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Nachbemerkung

 

Eine solche Studie kann nicht beanspruchen oder versuchen, ein so weitschichtiges Problem in allen seinen Aspekten darzustellen. Sie kann auch weit eher die übersehbaren, historisch wirksamen Tatbestände erschließen, als die in Gang befindlichen Umbildungen des fortlebenden Phänomens vorgreifend deuten. Der Nachweis eines sinnvollen und einsichtigen Systems, das seine eigenen Bedingungen und Begrenzungen hat wie jedes andere, ist Ertrag und Anstoß genug. Er schließt die gängig-populäre Deutung aus, als handele es sich um einen unverständlichen Archaismus, um dessen raffinierten Mißbrauch oder überhaupt um eine banale eigennützige Machtanhäufung.

Daß die theologischen Positionen und Negationen hier direkt nur von geringem Erkenntniswert sind, ist auch schon für sich eine wertvolle Einsicht. Ein in Kraft befindliches soziales System bedarf nicht der vorgängigen akademischen Reflexion. Es bedarf nur der Fähigkeit, immanent folgerichtig zu handeln und das Verständnis für den Sinn seiner Strukturen fortzupflanzen, gleichgültig, ob die Wissenschaft das versteht und irgendwann einmal hinterherhinkt. Erst der kritische Anspruch macht beweispflichtig. Die beweislose Verneinung kann selbst ein relevantes historisches Faktum sein, aber sie ist kein Ersatz für ein Argument. Die Behandlung eines solchen Bereichs wirft zugleich ein eigentümliches Licht auf die Zulänglichkeit der wissenschaftlichen Bearbeitung großer Tatbestände der Kirchengeschichte.

Daß auch die Soziologie einen solchen Gegenstand höchstens einschlußweise oder mit enger Begrenzung behandelt, ist nicht weniger aufschlußreich. Auch das kritische Denken hat sich durch Bildungen von so beträchtlicher Rationalität nicht zur Auseinandersetzung anreizen, herausfordern lassen. Auch die emanzipierte Vernunft kann sich immer nur innerhalb der Vorurteile entfalten, die für sie konstitutiv sind. Das Vorzüglichste dieser Vorurteile ist das Verdikt über die Macht und die Leugnung ihrer Ambivalenz. Und damit sind wir wieder am Gegenstand und zugleich am Anfang der Phänomenologie der Religion.

So wird aus der Ironie des Themas der Anstoß zu freiem Denken.