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Anmerkungen zu Kapitel VI

1 Missarum solemnia I, S. 342.

2 ThWNT V, 271.

3 Erik Peterson, Heis Theos — Göttingen 1926.

4 Erik Peterson, a.a.O. S. 141.

5 Erik Peterson, a.a.O. S. 145, 171, 210.

6 J.A. Jungmann, Missarum Solemnia I, S. 341 ff.

7 Jungmann, a.a.O. S. 347.

8 Auf die sakralrechtlichen Elemente weist auch Günther Bornkamm (Herrenmahl und Kirche bei Paulus, Zeitschr. f. Theologie und Kirche 1956, S. 312 ff., 341) besonders hin. Er zitiert hier I. Kor. 11, 27 ff. und verweist auf weitere Untersuchungen über das anathema in der urchristlichen Abendmahlsliturgie, parallele Forschungen von Käsemann, und die Exo-Formel in Mysterienliturgien bei Lukian.

9 Ernst Käsemann, Anliegen und Eigenart der paulinischen Abendmahlslehre, Ev. Theol. 7 (1947/8), S. 263 ff.

10 a.a.O. S. 57.

11 vgl. Kap. III.
Karl Barth, Kirchl. Dogm. I, 1, 89 ff., I, 2, 831 ff. H.D. Wendland, Das Heilsgeschehen in Christus und die Predigt im NT, Schr. d. Theol. Conv. Augsb. Bek. Heft 7. A. Niebergall, Die Predigt als Heilsgeschehen, MS f. Past. Theol. 1959 S. 1 ff., ders., Der Prediger als Zeuge, 1960. Peter Brunner, Die Lehre vom Gottesdienst, Leiturgia I, S. 207 ff. G. Wingren, Die Predigt, Niebergall, D. Geschichte d. chr. Predigt, Leiturgia II, 181 ff.

12 Ich kann hier den sonst so einleuchtenden Ausführungen von Niebergall nicht ganz folgen — die Gründe sind schon früher in der Entwicklung des Zeugenbegriffs dargelegt.

13 Vajta, zit. bei Niebergall a.a.O. S. 15, dieser in s. „Theologie des Gottesdienstes bei Luther”, S. 141 ff.

14 „Wenn man so will, hat es die Predigt ihrer inneren Struktur nach weitaus weniger mit einem Bericht oder einem Vortrag zu tun: sie ist vielmehr forensische Rede, die das Urteil Gottes ausspricht und in Kraft setzt.”
Anm. hierzu: „Die Predigt steht dem Exorzismus sehr viel näher als dem Referat” (M. Fischer, Die Anfechtung des Predigers heute, Bielefeld 1953, 23) — Niebergall a.a.O. S. 16 —
Wenn hier, wie an zahllosen anderen Stellen, zwangsläufig von der Sache her in Rechtsbegriffe geredet wird, so bietet sich eine systematische Prüfung dieser Redeweise an. In diesem Zusammenhang gehört auch der Gedanke des „Prozesses Gottes mit der Welt” (Niebergall a.a.O. S. 15, zit. Löwith, ferner Theo Preis u.a.), der auch nicht nur in bildhafter Uneigentlichkeit verstanden werden kann, sondern seinen folgerichtigen inneren Zusammenhang besitzt, als solcher sich ausprägt und erhellter ist.

15 Niebergall, a.a.O. S. 16.

16 Niebergall, a.a.O. S. 12.

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17 so Rengstorf in ThWNT IV, 459.

18 Barth KD I,1, 97 bejahend zu einer Wendung Gregors von Nyssa.

19 [weggevallen]

20 a.a.O. S. 12.

21 Die Fragen der Lehre als Inhaltsbestimmung der Predigt gehören teils in das Bekenntnisrecht, teils in das Ämterrecht.

22 Peter Brunner, Zur Lehre vom Gottesdienst, Leiturgia I, S. 191 ff.

23 a.a.O. S. 192, und ebda. Anm. 120.

24 Die Doppelläufigkeit des Gottesdienstes tritt hier bei Luther in einem markanten Weise hervor:
„Non ergo sunt confundenda illa duo, missa et oratio, sacramentum et opus, testamentum et sacrificium, quia alterum venit a deo ad nos per ministerium sacerdotis et exigit fidem, alterum procedit a fide nostra ad deum per sacerdotem et exigit exauditionem, illud descendit, hoc ascendit …” (6. 526: 13) (Vajta, a.a.O. 281, Anm. 38).
„Hie (I. Petr. 2, 5) rüret er das predig ampt, wilchs ist das recht opffer ampt (Ps. 50, 23) … Denn durch predigen wird Gottes Gnade gepreyset, und das heyst lob und danck opffern, wie auch S. Paulus Ro 16 sich rhümet, das er das Evangelion heylige odder opffere” — 17 II : 21 (Vajta, S. 290, Anm. 78).

25 vgl. im einzelnen Kap. VIII.

