3. Die Taufe als Rechtsvorgang

a) Die Rechtsstruktur der Taufe — liturgisch

Eine Auslegung der Taufe als Rechtsvorgang verzichtet darauf, sie vorweg begrifflich zu deuten. Es geht nicht um den Taufbegriff, sondern um das Taufgeschehen, wie es aus dem Vorgang erhebbar ist, in dem sich natürlich auch ein Taufverständnis ausprägt. Wir interpretieren zunächst biblische Taufberichte auf ihren konkreten Rechtsgehalt, an dem das Kirchenrecht sich anzuschließen hat.

Ein solcher Taufbericht ist die Taufe des „Kämmerers aus dem Mohrenland” (Apg. 8) durch Philipps. Es wird die providentielle Führung dargestellt, durch welche beide, Täufer und Täufling, zusammengebracht werden. Es geht sodann der Taufe hier eine missionarische Verkündigung voraus, in welcher der Missionar dem in der Schrift Forschenden das Alte Testament auf das Neue deutet. Zu dieser Verkündigung muß auch eine Verkündigung über die Taufe gehört haben — dies wird nicht erwähnt —. Es steht dahin, was hier genannt worden ist, die Taufe Jesu oder der Taufbefehl, oder die Taufpraxis der Gemeinde oder alles zusammen. Ein Rückgriff auf ein werbendes und verpflichtendes Vorbild aber muß vorgelegen haben. Diese Verkündigung führt auf die Taufentscheidung hin. Sie hat in ihr ihren Abschluß und ihr konkretes Ziel. Verkündigung und Taufe bilden einen progressiven Vorgang.

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Der Vorgang der Taufe selbst aber beginnt mit der Erwägung der Taufentscheidung als einem wesentlichen Akt der Vorbereitung. Hier steht Apg. 8, 36 als Frage des Kämmerers an sich selbst wie an den Diakon das berühmte Wort „ti kolyei” — was hinderts? Cullmann29 hält dieses Wort für einen rudimentären Bestandteil allerältester Liturgie und setzt die Stelle mit anderen Anwendungen des Verbums „kolyein” in Taufberichten (Apg. 10, 47; 11, 17) in Parallele:

„eine liturgische Frage, die regelmäßig gestellt wurde, wenn ein Täufling dem Taufenden vorgestellt wurde ... Gibt es ein Hindernis, daß der und der getauft werde? Oder der Täufling fragt selbst: gibt es ein Hindernis, daß ich getauft werde? Darauf antwortet der Taufende (8, 37): wenn du von Herzen glaubst, ist es dir gewährt — und darauf spricht der Täufling ein kurzes Christusbekenntnis.”

Die Frage ist an und für sich selbstverständlich für jeden, der einer neuen Gemeinschaft begegnet, sich zu ihr hingezogen fühlt und nun nach den Voraussetzungen der Zugehörigkeit fragt, die er unmöglich von außen übersehen kann. Daß es sich in irgendeiner Weise um eine Zugehörigkeit handelt, ergibt sich ebenso selbstverständlich, ohne daß über die Art und Tragweite dieser Zugehörigkeit und den Modus der Aufnahme sonst etwas erkennbar ist.

Sehr zu recht sieht Cullmann diese Frage von verschiedenen Personen, vom Täufer wie vom Täufling, also von verschiedenen Rollen gestellt. Er beantwortet die Frage mit Apg. 8, 37, indem er die Bedingung nennt, unter der Philipps taufen darf und taufen muß. Dieser schiebt mit seiner Antwort die Frage bis zu einem gewissen Grade in die Verantwortung des Täuflings zurück: „wenn du von ganzem Herzen glaubst”. Es wäre ein Frevel des Kämmerers, wenn er sie ohne Glauben begehrte. Aber diese bedingte Zurückschiebung hebt wiederum die eigene Verantwortung des Täufers nicht auf.

