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Anmerkungen zu Kapitel IV

1 Karl Bernhard Ritter, ungedruckte Arbeit.

2 WA VI 407, 21 = Heckel, Lex charitatis, S. 168, Anm. 1348.

3 Die christliche Wahrheit II, 308 ff.

4 Bek. Schr. N.A., S. 425 Art. Smalc. De invocatione sanctorum.

5 Luther WA 7 33, 66.

6 Theologische Existenz heute N.F. 37, 1953.

7 a.a.O. S. 177, Anm. 62.

8 a.a.O. S. 17, Anm. 64 — WA 16, 407, 33.

9 a.a.O. S. 18, Anm. 65.

10 a.a.O. S. 18, Anm. 66 — WA 94, 714, 38.

11 a.a.O. S. 18, Anm. 72 — WA 12, 307, 27.

12 Über das Königtum vgl. Dombois, Strukturelle Staatslehre (Berlin 1952) S. 80 f.
vgl. auch Leopold Ziegler, Überlieferung, S. 80 ff.: „Vom Selbstopfer der Könige”.
vgl. auch Kap. II.

Die hier angelegte sachliche Verwechslung hat für diese Geschichte Preußens und Deutschlands weitreichende Folgen gehabt. Denn die mit dem lutherischen Glaubenserbe verbundene (nicht einfach mit ihm identische) politische Tradition hielt es für ihre religiöse Pflicht, das Königtum als gottgesetzte Obrigkeit gerade funktional zu verstehen, die konkreten Regierungsrechte unverkürzt aufrecht zu erhalten. Die fundamentale Verwechslung von guter Verwaltung und guter Politik hing mit jener Haltung zusammen. Ihr erschien die repraesentatio, die selbst nicht Herrschaft, sondern Grund der Herrschaft ist, als eine äußere Zeremonie, die ohne jene wertlos, bloßer Schein ist. Man glaubte, ein wesentlich repräsentatives Königtum belächeln zu können, setzt Königtum und Monarchie in der vom Absolutismus her verbliebenen Form in eins. Darin waren der romantische Legitimismus Stahls, der Gebrüder Gerlach, Friedrich Wilhelms IV. mit dem politisch-realen Royalismus Bismarcks bei allen Unterschieden einig. Das brachte sie in einen unnötigen und religiös verfestigten Gegensatz zur deutschrechtlich-genossenschaftlichen Tradition, von der politischen Moderne zu schweigen.

Für unseren Zusammenhang hat dieses uns so nah betreffende Beispiel die grundsätzliche Bedeutung, daß mit der sich bei Luther abzeichnenden und andeutenden Trennung von Priestertum und Königtum (auch des Christen) das Gleichgewicht und der Zusammenhang zwischen repraesentatio ad deum et ad hominem aufgegeben und der Versachlichung, Ethisierung der repraesentatio als dienstbarer Freiheit der Weg bereitet wurde. Das Gleichgewicht zwischen Kultus und Ethos war gestört.

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13 Barth, K.D. IV/3, 1.

14 Die Lehre vom triplex munus zählt freilich nicht Priester, König, Richter, sondern setzt stillschweigend König und Richter in eins und enthält als drittes Amt das prophetische. Priesterliches und prophetisches Amt sind allzulange in einem wesentlichen Gegensatz gesehen worden: hier das institutionelle (Amts-)Priestertum — dort die aktuelle, alle Tradition durchbrechende unmittelbare Geistbegabung und göttliche Beauftragung des Propheten. Es wäre aber sonderbar, wenn die munera in sich eine Wertfolge oder Hierarchie enthielten, und zwar eine solche geringerer oder größerer Verfehlbarkeit, so daß nicht das Bedeutendere, sondern das Kritischere den Vorrang hätte. Seither ist aber von der alttestamentlichen Exegese her mehr die Zusammengehörigkeit beider Ämter und der Gedanke betont worden, daß das prophetische Amt nicht das priesterliche durchbricht und aufhebt, sondern auf sein rechtes Handeln hinführt und hinweist.

15 Die Vorstellung eines rein sachlichen, immanenten, apersonalen Verhältnisses zwischen Richter und Angeklagtem gehört zu den rechtsontologischen Irrtümern, die in der Theologie tradiert werden oder immer wieder neu entstehen. Wir werden dieser Anschauung bei der Erörterung des kirchenrechtlichen Begriffs der Jurisdiktion wieder begegnen und sie dort ausführlich erörtern.