26 So sagt der Dominikaner Yves Congar in einem Aufsatz „La structure du sacerdoce chrétien” (S. 144, in La Maison-Dieu Nr. 27 — 3. Trimester 1951):

„Wiewohl der hierarchische Priester allein das sichtbare Opfer vollzieht, hat die Teilnahme der Gläubigen nach ,Mediator Dei’ eine liturgische Bedeutung, die sich im ,Amen’ zum Canon und insgesamt im Dialog der Messe kundtat. Wenn man die alten Texten liest, besonders die des westlichen Hochmittelalters, ist man von der Tatsache beeindruckt, daß sie noch erheblich mehr als dies zu sagen schienen. Die Gläubigen erscheinen da als wirkliche Zelebranten des Mysteriums. So wenig wie heute erkannte man ihnen damals die Gewalt zu, die heiligen Gaben zu konsekrieren. Aber man scheint zu denken, daß diese Konsekration nur im Schoße ihrer Glaubens- und Gebetseinheit geschehen kann. Die neuere Sakramentstheologie interessiert sich fast nur noch für die kanonischen Bedingungen der Gültigkeit, doch in ganz ungenügender Weise für den inneren Sinn der Dinge. Sie legt sehr genau das Minimum von Gesten, Worten, Materie und Intention fest, das die Gültigkeit der Zelebration verbürgt, aber sie beschäftigt sich kaum mit dem kirchlichen und religiösen Sinn der Dinge … Mit einem Wort, wir haben heute als Ekklesiologie eine  reichlich juristische Theologie der hierarchischen Gewalten, aber keine Theologie der Ecclesia.” „Doch die Kirche, wiewohl hierarchisch aufgebaut, lebt in ihrem ganzen Volk: die Laien, sagt der heilige Chrysostomos, sind das priesterliche Pleroma des Bischofs. Es ist das Gezetz der Kirche, wenn man sie in ihrer lebendigen Wirklichkeit betrachtet, und nicht

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nur in ihrem Skelett, daß die hierarchische Tätigkeit oder Übermittlung und die Zustimmung der Gemeinde Hand in Hand gehen. Solange man diese überlieferte Einsicht der Ekklesiologie nicht wiederhergestellt hat, kann eine Fülle liturgischer und pastoraler, ja apostolischer Probleme nicht gelöst werden; ein paar kanonistische Distinktionen ersetzen nicht die schlichte Wirklichkeit eines wahrheitsgemäßen Lebens.” „So wird paradoxerweise aus der Wahrheit, daß der Priester als Minister Christi zelebriert und deshalb namens seines ganzen Leibes, nicht mehr gefolgert, daß der ganze Leib an der Zelebration teilnimmt, sondern vielmehr, daß der Priester, wenn er allein zelebriert, das Opfer des ganzen Leibes feiert. Also kann er in Abwesenheit der Gläubigen zelebrieren.”

Dieser unbestreitbare Tatbestand kann nicht, wie die abdruckende Herder-Korrespondenz (Jg. 1951/52, S. 479) es versucht, mit der Abwehr protestantischer, gallikanischer und jansenistischer „Irrtümer” entschuldigt werden. So wenig Unrecht Unrecht rechtfertigt, so wenig eine etwaige falsche Meinung eine eigene falsche. Sollte nicht gerade in jenem wenig überzeugenden Vorgang der Grund jenes angeblich häretischen Protestes liegen?
Man vergleiche mit dieser Kritik Congars die Darstellung von Msgr. Dr. Johannes Wagner, Direktor des Institutum liturgicum, Trier (Herderkorr. XIII/6, März 1959, S. 270):

„Während im Osten das Mysteriendrama bleibt, macht der Genius Roms, der ein Genius des Rechtes ist, aus der heiligen Messe eine actio der civitas Dei. Dies kommt deutlich bei der Großgestalt der römischen Meßfeier zum Ausdruck: in der Mitte der Vorsitzende, ihm zur Seite die Bischöfe und Priester und weltlichen Würdenträger, vor ihm das Volk, das den Kirchenraum erfüllt. Die oratio, die offizielle Rede des Vorsitzenden an Gott nach den Gesetzen antiker Rhetorik: das Volk akklamiert mit Amen … Eine solche Form der Meßfeier vollzieht sich als actio der ganzen Kirche: das ganze Volk akklamiert, alle nehmen am Opfergang geilt, alle gehen zur heiligen Kommunion. Diese Form wurde unter Karl dem Großen für das Frankenreich auch bei den kleineren Feiern in den Städten und den kleinsten Gemeinden übernommen. Dabei verlor sich jedoch das Moment der Gemeinschaftsfeier aus dem Bewußtsein der Gläubigen immer mehr. Mitbestimmt durch die Überzeugung und Erfahrung, daß die Gegenwart Christi die Dämonen vertreibe, wurde die Messe ein heiliges Werk, verrichtet von denen, die dazu die Vollmacht haben. Die Messe ist somit nicht mehr eine actio der ganzen Kirche, sondern eine actio des Priesters für die übrigen. Diese Entwicklung ging weiter bis zur Privatmesse und dauerte viele Jahrhunderte an.”

An dieser Darstellung ist mehreres bemerkenswert. Zunächst einmal zerstört auch die Ausgestaltung als Staatsakt noch keineswegs das konstitutive Gegenüber und Miteinander von Amt und Gemeinde. Noch wir der Gemeinschaftscharakter gewahrt. Der Vorgangscharakter, der im Mysteriendrama voransteht, setzt sich im Ablauf des Geschehens und

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in seiner Richtung auf die allgemeine Kommunion ohne grundsätzliche Hindernisse ebenfalls durch. Der Unterschied zwischen griechischer und lateinischer Gestaltung ist, so bedeutend er im Erscheinungsbilde sich darstellt, noch keine Verletzung der Struktur. Der als Substrat der Gestaltung benutzte Rechtsgedanken zerstört keineswegs das Gefüge.
Die Erklärung jedoch für den Verlust des Gemeinschaftscharakters ist in keiner Weise überzeugend. Wenn eine Großgemeinde den Gemeinschaftscharakter durchhalten kann, warum dann nicht die Kleingemeinde? Was dieser an Möglichkeiten der vielfältigen Ausgestaltung und Rollenverteilung abgeht, kann sie durch die größere Unmittelbarkeit der Verbundenheit wettmachen. Er sind höchstens sekundäre geschichtliche Momente, die hier zu Unrecht in den ersten Rang der Gründe gestellt werden. Ohne eine zentrale Sinnveränderung ist eine solche Wandlung nicht zu erklären.

