Dehmel, A.

Der Wehrdiensteinsatz der evangelischen Pfarrer

Genre: Tijdschriftartikel

|345|

 

Der Wehrdiensteinsatz der evangelischen Pfarrer

Von Oberkonsistorialrat Dehmel, Berlin.1)

 

Zur erschöpfenden Darstellung des Wehrdiensteinsatzes der evangelischen Pfarrer wäre es erforderlich, einen geschichtlichen Überblick über die mannigfachen Verhandlungen vorauszuschicken, die über die militärische Dienstpflicht der Geistlichen im allgemeinen und über ihre Verwendung im Kriege im besonderen zwischen den kirchlichen Behörden und darüber hinaus mit den staatlichen Stellen geführt worden sind. Es liegt hierzu eine ganze Menge Material vor, das zu verarbeiten einer späteren Zeit vorbehalten bleibt. Es wäre weiter lohnend, einen Vergleich zwischen dem Wehrdiensteinsatz der evangelischen Geistlichen im jetzigen Kriege und dem im Weltkrieg zu ziehen. Auch das kann vielleicht später geschehen. Hier soll es sich nur darum handeln, einen vorläufigen Überblick darüber zu geben, mit welchem zahlenmäßigen Anteil die evangelischen Pfarrer an dem Wehrdiensteinsatz im gegenwärtigen Kriege beteiligt sind.

Das Kirchenstatistische Amt der Deutschen Ev. Kirche hat sich bald nach Beginn des Krieges in einem Rundschreiben an die obersten Kirchenbehörden gewandt und um regelmäßige Mitteilungen über den Wehrdiensteinsatz ihrer Geistlichen gebeten. Stichtag für die Aufstellungen ist immer der Vierteljahrsbeginn, also der 1. Oktober, 1. Januar usw. Erfragt wurden und werden nach einem einheitlichen Muster die Zahl der zum aktiven Heeresdienst einberufenen 1. Pfarrer (einschl. der ordinierten Hilfsgeistlichen), 2. nicht ordinierten Hilfsgeistlichen, Vikare und Kandidaten, 3. Kirchenbeamten und Angestellten, 4. Kirchengemeindebeamten und Angestellten. Bei letzteren handelt es sich nur um die hauptamtlichen Kirchengemeindebeamten und Angestellten; nicht erfaßt wurden, um eine Doppelzählung zu vermeiden, die im Nebenamt tätigen Kirchengemeindebeamten und Angestellten, also z.B. im Nebenamt tätigen Organisten, Kantoren usw. — Eine weitere Frage war die nach der Zahl der als Kriegspfarrer zum Feldheer einberufenen Pfarrer (einschl. etwaiger ordinierten Hilfsgeistlichen). Schließlich wurde und wird ermittelt die Zahl der Pfarrer, Hilfsgeistlichen usw., die nebenamtlich mit der Ausübung der Wehrmachtseelsorge (einschl. in den


1) Abdruck und Auswertung dieses Aufsatzes, auch auszugsweise, ist nicht gestattet.

|346|

Lazaretten) beauftragt sind. Da die obersten Kirchenbehörden vollzählig und bereitwilligst der Bitte des Kirchenstatistischen Amtes entsprachen, konnten die Aufstellungen für die ganze Deutsche Ev. Kirche nach dem Stand vom 1. Oktober 1939, 1. Januar 1940, 1. April 1940 und 1. Juli 1940 angefertigt und den obersten Behörden übersandt werden. Um Fehler bei den vierteljährlichen Berichten möglichst zu vermeiden, ist das Berichtsmuster dahin erweitert und ergänzt worden, daß bei jeder Aufstellung auch die im vergangenen Vierteljahr erfolgten Abgänge (durch Entlassungen, dauernde oder zeitweilige) erfragt wurden und dementsprechend die Zugänge, d.h. die Zahl derer, die neu oder erneut einberufen worden sind. Auf diese Weise ergibt sich ein klares Bild über den gesamten Wehrdiensteinsatz der evangelischen Pfarrer, und zwar immer zum ersten Tag eines jeden Vierteljahres. Durch Einfügung der Spalte: Insgesamt einberufen, wird die Gesamtzahl der überhaupt zum Wehrdiensteinsatz einberufenen Pfarrer usw. ermittelt.