16 Edmund Schlink, Die apostolische Sukzession, Referat vor dem oekumenischen Ausschuß der Ver. Ev. Luth. Kirche D., (1957):
„Von der Berufung aller zur Gliedschaft in das Gottesvolk und damit zum Dienst ist nun zu unterscheiden die Berufung, die einzelne Glieder mit einem besonderen Dienst beauftragt und sie dafür bevollmächtigt. Von der Mannigfaltigkeit der frei aufbrechenden Charismen und Dienstleistungen aller Gläubigen ist zu unterscheiden der Dienst, der durch eine konkrete Berufung und Bevollmächtigung in der Kirche ausgeübt wird, wie bereits der grundlegende Dienst der Apostel. Hier kommt ein konkretes sendendes Wort auf den Glaubenden zu, begegnet ihm.” (S. 7).

17 Über Gleichheit und Ungleichheit im Leibe Christi vgl. Heinz Dietrich Wendland in: „Um die Katholizität der Kirche”, Stuttgart 1957, über die soziologische Struktur der frühen Kirche vgl. Kap. XV.

18 Die Frage des Verhältnisses von Amt und Charisma ist seit langem unter dem Gesichtspunkt der Gegenüberstellung beider geführt worden, wie es etwa die dafür typische Formulierung des bekannten Buches von Campenhausen zeigt. Der Krampf dieser spiritualistischen Scheidung beginnt sich freilich, und zwar gerade von der Exegese her, zu lösen. Trotz der großen Wirksamkeit dieser Fragestellung scheint mir ein anderer Gesichtspunkt sehr viel wesentlicher zu sein. Das Charisma ist immer ein solches zu konkreten Verrichtungen am und im Leibe Christi aktualiter wie etwa das Zungenreden, oder kontinuierlich wie Lehren, Geisterunterscheidne, Leiten. Aber wesentlich ist, daß es in seiner Unterschiedlichkeit so konkret und gemeinschaftsbezogen ist. Es sind deshalb auch bezeichenbare Verrichtungen. So gewiß nun diese Verrichtungen

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alsbald im Amtssystem der Kirche rationalisiert worden sind, so widerspricht doch diese typologische Konkretion in beschreibbaren Ämtern, dem des Ältesten, des Bischofs, des Diakons nicht der charismatischen Grundlage. Gefährlich wird es erst recht eigentlich, wenn selbst diese Konkretion preisgegeben und die allgemeine Abstraktion eines Amtsbegriffs gebildet wird, in dem alle Verrichtungen, die in der Kirche vorkommen und für sie charakteristisch sind, grundsätzlich wenigstens virtuell zusammenfließen. So problematisch die Ordolehre immer sein mag: sie hat immer noch, wenn auch eben systematisiert, jene Konkretion unterschiedlicher Gaben und Dienste in sich. Die Abstraktion des einen Amtes dagegen vollendet erst durch die Beiseitestellung der Unterschiedlichkeit der charismata die Abstraktion des Ordosystems, welches sie so hart bekämpft und scheinbar außer Kraft setzt. Man entfernt sich so noch mehr von der charismatischen Basis der Ämter und Dienste und damit auch des dogmatisch legitimen Amtsbegriffs. Gerade hier müßte die lex orandi die lex credendi formen und kontrollieren. Denn in der Ordination wird eben die Gabe des Geistes für konkret bezeichenbare Verrichtungen erbeten, nicht für das theologoumenon des Amtes. Gerade die lutherische Amtslehre hätte hier Veranlassung, nicht nur den Inhalt, sondern auch die Struktur ihrer Aussagen zu überprüfen. Immer wieder trifft man auf die Tatsache, daß die reformatorische Theologie die von ihr bekämpfte scholastische gerade nicht überwindet, sondern in ihren Strukturen bewahrt und in ihren Konsequenzen vollstreckt. (Vgl. im einzelnen Kap. VIII: Ordination.)

19 Schlink a.a.O. S. 6: „Ich möchte hier die Frage aufwerfen, ob die paulinische Lehre von der Mannigfaltigkeit der Charismen und sein Verständnis der Kirche als Gemeinschaft mannigfaltiger Charismen wirklich aufgenommen ist in der reformatorischen Lehre vom allgemeinen Priestertum.”
Die Antwort auf die vorsichtige Frage gibt Käsemann, indem er mit dürren Worten feststellt, daß die reformatorischen Kirchen durchaus nicht versucht haben, die paulinische Charismenlehre im Aufbau der Gemeinde zu verwenden, sondern dies den Sekten überlassen haben. (Amt und Gemeinde im NT, in: Exegetische Versuche und Besinnungen I, 109 ff.) Diejenigen sozialen Aspekte und Strukturen im corpus Paulinum, die der Zeit der Reformation fremd waren, sind stillschweigend ausgeschieden oder uminterpretiert worden.

