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Vorwort

 

Das große kirchenrechtliche Hauptwerk Hans Dombois’, das “Recht der Gnade”, ist in Etappen entstanden. 22 Jahre nach der Publikation des ersten Bandes 1961, neun Jahre nach dem zweiten Band 1974, folgte in einer kirchenrechtlich und ökumenisch grundlegend veränderten Zeit 1983 der abschließende dritte Band. Dem entspricht eine allmähliche, an Intensität und Extensität zunehmende Rezeption.

Die hier vorgelegten Studien dokumentieren diese Rezeption in den Jahren 1982-1984, also in der Zeit des Abschlusses und des soeben vorgelegten dritten Bandes. Als die Forschungsstätte der Evangelischen Studiengemeinschaft zu Ehren des 75. Geburtstages von Hans Dombois am 15. Oktober 1982 ein Kolloquium veranstaltete, war das Manuskript des dritten Bandes abgeschlossen. Die Arbeiten van Landau und Planer-Friedrich sind auf diesem Kolloquium vorgetragen worden, die Arbeit des Herausgebers entstammt derselben Zeit, sie lag dem Arbeitsbereich Kirche der Forschungsstätte vor.

Nach Erscheinen des dritten Bandes hat dann aufgrund der Initiative von Konrad von Bonin die Evangelische Akademie Hofgeismar zusammen mit der Evangelischen Studiengemeinschaft am 21. und 22. Januar 1984 zu einem Symposion eingeladen, das dem Abschluß des kirchenrechtlichen Hauptwerks Dombois’ gewidmet war. In diesem Symposion, zu dessen Zustandekommen Peter Landaus und Werner Böckenfördes tatkräftige Unterstützung beitrug, sind die Beiträge von Dreier, Link, Sobański und Beyer vorgetragen worden.

Allein die den Band einleitende Ansprache Bischof Jungs, die neben dem kirchenrechtlichen Werk auch den Dienst, den Hans Dombois der Kirche leistete, zum Gegenstand hat, entstammt einer späteren Zeit. Der Festakt zu Ehren seines 80. Geburtstags am 15. Oktober 1987 in der Alten Aula der Universität Heidelberg gab Anlaß, den großen

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Kreis des Lebenswerkes Dombois’ zu betrachten. Den wissenschaftlichen Ertrag dieser Rezeptionsphase des Werkes Dombois’ hat die Kirchenrechtliche Arbeitsgemeinschaft in der von Peter Landau besorgten Festgabe “Traditio und Communio” im Rahmen der Zeitschrift für evangelisches Kirchenrecht im 32. Band (1987) vorgelegt.

Die hier versammelten Arbeiten, von evangelischen und katholischen Autoren, von Theologen und Juristen verfaßt, spiegeln die Spannweite des Werkes von Dombois, dessen Fruchtbarkeit nicht zuletzt in der souveränen Überwindung der disziplinären Schranken der traditionellen evangelischen Kirchenrechtswissenschaft begründet ist. Das Verdienst der Arbeit Dreiers ist es, zuerst auf die systematische Anlage des in drei Bänden vorliegenden Gesamtwerkes des Rechts der Gnade aufmerksam und sie im Kontext der modernen Rechtstheorie durchsichtig gemacht zu haben. Landaus Beitrag untersucht die von Dombois eingeführten Begriffe des epikletischen und transzendentalen Kirchenrechts in kirchenrechtsgeschichtlicher Perspektive. Wenn dabei auch die realhistorischen Schwierigkeiten beleuchtet werden, derart grundsätzlich die Epochen der Kirchenrechtsgeschichte zu gliedern, so tritt doch gerade darin auch die Notwendigkeit der Unterscheidung eines Kirchenrechts zutage, das auf die Kontinuität des Geistwirkens in der Kirche vertraut, von einem anderen, das den Versuch macht, der Überlegenheit der Herrschaft Christi in der Kirche sei es durch eine maximalistische, sei es durch eine minimalistische Ausbildung des Rechts in der Kirche zu entsprechen. Der Beitrag des Herausgebers such die spezifische Leistung des Gnadenrechts für die Begründung eines allgemeinen Rechtsbegriffs herauszuarbeiten und zu sichern. Links Beitrag gibt ein ermutigendes Zeichen für die theologische Rezipierbarkeit der Versuche Dombois’, den Sinn von Institutionalität in der protestantischen Tradition tiefer zu bestimmen, indem er Übereinstimmungen und Differenzen zu Karl Barths ekklesiologischer Grundlegung des Kirchenrechts herausarbeitet. Die Bedeutung des Werkes von Dombois in der katholischen Kirchenrechtslehre spiegelt sich in den Beiträgen von Sobański und Beyer. So mag, was den Beitrag Sobańskis angeht, überraschen, daß die katholische Kanonistik in ihrer traditionellen

