau die Entscheidung zu treffen. Eine Entscheidung, die dem wohlverstandenen Interesse der Ehegatten nicht entspricht, ist für die Frau nicht verbindlich.”

Der Bundesrat hat schließlich folgende Fassung gewählt: „Die Ehegatten haben alle Angelegenheiten, die Ehe und Familie betreffen, in gegenseitigem Einvernehmen zu regeln. Jeder Ehegatte hat auf den wirklichen oder mutmaßlichen Willen des anderen Rücksicht zu nehmen.”

Damit ist eine Fehllösung des Problems ausgeschieden, welche bis dahin vielfach erörtert wurde.

Einer generellen Verlagerung der Entscheidung im Konfliktsfall auf eine außerhalb der Ehe stehende dritte Instanz müßte nämlich entschieden widersprochen werden. Die rechtliche Beteiligung Dritter ist in allen Fällen, in denen sie nicht unumgänglich geboten ist (s.u.), für die Ehe gefährlich und ihrem Wesen fremd. Es erscheint unerträglich, prinzipiell den Staat über den Vormundschaftsrichter zum Ehepartner zu machen. Auch würde die Mehrzahl der Streitfälle nicht judiziabel und die getroffene Entscheidung nicht vollstreckbar sein. Nichtgerichtliche dritte Instanzen („Ehehilfe” verschiedener Art) können bei guter personaler Besetzung in mancher Hinsicht hilfreich sein, aber nur dann, wenn sie nur die Befugnis der Beratung haben.

Die Evangelische Kirche hat freilich keinen Grund, sich für die unveränderte Aufrechterhaltung der allgemeinen Entscheidungsgewalt des Mannes einzusetzen. Sie kann durchaus eine Neufassung des § 1354 zustimmen, welche die Ehegatten zu gemeinsamer Entscheidung verpflichtet und nur im Konfliktsfall dem Ehemann die Entscheidung überläßt. In diesem Fall sollte auch die ausdrückliche Bestimmung Platz greifen, daß der Ehemann gesetzlich gehalten ist, den Versuch gemeinsamer Willensbildung auf alle Fälle zu machen, daß das willentliche Unterlassen eines solchen Versuches bereits den

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Tatbestand des Mißbrauchs des Entscheidungsrechts des Mannes darstellt und in diesem Falle die Verbindlichkeit seiner Entscheidung aufgehoben ist. Die Evangelische Kirche könnte sich allenfalls sogar unter der Bedingung mit einer ersatzlosen Streichung des bisherigen Entscheidungsrechts des Mannes in der Ehe abfinden, daß das modifizierte Entscheidungsrecht des Vaters den Kindern gegenüber aufrechterhalten bleibt.

Die Kommission sieht sich durch das evangelische Verständnis der Ehe nicht schlechthin genötigt, für die Aufrechterhaltung eines Entscheidungsrechtes des Ehemannes einzutreten. Die Heilige Schrift kennt eine geistliche Überordnung des Mannes über die Frau nicht. Die apostolischen Mahnungen an die Frau, sich dem Manne unterzuordnen, können deshalb sinngemäß nur auf das Eheleben in nicht geistlichen Dingen bezogen werden. Diese Mahnungen können nicht dadurch für die Gegenwart unverbindlich gemacht werden, daß man sie für zeitbedingt erklärt. Trotz dieses Bedenkens hält aber die Kommission, obwohl also durch eine Aufhebung der ehemännlichen Entscheidungsgewalt ein Unterschied zwischen evangelischer Eheauffassung und gesetzlicher Normierung sichtbar würde, die Aufrechterhaltung der Entscheidungsbefugnis des Ehemannes als rechtliche Norm für das innere Verhältnis der Ehegatten nicht schlechthin für geboten. Sie würdigte die Bedenken, die einer Vergesetzlichung des Verhältnisses von Christus zur Gemeinde entgegenstehen, das nach apostolischer Meinung für das Verhältnis von Mann und Frau in der Ehe vorbildlich ist (vgl. Eph. 5, 22, 23). Sie wurde in ihrer Haltung mit dadurch bestärkt, daß ein gesetzlich normiertes Entscheidungsrecht für das rechtlich kaum faßbare Verhältnis der Gatten zueinander den Richter vor die für ihn fast unlösbare Aufgabe der Feststellung und Beurteilung von Tatbeständen stellen würde, die sich vielfach der Beurteilung der Nächstbeteiligten entziehen.