20 vgl. hierzu in Kap. VIII Liebergs Wiedergabe der Amtslehre Luthers.

21 Wie gefährlich nahe sich hier eine bestimmte philosophische Lehre vom Menschen und das zentrale Selbstverständnis des evangelischen Christen geraten sind, zeigt ein Wort über Kant: „Für Kant ist dieses Selbst die mit sich einsame Person, die am mundus intelligibilis dadurch teilhat, daß sie in sich den praktischen logos vernimmt. Der Mensch als sittliche Person ist dadurch grundsätzlich autark. Ja: der Blick nach außen, der nach Bestimmungsgründen des Handelns in der Welt des Außer-Ich Ausschau hält (indem er etwa eine gebietende Autorität sucht

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oder sich eudämonistisch durch Objekte von Furcht und Hoffnung bestimmen lassen möchte), zerstört nur die sittliche Struktur des Ich. Darum ist das sittliche Selbst das mit sich einsame, gleichsam in sich hineinhorchende und nach außen abgeschirmte Ich.” (Thielicke in Theol. Ethik II, 2, Ziff. 1264, S. 239.)
Man kann nun durchaus entgegengesetzt interpretieren: man kann diese Kantsche Anthropologie als eine ihr strukturell entsprechende Säkularisation protestantischer Theologie ansehen oder umgekehrt hier eine Verdrängung derselben annehmen: sicher ist dieses Selbstverständnis seit Kant in breitestem Maße das Leitbild für die Frömmigkeitshaltung wie für die theologische Denkrichtung geworden und bis heute geblieben: die Autarkie, die grundsätzliche Nichtbestimmtheit des Menschen durch alles „Außer-Ich”, die Innerlichkeit des Vernehmens und der Vergewisserung. Das wird auch nicht besser, wenn man Gott ins Spiel bringt und die Autarkie des Menschen ihm gegenüber radikal bestreitet. Alsbald bilden Gott und Mensch zusammen wieder die gleiche Autarkie, aus der erst wieder in der Folge konsekutiv das rechte Handeln des Menschen als neu gegebene Möglichkeit hervorgeht. Die Teilhabe am mundus intelligibilis erscheint als der durch die rein mündliche, wörtliche Verkündigung erzeugte Glaube. Das entscheidende protestantische Pathos liegt jetzt auf alle Fälle im Autarkiegedanken. Mag man die Genealogie beurteilen wie man will: daß an dieser Stelle kaum Gegenkräfte vorhanden waren und sind, zeigt hier eben doch eine nicht zufällige Verwandtschaft. Wer hätte je hier unmißverständlich eine Unterscheidung durchgehalten!

22 Karl Barth: Man müßte schon den Christus praesens leugnen, wenn man den vicarius Christi grundsätzlich leugnen wollte (K.D. I,1, S. 99).

23 Es ist immerhin bemerkenswert, daß der gegenwärtige Papst Johannes XXIII. auf das „Privileg” verzichtet hat, sich selbst das Aschenkreuz am Aschermittwoch zu geben, sondern es sich hat geben lassen, indem er das Knie vor einem Prälaten beugte.

24 vgl. Dombois, Mensch und Strafe, Kap. 8, S. 77 ff.; Die Struktur des Richteramtes.

25 vgl. Oestergaard-Nielsen, Scriptura sacra et viva vox, München 1957, insbes. S. 133 ff.

26 „Der Widerspruch zwischen Amateur und Lebenslänglichem ist das Mittel, dank dessen wir alle Zugang zur vollen Menschlichkeit behalten und dank deren alles, was einmal geschaffen ist, ein für allemal an jedes Geschlecht in jedem Land und Volk herankommt. Jeder tue alles: alles muß wenigstens von einem getan werden. Beides zusammen ist das gesellschaftliche Dogma. Dies ist also das aller Natur spottende Naturgesetz, daß es für jede Leistung in jeder Gruppe immer zwei Träger gibt: alle und einen, Laien und Priester, Amateure und Berufsspieler, Dilettanten und Künstler, Weise und Philosophen”. (Rosenstock-Huessy, Soziologie I, S. 112).