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Anlehnung an allgemeine juridische Kategorien des Anstoßes des Werkes von Dombois bedurfte, um einen tiefergehenden Dialog zwischen Kanonistik und Theologie in Gang zu bringen. Beyers Beitrag, der einem an argumentative Darlegung gewohnten Leser zunächst einige Schwierigkeiten bereiten möchte, zeigt in hoher Verdichtung, wie dem Brennpunkt des Dombois’schen Denkens, Heil und (Gnaden-)Recht aus der einen Heilstat Gottes entspringen zu lassen, in einer katholischen Rechtstheologie entsprochen werden kann. In der Form eines kritischen Diskurses verfährt hingegen Beyers ursprünglich als Diskussionsbeitrag formulierte Untersuchung zur ökumenischen Bedeutung der Tria-munera-Lehre, die hier als Anhang zum Haupttext abgedruckt ist. Der abschließende Beitrag Planer-Friedrichs belegt nicht nur eine historische Episode des kirchenrechtlichen Denkens in der DDR, sondern zeigt, daß ein rechtstheologisch begründetes Kirchenrecht der evangelischen Kirche allzeit dort entscheidende Dienste leistet, wo sie einer fraglosen Harmonie mit Staat und Gesellschaft entbehren muß.

Es konnte nicht die Absicht dieses Bandes sein, die Vielheit der Zugangswege zum Recht der Gnade zu verkürzen. Diese Vielheit entspricht dem Wagnis Dombois’, ein “Ökumenisches Kirchenrecht” vorzulegen. Kein anderer Autor im 20. Jahrhundert, so führt Landau in seiner Ansprache beim Festakt 1987 aus, hat sich “so intensiv und so kontinuierlich mit der Grundlegungsproblematik des Kirchenrechts auseinandergesetzt”. Mit Sohm allein könne man das Werk Dombois’ vergleichen, “weil es gerade nicht eine Antithese darstellt sondern Sohm darin ‘aufgehoben’ ist”. So möchte der vorgelegte Band einen weiteren Beitrag zu einem vertieften Verständnis des evangelischen Kirchenrechts leisten, wie es durch das Werk Dombois’ möglich geworden ist.

Mein Dank gilt allen, die das Zustandekommen dieses Bandes gefördert haben, namentlich danke ich Rainer Eckertz und Hans-Richard Reuter für ihren Rat bei der Herausgabe, Dirk Schulz für die gründliche Durchsicht der Texte und Rosa Kluge, die die Last der

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Schreibarbeiten trug, für ihre unermüdliche Sorgfalt.

Horst Folkers

 

Vermerk zur Zitierweise:

Hans Dombois, Das Recht der Gnade. Ökumenisches Kirchenrecht, 3 Bände, Witten: Luther Verlag, Bd. I, 1961, 19692; Bd. II, Grundlagen und Grundfragen der Kirchenverfassung in ihrer Geschichte, 1974; Bd. III, Verfassung und Verantwortung, 1983,

wird in den folgenden Beiträgen mit RdG I, RdG II und RdG III zitiert.