B. (§ 1634): Das Verhältnis zwischen Eltern und Kindern ist ein grundsätzlich anderes als das zwischen den Ehegatten. Ebenso ist die Autorität des Vaters eine andere als die der Mutter. Für Amt und Autorität des Vaters muß in der Gestaltung der Ehe ebenso Raum sein wie für die der Mutter. Vater- und Mutterautorität sind gleichwertig, aber nicht gleichartig. Sie sind aufeinander bezogen, durcheinander bedingt und stellen keine isolierten Rechte dar. Die christliche Kirche, die Gott als den Vater verehrt, kann mit der Beseitigung der väterlichen Entscheidungsgewalt nicht den Anschauungsgehalt dieses Bekenntnisses und der entsprechenden apostolischen Mahnungen preisgeben.

Das Letztentscheidungsrecht ist für die Mutter von keiner Seite in Anspruch genommen worden. Wenn dieses Letztentscheidungsrecht nicht beim Vater liegen sollte, so könnte es nur auf eine Instanz außerhalb der Familie übertragen werden. Gegen eine generelle Einschaltung einer dritten, insbesondere staatlichen Stelle in

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die Entscheidung den Kindern gegenüber sprechen die gleichen entscheidenden Bedenken, die für den Bereich des Verhältnisses der Ehegatten bereits dargestellt wurden.

Auch Vormundschaftsrichter können falsch entscheiden. Die Gefahr, daß sie gedankenlos und routinemäßig entscheiden, ist sogar nach der Ansicht der Kommission größer als bei den Vätern. Es kommt hinzu, daß ein Eingriff des Staates in die der Familie vorbehaltene Sphäre in einer Zeit und in einem Volke, das die Gefahren staatlichen Totalitätsanspruchs innerlich noch nicht überwunden hat und das die Auswüchse totalitären Staatsdenkens vor sich sieht, besondere Gefahren in sich birgt. Bedeutung und Gefahr einer solchen Regelung liegt nicht nur in den einzelnen Entscheidungen des Gerichts, sondern auch darin, daß die ausgedehnte ständige Möglichkeit seiner Anrufung das Verhältnis der Ehegatten beeinflußt. Das ist im Notfall unvermeidlich, im Regelfall für den Bestand der Ehe gefährlich. Es erscheint gerade in dieser Situation besonders wichtig, die notwendigen Entscheidungen, soweit als irgend tragbar, innerhalb der Familie zu behalten.

Würde trotz dieser Bedenken eine völlige formale Gleichberechtigung der Frau gesetzlich normiert, so würde eine solche Gesetzgebung zugleich die Tendenz haben, die bisherigen Vorrechte der Frau und den Schutz aufzulösen, den sie heute noch weithin hat.

Die Kommission kann, wie der Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland, im Verhältnis zu den Kindern das Entscheidungsrecht des Vaters nicht wie äußerstenfalls das Entscheidungsrecht des Mannes im Verhältnis der Ehegatten zueinander aufgeben. Das überschaubare Verhältnis der Eltern zu den Kindern, der maßgebende Gesichtspunkt des Wohles des Kindes, die um des Wohls des Kindes willen erwünschte Entscheidung aus der Einheit der Familie, sind der Gesetzgebung zugänglich und im Gegensatz zu dem Entscheidungsrecht des Mannes in der Ehe schon bisher weitgehend in der Rechtsprechung beurteilt worden.

Die Familie ist die Geburtsstätte der Autorität und damit der Freiheit. Nach der Erschütterung der patriarchalischen Autorität im Laufe des letzten Jahrhunderts, nach der Erschütterung der männlichen Autorität im Nationalsozialismus und Militarismus besteht in unserem Volke die ernste Gefahr einer Flucht der Männer aus die Verantwortung. Jeder Vater trägt seine Verantwortung vor Gott. Die Flucht zur Entscheidung des Vormundschaftsrichters trüge die Gefahr der Flucht der Verantwortung des Vaters vor Gott in sich. Es ist dringend davon abzuraten, angesichts solcher Entwicklungen den gesetzlichen Ausdruck des Vaterseins völlig aufzulösen.

