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4. Taufe und Konfirmation

Taufe und Konfirmation hängen so eng zusammen, daß die letztere hier unmittelbar anschließend behandelt werden muß. Der Ausgangspunkt liegt in einem wesentlich unbestrittenen biblischen Tatbestand, aus dem aber verschiedene liturgische und kirchenrechtliche Folgerungen gezogen worden sind:
1. Die Taufe teilt den Heiligen Geist mit. Sie ist von ihm grundsätzlich nicht zu trennen.74
2. Ebenso eindeutig ist aber in der Apostelgeschichte eine besondere Handauflegung zur Geistmitteilung durch die Apostel bezeugt, mit der Begründung, daß die bereits Getauten bei der Taufe den Geist nicht empfangen hätten (Apg. 8, 14-17; 19, 1-7). In umgekehrter Folge vollzieht sich das gleiche Apg. 10, 44.

Der Taufe wird also in einer besonderen Weise eine Geistwirkung hinzugefügt oder geht sogar voraus. Der Unterschied darf nicht als Widerspruch aufgefaßt werden, bleibt aber deutlich und unübersehbar bestehen. Nur soviel kann noch gesagt werden, daß die Geistmitteilung und die Taufe sinngemäß sich aufeinander beziehen. Sie müssen nicht gesondert erscheinen — aber sie können es nach dem Zeugnis der Schrift.

Dementsprechend hat die Kirche zwei gesonderte Handlungen ausgebildet, welche in der Ostkirche nach urkirchlichem Brauch in unmittelbarer Folge vollzogen werden.75 Die lateinische Kirche betont die begriffliche Sonderung und bildete formell zwei Sakramente aus,76 die dann überwiegend zu ganz verschiedenen Zeiten und von verschiedenen Personen vollzogen wurden. Auch wird in ihr die nunmehr sog. Firmung als Geistmitteilung durch Handauflegung (unter Hinzufügung sekundärer Symbole) dem Bischof vorbehalten. Hier wie sonst hat die Kirchenrechtslehre zu fragen, was die Kirche tut, ob sie es zu Recht tut und in welcher rechtlichen Bedeutung.

 

a) Zur Geschichte der Konfirmation — confirmatio und admissio

Die ungeklärte Frage der Konfirmation hat in den letzten Jähre eine umfangreiche Literatur hervorgebracht, in der vor allem auch wichtige geschichtliche Tatsachen dargestellt worden sind.77

Aus diesem Material scheinen mir für die Beurteilung der Konfirmation zunächst folgende Grundzüge wesentlich:

Die Handauflegung innerhalb der Taufhandlung ist ein uralter Bestandteil der Taufliturgie. Diese — lateinisch consignatio — erhält in der westlichen Kirche die Bezeichnung confirmatio in dem Augenblick, indem sie sich aus der Taufe herauszulösen beginnt.

Der Begriff der confirmatio tritt zuerst im Konzil von Orange (411) im Sinne einer Bestätigung der Taufgnade auf. Er hat zu dieser Zeit bereits eine längere, den Sinn verwandelnde Geschichte hinter sich.

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Der in der Apostelgeschichte bezeugte, dort als außerordentliches Vorkommnis sich darstellende Vorgang wird zur regelmäßigen Handlung ausgebildet. Sodann differenziert sich dieser Doppelvorgang, der zunächst unmittelbar verbunden bleibt, sowohl sachlich wie zeitlich.

Sachlich treten zwei, nicht immer scharf getrennte, aber doch wesentlich verschiedene Gedanken auf, der der Polarität und der der Stufung. Nach dem ersten bekommt die Taufe einen mehr negativen Sinn der Abwaschung, der Reinigung von den Sünden, die Firmung unter Betonung der Salbung78 erscheint als die positive Geistmitteilung. Der zweite Gedanke ist der der Steigerung, des „augmentum ad gratiam” — die in der Taufe verliehene Gnade wird vermehrt und entfaltet. Während beide Gedanken in den ersten Jahrhunderten ineinanderliegen und folgeweise auch von unseren heutigen Darstellungen nicht geschieden werden, treten beide Handlungen in der lateinischen Kirche mehr und mehr auseinander und damit auch ihre Sinnbestimmung. Der Polaritätsgedanke wird jetzt79 mit dem Gegensatz von Jenseits und Diesseits verbunden: Die Taufe verbürgt die Rettung im Blick auf die letzten Dinge, die Firmung rüstet zum Kampfe in der Zeitlichkeit, unter Aufnahme von Gedanken der militia Christi. Dieser letztere Gedanke wird im Hochmittelalter, etwa bei Bonaventura festgehalten. Jedoch tritt jetzt der quantitierende Gedanke der Stärkung bei ihm wie bei Thomas deutlich hervor. Während die Taufe das geistliche Leben in einfachster, keimhafter Form vermittelt, ermöglicht die Firmung im aristotelischen Sinne das „bene et perfecte vivere” — als „spirituale augmentum promovens hominem in spiritualem aetatem” „ad perfectam quantitatem et virtutem”.80 Andererseits wird auch bei getrenntem Vollzug von Taufe und Firmung die letztere ohne besondere Akte und Voraussetzungen auf Seiten des Empfangenden, Bekenntnis, vorgängige Unterweisung usw. erteilt. Während der Steigerungs- und Perfektionsgedanke an sich eine Höherwertung der Firmung bedingt, hält Thomas doch daran fest, daß die Taufe als die Bedingung der Firmung das Wichtigere sei. Dieser Linie folgt auch die heutige römisch-katholische Theologie.

Eine Komplizierung der Frage bedeutet der in der lateinischen Kirche ausgebildete Vorbehalt der Firmung für den Bischof. Nun ist dieser Vorbehalt formell sicher im Unrecht. Die biblische Begründung ist seltsam:81 Weil die von Philipps in Samaria Getauften von Johannes und Petrus die Handauflegung erhielten, ebenso die in Ephesus Getauften von Paulus, wird ein Vorbehalt für den Bischof behauptet.

Das bedeutet die Annahme einer Rangordnung schon in der Urkirche, die gerade hinsichtlich der Staffelung der Vollmacht wenig überzeugend ist. In Wirklichkeit hat das reservatum episcopale jedoch kirchenrechtsgeschichtliche Gründe. Es stammt einerseits aus einer frühen Zeit, als der Bischof der eigentliche Gemeindepfarrer, wenn auch in einer Stadtgemeinde mit Landesbezirk war, und was in der Gemeinde geschah, auf

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seinem direkten Auftrag beruhte. Daß es andererseits der Bischof trotz der Territorialdiözese blieb, erklärt sich aus der kirchenrechtlichen Vernichtung des Gemeindebegriffs. Ist die Ortskirche wirkliche ekklesia, nicht nur paroikia, so gehören zu ihrem Lebensbereich auch alle solche Verrichtungen, gehören sie auch ihrem ordentlichen Oberhaupt, auch dem Presbyter. Diesen Ekklesiacharakter der Gemeinde hat die Ostkirche aufbewahrt und damit den Gemeinschaftscharakter überhaupt. Sie hatte deshalb auch keinen Anlaß, eine Handlung dem Diözesanbischof vorzubehalten, die ohnehin im Schoße der versammelten Gemeinde, nicht als Akt einer isolierten potestas ordinis vor sich geht.

„Daß in Samaria die Apostel und nicht die Evangelisten die Firmung spendeten, wird man nicht überbetonen müssen: diese Tatsache erklärt sich wohl mehr aus den örtlichen und persönlichen Umständen: denn sonst wäre es nicht recht verständlich, warum später die Firmung doch nicht streng exklusiv den Bischöfen vorbehalten wurde” 82 (Rahner).

Rahner äußert sich hier auf dem Boden der römisch-katholischen Lehre sehr vorsichtig und differenziert über das Verhältnis von Taufe und Firmung.

Sachlich bedeutsam dagegen ist der von Schmaus angeführte Grund, daß der Bischof die Öffentlichkeit der Gemeinde darstelle. Ist dies zwar auch für den gemeindeleitenden Presbyter der Fall, so ist doch der Publizitätsgedanke selbst wesentlich.83 Schmaus führt diesen Gedanken in vielfacher Umschreibung näher aus. Damit gewinnt die Firmung den Charakter der Bevollmächtigung zum (Laien-)Apostat, den der missio, ohne daß er dieses Wort gebraucht.

