4. Subjekt und Gültigkeit des Bekenntnisses

Wenn das Wesen des Bekenntnisses homologia ist, so ist damit zugleich gegeben, daß es primär ad deum geschieht. Damit ist aber noch ein weiteres aufgedeckt, was im heutigen Bekenntnisbegriff weitgehend übersehen wird: Subjekt und Adressat des Bekenntnisses sind für dessen Inhalt und für sein Verständnis wesentlich. In zweiter Linie ist das Bekenntnis ein solches ad hominem. Freilich will Gott durch unser Bekenntnis den Menschen bekannt werden. Grundsätzlich steht der Bekennnende immer zwischen Gott und Welt, zwischen Gott und Menschen und tritt hier an die Stelle des rechten Zeugen, der seinen Vater vor den Menschen bezeugt hat. Das Bekenntnis steht nicht als objektive Wahrheit unabhängig von dem Bekennenden und dem zu Bekennenden für sich, so daß man sozusagen hinter ihm Deckung nehmen könnte.

Der Akt des Bekenntnisses ist Sache der Kirche, nicht des einzelnen. Der Satz „ein Christ richtet alle Dinge und wird von niemandem gerichtet” stellt, undialektisch gebraucht, den Sachverhalt geradezu auf den Kopf. Denn in diesem Sinne gibt es den „einzelnen” Christen überhaupt nicht. Den exemplarischen Christen, der hier gemeint ist, gibt es immer nur in der Gemeinschaft. Nur den zweien und dreien der ekklesia, nicht dem einzelnen ist — abgesehen vom Martyrium — der Geist verheißen. Der Vordersatz heißt lediglich, daß auch in der Glaubenserkenntnis des einzelnen die Fragen auftauchen, die die Gemeinschaft der Kirche zu entscheiden hat, daß er daran teilhat. Der Nachsatz besagt, daß diese Entscheidung nicht nach den vernünftigen Grundsätzen der Welt, sondern aus der Erkenntnis des Glaubens geschieht, und

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daher von der Welt und ihrer immanenten Gesetzlichkeit nicht beurteilbar ist. Aber daß er so von niemandem beurteilt wird, entzieht ihn nicht dem Urteil des Mitchristen, sondern besagt nur, daß, wofern er ein gläubiger Christ ist, im rechten einen Glauben unsträflich erfunden werden wird. Wo er als einzelner gefordert wird, soll er als solcher entscheiden. In Ansehung der Lehre der Kirche ist er aber niemals als einzelner gefordert, sondern immer in der Gemeinschaft. Hier den Christen als eine geistliche Monade verstehen, heißt den Christen idealisieren und ihn aus der Existenzdialektik des simul justus et peccator entnehmen. Denn immer wird seine Entscheidung hier von seiner Willkür, seinem Eigensinn, seiner Beschränktheit eingeschränkt und belastet sein.

Dogmenbildung, Bekenntnisbildung kann deshalb niemals allein von ihrem gegenständlichen Aussageinhalt her und auf diesen hin betrachtet werden: sie hat immer die Kirche als Subjekt und ganz bestimmte wechselnde Adressaten, die diese Kirche zur Entscheidung nötigen.

Die Frage nach dem Wesen des Bekenntnisses kann daher nicht ohne die Prüffrage beantwortet werden, wer wen wem bekennt. Die Fälle sind in der Tat höchst verschieden.
1. Zuallererst bekennt sich Gott zum Menschen, und der Mensch bekennt sich in der Homologie zu ihm, indem er Gott als Gott preist, anbetet usf. — liturgisches Bekenntnis.
2. Der getaufte Christ bekennt sodann auftragsgemäß diesen wahren Gott den Menschen, immer und überall und in den vielfältigsten Formen — missionarisches Bekenntnis.
3. Als Drittes wird in der Anfechtung bekannt, und zwar in zwei Rollen
a) der Christ, dessen Rechtgläubigkeit bestritten oder zweifelhaft geworden ist, der Kirche, dem anderen Christen,
b) die Kirche dem Härtiker —
dogmatisches Bekenntnis.
Es ist deutlich, daß in diesen beiden Richtungen die Fälle 1 und 2 in gewisser Weise wiederkehren.