Bei alledem soll das Recht der Anrufung des Vormundschaftsgerichts gegen die mißbräuchliche Entscheidung des Vaters keineswegs ausgeschlossen sein, sondern könnte gegenüber dem geltenden Recht sogar noch erweitert werden. Wie bei der Entscheidung innerhalb der Ehe (s.u.) sollte ein Mißbrauch des Entscheidungsrechts des

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Vaters schon dann gegeben sein, wenn er es unterlassen hat, den ernstlichen Versuch gemeinsamer Willensbildung zu machen und wenn er beharrlich seine Pflicht verletzt, die Meinung der Mutter zu berücksichtigen. Die Kommission kann aus solchen Gründen der Lösung des Regierungsentwurfs zu § 1628 zustimmen, der die Zuständigkeit des Vormundschaftsrichters weit über die unzureichende Regelung im bisherigen Recht hinaus ausdehnt.

In den von der Bundesregierung vorgesehenen Ausnahmefällen ist die Anrufung des Gerichts sinnvoll. Der objektive Maßstab, von dem sie abhängig gemacht werden muß, ist der Tatbestand der Gefährdung des Kindeswohls. Einer weitergehenden Übertragung von Zuständigkeiten an den Vormundschaftsrichter müßte widersprochen werden, um die Autonomie und Vorstaatlichkeit der Ehe grundsätzlich und praktisch zu wahren.

Die Kommission hat sich in diesem Zusammenhang mit der Frage beschäftigt, ob nicht die Ehefrau, die wegen Mißbrauchs des Entscheidungsrechts des Mannes an den Richter herantreten müßte, damit in die Rolle der Störerin der Familie getrieben werde und ob man ihr nicht zugleich die Beweislast für den Mißbrauch des Entscheidungsrechts des Mannes aufbürde.

Die Kommission hat sich des weiteren mit dem Argument beschäftigt, in der Praxis werde zur Zeit die Bestimmung über das Vorgehen des vaters fast ausschließlich in schwer zerstörten Ehen angewandt, wenn die Eheleute getrennt leben oder wenn sie in Auseinandersetzung über eine Scheidung stehen, insbesondere wenn ein Teil die Scheidung erstrebt und der andere ihm widerstrebt. Das künftige Gesetz solle keine Handhabe dafür bieten, daß der Vater von seinem Entscheidungsrecht Gebrauch mache, um unter Benützung der Kinder im Ehestreit auf die Mutter einen Druck in der Scheidungssache auszuüben. Die Kommission ließ sich jedoch darüber aufklären, daß im Bereich der freiwilligen Gerichtsbarkeit Offizialprinzip besteht, daß von einer Beweislast der Frau also nur im übertragenen Sinne gesprochen werden kann. Die Kommission verweist darauf, daß nach dem Wortlaut des Regierungsentwurfs die Zuständigkeit des Vormundschaftsrichters gegenüber dem bisherigen Rechtszustand stark ausgeweitet ist, und daß aus diesem Grund nach dem Gesetzesvorschlag der Regierung in Zukunft nicht mehr wie bisher fast ausschließlich schwer zerstörte Ehen vor den Richter kommen werden. Bei aller Würdigung, die der anormale Zustand im Gesetz erfahren muß, darf doch der Gesetzgeber nicht durch zu weit gehende Rücksichtnahme auf den anormalen Zustand den normalen Zustand gefährden. Sie glaubte nach allen angeführten Gründen in dem von der Bundesregierung gegenüber der bisherigen gesetzlichen Regelung eingeschränkten Maße an der Entscheidung des Vaters in der Familie festhalten zu sollen.

C. Im Rahmen des Ehescheidungsrechts hat der Entwurf sich ausschließlich auf eine Neufassung des § 1571 BGB (48/55 des Ehegesetzes)

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beschränkt. Die Kommission begrüßt alle Anstrengungen, die darauf ausgehen, die aus dem Zerrüttungsgrundsatz in nationalsozialistischer Zeit abgeleitete Praxis von Willkürscheidungen auszuschließen. Wenn auch nach 1945 durch die Rechtsprechung insbesondere des Bundesgerichtshofes jener Willkür begegnet, und die Möglichkeit einer Scheidung aus § 48 des Ehegesetzes stark eingeschränkt worden ist, hält die Kommission gleichwohl die Beibehaltung dieser Bestimmung im Gesetz in ihrer jetzigen Fassung für bedenklich. Deshalb stimmt sie dem Regierungsentwurf zu, der die Scheidung wegen Zerrüttung wenigstens dann ausschließen will, wenn der allein oder überwiegend schuldige Ehegatte die Scheidung begehrt und der schuldlose Ehegatte ihr widerspricht.

Zwar wird das Zerrüttungsproblem im Ganzen damit noch nicht gelöst; die Regelung des Entwurfs schließt aber sittlich nicht gerechtfertigte Scheidungen in diesem Fall aus.