Bemerkenswert für die Auffassung und Stellung der Firmung84 in der römischen Kirche sind dabei vier Grundsätze:
1. die Konfirmation (Firmung) kann nur von Getauften vollzogen werden, im Gegensatz also zur Taufe,
2. sie setzt Vernunft des Empfängers voraus, wird hierdurch also von der Kindertaufe abgetrennt,
3. sie ist zum Heile nicht schlechthin notwendig,85
4. sie ist Voraussetzung für die Priesterweihe.

Der Entwicklung unseres Problems in der Reformation gehen spätmittelalterliche Verbesserungsbestrebungen voraus, bei den Böhmischen Brüdern wie bei Erasmus, welche beide Maurer nicht als eigentlich (vor-)reformatorisch gelten lassen will.

Für die Böhmischen Brüder ist die Taufe unwirksam, wenn sie nicht durch das persönliche Glaubensbekenntnis bejaht wird. An sich ist deshalb die Kindertaufe unwirksam und ergänzungsbedürftig.86 Deshalb Unterweisung, Glaubensbefragen, fürbittende Handauflegung mit Aufnahme in die Vollgemeinde und Zulassung zum Abendmahl. Die Handlung wird als altkirchlich-traditionelles und als ein der Taufe unterlegenes, aber über das Abendmahl hinausreichendes Sakrament verstanden.

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Nicht ohne Beziehungen zu den Böhmischen Brüdern vertritt dann Erasmus eine sakramentale Firmung neuer Art mit stark katechetischen und subjektiv-voluntaristischen Zügen. Es geht ihm um persönliche Erneuerung des Taufgelübdes; ein Willensakt, dem ein Bewußtseinsakt vorausgeht und zu dem ein Gefühlsakt hinzukommt, baut auf der stark betonten katechetischen Unterweisung auf. Das augmentum gratiae fehlt ebensowenig wie der Gedanke der militia. Es ist begreiflich, daß Maurer ebensosehr die Rationalisierung und Subjektivierung des Sakramentsbegriffs im allgemeinen wie die Entwertung der Taufe ablehnt. Trotzdem muß man sagen, daß in jenen Bestrebungen die Summe der Fragen erstmalig auftaucht, die der bisherigen Auffassung fehlen, die dann aber in der evangelischen Konfirmation zur Entscheidung stehen — Katechese der Frühgetauften, Bekenntnis, admissio, Vollmitgliedschaft, und die bei allen Unterschieden doch nicht fundamental anders beantwortet worden sind.

Wie verhält sich nun die Reformation zunächst zu dem biblischen Tatbestand und der Tradition der confirmatio (Firmung)?

Das Taufbüchlein Luthers hat die Handauflegung in dem vielaktigen Taufritus ohne eine Betonung der Sondierung im Sinne einer selbständigen Handlung. Dieser Handauflegung wird ein wesentliches Interesse nicht entgegengebracht. Sie ist so sehr aus dem Blick gekommen, daß sie in der umfangreichen Literatur zur Konfirmation regelmäßig nicht erörtert wird. Die Intention dieser Handauflegung ist wesentlich ungeklärt. Im vorausgehenden Exorcismus wird dem bösen Geist geboten, auszufahren und dem Heiligen Geist Raum zu geben, aber der Heilige Geist wird selbst nicht angerufen. Im Taufakt selber wird zwischen der Zitation der Einsetzungsworte und dem Vaterunser die Hand aufgelegt, jedoch ohne darauf bezügliche Worte. Eine epikletische Anrufung des Geistes hat keinen Platz. Um der Stiftungsworte willen wird die Handauflegung zum wortlosen Akt. Dieser Ausschluss ist offenbar bewußt und gewollt, wenn wir Mahrenholz folgen dürfen.87 Nach ihm sind Stiftungswort (Markus 10) und Gebet (Vaterunser) in einem exklusiven Sinne konstitutiv. Die der Epiklese abgewandte, konservatorische Tradition der abendländischen Liturgie wird von der Worttheologie her aufgenommen, fortgeführt und verschärft. Das Wort in der Struktur der verheißenden Entscheidung Gottes zum Menschen und das an die Stelle der Epiklese tretende Wort des Gebetes ist alles. Der Heilige Geist wird überall mit vorausgesetzt, aber nicht genannt und angerufen und kommt damit praktisch aus dem Blick. Die Verdrängung der Geistanrufung aus der Taufe rückt die Kritik an der Absonderung eines Sakramentes der Firmung als Geistmitteilung in ein eigentümliches Licht. Denn was die römische Kirche von der Taufe abgelöst hat, haben die reformatorischen Kirchen expressis verbis et expressa intentione nicht mehr regelmäßig in der Taufhandlung.

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Calvin hat nach Vischer88 mit den Stellen der Apostelgeschichte wie folgt auseinandergesetzt:

„Gott habe damals besondere außerordentliche Geistesgaben auf sein Volk ausgießen wollen. Die Apostel hätten sie durch die Handauflegung vermitteln müssen. Die Geistesgaben seien aber nur für eine bestimmte Zeit vorgesehen gewesen. Das Zeichen der Handauflegung habe darum keine bleibende Funktion”.

Vischer selbst sagt: „An beiden Stellen haben wir also einen kritischen Augenblick in der Verkündigung des Evangeliums vor uns. Beide Male ist es dringend wichtig, daß von Gott her eine Bestätigung erfolgt. Indem Gott durch die Handauflegung seinen Geist mitteilt, bekennt er sich zu den Jüngern und verhilft ihrer Verkündigung demonstrativ zum Durchbruch.” 89

Beide Auslegungen gehen an dem Besonderen des hier Geschehenen vorbei und widersprechen sich außerdem. So wenig mit jenen, in der Apostelgeschichte bezeugten Vorgängen schon etwas über eine dauernde Stiftung ausgemacht sein mag, so wenig läßt sich umgekehrt eine Begrenzung auf diese Zeit negativ begründen. Ebensowenig handelt es sich um ein direktes Eingreifen Gottes zur Ergänzung und Beglaubigung der apostolischen Mission. Es handelt sich in der Geistmitteilung nicht um eine Art Beweis zur Stärkung eines noch unvollkommenen Glaubens, sondern der Sinn liegt in dem Vorgang selbst. Auch handelt Gott nicht direkt, sondern eben durch die Apostel. Diese personale Konkretheit des apostolischen Handelns wird in beiden Auslegungen geflissentliche umgangen. Die Apostel tun etwas, was ihnen neben und sicherlich unbeschadet der Taufe wesentlich und notwendig erscheint. Gott bekennt sich hier nicht zu ihrer Verkündigung, sondern zu ihrem Handeln, indem auf die Handauflegung hin — offenbar erkennbar — der Heilige Geist auch wirklich gegeben wird. Und er kann offenbar nur selbst kommen. Wir finden hier die gleiche gewaltsame Umdeutung des Realhandelns wie schon bei Barths Tauflehre (Kap. V/3). Ein bestimmter Verkündigungsbegriff steht gegen das Eingehen Gottes in das instrumentale Handeln des Menschen. Darum müssen auch die noch so eindeutigen gegenteiligen Aussagen der hl. Schrift in kognitiver und konfirmatorischer Richtung uminterpretiert werden.