Ohne diese Dreiheit der Beteiligten gibt es kein Bekenntnis. Das liturgische Bekenntnis bleibt nicht bei sich stehen, darf nicht bei sich bleiben und geht weiter zum missionarischen Bekenntnis. Das missionarische Bekenntnis wird leer, wenn es nicht vom liturgischen herkommt. In den Fällen zu 3 aber wird nach der einen oder anderen Seite immer Gott bekannt.

Es handelt sich daher um einen Vorgang der Identifikation: Gott macht sich mit dem Menschen in Christo identisch, und der Mensch ergreift das Heil, indem er sich mit Christus identifizieren läßt. Indem das missionarische Bekenntnis Gott und Welt radikal scheidet, bietet es doch zugleich diese Versöhnung und Verbindung an.

Aber auch in den Fällen der dritten Lage geht es um Identifikation: der eine bietet sie an und behauptet sie zugleich: der andere leugnet

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und verweigert sie. Aber der entscheidende Maßstab ist immer der, ob der Bekennende in Wahrheit sich irgendwie — verborgen oder offenkundig — mit der Welt gemeingemacht und damit die von Gott geschenkte Gemeinschaft mit Christus und seiner Kirche, sei es auch unwissentlich und irrig preisgegeben hat.

Es geht also niemals um eine für sich bestehende Wahrheit more philosophico, sondern um den Vorgang der Identifizierung und Identifikation. Der schwerwiegendste Vorwurf, um den hier immer wieder gekämpft werden muß, ist der, daß der Mensch, subjektiv willig und gehorsamsbereit, doch in Wahrheit seinem eigenen Vermögen, seiner Einsicht mehr vertraue als Gott und damit durch diese Verfangenheit in sich gerade den Mächten dieser Welt anstelle Gottes huldige.

Gloege27 unterscheidet mehr formal das Aktbekenntnis und das urkundliche Bekenntnis. Bezeugt das urkundliche Bekenntnis von Gott gegebene Gemeinschaft, so vollzieht es sich in Gemeinschaft und stiftet Gemeinschaft. Ist es heilsam und förderlich, daß es mehrere oekumenische Bekenntnisse gibt (Maurer), so ist doch alles Bekennen, auf die eine Person Gottes bezogen, auf Einheit angelegt. Es will „in einer bestimmten Stunde für einen bestimmten Ort den Glauben der einen allgemeinen Christenheit bekennen. Echtes Bekenntnis trägt daher oekumenischen Charakter”.28 Gibt es ein vielfältiges, durch die Situation gefordertes Bekennen des einzelnen, so ist doch Bekenntnis im spezifischen Sinne ein Akt der Gemeinschaft, geschieht deshalb ex consensu. Es gründet sich auf den Consens und will im Consens mit dem Bekenntnis der Kirche überhaupt bleiben. Es verfehlt also seinen Sinn, wenn es sich als theologische Selbstdarstellung und glaubende Selbstverpflichtung versteht. Der Satz „Nur die Kirche — bei uns die Synode — kann Lehre formulieren” 29 ist also unvollständig. Die einzelne ekklesia als Orts- oder territoriale Partikularkirche kann sich genötigt sehen, Lehre bekennend zu formulieren. Sie muß dann aber mit aller Sorgfalt das Verhältnis ihrer Aussage zum Bekenntnis der Christenheit erwägen, wenn sie nicht in ein gänzlich ungeklärtes Verhältnis zur übrigen Christenheit kommen will. Das heißt: der oekumenische Charakter des Bekenntnis erweist die Notwendigkeit, Bekenntnis in oekumenischer Gemeinschaft zu bilden. Daß eine Partikularsynode sich lediglich subjektiv mit Lehren auseinandersetzt, die auf ihr nicht vertreten sind, reicht zur Aufrechterhaltung der oekumenischen Gemeinschaft nicht aus. Denn damit ist der wirkliche Austrag der Gegensätze nicht gewährleistet. Man wird daher sagen müssen: die Partikularsynode ist zum Urteilen von Lehre sehr wohl befugt und sicherlich berufen. Für die Bekenntnisbildung gilt dies jedoch nur im äußersten Notfall. Zur Bildung eines (begrifflich allgemeingültigen) Bekenntnisses ist nur eine oekumenische Synode berufen, d.h. eine solche, welche alle Glieder einer Kirchengemeinschaft bis an die Grenzen der kirchentrennenden Merkmale