27 „Missarum solemnia” I, 137 ff.

28 Leiturgia I, S. 60.

29 a.a.O. S. 59.

30 Auf die Fatalität dieser spiritualen ecclesiola in ecclesia brauchen wir nicht weiter einzugehen, wenn dieses Wort heute auch immer wieder mißbraucht wird. Während die katholische Laienbewegung um die Gemeinschaftsmesse ringt, damit die Laien in der Kirche mündig werden, wird uns die Nichtliturgie als Zeichen der Mündigkeit des Christen vorgehalten.

31 vgl. Kap. VIII.

32 Peregrinatio, S. 166, 171.

33 Nagel, a.a.O. S. 405.

34 Dieses Wort ist uns fremd geworden, während es etwa Luther im Titel seiner Schrift über das Altarsakrament ganz selbstverständlich verwendet.

35 — man ist versucht zu sagen: Maske und kommt damit auf den Zusammenhang von persona und Rolle —

36 vgl. hierzu Dombois, Der Kampf um das Kirchenrecht, in: Um die Katholizität der Kirche, 1957.

37 Peter Brunner, Das Hirtenamt und die Frau, Luth. Rundschau 1960, 298.

38 s. Kap. I.

39 hierzu ThWNT III, 760, und E. Kinder, Die Bedeutung der Einsetzungsworte beim Abendmahl nach lutherischem Verständnis, Ev.-Luth. Kirchen Ztg. 1960, S. 361 ff. Die weiteren, in der gleichen Linie liegenden Arbeiten von Kinder und Schanze in Luthertum 25 (1961) — Abendmahlshandlung und Konsekration — konnte ich nicht mehr im einzelnen auswerten. Kinder sagt freilich eindeutig, daß eine eigentliche Konsekrationstheorie erst seit dem 12. Jahrhundert im Abendland Anerkennung gefunden hat — genau im Zeitpunkt des Zerfalls der Gemeinschaftsmesse! Daß die lutherische Theologie gerade diese Tradition vollstreckt und meint, ihrer Engführung mit Umgestaltungen und Umdeutungen entgehen zu können, ist beängstigend. Die Frage hat gewiß noch zahlreiche weitere Aspekte — so kann sie gewiß nicht gelöst

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werden. Meine Sache war es nur, auf geistes- und sozialgeschichtliche Zusammenhänge hinzuweisen, die hier sichtbar werden, und zugleich kirchenrechtliche relevant sind.

40 a.a.O. ebenda.

41 Kinder, a.a.O. S. 363, Grass, Diestelmann.

42 vgl. Kap. VIII.

43 Über den einseitigen Aktcharakter der lateinischen Tradition auf allen Gebieten vgl. meinen Beitrag zur Festschrift Karrer (Roesle-Cullmann, Begegnung der Christen) 1959, S. 391 ff.

44 vgl. insbes. Ernst Sommerlath in ELKZ 1959/3 S. 33ff.

Buchrucker in Inf. Bl. f.d. Gem. d. Niederd. Landesk. 1959, Heft 20.

45 Daher die of erstaunlichen Einflüsse calvinischer Theologie im Raum der griechischen Kirche, so durch Kyrillos Lukaris im 17. Jh.

46 vgl. D. Bonhoeffer, Ethik, S. 61:
„Das Wirklichkeitsganze zerfällt in zwei Teile, und das ethische Bemühen geht um die rechte Beziehung der beiden Teil zueinander. In der Hochscholastik wird das Reich des Natürlichen dem Reich der Gnade unterworfen, im Pseudoluthertum wird die Eigengesetzlichkeit der Ordnungen dieser Welt gegen das Gesetz Christi proklamiert. Im Schwärmertum tritt die Gemeinde der Erwählten gegen die Feindschaft der Welt zum Kampf für die Errichtung des Reiches Gottes auf Erden an. Überall wird damit die Sache Christi zu eine partiellen, provinziellen Angelegenheit innerhalb des Wirklichkeitsganzen — unter dem Verzicht auf das Wirklichkeitsganze stellt er sich in einen der beiden Räume, er will Christus ohne die Welt, oder die Welt ohne Christus.”
Aber sind nicht die hier beschriebenen Haltungen der christlichen Ethik die handgreiflichen Folgen davon, daß das Wirklichkeitsganze des Gottesdienstes zuvor aufgelöst ist, indem diese sich dann isolierenden Tendenzen geeint, verschränkt, ineinandergebunden waren? An der trinitarischen Einheit des Gottesdienstes entscheidet sich auch die Ethik.

47 „Amt und geistliche Vollmacht”.