Ein anderes ist die Stellungnahme der Reformation zur historisch erwachsenen Firmung. „Luther stellt in seiner Hebräerbriefvorlesung von 1518 zu Hebr. 6, 1 unbefangen das Taufsakrament und das ,sacramentum confirmationis’ als unwiederholbare Sakramente nebeneinander und zitiert ohne Widerspruch Ausführungen des Chrysostomos, der eine Geistmitteilung bei der Taufe von der Erteilung der Handauflegung abhängig macht”.90 Scharf ablehnend äußert er sich von „De captivitate babylonica” an gegen die Annahme einer prinzipiellen Einsetzung eines Sakramentes der Handauflegung. Wichtiger sind hier die Äußerungen

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darüber, was er sich anstelle der Firmung vorstellt. Solche Äußerungen zitiert Maurer schon aus „De captivitate Babylonica”: „Utinam esset in ecclesia talis manuum impositio qualis erat Apostolorum tempore”, er stellt sich die Handauflegung als ceremonia sacramentalis nach Art der Wasserweihe vor, bei der auch eine Kreatur Gott geheiligt wird durch Gottes Wort und Gebet”.91

„Quare satis est pro ritu quodam Ecclesiastico seu ceremonia sacramentali confirmationem habere, similem ceteris ceremoniis consecrandae aquae aliarum rerum.” 92

Luther ist hier in seiner Linie folgerichtig, wenn er unter Ablehnung eines Firmsakramentes die konfirmatorische Handauflegung in ihrer Intention auf eine einfache Segenshandlung begrenzen will. Maurer durchkreuzt diesen klaren Gedankengang durch die These, daß Luther an einer markanten Stelle über die Konfirmation, nach welcher der Pfarrer den Kindern nach einer Glaubensprüfung die Hände auflegen solle,93 hier und grundsätzlich die Handauflegung als Absolution verstehe. In der ganzen Literatur über die geschichtliche Entwicklung der Konfirmation sehe ich aber nirgends den Gedanken der Absolution vertreten. Auch in den zusammenfassenden Schlußthesen von Kurt Frör, die auch die offengebliebenen Fragen darstellen, wird dieser Meinung keine Erwähnung getan.

Wenn Calvin die confirmatio (Firmung) als iniuria baptismi bezeichnet,94 so kann dies nur unter der Voraussetzung zutreffen, daß sie von der Taufe abgelöst ist, nicht für die Handauflegung bei der Taufe selbst, da sonst die Apostel desselben schuldig wären. Auch Maurers Kritik geht hauptsächlich dahin, daß die Entwicklung des Firmsakramentes durch die Entwertung der Taufe zu einem ergänzungsbedürftigen Initiationsritus bedingt sei.

Indessen finden wir biblisch die Handauflegung sowohl im Sinne der Geistmitteilung, wie im Sinne der Segnung. Ein Verständnis der Handauflegung als Segenshandlung ohne eine ausdrückliche Intention der Geistmitteilung — oder anders: ein Verzicht auf diese Intention — ist nicht wohl möglich, solange das biblische Vorbild gilt, d.h. die Annahme, daß Gott der Kirche alles das verheißen hat, was auch der apostolischen Kirche gegeben und in der Heiligen Schrift bezeugt ist. Diese Frage empfindet Maurer auch, ohne den Gedanken zuendezuführen. Er sagt: „Das Urchristentum besitzt für Calvin geistliche Möglichkeiten, die der Kirche heute verschlossen sind. So sehr man eine Wiederbelebung des ursprünglichen Geistes erstreben muß, die geschichtliche Schulung läßt den gebildeten Humanisten (!) klar erkennen, daß bestimmte Formen (!) urchristlichen Lebens im Strom der Geschichte unwiederbringlich dahingegangen sind. Das wirkt sich für die Konfirmation dahin aus, daß Calvin — im Unterschiede zu Erasmus — sich in ihrer Ausgestaltung völlig frei fühlt den altkirchlichen Vorbildern gegenüber, die er

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nur insoweit verwertet, als die praktischen Notwendigkeiten das erfordern.”

Indessen liegen hier handgreifliche Widersprüche. Luther bestreitet heftig die biblische Grundlage der Firmung, unter der selbstverständlichen Voraussetzung, daß das in der Bibel Bezeugte kraft der verheißenen Präsenz des Heiligen Geistes auch heute vollzogen werden könne — (siehe oben): utinam esset talis impositio manuum! Calvin relativiert die in der Schrift bezeugte Geisteswirkung geschichtlich. In der Auslegung der Schrift aber interpretiert Luther die Handauflegung einseitig als Segenshandlung, und insofern wir Maurer folgen dürfen, als Absolution. Vischer aber nimmt nicht die vollmächtige Geistmitteilung durch Handauflegung der Apostel in Blick, um resigniert unsere heutige Vollmachtlosigkeit festzustellen, sondern deutet den pneumatischen Realismus dieses Vorganges sinnwidrig, aber nicht zufällig um.

Vischer zeigt, daß die Reformatoren, Luther, Calvin, Zwingli übereinstimmend keine Konfirmation oder eine an die bisherige Firmung anschließende Handlung ausgebildet oder erwogen haben. Für sie steht die Frage der Glaubensunterweisung, der Prüfung, der Abendmahlszulassung, nicht aber eine kirchliche Handlung aus diesem Anlaß oder in diesem Zusammenhang zur Debatte. Dagegen hat Erasmus als erster eine besondere Unterweisung der Jugend vorgeschlagen, die als Erneuerung des Taufbekenntnisses und überhaupt als Taufgedächtnis ziemlich klar begrenzt und zurückhaltend ausgestaltet werden sollte. Im Gegensatz dazu hat Bucer in Straßburg eine förmliche Konfirmationshandlung als Segensakt der Handauflegung auszubilden unternommen. „Der Konfirmand ist hier in erster Linie ein von neuem Empfangender, es liegt nicht wie bei Erasmus alles Gewicht darauf, daß er nun imstande ist, selbständig seinen Glauben zu bekennen”.95 Bucer hat diese Konfirmationshandlung gegen den Vorwurf verteidigt, daß sie der Vollgültigkeit der Taufe Abbruch tue, aber sie andererseits doch als Geistmitteilung sakramental interpretiert. Seine Anregung traf auf die heftigste Opposition des Flacius, der sie im Lichte des Augsburger Interims, also als einen kompromißhaften Rückzug auf vorreformatorische Grundsätze verstand. Martin Chemnitz hat dann unter Festhalten an der reformatorischen Kritik am Firmsakrament sich für eine „gereinigte evangelische Konfirmation” eingesetzt, die sich dann auch durchgesetzt hat. Die von Vischer geschilderte weitere Entwicklung von der altprotestantischen Orthodoxie bis in die Gegenwart spiegelt die ständigen Interpretations- und Gestaltungsschwierigkeiten zwischen dem subjektiven Moment des Bekenntnisses, dem lehrhaften der Glaubensprüfung, der Frage der Admission und der Segnung widere. Nagel kennzeichnet den Unterschied zwischen lutherischer und reformierter Konfirmationsauffassung dahin:

„Hat die Konfirmation auf dem Boden des Luthertums ganz ausgesprochen die private oder auch öffentliche Feststellung der Zulassungsfähigkeit

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zum Abendmahl zum Ziel, so wollen die reformierten Kirchen ihre jungen Glieder durch die auch hier sich bildende Konfirmation vor allem der Zuchtordnung der Gemeinde unterstellen und damit der Gemeindeorganisation eingliedern.” 96

Daß das gleiche Institut zur selben Zeit eine so unterschiedliche Ausrichtung erhält, deutet darauf hin, daß sein Kern weder im einen noch im anderen, sondern in dem Gemeinsamen, nämlich der Glaubensbelehrung liegt.

Es ist nicht nötig und möglich, hier die verwickelte Geschichte der evangelischen Konfirmation, die bis heute nicht zur völligen Klarheit erhoben ist, im einzelnen zu verfolgen. Die wichtigen Momente dieser Geschichte ergeben sich an Hand der weiteren Sachfragen. Unzweifelhaft sind sakramentale Elemente, die aus der Tradition der Firmung übernommen waren (Bucer, Kasseler Kirchenordnungen von 1539 und 1566) allmählich abgestoßen worden. Die heutige Konfirmation ist nach gemeinprotestantischer Überzeugung nicht Sakrament, sondern Segenshandlung. Dagegen halten zwei sachliche Interessen bis heute durch: der Nachkatechumenat der Frühgetauften und die Frage der admissio, der Zulassung zum Abendmahl. Beide Gesichtspunkte können erweitert werden: der Katechumenat zur Erneuerung des Bekenntnisses, zum Gelübde, die admissio zum Gedanken der Verleihung der aktiven Gemeinderechte überhaupt. Beide Gedanken sind der altkirchlichen und römischen Firmpraxis fremd. Mit beiden Fragenkreisen gewinnt die evangelische Konfirmation eine bisher unbekannte kirchenrechtliche Bedeutung und Problematik, während das Firmsakrament außer der zweifelhaften reservatio episcopalis und seiner Bedeutung für die Priesterweihe (s.o.) kirchenrechtlich problemlos ist.