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vertritt. In diesem Sinne hat mit Recht der Calvinismus in Dordrecht 1618/19 im Stile der oekumenischen Synode gehandelt. Die Bekenntnisbildung der lutherischen Reformation hat sich durch den Zusammentritt von Theologen der verschiedenen, der Reformation geneigten Territorien vikarierend vollzogen,  und der umfassendere Consensus ist durch Beitritt weiterer Gebiete, damals meist vertreten durch Fürsten und Magistrate, gebildet worden. Die Adressaten des Bekenntnisses waren einerseits Kaiser und Reich, von denen staatskirchenrechtliche Anerkennung und Duldung der reformatorischen Ordnung begehrt wurde, andererseits die römische Kirche, die um den Consensus zu dieser Lehre als evangeliumsgemäß angegangen wurde.

Aber alsbald verschob sich diese Lage angesichts der sich mehr und mehr als unüberbrückbar erweisenden Gegensätze. Lange Zeit wird zwar mit dem „als ob” einer doch noch zu erreichenden Kircheneinheit gearbeitet.

Der Ruf nach dem freien Konzil, welches nicht durch die Macht des Papstes in seinen Entscheidungen präjudiziert und gehemmt ist, ist die letzte Erinnerung an die Einheit der Kirche. Aber nicht allein um der Freiheit willen wird dann ein freier Konzil auf deutschem Boden verlangt. Die zentrale und grundsätzlich gedachte Reform der Kirche wird unversehens zu einer nationalen Sache, büßt die Universalität ein. Wahrheitsanspruch und Allgemeingültigkeit der reformatorischen Thesen treten unmerklich auseinander. Der Wahrheitsanspruch der streitenden Bekenntnisse und die Wirklichkeit der einen und unteilbaren Kirche beginnen auseinanderzufallen. Unter einem grundsätzlichen, aber immer mehr theologisch-akademisch werdenden Wahrheitsanspruch bilden sich mehr und mehr verschiedene Sonderbekenntnisse örtlicher und nationaler Gemeinschaften, die sich mit der Geltung ihrer theologischen Satzungen in ihren Territorien genügen lassen.

„Das Reich behält also (nach Augsburg) seine kirchlichen Begriffe. Aber sein Kirchenbegriff ist weder nach dem Tridentinum noch nach der Augsburger Konfession ausgerichtet. Der Weg der Zeit, der vorn der mittelalterlichen Kultgemeinschaft zu der Bekenntnisgemeinschaft führt, wird von dem Reichsrecht nicht beschritten…” 30

So stellt Martin Heckel die kirchenrechtliche Lage nach 1555 dar. Die Zweischneidigkeit dieser Entwicklung empfindet er offenbar nicht. Einmal ist der Gegensatz unecht: auch die (anscheinend für ihn schon an sich verdächtige) „Kultgemeinschaft” ist Bekenntnisgemeinschaft: die oekumenischen Symbole sind in ihr in Kraft. Nur die Zusammenordnung des signa ecclesiae, der Platz des Bekenntnisses verschiebt sich. Sodann wird die in der Voranstellung des Bekenntnisbegriffs sich vollziehende Subjektivierung von ihm nicht bemerkt. Entgegen dem leidenschaftlichen Streben der Reformatoren, eben nicht eine neue Kirche zu bilden, wird man gezwungen, ex nunc, ab 1503 und 1555 zu argumentieren.

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Die existenzielle, geschichtliche Vorgegebenheit der Kirche muß dementsprechend schrittweise zurücktreten. Es wird nicht nur die soziale Form der Kirche als allgemeinverbindliche Ordnung (Gemeinschaft im Sinne der Religionsphänomenologie im Gegensatz zum Bund besonderer Entscheidung und Erwählung) verändert. In Wahrheit ist auch das damalige Luthertum selbstverständlich davon ausgegangen, daß das einzelne Territorium einen allgemeinverbindlichen Kultus hatte, also keineswegs wirklich in jenem Sinne des Gegensatzes Bekenntnisgemeinschaft war. Nur war dieser Kultus jetzt nicht mehr ein der ganzen Christenheit gemeinsamer, sondern in seiner konkreten Form ein adiaphoron, welches um der Ordnung willen die Obrigkeit bestimmen konnte. Allein die calvinisierende Homberger Synode von 1529 hat den sehr bald wieder aufgegebenen Gedanken gehabt, jeden einzelnen Bürger nach seinem Bekenntnis zu fragen, und Christen und Nichtchristen in der Bürgergemeinde nebeneinander bestehen zu lassen (ob damit auch die Duldung der römischen Katholiken verbunden sein sollte, ist fraglich).