48 Kirche als Institution in der Gesellschaft, Z.f. Ev. Ethik, 1960, S. 73 ff.

49 KD I,2 bes. S. 673 ff: Die Autorität unter dem Wort.

50 Es ist freilich mit der Autorität des Kirchenvaters Calvin seit der Kritik Karl Barths eine eigentümliche Sache. Denn bei höchster Anerkennung der klaren Gesamtlinie seiner Theologie, ihrer Zucht und Disziplin, seines fruchtbaren Wirkens, sagt nun eben derselbe Barth, daß seine Theologie auf der ganzen Linie durch einen und denselben Fehler des Ansatzes charakterisiert und mehr oder weniger bedroht sei, durch eine Vorstellung von einer verborgenen Souveränität Gottes, welche er nicht in der heiligen Schrift gefunden, sondern von anderswoher in sie hineingetragen habe. Muß man nun, wenn dies nicht die Wurzel, aber doch der „dunkle Hintergrund” aller Antworten Calvins auf theologische Fragen gewesen ist, diese Autorität durch diejenige des Kirchenvaters Barth substruieren und ergänzen? (s. Karl Barth, Calvin als Theologe, Theol.

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Lit.-Ztg. 1959, S. 242). Und wie ist es mit Luther, den wir lieben und ehren wie die Söhne den Vater, mit allen Grenzen, Eigenheiten und Schwächen, in dessen Tiefe und Kraft, Leidenschaft und Menschlichkeit nicht nur wir Deutschen, sondern eine ganze Gruppe von Völkern ihr Bestes wiederfinden?

51 Vorträge über das Vaterproblem in Psychotherapie, Religion und Gesellschaft, hgg. von Dr. Dr. W. Bitter, Stuttgart 1954 (3. Arbeitstagung der Gemeinschaft „Arzt und Seelsorger”).

52 Hans Rudolf Müller-Schwefe, Die Welt ohne Väter, 1957, S. 28 f.

53 vgl. im einzelnen Kap. VIII.

54 E. Kinder, Luthers Ableitung der geistlichen und weltlichen „Oberkeit” aus dem 4. Gebot, Festschr. f. Joh. Heckel „Für Kirche und Recht” S. 270 ff.

55 W. Maurer, Pfarrerrecht.

56 so ausdr. Kinder a.a.O.

57 vgl. Kap. IV.

58 Kirchl. Dogmatik I,2, S. 853.

59 Lehre vom Gottesdienst, Leiturgia I, S. 185.

60 K.H. Schelkle, Das Wort in der Kirche, ThQS 1953, S. 278 ff., ferner zahlreiche weitere katholische Stimmen, die in einem Aufsatz von Wilhelm Jannasch, Materialdienst des konfessionskundlichen Instituts des Ev. Bundes (9) Nr. 6 Nov./Dez. 1958, S. 101, aufgeführt werden.
Ebenso sehr ausführlich Otto Semmelroth S.J. in „Das geistliche Amt” in dem Abschnitt: „Wort und Sakrament als Lebensausdruck der Kirche”, S. 147 ff.

61 Urchristentum und Gottesdienst, S. 31/2.

62 Leiturgia I, S. 7 ff.

63 Heinrich Siebrasse, ungedr. Ms.

64 Siebrasse, a.a.O.

65 Im Sinne dieses Ausgleichs sagt etwa Eberhard Weissmann (Leiturgia III, S. 5 f.):

„Die mittelalterliche Messe mit ihrem prinzipiellen (!?) Verzicht auf die Predigt war ein Gottesdienst des Sakramentes ohne das Wort. Der Neuprotestantismus der beiden letzten Jahrhunderte mit seinem praktischen Verzicht auf das Abendmahl beging einen Gottesdienst des Wortes ohne Sakrament. Weil die römische Kirche die Wortverkündigung, die für die Urchristenheit untrennbar zum Herrenmahl gehört hatte, in das Sakrament hinein auflöste, mußte auch das Sakrament selbst entarten zu einem seiner Stiftung entfremdeten Sinn. Denn es wurde nicht mehr geschützt und gedeutet durch das Wort. Gegen diese Entartung und Vereinseitigung des Sakramentes erhob die Reformation ihren Protest dadurch, daß sie mit starker Betonung das Wort wieder an den ihm gebührenden Platz setzte und den vom Sakrament und Wort getragenen Gottesdienst wieder herstellte. Der ungeheure Predigtimpuls, der die Reformationszeit erfüllte gegenüber der sakramentalen Gottesdienstauffassung des Mittelalters, bewirte allerdings schon damals, daß man sich da und dort mit reinen Wortgottesdiensten am Sonntag begnügte und das Abendmahl nur von Zeit zu Zeit

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damit kombinierte. War es ein Wunder, daß das so lange vernachlässigte und unterdrückte Wort nach solcher „Überbetonung” drängte? Solange die Überwindung des mittelalterlichen Sakramentalismus noch als lebendige Gegenwartsaufgabe empfunden wurde, wurde solche Bevorzugung des Wortes und damit der Predigt richtig verstanden. Als jedoch bei den späteren Generationen die Korrektur des römischen Irrtums keine aktuelle Angelegenheit mehr war, mußte die Abwertung des Sakraments zugunsten der Predigt zu schweren Schäden führen. Nun war es die Predigt, die entartete und den Subjektivismus zum Opfer fiel, weil ihr das Gegenüber des Sakraments fehlte.”