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Das unorthodoxe Wort eines so weitsichtigen Mannes macht auch das Ganze Elend unserer Frage sichtbar: solange die Reformation gegen die Exklusivität der Hierarchie ankämpfte, war sie vollkommen im Recht. Sobald sie daraus eine ebenso einseitige antihierarchische Kirche machte, setzte sie sich ins Unrecht. So stellte sie sich bis heute nicht den Fragen, die mit der unvermeidlich verbliebenen faktischen Aussonderung ihres eigenen geistlichen Standes nun einfach gegeben sind. Zwei im Grunde so einfache Dinge antinomisch zu verbinden fällt unendlich schwer. So hat Wesentliches an der Reformation etwas Transitorisches an sich: begründet in der Kritik — ebenso geschichtlich einseitig, wie das bekämpfte, sobald man zum Neuaufbau überging.

27 Das Problem des Priestertums wird besonders deutlich an der Frage der Schlüsselgewalt, jedoch keineswegs ausschließlich. Einige Hinweise und Beispiele aus diesem Bereich boten sich deshalb hier an. Die Fragen der Schlüsselgewalt sind jedoch im Zusammenhang in Kap. V/2 und XI behandelt.

28 Sehr bemerkenswerte Ausführungen über die Struktur des geistlichen Amtes macht Otto Semmelroth SJ. (Das geistliche Amt, 1958). Wichtig ist zunächst sein Hinweis, daß der einzige biblische Begriff, der auf den dogmatischen Begriff des Amtes hinführt, der der diakonia ist. Biblisch Diakonia ist freilich mehr als ein allgemeiner modus des ethischen Handelns als Dienstbarkeit, sondern bezeichnet gerade das biblisch gebotene Handeln und seinen modus. Wir haben demnach diakonia in einem doppelten Sinne, als Inbegriff und Modus des Amtes überhaupt, und in dem historisch-spezielleren Sinne, in dem der Diakonat als dienende Verrichtung nachgeordneter Art schon in den Episteln vorkommt.
Noch wichtiger ist sodann der Hinweis, daß die Lehre vom triplex munus Christi nicht geeignet ist, die wesentliche Struktur des Amtes zu erhellen, weil entscheidend die Dualität der beiden Handlungsrichtungen ad deum und ad hominem ist. Ohne es ausdrücklich als Grundsatz zu formulieren und voranzustellen, orientiert er sich an den gottesdienstlichen Verrichtungen selbst. Das wäre, wenn es sich durchsetzt, ein bedeutsamer consensus de methodo, der eine Überwindung des Stiftungs- und Traditionspositivismus erhoffen läßt. Auf dieser methodischen Grundlage fänden dann die immer noch bedeutenden Unterschiede im gottesdienstlichen Handeln ihren Platz und ihren Austrag.

29 Auch Kliefoth (Maurer a.a.O. S. 19, „Acht Bücher v.d. Kirche”, Band II und IV), „kennt bei aller Ablehnung einer hierarchischen Stufenordnung ein dreifaches Amt. Neben dem Gnadenmittelamt besteht die Diakonie und das Kirchenregiment … Die Kirchenregierungsgewalt will er streng von der Schlüsselgewalt geschieden wissen (wie Höfling, gegen Stahl und Löhe). Die Eigenart des Kirchenregiments im Unterschied vom geistlichen Stand leitet Kliefoth aus den Funktionen des hausväterlichen und obrigkeitlichen Berufes ab.” Maurer vermißt — wohl mit Recht — kirchenrechtliche Folgerungen. Die Bindung an den faktischen Zustand des landesherrlichen Kirchenregiments und die traditionelle Überbewertung

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des Vateramtes ist deutlich. Aber selbst bei Fehlen eines tragenden Leitgedankens ist doch bemerkenswert genug, daß sich von der Sache her eine Differenzierung des Amtes aufdrängt.

30 Zum Problem der Ethik bei Paulus — Rechtsnahme und Rechtsverzicht. ZfThK (49) 1952, S. 167 ff.

31 Das Christentum hat auch den auferlegten Institutionsverzicht, die Armut nicht als soziale Frustrierung betrachtet, sondern dem Armen als einer Art eschatologischer Existenz seine Rolle in der Ökonomie des Heils zugewiesen und diese Existenzform bis zu einem gewissen Grade institutionalisiert, wenn auch nicht der strengen form des Mönchtums vergleichbar.

32 vgl. im einzelnen ebenfalls Kap. IX.

33 WA 8, 576, 26 ff. (vgl. auch Bernhard Lohse, Luthers Kritik am Mönchtum, Ev. Theologie 1960, S. 413 ff.).