In der Kritik Martin Heckels lebt das Pathos des falschen Gegensatzes von objektiv-heteronomer „Kultkirche” und subjektiv-autonomer Bekenntniskirche. Das heißt aber in praxi nur, daß anstelle der universalen Souveränität des Papsttums die partikulare Souveränität der jeweiligen Kirchenkörper tritt — das Papsttum aller Synoden.

Von sachlicher Bedeutung ist jedoch bei ihm der Vermerk, daß nunmehr das Bekenntnis eine ganz neue, wesentlich, grundsätzlich größere Rolle spielt. Aber es wird damit aus der geistgewirkten Antwort auf die Selbstbezeugung, die Selbsttraditio Gottes zur formulieren Summe von Glaubensüberzeugungen. Neben der Umdeutung verschieben sich die Proportionen: das Bekenntnis löst sich endgültig aus dem Gefüge, in das es gehört und in dem es entstanden ist und wird zur sekundären Fundamentalnorm — ein Mißverständnis, gegen welches sich Gloege leidenschaftlich wehrt.

Die unvermeidliche verhängnisvolle Folge ist die als selbstverständlich in Anspruch genommene Souveränität der partikularen Landeskirchen, allerorten ohne verbindliche Gemeinsamkeit und Rücksicht selbst auf die Konfessionsverwandten bekenntnisrechtliche Sonderlagen zu schaffen, die in ihrer geschichtlichen Kontingenz mit niemand, noch nicht einmal mit den nächsten Nachbarn vergleichbar sind und jeder verbindlichen Vergemeinschaftung entgegenstehen, obwohl und weil nicht mit Bestimmtheit auszumachen ist, ob es sich eigentlich um kirchentrennende Merkmale handelt. Alle diese Bildungen wie etwa die mauritianische Reform in Niederhessen, die verschiedenen Partikularunionen sind nicht an sich so verwerflich als wegen der Aufsplitterung des consensus ecclesiae, der sehr wohl in sich einen Spielraum haben muß, von dem aber nicht einfach abgesehen werden kann. Das

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alternative Nebeneinander vollends, das an manchen Stellen anzutreffen ist — bis hin zu sog. Buchbinderunionen, wo in einem Agendenband die verschiedenen Dinge zur Auswahl stehen, — bringt die Hauptstücke des Glaubens in die Nähe der sog. adiaphora.

Diese Bekenntniswillkür hat dann wieder den Rückgriff auf klassische Bekenntnisse allgemeiner Geltung beförtert — der Unionismus treibt den Konfessionalismus, dessen Historismus dann aber wieder den Aktualismus — und es gelingt nicht, diesen Zirkel zu durchbrechen.

Die oekumenische Dimension des Bekenntnisses verwandelt sich in einen abstrakten theologisch-glaubensmäßigen Wahrheitsanspruch. Die scholastische Überlastung der expliziten theologischen Formulierung wird noch gesteigert.