66 Manfred Metzger, MS. f. Past. Th. 1960, S. 15.

67 Joh. Dürr, Der reformierte Gottesdienst und die liturgische Erneuerungsbewegung, Theol. Studien, 1959, Zürich.

68 a.a.O. S. 184.

69 vgl. hierzu noch besonders Kap. XII.

70 Freilich gibt die Widersprüchlichkeit der Formulierungen der Augsburgischen Konfession selbst zu dem Irrtum Anlaß, es solle die verbale Verkündigung vorgezogen werden. Wenn der lateinische und der deutsche Text in Art. V auseinandergehen, und ministerium ecclesiasticum gleichzeitig Predigtamt heißt, so ist diese Deutung kaum zu vermeiden, die doch wiederum der schlichten Gleichstellung in Art. VII widerspricht. So bringt das eine, das Konkretum „Predigtamt” den eigenen ekklesiologischen Ansatz ins Zwielicht, während das Abstraktum „ministerium ecclesiasticum” die notwendige und unvermeidliche Entscheidung zu einem konkreten von den Dienstverrichtungen zu gewinnenden Amtstypus vermeidet. Es ist daher kein Wunder, daß sowohl der Amtsbegriff wie das Verhältnis der Verrichtungen bis heute ungeklärt geblieben ist.

71 Syst. Theologie I, S. 148.

72 So kann W. Lohff in einer (positiven) Besprechung von Regin Prenters Dogmatik (Schöpfung und Erlösung, Th.Lit.Z. 1960, Sp. 733) von der „typisch lutherischen Aporie bei der Bestimmung des Propriums der Sakramente wie der unfruchtbaren Verengung der Besinnung auf den modus praesentiae” reden, welchen Prenter „durch die Einbeziehung des Abendmahls in den ordo salutis entgehe”. Die Frage steht also an. „Ordo salutis als Heilsweg der Erneuerung ist kein in psychologisch nachweisbaren Stadien ablaufender religiöser Entwicklungsgang, sondern der sakramental geordnete Lebensgang des gerechtfertigten Sünders im Kampf des Glaubens mit der Sünde (simul justus et peccator) auf dem Wege von der Taufe zum Tode” (Prenter 416). Weil in der Lehre von der Erneuerung Rechtfertigungs- und Sakramentslehre (bei Prenter) zusammengefaßt sind und einander interpretieren, deshalb bewahrt die Sakramentslehre das dogmatische Denken davor, die Rechtfertigungslehre subjektivistisch zu entfalten (psychologisch oder existenzialistisch), während umgekehrt die durch Gesetz und Evangelium bestimmte Rechtfertigungslehre das Sakramentsverständnis davor bewahrt, naturalistisch-magisch zu werden (Lohff). In diesem Zusammenhang gewinnt

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auch der Glaube seinen Vorrang vor der Lehre wieder. Hier werden auch die in Kap. X (Bekenntnis) behandelten Fragen schon positiv präjudiziert. Prenter tut hier Schritte in offenen Fragen voran, welche die lutherische Theologie seit eh und je nun eben nicht getan hat.
Prenter sieht im Zusammenhang mit dem für ihn wesentlichen Gegensatz über die manducatio oralis et indignorum als ernsten Grund der Trennung „die Tatsache, daß die reformierte Abendmahlsauffassung Hand in Hand mit einer liturgischen Tradition gehe, derzufolge das Abendmahl nicht mehr ein notwendiger Bestandteil des Hauptgottesdienstes der Gemeinde neben der Verkündigung des Evangeliums sei, sondern auf besondere Gottesdienste verlegt werde, die nur wenige Male im Jahr gefeiert werden” (165). Nicht allein am Abendmahlsverständnis an sich, sondern der Gesamtkonzeption des gottesdienstlichen Handelns, der lex orandi überhaupt, werden also wesentliche Dinge sichtbar, die die Lehre als solche noch nicht notwendig festhält.
Vgl. im übrigen die Ausführungen Prenters zum Bekenntnisbegriff.

73 Hierzu sagt Alfred Niebergall (a.a.O. S. 12 f.):

„Die Predigt steht in einem gewissen Sinn zwischen Taufe und Abendmahl: sie erinnert an die Taufe und lädt zum Abendmahl. Dies darf nicht so mißverstanden werden, als habe die Predigt das Taufgeschehen ständig zu explizieren und das Abendmahl oder gar die Abendmahlsfeier unaufhörlich zu interpretieren. Aber die Predigt kann nicht davon absehen, daß es nicht nur Taufe und Abendmahl in der Gemeinde gibt, sondern daß ihre Zuhörer — wenigstens in de Regel — faktisch getaufte Christen und potenzielle Abendmahlsgäste sind.” Dann seien einige Sätze aus der betont reformierten Homiletik Albert Schädelins zitiert: „Der kirchliche Charakter der Predigt erweist sich deshalb auch in ihrer strikten und dauernden Übereinstimmung mit diesen beiden Zeichen (nämlich Taufe und Abendmahl), an denen sie sich ohne Unterlaß orientiert … (Denn das Abendmahl) gibt der Predigt immer wieder auch inhaltlich die rechte Ausrichtung. Es zeigt an, welches die Mitte der Schrift ist, und wird dadurch zum Wegweiser auch für die Predigt. In der Bibel stehen ja unendlich viele Dinge. Alle tragen sie ja freilich die heimliche Ausrichtung nach der vom Sakrament bezeichneten Mitte in sich. Würde dem Prediger diese Orientierung fehlen, dann wäre auch der Text keine Garantie dafür, daß evangelisch gepredigt würde. Auch die Textgepflogenheit ist noch kein sicherer Schütz gegen die Unkirchlichkeit der Predigt. Verlöre die Kirche das Sakrament, dann würde dies bedeuten, daß auch die Predigt ihre Ausrichtung nach dem verlöre, was durch das Sakrament als Mitte der Schrift bezeichnet wird, nämlich die Ausrichtung auf Tod und Auferstehung Jesu Christi. Damit hätte aber nicht nur die Predigt ihren kirchlichen Charakter, sondern es hätte auch die Kirche selber sich verloren.” (A. Schädelin, Die rechte Predigt, Zürich 1953, 28 f. — Vgl. auch W. Trillhaas, Evangelische Predigtlehre, München 1955, 11 ff. und 26 ff.)