Der Bundesrat hat die Neufassung dieser dem Bundesjustizministerium sittlich anstößigen Vorschrift mit der Begründung abgelehnt, daß nach einer Äußerung des Bundesgerichtshofes der bisherige Wortlaut von § 48 des Ehegesetzes nicht nationalsozialistisches Gedankengut sei, daß er sich bewährt habe und in keinem unmittelbaren Zusammenhang zur Gleichberechtigung von Mann und Frau stehe. Tatsächlich hat sich die durch die Bundesregierung zur Abänderung vorgeschlagene Bestimmung des § 48 Ehegesetz regelmäßig zum Nachteil der Frau ausgewirkt. Sie widerspricht dem Wesen der Ehe. Die Kommission hält daher an ihrer obigen Auffassung fest.

 

IV. Einzelfragen.

Außer diesen Hauptpunkten, welch ein bedeutendes und allgemeines Interesse gefunden haben, sind in dem Entwurf noch einige weniger bedeutsame Vorschriften enthalten, die eine Stellungnahme erfordern.

1. § 1303: Der Aufrechterhaltung eines unterschiedlichen Ehemündigkeitsalters für Mann und Frau wird zugestimmt. An dieser nicht schlechthin grundsätzlichen Frage zeigt sich, ob man den Gleichberechtigungsgrundsatz in einer schematischen oder in einer natürlichen, den Gegebenheiten Rechnung tragenden Weise verwirklicht. Von jeher haben Mädchen in großer Zahl unter diesem Alter geheiratet. Ihr geringeres Ehemündigkeitsalter beruht auf biologischen Tatsachen und nicht etwa auf dem Gedanken, dadurch die Legitimation vorehelicher Kinder zu erleichtern. Die Erhöhung des Ehemündigkeitsalter der Mädchen auf das Ehemündigkeitsalter der Männer würde auch der natürlichen Auffassung Abbruch tun, daß der Erzeuger eines vorehelichen Kindes dieses durch die nachfolgende Ehe legitimiert, und damit das Verantwortungsbewußtsein der ledigen Männer schwächen. Die Hereinnahme unehelicher Kinder in die Familie der Großeltern kann keine vorzugsweise Lösung des

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Problems der unehelichen Kinder sein und hat grundsätzlich mit der Frage der Ehemündigkeit nichts zu tun.

2. In § 1309, Abs. 2 ist die im Gesetz von 1938 geschaffene Erleichterung für die Verheiratung der Ehebruchspartner aufrechterhalten worden. Wenn diese Befreiung nur bei schwerwiegenden Gründen versagt werden darf, wird für die Behörden einen Art Beweislast geschaffen, welche die Versagung kaum noch praktisch werden lassen kann. Aus der Befreiung von einem echten Ehehindernis wird nahezu ein subjektiver Anspruch des Ehebrechers. Damit verliert diese Befreiung den Charakter eines echten Gnadenrechtes, welches nach Vernunft und Billigkeit zu handhaben ist. Es dürfte sich daher empfehlen, die alte Vorschrift des BGB (§ 1309, Abs. 1) ohne besondere Maßgabe wieder herzustellen.

3. Die Vorschrift des § 1311 über die Zehnmonatsfrist ist bisher als Selbstverständlichkeit aufgefaßt worden. Nach wie vor besteht ein Interesse, die Rechtsfolgen der ersten Ehe im Hinblick auf die Kinder völlig klarzustellen, bevor eine zweite Ehe geschlossen wird. Dies erfordert die Sauberkeit der Ehe wie das Interesse des Kindes. Es besteht kein schutzwürdiges Interesse etwa unter dem Gesichtspunkt der Gleichberechtigung von Mann und Frau die sofortige Schließung einer zweiten Ehe nach der Scheidung der ersten vor Erfüllung dieser Verpflichtung zu ermöglichen.