Es mag dahinstehen, ob man die beiden, durch Jahrhunderte in Lehre und Praxis miteinander streitenden Linien als objektive, lutherische und die subjektiv-voluntaristische, erasmische schematisieren kann oder nicht.97 Kirchenrechtlich ist sicher zu urteilen, daß der Konfirmand keinesfalls durch Erneuerung des Taufbekenntnisses oder durch das Konfirmationsgelübde oder beides subjektive Bedingungen der Erteilung der Vollmitgliedschaft erfüllen kann. Dagegen mit Recht Frör98 wohl in Übereinstimmung mit der heute sich durchsetzenden Gemeinüberzeugung.

Joachim Beckmann umschreibt die heute in der deutschen evangelischen Theologie am weitesten verbreitete Auffassung von der Konfirmation wie folgt:

„Die Konfirmation ist eine gottesdienstliche Handlung, in der die Gemeinde von ihren schon kurz nach der Geburt getauften und nunmehr in der Lehre der Kirche unterwiesenen Kinder das Bekenntnis des christlichen Glaubens entgegennimmt und ihnen daraufhin unter Fürbitte in Gestalt einer durch Handauflegung persönlich zugesprochenen

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Segnung die Berechtigung zur Teilnahme am Hl. Abendmahl zuspricht und sie dadurch als Glieder der um Wort und Sakrament sich versammelnden Gemeinde bestätigt.” 99

Dieses Verständnis besagt, daß der Taufe (und Geistmitteilung) in der Konfirmation eine von beiden unterschiedene, jedoch exhibitive Segnung folgt. Dieses schließt eine Vergewisserung über eine nachgeholte Katechumenenunterweisung ab. Bedenklich ist jedoch dabei die redditio symboli, eine Wiederholung des Taufbekenntnisses. Mit Recht sagt das „Begleitwort zur Ordnung der Konfirmation evang. luth. Kirchen und Gemeinden”: „Die Kindertaufe bedarf keiner Ergänzung, Überhöhung oder Vervollkommnung durch die Konfirmation”. Deshalb bedeutet es auch eine Entwertung des Taufbekenntnisses, wenn das Katechismusexamen zum Glaubensexamen verfälscht wird.

Mahrenholz sagt im „Begleitwort” 100 sehr folgerichtig, daß „die Konfirmation, die nicht mehr gibt als die Kindertaufe ... von Gott her bereits gegeben hat, auch nicht mehr fordern darf, als die Taufe fordert, wenn sie mit Bewußtsein, d.h. von einem Erwachsenen empfangen wird”. Diese doppelte Negation macht die Schwierigkeit deutlich, die Position, die Gabe der Konfirmation wirklich zu bezeichnen.

Das Bekenntnis wird entweder ad deum abgelegt — dies ist sein wichtigster Gehalt — sodann missionarisch der Welt — und schließlich dann, wenn die Kirchengemeinschaft in Zweifel gezogen wird.101 Keiner dieser Fälle trifft für die Katechumenen zu, welche schon vorher mit der Gemeinde im Gottesdienst den Glauben bekennen. Ihr gesondertes Bekenntnis könnte bedeuten, daß sie den in der Kindertaufe fehlenden eigenen Glauben zur Perficierung nachbrächten. Das ist genau das, was jenes Begleitwort ausschließen will. Ebendort heißt es: „Die Kirche stellt alles, was in der Zukunft liegt, nicht dem Willen und Geloben des Täuflings anheim, sondern Gottes im Sakrament wirksam werdender Gnade, der Fürbitte der Gemeinde und der Kraft des dem Täufling zugesprochenen Worte Gottes”. Das „öffentliche Ja zu der Entscheidung” führt in die unmittelbare Nähe jener voluntaristischen Tauflehre, die oben gekennzeichnet wurde.

Nagel spricht sehr klar aus, daß das Bekenntnis als ein konstitutiver Akt zur Taufe gehört und von ihr nicht abgelöst werden kann.102 Er will davon ein deklaratorisches Symbol unterscheiden.103 Die redditio symboli im Sinne der Tradition habe keine Bekenntnisfunktion, sondern sei Vergewisserung über die im Verlauf des Katechumenenunterrichts erfolgte Aneignung der „fides quae creditur”.104 Aber wie bedenklich ist die Spaltung des Symbols!

E. Roth berichtet105 über Taufe und Konfirmation in der neueren englischen Literatur. Die dort zitierten hochkirchlichen Stimmen (Dix, Mason) kommen auf einer nur sehr schmalen und problematischen Schriftgrundlage unter überwiegender Heranziehung der liturgischen und

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patristischen Tradition zu einer scharfen Trennung von Taufe und Konfirmation, aber auch zu einer Entwertung der Taufe. „The gift of the Holy Spirit is no part of Baptism (in the restricted sense of the word), but is distinctive gift of Confirmation.” Die Taufe wirkt „nur” Vergebung der Sünden als Vorbereitung für den Geistempfang (712). Eine so negative Verhältnisbestimmung von Taufe und Geist widerspricht jedoch auch der katholischen Lehre (s.o. Schmaus).

Ein kirchenamtliches Gutachten „The Theology of Christian Initiation” 106 gibt denn auch ein solches negatives Verhältnis der noch unkonformiert Getauften zum Hl. Geist nicht zu. Das offene Problem des Verhältnisses von Kindertaufe und bewußtem Glauben der Erwachsenen stellt sich auch hier. Im großen Ganzen kehren auch in der englischen Literatur dieselben Fragen und Gesichtspunkte wieder wie in der evangelischen Theologie deutscher Zunge, nur daß sie offener katholische Lösungsmöglichkeiten einbezieht. So erscheint bei Ablehnung der Trennung von Taufe und Confirmation im Sinne von Dix und Mason auch der Gedanke des augmentum gratiae. Eine die Bedeutung der Taufe voll wahrende qualitative Bestimmung des Verhältnisses zur Konfirmation gelingt nicht und die Frage ist hier so offen wie bei uns.

Daher sagt Ritter107 mit Recht:

„Die einzig mögliche Folge aus unserer Einsicht in die Aufgabe der Konfirmation als eines Taufgedächtnisses kann nur die sein, daß in dieser Feier an Absage und Zusage als an geschehene und damit für unser ganzes Leben aufgegebene Akte erinnert wird, für die wir um den Beistand und die Wirkung des Heiligen Geistes bitten” (88).

Gerade der erfahrene Liturgiker warnt hier vor einer Überbildung und Verfälschung einer unbestritten keinen speziellen Schriftgrund besitzenden kirchlichen Handlung.

Ist dies schon bekenntnisrechtlich bedenklich, so auch die Abhängigmachung der Abendmahlszugang von der Konfirmation und die sog. „Bestätigung” der Gemeindegliedschaft. Welches Recht hat die admissio? Ohne iniuria baptismi kann einem Pfarrer keinesfalls verwehrt werden, auch nicht durch eine Kirchenordnung, einem frommen und verständigen Kinde ohne Konfirmation das Abendmahl zu geben. Das pneumatische Reichsrecht der einen Kirche bricht das Landrecht der Kirchen. Freilich hat der Pfarrer die Pflicht der jurisdictionellen Entscheidung, ob das Kind hinreichende Einsicht hat, daß es sich um das Abendmahl und nicht um eine gewöhnliche Nahrung handelt. Was hier zu geschehen hat und geschehen kann, ist klassisch aus Straßburg 1534 berichtet:108

„Zum anderen sollen die Pfarrer das Volk fleißig ermahnen, daß jedermann seine Kinder, so man sie restlich will lassen zum Tisch des Herrn gehen, wolle zuvor zu dem Diener des Worts, auf die Sonntag zu dem Kinderbericht bringen und nach dem selbigen lassen christlicher Lehre halben in seinem Beisein etwas verhören und berichtet werden.”