Ebenso sagt Barth:

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„Zum Zeichen dieser Lebensordnung und Lebenserhaltung durch das Wort in der Vermittlung des Propheten- und Apostelwortes sind wir an Taufe und Abendmahl gebunden. Denn von diesem Leben, dem Leben der Kinder Gottes, ist diese Lebensordnung, diese Lebenserhaltung nicht zu trennen. Es ist nur dieses Leben, weil und sofern es Leben aus der Gnade unseres Herrn Jesus Christus ist. Das ist es aber nur, indem es so beschaffen ist in bezug auf Ordnung und Erhaltung, wie es durch das Sakrament bezeichnet ist. Darum und in diesem Sinn muß man allen Ernstes sagen, daß das Sakrament ein unentbehrliches ,Gnadenmittel’ ist. (Man muß in diesem Begriff nur das Wort ,Gnade’ betonen, um es recht zu verstehen!) Und man wird sich dann durch die Klage über ,römischen Sakramentalismus’ den Satz nicht verwehren lassen: die Kirche ist nach ihrer objektiven Seite sakramental, das heißt nach Analogie von Taufe und Abendmahl zu verstehen. Oder: der Raum der subjektiven Wirklichkeit der Offenbarung ist der sakramentale Raum. Das hat mit dem römischen opus operatum oder gar mit heidnischer ,Magie’ nichts zu tun. Sakramentaler Raum will sagen: der Raum, in welchem sich der Mensch zu verstehen hat als auf dem Weg von der ihm schon gespendeten Taufe zu dem ihm zu spendenden Abendmahl, der Raum, in welchem er mit dem Glauben anfängt, um so zum Glauben zu kommen: ek pisteoos eis pistin (Röm. 1, 17). Auf diesem Weg wird sich der Mensch als Empfänger der Offenbarung sicher recht verstehen. Und eben in diesem Raum hat auch die Theologie ihren Anfang und Ziel zu suchen, und nach seinem Gesetz hat sich ihre Methode zu richten.” (Kirchl. Dogmatik I,2 S. 253).

Über das gleiche Verhältnis sagt Ernst Käsemann:

„Nach Paulus ergänzen sich … Sakramentsvollzug und charismatische Predigt: so wie im Sakrament das eschatologische soma Christou bereits geschaffen wurde, so wird es in der Predigt neu ,erbaut’, ,befestigt’, ‘gestärkt’…
Die Predigt zerstört immer wieder die versucherische Weltlichkeit auf Grund dessen, daß die sündige Weltlichkeit sakramental in der Taufe zerstört ist und im Herrenmahl die Herrschaft des Kyrios über den Aion seiner Kirche proklamiert und ergriffen wird.
Und zwar vollzieht die Predigt ihre Aufgabe gedoppelt: einerseits als ,Befestigung’ des sakramentalen Seins bei den Gliedern der Kirche, andererseits als Proklamation der neuen Heilsordnung für die Welt … Wie aber diese Verkündigung die Realität des Sakramentsvollzuges voraussetzt, so haftete ihr selbst auch ,sakramentale’ Wirklichkeit an. Denn die Predigt wirkt, weil das Sakrament gewirkt hat. Nicht ist für die Urchristenheit das Sakrament verbum visibile, sondern umgekehrt möchte man für Paulus sagen, die Predigt sei sacramentum audibile. Als Prediger ist der Apostel ,Liturg’, der das Gottesheil priesterlich verwaltet und die Welt Gott zum Opfer bringt.
Nicht die Welt als solche, die Kirche ist identisch mit der Neuschöpfung.
Aber das besagt nicht, daß man mystisch und dem inneren Menschen

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nach Gottes Geschöpf wäre. Geradezu äußerlich ist man in die selber sakramental-,äußerliche’ Heilsordnung der Kirche gestellt, so daß man dem Christus mit dem Leibe angehört (1. Kor. 6, 15 f.). Wie dieser in seiner Kirche leiblich-konkret an uns als an seinen Gliedern handelt, so haben wir ihm leiblich-konkret als dem Kyrios Gehorsam zu leisten” (Leib und Leib Christi, 1933, S. 180 ff.).

74 Calwer Ausg. 1931 II, S. 382.

75 hierzu vgl. Kap. XII.