4. Zu § 1355: Das Interesse der Kommission an den Fragen des Namensrechtes besteht daran, daß der Name als ein wesensbestimmendes Merkmal der Person aufgefaßt und daß er nicht als bloße Ordnungsnorm vergleichgültigt oder als subjektives Recht mißverstanden wird. Die deutsche Namenssitte hat sich dahin entwickelt, daß die Frau für ihre Person ihrem Namen den Mannesnamen anfügen kann und damit ihre, insbesondere berufliche Selbständigkeit in der Ehe betont und aufrechterhält. Der Entwurf will diese Sitte nunmehr legalisieren. Dagegen ist nichts einzwenden. Als ein Mißverständnis und ein Mißbrauch des Gleichberechtigungsgedankens wäre jedoch eine Regelung abzulehnen, nach welcher die Ehegatten bei der Eheschließung den Frauennamen als den gemeinschaftlichen Ehenamen wählen könnten. Würde jeder Generation nachgelassen bei der Eheschließung den Familiennamen der Frau als Ehenamen und damit auch als Familiennamen zu wählen, so würde die Kontinuität der Familie aufgehoben. Die Enkel würden nicht mehr erkennen lassen, wer ihre Großeltern sind. Dies wäre ein entschiedener Verstoß gegen Art. 6 GG, welcher den Schutz von Ehe und Familie gewährleistet. Unter Familie in diesem Sinne kann nicht ein theoretisches Abstraktum verstanden werden, sondern nur eine Gestalt, die mit der historischen Form der Ehe in Deutschland und Europa im wesentlichen übereinstimmt. Es ist festzuhalten, daß Ehe und Familie in einer Wechselbeziehung stehen, in der die Ehe auf die Familie zielt und aus der Familie wiederum die Ehe hervorgeht. Die Vorstellung einer von der Familienkontinuität grundsätzlich und

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praktisch losgelösten, sich im subjektiven Verhältnis der Ehegatten erschöpfenden Ehe widerspricht dem und ist abzulehnen. Deswegen ist die Frage des Namens nicht die Frage subjektiver Rechte und unterfällt rechtsgrundsätzlich nicht dem Art. 3 GG.

5. Die gegenwärtig vorgeschlagene Fassung des § 1356, insbesondere die darin enthaltene Erwähnung der Pflichten der Frau in der Ehe und Familie halten wir entgegen anderen Bestrebungen für wünschenswert. Damit wird der Bedeutung und Bewertung der Berufstätigkeit der Frau und der vollen Anerkennung ihrer häuslichen Tätigkeit als gleichwertig mit der Berufstätigkeit des Mannes nichts abgebrochen. Es wird jedoch als erstrebenswerte Form der Ehe damit doch die arbeitsteilige Ehe aufrechterhalten und herausgestellt und der Fall der Berufstätigkeit der Frau als ein wenn auch völlig gleichberechtigter zweiter Fall angesehen. Es ist keineswegs erstrebenswert die Sorge für Haus und Familie als beliebig auswechselbar anzusehen. In der sowjetischen Besatzungszone sind Bestrebungen vorhanden, die Frau in die Berufstätigkeit hineinzuzwingen, um planwirtschaftliche Ziele zu erfüllen und der menschenfeindlichen Theorie Geltung zu verschaffen, daß die Frau nur bei wirtschaftlicher Eigenexistenz durch Berufstätigkeit als eigene ökonomische Person Freiheit besitze. Diese Auffassung führt dazu, die Tätigkeit der Frau in Haus und Familie, auch gegen ihren Willen, zurückzudrängen und zu diffamieren. Es wird ein grundsätzlicher Vorrecht der Erwerbstätigkeit vor der Tätigkeit in Haus und Familie statuiert und diese als eine unvermeidliche Last wertmäßig an die zweite Stelle verwiesen. Wenn auch im Gebiet der Bundesrepublik gewaltsame Tendenzen in dieser Richtung nicht in Rede stehen, so ist doch die Vergleichgültigung des Tätigkeitsbereiches in Haus und Familie grundsätzlich nur der erste Schritt zu einem Umschlag in die Minderbewertung. Es wird sichtbar, daß hier bereits ein anderes Eheleitbild vorliegt, in welchem die Fürsorge für die Menschen, nämliche für Ehegatten und Kinder nicht mehr im Zentrum der Erwägungen steht, sondern zu einem Anhängsel wird gegenüber der in erster Linie gesehen freien Betätigung beider Teile in beliebiger Richtung.

6. Zu § 1357: Der Schaffug einer wechselseitigen Schlüsselgewalt ist nach Auffassung der Kommission der Vorzug vor einer Abschaffung des Instituts zu geben. Die Kommission sieht es jedoch als unmöglich an, bei der Entziehung der Schlüsselgewalt das Vormundschaftsgericht zu beteiligen, zumal dies schon bisher durch einseitigen Akt des Ehemannes erfolgt ist, ohne daß daraus Schwierigkeiten entstanden sind. Jeder vermeidbaren Ausdehnung staatlicher Funktionen im Familienrecht ist im Hinblick auf das bereits Ausgeführte entgegenzutreten.