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Die Eltern haben hier Mitverantwortung, zumal der Zeitpunkt sehr unterschiedlich durch die Entwicklung des Kindes bedingt ist. Aber dieses Maß der Einsicht ist etwas anderes als die Bedingung der Konfirmation. Wehe der Kirche, wenn in ihre der schlichte Glaube der Kinder nicht mehr gilt, sondern ein förmlicher Unterricht einerseits und die Pubertätskrise andererseits zur Bedingung der geistlichen Gemeinschaft wird. Die für die Kindertaufe, wie Cullmann sagt, mit Recht herangezogene Stelle „lasset die Kinder zu mir kommen”, an der mit einiger Bedeutung das sonst liturgierechtliche „me kolyete” vorkommt, muß für die getauften Kinder erst recht gelten. Trotzdem ist die admissio nicht ganz ohne Grund. Die Kirche hat die Pflicht der Lehre auch zur Entfaltung der Taufe, schon nach Matth. 28, 19. Sie hat alle Veranlassung, das Katechumenat der Frühgetauften nachzuholen. Sie kann im großen und ganzen nichts anderes tun, auch nicht nur rein individuell handeln. Der Pfarrer wird deshalb nach der Konfirmation, von Sonderfällen und denjenigen der Kirchenzucht (CA XXVIII) abgesehen, nicht die gleiche Veranlassung haben, die Kinder abzuhören, wie bei den Erstkommunikanten des Straßburger Beispiels. Das Taufrecht hat konstitutive, das Admissionsrecht nur regulative Bedeutung. Dieses begründet so etwas wie eine Vermutung, indem es jener Frage überhebt. Aber darin erschöpft sich auch seine Bedeutung.

Die Kirche, welche in einem besonderen Akt die Berechtigung zum Abendmahl zusprechen will, begeht also eine Amtsanmaßung. Nemo plus iuris transferre potest quam ipse habet. Das Recht, das dem Getauften schon zukommt, kann ihm nicht mehr nachträglich verliehen werden, was ja auch einschließt, daß es ihm versagt werden kann, und was noch wichtiger ist, daß ihm bis dahin die Ausübung entzogen ist. Im Gegenteil müssen nicht die Konfirmanden nach der Konfirmation zum Abendmahl zugelassen, sondern während der Konfirmandenzeit in die Bedeutung des Abendmahls eingeführt, zu ihm eingeladen werden und an ihm teilnehmen.

Ein Pfarrer, der entgegen einer admissorischen Konfirmationsordnung einem verständigen Kind vor der Konfirmation das Abendmahl reicht, könnte disziplinarisch deswegen nicht belangt werden. Denn er kann den regulativen Sinn dieser Ordnung nach dem Straßburger Beispiel erfüllen. Es kann ihm nicht abverlangt werden, der admissio eine konstitutive Bedeutung beizumessen. Es ist im Gegenteil das konstitutive Verständnis der admissio ein sehr beachtliches Beispiel dafür, daß eine rein kirchliche Ordnungsbestimmung ein ganz unverhältnismäßiges Gewicht erlangt. Ein bestimmtes theologisches Interesse, welches noch nicht einmal sehr klar ausgesprochen zu werden braucht und sich sogar weitgehend der Diskussion entzieht, verleiht einer solchen Regelung sehr bald den Charakter der Unbedingtheit. Man vergleiche die Admissio einmal mit der traditionellen Kelchversagung in der römischen Kirche.

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Ähnliche Erwägungen und Bedenken erheben sich auch bei der „Bestätigung”. Die Kirche wird mit vollem Ernst und Recht die Nachholung des Katechumenats fordern dürfen und im Regelfall in der Verweigerung, jedoch nicht ohne genaue Prüfung, eine Absage an die Taufgemeinschaft sehen müssen. Aber eine Bestätigung der Gliedschaft kann darum die Konfirmation ebensowenig geben, wie grundsätzlich die admissio. „Bei der Konfirmation ... handelt es sich um keinerlei konkrete Entscheidung dieser Art, durch die der Mensch in seinen Stand eintritt, dem er vorher nicht angehört”.109 Eine solche Bestätigung wäre nach pneumatischem Recht eine receptio, die Annahme geistlichere Entscheidung. Aber diese Entscheidung ist schon in der Taufe gefallen. Wenn die Kirche in gleich vorsichtiger, regulativer Auslegung an die Konfirmation die aktiven Gemeinderechte knüpfen will (Patenrecht, später Wahlrechte usw.), so mag das angehen, wenn man genau festhält, worum es geht. Aber wie der Liturgiker muß auch der Kirchenrechtler vor Handlungen mit bedeutendem kirchenrechtlichen Anspruch warnen, zu denen Rechtsgrund und Vollmacht eben nicht besteht.

Die traditionelle Regelung schließt an die Konfirmation die aktiven Gemeinderechte an, als eine Anwartschaft zu Rechten, zu denen doch der jugendliche Konfirmand erst eigentlich heranwachsen muß. Von dieser Auffassung aus kann es auch keine Konfirmation eines erwachsenen Täuflings etwa im Anschluß an die Taufe geben. Eben darin wird sichtbar, daß jene Verknüpfung der Gemeinderechte mit der Konfirmation nur einen sekundären Charakter besitzt.

In dieser traditionellen Linie bewegt sich auch die Aussage des Konfirmationsausschusses der EKD.110 Hier heißt es:

„Die Konfirmation verleiht das Recht zur Teilnahme am Abendmahl. Im übrigen enthält die Zulassung zum Abendmahl auch die Anwartschaft auf weitere kirchliche Rechte (Patenrecht, kirchliche Trauung, aktives und passives Wahlrecht), jedoch sollte die Konfirmationshandlung von dem Zuspruch irgendeines dieser kirchliche Rechte freigehalten werden.”

Dies letztere ist bisher auch, soweit ich sehe, nirgends geschehen und würde sich selbst auch alsbald in actu ad absurdum führen. Es ist auch nicht entscheidend, solange, wie es auch dem Votum des Ausschusses entspricht, der Nachweis der Konfirmation die Bedingung für alle diese Rechte ist.

Einen anderen Weg geht der Vorschlag von Gründler-Klessmann, der sich auch mit den kirchenrechtlichen Fragen befaßt. Hiernach wird der Vorgang gespalten. Die Zulassung zum Abendmahl soll nach anderthalbjähriger Unterweisung erfolgen, was eine Reform dieser Unterweisung und die vom EKD-Ausschuß vorgeschlagene Vorverlegung in das 12./13. Lebensjahr einschließt. Eine eigentliche Konfirmation soll jedoch erst auf Grund eines Gemeindekatechumenats der etwa Achtzehnjährigen

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(auch Erwachsener) erfolgen und deren Entscheidung in Bekenntnis und Gelübde für ein Leben in und mit der Gemeinde einschließen.

An die erstere Unterweisung sollen sich die Rechte auf  Trauung, Privatkommunion, kirchliche Beerdigung sowie das aktive kirchliche Wahlrecht anschließen, an die Konfirmation dagegen die Qualifikation zur Übernahme aktiver Verantwortung: zum Patenamt und Ältestenamt, vom Amt überhaupt zu schweigen. Der Vorwurf einer institutionellen Spaltung der Gemeinde in einen weiteren und einen engeren Kreis wird unter Hinweis auf die faktische Aussonderung der Gemeindeältesten nicht für durchgreifend angesehen. Das für die Gesamtheit der jetzigen Konfirmanden im jetzigen Alter fragwürdige Bekenntnis und Gelübde wird mit verstärkter Bedeutung für eine Minderzahl im reiferen Alter wieder aufgenommen, zum wesentlichen Bestandteil und zur Voraussetzung der Konfirmation gemacht.