76 Van der Leeuw (a.a.O. 56 ff.) entnehme ich zur Abendmahlsfrage noch den Hinweis:
„In Augustins Begriff des verbum visibile liegt ein großer Teil der abendländischen Sakramentsgeschichte begründet” (59). Wenn „das Sakrament sich direkt auf die organische Wahrnehmung, indirekt auf den Glauben richtet, das Wort sogleich auf das Innere des Menschen”, so entsteht die Frage, „was ist das Wichtigste, das Wort oder das Zeichen?” In der Bibel und in der nachapostolischen Zeit kann diese Frage nicht aufkommen, weil das Zeichen als solches wirkt und spricht. Andererseits kann sich auch die Lehre vom opus operatum auf Augustin berufen, der in der Abwehr der Donatisten in der umgekehrten Richtung argumentierte. Die spiritualistische Spaltung liegt in seiner Person offen vor uns.
„Die erste Linie wird in der Reformation vollendet, die zweite in der römisch-katholischen Kirche. Zwischen beiden sich auf diesen Linien fortbewegenden Mächten wird das Sakrament fast ganz erdrückt.” (60)
Die altkirchlich-ostkirchliche Epiklese wird durch die Konsekration ersetzt, diese bis zur Evokation, der theurgischen Provokation Gottes entwickelt.
Das Heft 7 der Schriften des Theologischen Convents Augsburgischen Bekenntnisses verdankt der von meinen Freunden angeregten Frage nach dem Verhältnis von Predigt und Sakramenten seine Entstehung. Es behandelt freilich nun Predigt, Taufe, Abendmahl noch jeweils für sich und erst im Querschnitt miteinander. Angesichts der gemeinsamen Merkmale von Predigt und Sakrament — sie sind leibhaft, geschichtlich, Formen des verbum externum — fordert H.D. Wendland neue Kategorien, für die dadurch nicht überflüssig geworden Unterscheidung beider Bereiche (S. 24/5).

77 a.a.O. S. 90:
„Die personale Bezogenheit der Offenbarung des sakramentalen Geschehens, erlangt gerade in der Privatbeichte ihre besondere Veranschaulichung. Gegenüber der Gefahr einer Verabsolutierung der Predigt stellen die Schlüssel die Greifbarkeit des bezogenen Wortes dar, sie sind eine ständige Konkretheit der ad hominem gerichteten Gnadenbotschaft.
Bei genauem Zusehen steht nicht nur die sakramentale Zeichenhaftigkeit als solche, sondern auch der in einer ausgezeichneten Weise auf die Einzelperson gerichtete Modus der Applikation im Dienst der Heilsgewißheit. Über den Unterschied zwischen dem der Allgemeinheit geltenden kerygmatischen Wort und dem in einer besonderen personalen

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Bezogenheit gespendeten Sakrament hat Luther sich so geäußert: est haec differentia: quando praedico Christi justitiam … nemini aliquod do, sed qui capit, capiat. Quando vero do corpus, do tibi privato corpus eius et sanguinem, per quae habes remissionem peccatorum. Eben dieses als sakramentalen Zug Gekennzeichnete hebt Luther auch bei der Privatbeichte hervor. Es gehört zu ihrem Proprium, daß die Vergebung darin ,eim yglichen sunderlich gesprochen wirdt’.”
„Hier ist festzuhalten, daß die Schlüssel des Bindens und Lösens mit der allgemeinen Predigt der Vergebung für alle Welt nicht einfach gleichgesetzt werden. Bei letzterer handelt es sich vielmehr um eine Funktion des in Luk. 11, 52 verankerten ,Schlüssels der Erkenntnis’, welcher ist ,gantz und gar ein ander Schlüssel’ als die beiden aus Matth. 16, 19; 18, 18 und Joh. 20, 22. Mit dem Schlüssel der Erkenntnis meint Christus das ,predigen und lehren…’” … (Roth, Privatbeichte, S. 50 f.).
Kreck in: Bizer-Kreck, D. Abendmahlslehre in den reformierten Bekenntnisschriften, Th.Ex.h., NF 47 interpretiert jedoch ausdrücklich den Heidelberger Katechismus dahin: Die Sakramente seien wohl Gnadenmittel, aber im Unterschied zur Predigt nicht wirkende, sondern bestätigende Gnadenmittel, die das Hören des Evangeliums und den Glauben voraussetzen. Es wird hier sehr deutlich sichtbar, wie sehr das Verständnis des Gottesdienstes als Einheit und Gesamtheit, nicht nur das Verständnis von Predigt und Sakrament überhaupt und für sich entscheidend ist, und dieser Gesamtvorgang ist keineswegs genügend erörtert. Im konfirmatorischen Verständnis des Realhandelns wird im Lichte der Rechtsgeschichte die unbewußte Verbürgerlichung der Vorstellungen sichtbar (vgl. auch Graß in Th.Lit.Z. 1960, S. 306).

78 MS f. Past. Theol. 1960, S. 14 ff.

79 vgl. Kap. II, S. 88, 115.