7. Nachdem das Bundesjustizministeriums die Fassung des § 1571, also eines Falles der Scheidung aus objektiven Gründen, als sittlich anstößig bezeichnet hat, lag es nahe, auch die übrigen Fälle der Scheidung aus objektiven Gründen (§ 1567-69) ins Auge zu fassen,

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wenn auch aus den erörterten Gründen zur Zeit kaum Aussicht besteht, daß dieses Fragenkomplex neu geregelt wird. Die Kommission darf nicht unterlassen hervorzuheben, daß einer Scheidung aus den in § 1567-69 genannten Gründen schwerwiegende sittliche Bedenken entgegenstehen. Die Ehe ist nach christlichem Verständnis auf Lebensdauer unter Einschluß des vollen damit gegebenen Lebensrisikos geschlossen. In extremen Fällen der Tatbestände, welche in §§ 1567-69 geregelt werden sollen, können Lagen entstehen, bei denen die Fortführung der Ehe eine Überforderung bedeutet und der Staat sich seiner Verpflichtung zur Herstellung einer Notordnung deswegen nicht entziehen kann. Die Fassung des § 1570 zum Beispiel, welche die Entscheidung auf den Gesichtspunkt sittlicher Rechtfertigung und außergewöhnlicher Härte für den Benachteiligten abstellt, reicht jedoch nicht aus, um die grundsätzliche Anschauung von der Unverbrüchlichkeit der Ehe zu wahren. Katholische Kreise bitten deshalb um Wiedereinführung der Bestimmungen über die Trennung von Tisch und Bett. Dies geschieht offenbar, weil auf Grund der Lehre der römischen Kirche über den sakramentalen Charakter der Ehe der Katholik Gewissensbedenken haben muß, eine Scheidung der Ehe dem Bande nach zu erwirken. Wenn diese Gründe auch für die Haltung der Evangelischen Kirche nicht ohne weiteres maßgebend sein können, so wäre doch die Wiedereinführung der Trennung von Tisch und Bett für die Fälle der §§ 1567-69 oder allgemein als Minderform der Ehescheidung in Erwägung zu ziehen.

8. Anlaß zu grundsätzlichen Erwägungen gaben die Übergangsvorschriften. Hier ist in Ziffer 4 folgerichtig vorgeschlagen, den gesetzlichen Güterstand bestehender Ehen in die Form der Gütertrennung ohne Ausgleich des Zugewinstes zu überführen. Das neue Güterrecht soll also nicht kraft Gesetzes auf die bestehenden Ehen übertragen werden; es wird nur der dem Gleichberechtigungsgrundsatz widersprechende gesetzliche Güterstand der Verwaltung und Nutznießung aufgehoben und sinngemäß in die — schon bisher vertraglich mögliche — Form der Gütertrennung überführt. Unter Ziffer 1 wird jedoch bestimmt, daß auf die persönlichen Rechtsbeziehungen der Ehegatten das neue Eherecht anwendbar ist. Mit der Regelung der Ziffer 4 wird vermieden, den Ehegatten unter bestehender Ehe in Gestalt der Zugewinstbeteiligung neue Rechte zu gewähren, welche sie sich bei Eingehung der Ehe nicht selbst zugestanden hatten.

Der Bundesrat will im Gegensatz dazu auch das neue Güterrecht für die bestehenden Ehen einführen, aber jedem Ehegatten das Recht zugestehen, an Stelle dessen die einfache Gütertrennung zu wählen. Wenn man an der Auffassung festhält, daß die Ehe eine vorstaatliche Institution ist, ist grundsätzlich zu fragen, ob der Staat überhaupt befugt ist, den Status bestehender Ehen zu ändern. Wenn hinsichtlich der Vermögensrechte auch der Gesetzgeber Bedenken

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hat, das neue Recht ohne Rücksicht auf den bestehenden Rechtsstatus einzuführen, so liegt die Frage nahe, warum dies nicht auch hinsichtlich der wesentlich bedeutungsvolleren personenrechtlichen Beziehungen der Fall ist. Die Berufung auf die gleiche Haltung des Einführungsgesetzes zum BGB würde nach Auffassung der Kommission schon deswegen nicht durchgreifen, weil zur Zeit der Schaffung des BGB zwar rechtsstaatliche Grundsätze allgemein anerkannt waren, aber zugleich eine kritische Betrachtung der Begrenzung der Gesetzgebungsgewalt des Staates nicht im Blickfeld von Wissenschaft und Gesetzgebung gelegen hat.