 

b) Confirmatio und missio

Ersichtlich streiten in der jetzt anstehenden Neuordnung der Konfirmation zwei gegensätzliche Strömungen. Die eine geht in Richtung auf eine entschiedene Begrenzung der Intention der Konfirmation — die andere versucht, die Konfirmation zu entwickeln und ihr einen aktiven, vorwärtsweisenden Sinn zu geben. Die erstere will: die Überforderung der Konfirmanden, die Überlastung der Handlung, ihre Subjektivierung und sogar Sentimentalisierung soll vermieden werden. So berechtigt dies alles ist, so erscheint mir doch fraglich, ob damit die eigentliche Frage schon getroffen ist. Die Konfirmation hat im Leben der Kirche eine Stellung gewonnen, die weit über das hinausgeht, was diese zurückhaltende Auffassung ihr zubilligt und zubilligen kann. Beruht dies allein und wesentlich auf der Summer der Mißbräuche, Mißbildungen und Mißverständnisse? Der Gedanke, daß die Konfirmation die vollen Gemeinderechte verleihe, ist freilich rein fiktiv. Denn die jetzt erst erfolgende admissio bedeutet eine Verzögerung der meist schon seit Jahren bestehenden Möglichkeit — die ernsthaften Stimmen für die Frühkommunion mehren sich. Die wirklichen aktiven Gemeinderechte aber können überall auf Grund von durchaus sinnvollen Wahlordnungen erst im Erwachsenen-Alter ausgeübt werden. Selbst wenn keine Altersgrenzen beständen, könnte in der Kirche ein jugendlicher Pfadfinderführer sich sehr wohl bewähren, aber eben doch nicht an der episkopé der Ältesten teilhaben. So bleibt eigentlich nur das sehr fragwürdige Patenrecht der Konfirmierten bestehen, um dessentwillen gewiß nicht die Konfirmation eingeführt ist. Und doch erkennt die Kirche nach einer, zum letztmöglichen Zeitpunkt vorgenommenen Glaubensbelehrung ihren Konfirmierten so etwas wie eine Glaubensmündigkeit zu. Sie entlässt sie in diese Mündigkeit mit dem überwiegend negativen Ergebnis der „Aussegnung”. Bis zu diesem Punkte kann noch und wird die Heteronomie

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der christlichen Eltern und der Kirche autoritativ geltend gemacht — dann nicht mehr, von einer nachfolgenden Christenlehre allenfalls abgesehen. Die so viel und mit Recht beklagte „Aussegnung” beruht gerade darauf, daß mit der Einsegnung dem Kinde eine Glaubensmündigkeit zugesprochen wird, die es dann alsbald im Sinne einer stillschweigenden Entscheidung gegen den Glauben realisiert.

Es wird jetzt deutlich, daß die von der Reformation neugeschaffene Konfirmation zu einem wesentlichen Teil auf sekundären Voraussetzungen beruht: auf dem pädagogischen Bedürfnis der Unterweisung und der Voraussetzung, daß die in der admissio gegebene Befugnis in einer einigermaßen intakten Volkskirche auch im allgemeinen für die Konfirmanden ein erstrebenswertes Ziel und eine selbstverständlich genommene Gabe ist. Daß die Konfirmation ein Abschluß und ein Ende sein kann, ist für diese Lage noch nicht typisch. Aber das ist eben nur eine vergängliche historisch-faktische Lage. Dringt man aber tiefer auf die Elemente der christlichen Existenz, die hier sichtbar werden, so zeigt sich, daß communio und missio zwei zwar zusammenhängende, aber doch deutlich zu unterscheidende Seiten dieser Existenz sind. Die missio steht am Ende, nicht im Zentrum der Messe.

Communio und missio uno actu miteinander zu empfangen, zu erfahren und zu vereinen und dies in einer krisenhaften Entwicklungszeit, ist eine Überforderung. Aus dem Kurzschluss dieser Überforderung geht ein Subjekt hervor, welches nun alles dies schon hinter sich, aber nichts mehr vor sich hat. Für das eine ist der Akt eher zu spät, für das andere zu früh, und beides läßt sich schwer ausgleichen. Man ist versucht, zu sagen: die so gestaltete Konfirmation ist ein Akt wohlmeinend-unbewußter Umbarmherzigkeit — auch wenn nicht, wie Nagel aus Calvins Institution111 zitiert, zehnjährige Konfirmanden veranlaßt werden, daß sie „fidei saue rationem coram ecclesia exponerent” (!).

Aber die communio allen, die missio nur einer besonders verpflichteten Kerngemeinde zu geben, ist ebenso unmöglich. Aus der von den Reformatoren bekämpften iniuria baptismi wird die iniuria coenae. Zwischen beiden einen wirklichen Standort für die Konfirmation zu gewinnen, deutlich zu machen, was sie gibt und bedeutet, ist die Aufgabe. Wenn die Achtzehnjährigen eher in der Lage sind, Bekenntnis und Gelübde auf sich zu nehmen, so wird dies deswegen nicht weniger problematisch. Denn das Handeln der Konfirmanden kann das, was die Kirche tut, nicht tragen, provozieren, erklären — und gegenüber ihrer Selbstverpflichtung würde der oben vorgeführte Einwand gelten, daß „die Konfirmation nicht mehr gibt und geben kann, als die Taufe geben kann”. Was bleibt dann für sie? Der Segen der Kirche kann nicht die Blöße des theologischen Grundes der Konfirmationshandlung verdecken.

Die Bildung einer engeren Freiwilligkeitsgemeinde wäre eine durchaus unerwünschte Nebenwirkung, kein sinnvolles Ziel. Eben darum

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können (im strikten Sinn!) die aktiven Rechte, vor allem das passive Wahlrecht zum Presbyteramt von dieser missio nicht abhängig gemacht werden, wie Klessmann vorschlägt. Denn der Presbyter, die Diakonisse, der Kantor sollen und werden für ihr konkretes Amt eingesegnet. Wenn jemand für ein Kirchenamt tauglich ist, so setzt das voraus, daß er ebensoweit ist, wie durch ein Erwachsenenkatechumenat, auch auf einem anderen Wege. Und er erhält zu seinem Amte speziell die missio, welche der erwachsene Katechumene in der Konfirmation empfängt.

Kirchenrechtlich is gegen Klessmann zu urteilen, daß ebenso, wie die admissio in der bisherigen Konfirmation nur regulative, nicht konstitutive Bedeutung haben kann, so auch die nach seinem Vorschlag gestaltete neue Konfirmation niemals konstitutiv für die Amtsfähigkeit sein kann.

Die Frage der Glaubensmündigkeit wird in den reformatorischen Kirchen in einer ganz anderen Weise aufgeworfen, als in den hierarchisch verfaßten Kirchen. Sie ist ungleich wesentlicher als jene angeblichen aktiven Rechte. Die Frage der Mündigkeit kennt ja auch das weltliche Recht. Aber dieses läßt aktive Rechte und Verantwortlichkeit in zahlreichen Stufen (12, 14, 16, 18, 21 Jahre) den jungen Bürgern schrittweise zuwachsen. Indem die Kirchen der Reformation die sicherlich erforderliche Glaubensunterweisung nicht in dem Bereich des Pädagogischen hielten, sondern sie durch ein ausdrückliches geistliches Handeln — wie auch immer verstanden — abschlossen, eröffneten sie eine bis heute unbewältigte Problematik. Das beste pädagogische Argument ist hier das schlechteste und rechtfertigt eben nicht dieses Handeln.

Wie es in der Pädagogik um die Menschwerdung des Menschen geht, so geht es in der Konfirmation um die Christwerdung des Christen. Zu jener Menschwerdung des Menschen hat auch das Recht etwas zu sagen, was für die Frage der Christwerdung des Christen nicht ohne Bedeutung ist.

Unser gegenwärtiges bürgerliches Recht läßt den Menschen mit der Vollendung der Geburt rechtsfähig werden, sichert aber schon dem werdenden Kinde nach der römischen Rechtssatze „nasciturus pro jam nato habetur” seine Rechte. Die Geburt, zurückverlegt auf die Zeugung, begründet ein für allemal eine rechtliche Personalität. Im Kapitel über die Taufe wurde schon ausgeführt, daß dieser juristischen Anthropologie eine andere vorausgeht, die den Menschen in einem mehraktigen Geschehen in das Recht treten läßt. Auch hier ist die Geburt rechtlich nicht irrelevant, keine bloße physische Tatsache, aber allein noch nicht bestimmend. Der Zeugung und Geburt folgt die soziale Geburt. Auch für das heutige Recht (Kindschaftsrecht, Strafrecht) ist dies nicht bedeutungslos. Der heutige Personbegriff des Rechtes setzt eine metaphysische Individuation voraus, die, einmal geschehen, keiner wesentlichen Veränderung mehr unterliegt. Soviel mit dem Menschen geschieht, so ist doch

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die Entfaltung seiner Möglichkeiten im radikalen Sinne nicht geschichtlich, weil ihre wesentlicher Inhalt mit der einmal entstandenen Personalität bereits gegeben ist. Von der Taufe aus gesehen vollzieht sich geschichtliches Geschehen als Vorgang in der Erstreckung, aber indem es die Taufsituation überschreitet einerseits darin, daß der Herr selbst als der Kommende — „Maranatha - unser Herr kommt!” — dem Getauften, sich ihm gebend, mitteilend, entgegenkommt. Die vollzogene Taufe hat das zukünftige Abendmahl vor sich und als ein zu empfangendes sich gegenüber.

