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Thesen

1.

Es bestand Übereinstimmung darin, daß zur Begründung des Rechts keiner der drei Artikel des Glaubensbekenntnisses isoliert herangezogen werden kann. Die vielfach übliche Begründung des Rechts ausschließlich aus dem ersten Artikel (Lehre von den Schöpfungsordnungen) wurde ebenso abgelehnt wie die schwärmerische Begründung allein aus dem dritten Artikel (Existenzialismus!). Die Ablehnung gilt damit auch den verschiedenen verweltlichen Formen dieser Begründungen in den philosophischen Naturrechtslehren. Eine isolierte Begründung vom zweiten Artikel her, wie sie da und dort unter der Losung einer christologischen Rechtsbegründung auftritt, wurde ebenfalls nicht für möglich gehalten. Die Begründung des Rechts im Leben der Menschen wurde vielmehr gemäß evangelischer Lehre mit der Bezeugung der Gerechtigkeit des dreieinigen Gottes folgendermaßen in Beziehung gebracht:

 

2.

Das Recht als Daseinsverfassung des Menschen wurzelt in der Tatsache, daß Gott sein Schöpfer ist Das bedeutet: Gott hat ein unbedingtes Anrecht auf den Menschen. Indem der Mensch dieses Anrecht Gottes verneint, zerstört er sein eigenes Recht. In der Fleischwerdung, Kreuzigung und Auferstehung Jesu Christi hat Gott sein Recht als Schöpfer gegenüber dem Menschen dadurch wieder aufgerichtet, daß er den Rechtsbruch dieses Menschen auf sich genommen hat. Damit ist dem Menschen aufs neue sein Recht gegeben, d.h. in den Person Jesu Christi zugesprochen und zu eigen gemacht. Diesen neuen Stand des Menschen hat die irdische Rechtsübung zu achten. Ihn verkündigt die Predigt der Kirche. Insofern sind Christusverkündigung und Recht des Menschen untrennbar und insofern ist die Christologie für das Recht begründend.

 

3.

Das Vorstehende darf nicht im Wege abstrakter Logik dahin gedeutet werden, daß das Recht im Sinne eines allgemeinen Prinzips aus dem Evangelium folge (nova lex evangelii). Ebensowenig wie die grundsätzliche Reihenfolge „Evangelium-Gesetz” läßt sich für die Ableitung des Rechts die grundsätzliche Reihenfolge „Gesetz-Evangelium” vertreten. Beide Wege führen, wenn sie zum Prinzip erhoben werden, zur Selbstrechtfertigung des Menschen und haben damit die Auflösung des Rechts zur Folge.

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4.

Die Unterscheidung von iustitia Dei und iustitia civilis wurde im Sinne der Erkenntnis auferfaßt, daß keine menschliche Rechtssetzung der Gerechtigkeit Gottes kongruent ist. Eine unmittelbare Verknüpfung der iustitia naturalis mit der iustitia aeterna und der iustitia Dei entspricht nicht der evangelischen Lehre. Damit soll nicht bestritten werden, daß die Theologie das natürliche Recht als geschichtliches Phänomen zu beachten hat. Der Bereich der iustitia civilis, d.h. der Bereich der Erhaltungsordnung Gottes wurde als der Bereich der iustitia aliena Dei betrachtet und eine Äquivalenz mit der iustitia Dei propria abgelehnt. So gewiß die Erhaltungsordnung in der Geduld Gottes steht, so gewiß kann der Mensch diese Ordnung nur in der Erkenntnis seiner Sündhaftigkeit und in der Anerkennung seiner eschatologischen Begrenztheit legitim handhaben.

 

5.

Aus der Tatsache der Schöpfung und Erlösung ergibt sich die Achtung vor dem Menschen als ein Grundelement rechtlicher Ordnung. In dieser Achtung vor dem Menschen muß auch die richterliche Bestrafung des Menschen geschehen. Auch in der Übung des Rechts verwirklicht sich die uns durch Christus aufgetragene Liebe zum Nächsten.

 

6.

Der Christ darf sich konkreten Entscheidungen zur Verwirklichung der Gerechtigkeit auf Erden nicht entziehen. Im Glauben weiß er um die Gerechtigkeit Gottes und das Lebensrecht des Menschen. Von da aus wird er in Dankbarkeit und Freiheit auch die Rechtsgrundsätze anerkennen und gebrauchen, die im Rechtsbewußtsein der Menschen, in der Rechtsgeschichte der Völker und auch im naturrechtlich aufgenommenen Dekalog vorliegen. Von da aus ist er auch gesichert gegen die Überheblichkeit wie gegen die Hilflosigkeit aller naturrechtlichen Programme und Ausflüchte.

 

7.

Auch die Kirche ist kraft dieser Erkenntnisse und in deren Grenzen verpflichtet und berechtigt, für das Recht einzutreten, wo es not tut.