Die oekumenische Dimension des Bekenntnisses ist deshalb nicht die wohlmeinende Bereitschaft zur Gemeinschaft und zum Ausgleich einer sekundären Vergemeinschaftung, welche die unangefochtene Intaktheit der eigenen Existenz immer schon voraussetzt. Die oekumenische Verbindlichkeit des Bekenntnisses ist vielmehr für dieses konstituierend. Sie kann nicht ohne oekumenischen Consensus wahrgenommen werden. Solange die Kirche — auch im Zustand der Kirchenspaltung — Pflicht und Recht des Bekenntnisses festhält, muß sie oekumenisches Konzil halten und zu einem solchen zusammentreten. Ein Konzil von dem Anspruch und dem Ausmaß, welches etwa heute ein panorthodoxes Konzil haben müßte, ist nicht das Höchstmaß, sondern das Mindestmaß, welches zu fordern ist. Denn es setzt immer noch die mit dem Bekenntnisbegriff selbst grundsätzlich unvereinbaren Schismata von 1054 und 1530 voraus. Die konkrete, kirchenrechtlich verbindliche oekumenische Gemeinschaft ist ein konstituierendes Merkmal der Kirche. Der praktisch gewiß nützliche vereinsmäßige Zusammenschluß auf oekumenischer Ebene befördert doch zugleich die irrige Vorstellung eines kongregationalen Zusammenschlusses von unten. Weil Tradition im Für und Wider als Gegenstand, nicht als personaler Vorgang verstanden wurde, ging verloren, was im Vorgang des Bekenntnis aufzunehmen, zu beantworten war: übrig blieb die Partikularität. Mit nicht geringerer Wirkung als die generalisierende Denkform der Scholastik setzte sich der Nominalismus als Generalisierung der Vereinzelung durch. An die Stelle der Mißbildung des Leibes Christi trat seine Auflösung. Erst in der Gegenwart ist uns bewußt geworden, in welchem Ausmaß das oekumenische Bewußtsein der Teilhabe am Leibe Christi verlorengegangen ist.

Deshalb ist der kirchenrechtliche Schluß gerechtfertigt: Subjekt des Bekenntnisses ist das oekumenische Konzil als eine unentbehrliche Repräsentation der allgemeinen Kirche, dessen Beschlüsse der Rezeption durch die Ekklesien bedürfen. Diese selbst sind nur im Notfall zur Bekenntnisbildung berufen und bedürfen dabei der Anerkennung durch

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die oekumenische Gemeinschaft. Ein je für sich bestehendes Bekenntnis ist lediglich ein Akt der Selbstverpflichtung, jedoch ohne kirchenrechtliche Gültigkeit in der Gemeinschaft der Kirchen, wenn es nicht ausdrücklich oder stillschweigend durch Gewährung der vollen Kirchengemeinschaft rezipiert wird. Diese Rezeption kann nicht dadurch umgangen werden, daß die Kirchen sich gegenseitig Bekenntnishoheit zusprechen und sich des Urteils entschlagen. Eine solche Umgehung der Rezeptionsentscheidung entspricht dem Satze des Vatikanums, daß die Kathedralentscheidungen des Papstes ex sese, non ex consensu ecclesiae Gültigkeit besäßen. Das Kirchenrecht beruht auf der wechselseitigen Anerkennung konkreter geistlicher Entscheidung, nicht auf der wechselseitigen Anerkennung geistlicher Souveränität.

Zwischen der verfassungsmäßigen Bindung der Teilkirchen an Schrift, alte und reformatorische Bekenntnisse und der alsbald folgenden Inanspruchnahme eigenständiger Entscheidung für alle Lebensbereiche, klafft eine Lücke und ein Widerspruch. Die Kirche muß sich zwischen geistlicher Zuordnung und körperschaftlicher Souveränität entscheiden, gerade in de Frage des Bekenntnisses, als bekennende Kirche.

Peter Brunner legt die Bekenntnisbindung wie folgt aus:31

„Der Text der CA erhält seine Dignität von der Heiligen Schrift. Wenn jemand zu der Überzeugung käme, daß die CA etwas lehrt, was im Widerspruch zur Schrift steht, so müßte er das Bekenntnis verändern, und das heißt, er müßte aus der lutherischen Kirche ausscheiden. Ein Prediger in der lutherischen Kirche muß die CA im Consensus mit der Heiligen Schrift anerkennen. Das Bekenntnis selbst kann nur corrigiert werden, wenn die Kirche eine Aussage des Bekenntnisses als nicht schriftgemäß beurteilen würde.”

Aber wo ist die Kirche, die daran denkt, das Bekenntnis zu überprüfen? Ist der Horizont der Anfechtung (Gloege) nicht weit und neu genug, um zu dieser Überprüfung zu nötigen? Je mehr die Kirche das Bekenntnis als Gründungsakt und nicht als Antwort versteht, desto mehr setzt sie zwangsläufig den Vorgang des Bekenntnisses außer Übung.