Eben darum ist die Frage der admissio so fragwürdig und sekundär. Denn der so kommende Herr imponiert sich selbst. Es ist die ursprüngliche gemeinchristliche Überzeugung, daß die Taufe die Zulassung zum Abendmahl bedeutete. Die Frage der Kommunion der Heranwachsenden hat anderthalb Jahrtausende hindurch vielleicht auch zuweilen Fragen, aber keineswegs so betonte Erwägungen hervorgerufen wie in der Reformation. Aus der allenfalls gegebenen Mangelsituation ist eine humanistisch-pädagogische Normalsituation geworden. Eine Kirche, die im Sakrament lebt, hat nicht die Sorge, wie sie ihre Jugendlichen damit vertraut macht. Solche Zäune werden gerade dann gesetzt, wenn der Gebrauch zurückgeht, die Vertrautheit nicht mehr selbstverständlich ist. Im Calvinismus vollends steht, wie Nagel hervorhebt, nicht die admissio im Vordergrund, sondern die Unterstellung unter die Gemeindezucht. Der Gedanke der admissio engt das „Zukommen” hier in einer nicht ungefährlichen Weise ein. Auf einem Flugfeld baut man weder feste Häuser, noch auch nur Zelte oder Zäune.

Auf der anderen Seite wird die Taufsituation geschichtlich nicht durch die Immanenzbegriffe der Entfaltung, Bewußtmachung oder Erinnerung, sondern allein durch die missio transzendiert. Wie Abendmahl und Ordination in die missio auslaufen, so auch die Taufe. Der Jünger wird nicht um seiner selbst willen allein getauft, sondern er wird darüber hinaus auch gesandt. Die missio bricht der Taufe nichts ab, sie beansprucht nicht, sie zu ergänzen, aber sie ist eine folgerichtige Konsequenz. Ohne dieses Moment der missio befindet sich die Konfirmation in der verzweifelten Lage, auf der einen Seite der Taufe nichts „objektiv” hinzusetzen zu dürfen, andererseits ihren Grund nicht in subjektiven Akten des Konfirmanden suchen zu können. Die missio aber muß gegeben wie bewußt angenommen werden. Ohne ihre Offenheit nach vorn kann die Konfirmation vor einer in sich verlaufenden Selbstbezogenheit kaum bewahrt werden. Auch in ihr darf es nicht um das individuelle Heil vieler einzelner, sondern allein um den dynamischen Prozeß der oikodomé und der Ausbreitung des Reiches Christi gehen. Diese beiden Linien, die der missionarischen Indienststellung, wie der zukommenden Communio, der Inanspruchnahme und der Gabe, können nicht gegeneinander verrechnet und in eins gefaßt werden. Das zu unternehmen,

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ist im Grunde die Schwäche der bisherigen Konfirmation. Auch das falsche, unentwirrbare Gegeneinander von subjektiven und objektiven Momenten in ihr rührt zum großen Teil daher.

Von dieser Sicht her ist die Konfirmationslehre der frühen Kirche doppeldeutig, die des Mittelalters mindestens überwiegend metaphysisch orientiert. Aber die Gesamtentwicklung ist sicherlich nicht allein und ausschließlich in dem letzteren Sinne zu deuten.

Vischer formuliert noch vor der eigentlichen Darstellung der Geschichte der Konfirmation einen wichtigen Gedanken zu jener Verhältnisbestimmung, den er später in seinem eigenen Votum zu entfalten versucht, dessen positive Tragweite er aber, wie mir scheint, selbst nicht voll gesehen hat.

„Ursprünglich bedeutet die Taufe die entscheidende einmalige Wendung zu einem neuen Leben: Sie war der Augenblick der Wiedergeburt, die Zerstörung des alten Menschen und das geistliche Auferstehen mit Christus. Die auf die Taufe folgenden Handlungen hatten zunächst einfach den Sinn, den doppelten Aspekt dieses Geschehens hervorzuheben. Während die Wassertaufe vor allem die Befreiung von der Sünde wirkte, ließen die folgenden Handlungen die positive Seite der Taufe sichtbar werden.” 112

Er sieht dann die Sinnesänderung in eindringenden Gedanken der Stufung, der Vollendung durch eine in der Firmung hinzukommende Gnadenwirkung.

Was sind nun aber diese begleitenden Handlungen? Abschwörungen, Exorzismen gehören sachlich ohne Zweifel auf die Seite der Befreiung von der Sünde, nicht auf die von Vischer gemeinte „positive” Seite. Auf dieser könnten allein die Salbung und die Handauflegung stehen. Von diesen beiden hat unzweifelhaft die Handauflegung das größere Gewicht, und um sie geht es hier in der Hauptsache. So wie Vischer den Gedanken der Taufe formuliert, enthält er eine gewisse Verkürzung ihres eschatologischen Charakters. Wir werden getauft, auf daß wir mit Christus auferstehen. Christus ist auferstanden — aber unsere Auferstehung ist dennoch auch mit ihm die Auferstehung der Toten. Es verbindet sich also für uns in der Taufe Präsenz und Futurum. Um die Taufe von einer quantitativen Ergänzung zu bewahren, darf man sie nicht so rein präsentische auslegen, wie es in der Formulierung von Vischer liegt. Damit aber sind wir nun doch wieder bei der „positiven Seite” der Taufe, bei ihrer Entfaltung, Bewahrung, Bewährung.

Vischer hat übersehen, daß er sich hier eine Strecke weit in beträchtlicher Übereinstimmung mit der Firmungslehre der römischen Kirche befindet, wie denn etwa Schmaus in breiter Entfaltung Firmung und Mission verbindet. Indessen hat Vischer recht, wenn er nicht den Gedanken an sich, sondern erst denjenigen der Stufung als sinnverändernd ansieht. Aber auch die Gegenüberstellung von Befreiung und positiver

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Zuordnung ist noch nicht genau. Sie wird dem einordnenden, ordinatorischen Charakter der Taufe nicht genügend gerecht. Vielmehr nimmt die Taufe in der missio-confirmatio so ihren Fortgang und Ausgang, wie auch der Ordination zum Amt die missio folgt. In der Taufe selbst sind der befreiende wie der zuordnende Charakter der Handlung miteinander vereint. Trotzdem hat Vischer eben darin recht, daß der Gedanke der missio im Kern sinnvoll und richtig ist.

Vischer stellt freilich die gerade erst und noch nicht völlig sicher gewonnene Einsicht durch die Einbringung eines voluntaristischen Elementes in Frage. Er schlägt, ähnlich wie Klessmann, nach vorsichtiger Begrenzung der bisherigen Konfirmation eine besondere Segnung derjenigen vor, die bereit sind, den Dienst der Kirche in der Welt zu erfüllen — nicht Konfirmation, sondern eher Laienordination. Die daneben bestehende, allgemeine Konfirmation soll Abschluß der kirchlichen Unterweisung und Admission zum Abendmahl bleiben.113

Der reformierte Lieblingsgedanke der strenger verpflichteten Kern- und Aktivgemeinde schlägt hier wieder durch. Er löst aber nicht eigentlich das Volkskirchenproblem, sondern kompliziert es noch durch die Bildung eines engeren und weiteren Kreises. So notwendig und wesentlich die Ordination zu allen konkreten Ämtern ist, so nähert sich die Laienordination eines kleineren Kreises dem Typus der absoluten Ordination eines Freiwilligkeitsklerus. Wenn der Gedanke der Laienordination nicht eine Redensart sein soll, muß er den Vergleich mit der Ordination zum Amte aushalten. Diese besteht, wie etwa auch J. Heubach114 mit Recht sagt, aus vocatio, benedictio und missio. Die vocatio des Laien ist jedoch keine andere als die zur Taufe. Kann die isolierte Firmung die Taufe in Frage stellen, so diese Laienordination die Einheit des Geistes. Nach diesem Vorschlag haben wir dann vier verschiedene Handlungen: Taufe und Handauflegung (verbunden), konfirmatorisches Taufgedächtnis und Laienordination (getrennt). Das ist dann aber sehr deutlich eine Abspiegelung des Verhältnisses von Taufe und (als missio verstandener) Firmung nach römischer Konzeption. Damit wären die Argumente gegen die Trennung von Taufe und Firmung wesentlich entwertet. Aber diese Firmung als Laienordination wäre den „Aktivisten” vorbehalten. Aber woher will die Kirche das Recht nehmen, eine solche Unterscheidung zu vollziehen, eine besondere, zur Laienordination gesteigerte Konfirmation einem engeren Kreise zuzubilligen? Die subjektive Selbstverpflichtung der Betreffenden kann das nicht rechtfertigen, nicht tragen. Ordiniert kann nur werden auf ein bestimmtes Amt, eine bestimmte Verrichtung am Leibe Christi. Kybernetische und pädagogische Erwägungen dürfen hier nicht vor den dogmatischen Fragen stehen. Das Kirchenrecht sorgt für das, was man im Handelsrecht die „Firmenwahrheit” nennt.