Die folgende Aufstellung gibt einen Überblick über die Zahl der zum aktiven Heeresdienst und als Kriegspfarrer einberufenen Pfarrer (einschl. der ordinierten Hilfsgeistlichen), und zwar nach dem Stichtag des 1. Juli 1940 und außerdem ihre im Laufe des Krieges sich ergebende Gesamtzahl. Die Aufgliederung nach den einzelnen Landeskirchen und für Altpreußen nach den Kirchenprovinzen ermöglicht einen Einblick in die in den verschiedenen Kirchengebieten auch verschiedene tatsächliche Lage. Hierzu ist später noch einiges zu sagen. Da eine andere Erhebung über die in den einzelnen Landeskirchen vorhandenen Geistlichen und ordinierten Hilfsgeistlichen nach dem Stand vom Ende des Jahres 1938 stattgefunden hatte, ist es möglich, die Zahl der zum Wehrdiensteinsatz einberufenen Pfarrer und ordinierten Hilfsgeistlichen in Beziehung zum Gesamtzahl der Ende 1938 vorhandenen Pfarrer und ordinierten Hilfsgeistlichen zu setzen (vgl. Spalte 6 und 8 der Aufstellung). —

Wenn in der hier vorliegenden Aufstellung die Zahl der zum aktiven Heeresdienst einberufenen nicht ordinierten Hilfsgeistlichen, Vikare und Kandidaten, sowie der Kirchenbeamten und Angestellten, ferner der Kirchengemeindebeamten und Angestellten und endlich der nebenamtlich mit der Ausübung der Wehrmachtseelsorge (einschließlich in den Lazaretten) beauftragten Pfarrer, Hilfsgeistlichen usw. weggelassen worden ist, so hat dies seine besonderen Gründe. Einer gewissen Vollständigkeit wegen seien ihre Gesamtzahlen, die allerdings nicht ganz lückenlos sind, hier eingefügt.

Zahl der zum aktiven Heeresdienst einberufenen:

nicht ordinierten Hilfsgeistlichen, Vikare und Kandidaten am 1. 7. 40: 918; insges.: 966

|347|

der Kirchenbeamten und Angestellten am 1. 7. 40: 640; insges. 740
der Kirchengemeindebeamten und Angestellten am 1. 7. 40: 2503; insges. 2748
Zahl der nebenamtlich mit der Ausübung der Wehrmachtseelsorge (einschl. in den Lazaretten) beauftragten Pfarrer, Hilfsgeist. usw. am 1. 7. 40: 960; insges. 1082

Die Aufstellung über die zum aktiven Heeresdienst einberufenen Pfarrer (einschl. der ordinierten Hilfsgeistlichen) ist durch die Überschriften der einzelnen Spalten und ihre Aufgliederung nach den einzelnen Landeskirchen, bei Altpreußen auch nach den Kirchenprovinzen so übersichtlich und eindeutig, daß sich aus ihr ein klares Bild über den Wehrdiensteinsatz der evangelischen Pfarrerschaft ergibt. Es braucht daher nur noch weniges besonders herausgehoben zu werden.

Die Prozentziffer der einberufenen Pfarrer (immer einschl. der ordinierten Hilfsgeistlichen) schwankt am 1. Juli 1940 zwischen 9,09 (Stolberg) und 45,28 (Bremen), während sie bei der Gesamtzahl der überhaupt einberufenen (Sp. 8) zwischen 9,09 (Stolberg) und 53,58 (Ostpreußen) liegt. Im Durchschnitt beträgt sie für die Deutsche Ev. Kirche am 1. Juli 1940 31,37, bei der Gesamtzahl 35,77. Inwieweit in den einzelnen Landeskirchen und bei Altpreußen in den Kirchenprovinzen diese Durchschnittszahlen der Deutschen Ev. Kirche unter- oder überschritten werden, ergibt sich aus der Aufstellung. Welche Gründe dafür vorliegen, daß in den einzelnen Landeskirchen die Prozentziffer der einberufenen Pfarrer zum Teil so stark voneinander abweichen, läßt sich hier im einzelnen nicht ausführen. Auf einen Grund sei nur hingewiesen: die Altersschichtung der im Amt befindlichen Pfarrer. Daß diese Altersschichtung in den verschiedenen Landeskirchen erheblich voneinander abweicht, ist aus den vom Kirchenstatistischen Amt veröffentlichten Heften „Evangel. Pfarrerfamilienstatistik” zu ersehen. Die Pfarrerfamilienstatistik ist auf den Stichtag 1. Mai 1934 abgestellt worden. Nach dieser ergab sich, um nur 2 Beispiele anzuführen: Am 1. Mai 1914 waren in der Kirchenprovinz Sachsen 24,42% der Pfarrer bis zu 40 Jahre alt, dagegen 75,58% über 40 Jahre, während in Mecklenburg 35,54% bis zu 40 Jahre alt waren und 66,46% über 40 Jahre. Es muß einer späteren Zeit vorbehalten werden, diese Untersuchung weiter auszudehnen. Daß neben der verschiedenen Altersschichtung auch noch andere Gründe vorliegen, aus denen sich ein in der Höhe so verschiedener Prozentsatz der zum Wehrdiensteinsatz einberufenen Pfarrer erklären läßt, ist hier nicht zu erörtern.

|348|