80 Die patristische Exegese bietet gewisse, aber nicht sehr ausgeprägte Hinweise auf das heilsgeschichtliche Moment im Gleichnis Luk. 15, 11-32:
Sowohl Tertullian wie Chrysostomos wenden das Gleichnis auf den reuigen Sünder an, welcher in die kirchliche Gemeinschaft wieder aufgenommen wird.
(Tertullian, Migne, Ser. Lat. I, 1242 = lib. de poenitentia cap. VIII)
(Chrysostomos, Migne, Ser. Graeca LIC 515 ff.)
Bei dem letzteren sind die Knechte, die der Vater ruft, die „hiereis kai leitourgoi”. Sie bekleiden ihn mit der Stola, d.h. dem neos Adam, stecken ihm den Ring an den Finger, d.h. vermitteln ihm den arrabon tou pneumatos. Das geschlachtete Kalb ist Christus.
Bei Augustin (Quaestionum Evangelicarum lib. II, Quaest. in Evang. sec. Luc. — Migne Ser. Lat. XXXVI 1344 ff.) sind die zwei Söhne zwei stirpes, populi, — der Ältere bleibt in der einen Gottesverehrung, der andere trennt sich davon. Der „Bürger”, an den er sich „hängt”, ist wie bei Chrysostomos ein (dämonischer) princeps aerius. Die Anwendung auf die Kirchenbuße fehlt auch hier nicht: constitutus in ecclesia incipit peccata confiteri. In der Versöhnung werden dann zwei Akte unterschieden, wenn auch nicht weiter darüber reflektiert: „Stola prima est

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dignitas quam perdidit Adam”, sie wird ihm durch die Knechte, die „praedicatores reconciliationis” vermittelt. Der Ring dagegen ist „pignus spiritus sancti propter gratiae partitionem” (oder participationem). Das Verhältnis beider wird nicht erörtert. Das geschlachtete Kalb ist auch hier Christus, der ältere Sohn Israel.
Die Mehraktigkeit wird also vermerkt, aber in das auftraggemäße Tun der Knechte verlagert und auch verwirklicht.
Die Wiederaufnahme durch den Vater tritt also ganz zurück zugunsten der Bekleidung durch die Knechte, aber auch bei dieser hat es nicht sein Bewenden, sondern sie erfährt eine Fortsetzung und Steigerung durch die Ringverleihung, deren Rechtscharakter anklingt (Pfandgabe als Angeld, vgl. das über das Angeld Gesagte). Der progressive und konstitutive Charakter ist deutlich festgehalten, die für uns deutlichere praedestinatarische Seite tritt nicht hervor. Die (philosophisch unmögliche) Vorstellung eines rein deklaratorischen Handelns steht offenbar für die Kirchenväter nicht zur Debatte. Aber sie weisen auf eine differenzierende Auslegung hin, wie sie hier versucht wird.
Es ist hier einer von Karl Barth (KD IV,1, S. 586) der Vergessenheit entrissenen Lehre Luthers zu gedenken: dieser redet von dem unicus articulus justificationis in einer „durchgehenden und durchaus nicht schmalen Linie” offenkundig zweispurig — — „in beträchtlicher Übereinstimmung mit Calvin, — von einer doppelten sanatio, doppelten Heiligung, doppelten Reinigung, doppelten Rechtfertigung, doppelten Hilfe Christi, doppelten Gesetzeserfüllung — die erste kraft der Zurechnung der Gerechtigkeit Christi, die andere kraft der ein neues Leben erzeugenden Gabe des Heiligen Geistes — von denen keines zugunsten des anderen vergessen oder vernachlässigt werden dürfe”. Es tauch in dieser Lehre das auch uns hier bewegende Problem auf. Es hat sich ja freilich der abendländische Mensch unter dem Vorantritt der ehrwürdigsten Kirchenväter in einem solchen Maße für sich selbst und die Bedeutsamkeit seines Handelns interessiert, daß die Frage völlig zurückgetreten ist, durch welche und in welcher Vergemeinschaftung dieses Handeln allein möglich und sinnvoll ist. Es geht um das Eingepflanztwerden, das Erhaltenwerden und das Bleiben in Christo, in der Gemeinschaft der Freiheit, als Freiheit. Wäre diese Einsich unverkürzt geblieben, dann hätte die falsche Alternative zwischen Quietismus und ethischem Aktivismus als Heiligung niemals auftreten können. Es hat ja nun gerade nicht die komplizierte tridentinische Rechtfertigungslehre, die hier den freien Willen retten will, sondern die reformatorische Lehre von der Alleinwirksamkeit Gottes jene expansive, der Welt zugewandte Ethik hervorgebracht, welche sich selbst säkularisiert und ihren eigenen Ausgangspunkt aufhebt — eben weil zwischen Rechtfertigung und neuer Freiheit des Handelns jene Gnadengabe der Gemeinschaft ausgefallen war. Das liegt durchaus im Zuge des steigenden Übergewichts der Entscheidungskategorie und des Voluntarismus in der abendländischen Theologie, welches sich überall herausstellt, und vermöge dessen die Handlungsfreiheit Gottes und des Menschen in Disjunktion und

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Conjunktion unter Ausschluß anderer Kategorien zum ausschließlichen Problem wurde. Die Rechtsgeschichte als Kontext zeigt die Fragwürdigkeit und Einseitigkeit dieser Linie, die in gefährlicher Weise sich gerade dort mit sozialgeschichtlichen Kräften verbindet, wo sie meint, das Zentrum der biblischen Botschaft zu verteidigen. Mit Recht ergänzt Barth a.a.O. (S. 588) jene Duplizität durch den Gedanken der missio. So ergibt sich eine folgerichtige Dreiheit von justificatio, communio und missio, die wir im Ordinationsgeschehen wiederfinden, und die der einseitigen Ethisierung des Heiligungsbegriffs abhilft.

81 vgl. S. 392.

82 siehe Kap. V/3.

83 Deshalb verwendet er auch mit großer Freiheit und einer bei anderen Autoren ungewohnten Positivität katholische Exegeten als Gewährsmänner.