Die Konfirmation ist nicht in erster Linie eine pädagogische,

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seelsorgerliche und volkskirchliche Frage — das alles ist sie in einem bedrängenden Maße auch! —, sondern zu allererst eine solche der Pneumatologie, der Lehre vom Heiligen Geist und der Kirche. Man könnte fragen, ob einer Trennung von Christologie und Pneumatologie, einer Verselbständigung der letzteren in der Firmung ein Aufgehen der Pneumatologie in der Christologie in der Konfirmation gegenübersteht. Daß bis heute keine wirklich gemeinsame Deutung einer von der Reformation doch erst neugestalteten kirchlichen Handlung zu erreichen war, daß die Anhäufung von erweislich sekundären Momenten ihren eigentlichen Gehalt verdunkelt, ist ein Anzeichen für die Lage.115

Nach alledem hat die Kirche nur die Wahl, die Konfirmation in der geschilderten Weise vorsichtig einzuschränken und zu entlasten116 — oder aber sie in Richtung auf den Gedanken der missio bewußt vorwärts zu entwickeln. Tertium non datur. Über den Begriff der missio ist noch weiter im Abschnitt über die Ordination zu handeln.

Das Erstere bedeutet die Beschränkung auf eine den reformatorischen Kirchen allein eigentümliche Form der Segenshandlung, welche mit der altkirchlichen Confirmatio (Firmung) nur den Namen gemeinsam hat. Nach dem „Sitz des Lebens” besteht freilich eine sehr viel größere Nähe zwischen beiden Formen. In der zweiten Form macht sich das unerledigte pneumatologische Problem nach seiner objektiven und subjektiven Seite bemerkbar. Die Theologien rationaler Tendenz und Struktur — römischer Katholizismus und Calvinismus — sind begreiflicherweise an dieser Frage in besonderem Maße interessiert.

Hinderlich für die Klärung des Problems ist vor allem seine von Nagel „synkretistisch” genannte Komplexität. Deshalb muß das Kirchenrecht die Kirche auf das befragen und bei dem festhalten, was sie wirklich zu tun und zu tun befugt ist.

In Mahrenholz „Begleitwort zur Ordnung der Konfirmation” 117 findet sich nun eine über alle früheren Erwägungen hinausführende Ausführung. Er bringt zunächst eine Reihe sehr bestimmter Worte Luthers über die Effektivität des Segens („ista omnia sunt potestatis praesenter et vere tibi donantis”), wenn du glaubst, weil es nicht unsere Werke sind, sondern Gottes Werke durch unsern Dienst. Segen ist also nicht anwünschend, sondern mitteilend.118

Anschließend heißt es:

„An dieser Stelle wird man — freilich mit der Einschränkung, (?) die in dem Ausgeführten liegt, auch sagen können, daß die Konfirmationshandlung über die Vergegenwärtigung und Bewußtmachung der Kindertaufe hinausgeht. Denn die Handauflegung mit der Bitte um die Gabe des Heiligen Geistes ist ein Stück der Erwachsenentaufordnung, das in der Kindertaufordnung fehlt (weil es als Firmung abgetrennt wurde) nun aber in der Konfirmation als letztes Stück der Entfaltung des Taufgeschehens, wenn auch nur fakultativ, erscheint.”

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Diese Ausführungen sind überraschend.

1. Bisher hat Mahrenholz gleichlaufend allen Amtshandlungen ein spezifisch lutherisches Schema zugrundegelegt, nach welchem in der Zitation der einschlägigen Schriftworte und dem Vaterunser das Entscheidende liegt, während dem anschließenden Segenshandeln jedenfalls keine irgendwie darüber hinausgehende Bedeutung beigemessen werden darf: so für Taufe, Trauung, Ordination, mit grundsätzlichster Betonung.119 Jetzt durchbricht er diesen Ansatz.

2. Die ganze bisherige Kritik am Firmsakrament richtet sich gegen die Annahme eines irgendwie „über die Kindertaufe hinausführenden” Momentes. Freilich wird dabei Kindertaufe und Taufe überhaupt nicht unterschieden. Andererseits kann nicht ernstlich bestritten werden, daß die theologische Begründung des Firmsakraments in der römischen Kirche bei allem Formalismus einer gesonderten Handlung dieses ganz entschieden als Fortentwicklung der Taufe im Alter der Bewusstheit versteht. Die unleugbaren Unterschiede sind letztlich sekundärer Natur.

3. Dem Segen in der Konfirmation wird nunmehr die Intention der Geistmitteilung beigelegt, welche selbst  — entgegen der gesamten Kirchengeschichte seit der Urzeit — für die Ordination nicht angenommen und ausgedrückt wird. Dann aber kann dieser Konfirmation der sakramentale Charakter der Sache nach nicht mehr ernstlich bestritten werden. Wie freilich eine so verstandene, so bedeutsame, so gefüllte Handlung als fakultativ angeboten werden kann, bleibt unverständlich.

4. Von alledem läßt der wesentlich später erschienene Bericht des Ausschusses der EKD120 nichts erkennen, enthält aber auch keine Differenz zwischen den lutherischen und den unierten Mitgliedern. Der Bericht erwähnt ausdrücklich die Handauflegung, erklärt sie für gute Ordnung, aber nicht entscheidend und nicht für sakramental. Dieser Consens ist nur bei Zugrundelegung eines formalen Sakramentsbegriffes und deswegen verständlich, weil in der lutherischen Form der Handauflegung — als Überbleibsel jenes Ansatzes — fakultativ erscheint. Der Gedanke, daß die Konfirmation über die Kindertaufe hinausführe, kommt in diesem Bericht nicht zum Ausdruck. Dieser Gedanke aber, der hier in eigentümlicher Unentschiedenheit erscheint, stellt die gesamte bisherige Entwicklung der Konfirmation in den reformatorischen Kirchen in Frage und diese vor eine neue Situation.

Schon Maurer suchte mit der Auslegung der Konfirmation als Absolution einen Sinn für die Konfirmation im ganzen, wenn auch dieser Gedanke nicht überzeugen kann und offenbar auch nicht überzeugt hat.

Die Linien der admissio und der missio würden auch dann keinen gemeinsamen Mittelpunkt finden, wenn der Gedanke Mahrenholz’ von der Erwachsenentaufordnung wirklich durchgeführt, nicht mehr nur fakultativ aufgefaßt würde. Trotz aller einschränkenden Interpretationen

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überschreitet er hiermit seinen bisherigen liturgischen Ansatz und führt damit in die Nähe der altkirchlichen Tradition zurück.

Als Ergebnis der Kritik am Firmsakrament und der Eigenentwicklung der reformatorischen Kirchen bliebe jene nicht unproblematische Verknüpfung von confirmatio und admissio, aus deren komplexen Motiven jedenfalls das humanistisch-intellektuelle die geringste Berechtigung besitzt. Es bleibt bemerkenswert, daß die römische Kirche die Erstkommunion nicht von der vorgängigen Firmung abhängig macht, weil sie mit Recht in der Taufe die pneumatische und kirchenrechtliche Grundlage der Kommunion sieht. Beachtlich ist auch, daß die Firmung nach kanonischem Recht keine Bedeutung für die Vollmitgliedschaft in der Kirche, sondern nur für die Erteilung der Priesterweihe besitzt. Die gemeinchristliche Anschauung über das Verhältnis von Taufe und Geist, von der wir ausgingen, ist also bei Ausbildung eines gesonderten Firmsakramentes sorgfältig bewahrt und verdient auch unsere Beachtung.