Die Stellen Apg. 10 und 11 verleihen der Stelle Apg. 8 in dieser Hinsicht eine sehr große Bedeutung. Das Verb kolyein kommt mit einem so starken, unüberhörbaren Gewicht vor, daß wir zu einer genauen Auslegung genötigt werden. Es wird vor allem sichtbar, daß es sich um einen Akt des Glaubensgehorsams handelt. Es wird auf das erwählende Handeln Gottes geachtet und dementsprechend entschieden und gehandelt. Das Taufwasser erscheint geradezu als eine selbständige, aber gottgesandte Macht, der man sich nicht entziehen kann und versuchen soll. Und trotzdem ist es eine konkrete Entscheidung des Apostels. Der reicher ausgebildete Taufbericht aus Kap. 8 stimmt in der Auffassung und Haltung mit den anderen Berichten durchaus überein.

Der Taufende wird dem ernstlichen Taufbewerber die Taufe nicht versagen dürfen, es aber ebenso bestimmt müssen, wenn er sieht, daß der Bewerber die Taufe etwa nur um des weltlichen Nutzens oder aus Irrtum über den christlichen Glauben begehrt. Er darf sie nicht an den

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Ungläubigen oder Unwilligen verschwenden. Er handelt mit anvertrautem Gut, das er weder vergeuden noch vergraben darf. Das Evangelium ist an alle (für die vielen) gerichtet: „sie alle sind berufen”: deshalb ist es seinem Wesen nach öffentlich und allgemein, keine esoterische Geheimlehre. Der Handelnde darf und muß es allen bringen und niemandem vorenthalten; indem aber die Frage gestellt wird, wird die Möglichkeit ernstgenommen, daß wirklich ein Hindernis besteht. Durch die Notwendigkeit dieser Vorentscheidung unter Rückgriff auf die göttliche Bestimmung wird ein isoliertes, in menschlicher Macht stehendes und per se bestehendes „objektives” Handeln des Menschen ausgeschlossen.

Für den Täufer ist es die jurisdiktionelle Frage nach der Abgeneigtheit geistlichen Handelns — als solche werden wir später die eine Seite dieses Handelns begrifflich zu erfassen haben (Kap. XIII). Aber im Munde des Täuflings ist es dieselbe Frage in der Umkehrung. Er beantwortet sie auch ganz sinngemäß für sich selbst: durch einen Akt des Bekenntnisses — in der einfachen, streng personalen Form des Kyrios-bekenntnisses. Dies aber ist ein Akt der Unterwerfung unter die so ausdrücklich bezeugte Herrschaft und als solcher ein klarer Rechtsakt, der die Bedingung für die begehrte Taufe setzen will.

Diese Unterwerfung unterscheidet sich von einem weltlichen Unterwerfungsakt dadurch, daß dort die neue Herrschaft durch die Annahme der Unterwerfung erst begründet wird: bis dahin und in dem Entschluß zur Unterwerfung ist der so Handelnde frei. Er ist selbst ein Subjekt politischen Handelns, das auf dieser Ebene auch mit dem Hoheitsträger in freier Entscheidung verhandeln kann. Der Täufling dagegen bezeugt eine Herrschaft, die, sofern sie eben wahre Herrschaft ist, gerade von Anbeginn her schon bestanden hat. Er wendet sich nicht einer neuen Herrschaft zu, sondern zu der wahren alten zurück. Das heißt aber, daß er dieser Herrschaft entlaufen, entfremdet war, daß er sich jetzt zu dem schuldigen Gehorsam zurückfindet, wie auch immer wir den subjektiv-psychologischen Tatbestand darstellen.

Das Taufbekenntnis ist also immer, auch wenn es das nicht ausdrücklich sagt, Absage, als die andere Seite der darin liegenden Zusage. Aber es impliziert und erfordert das Schuldbekenntnis. Die Taufe setzt also einen Unterwerfungsakt voraus. Man kann, wie bei anderen Handlungen, wie etwa einer ärztlichen Operation, auch von der Taufe sagen, daß man sich ihr unterzieht, sich ihr unterwirft. Wird sie aber angenommen, so begründet sie Gemeinschaft zwischen beiden Partnern, wie immer das neu geschaffene Verhältnis interpretiert wird.

Aber Unterwerfung ist ein zweiseitiger Akt. Sie muß auf jemanden treffen, der bereit ist, sie anzunehmen. Sie ist rechtlich auch eine empfangsbedürftige Willenserklärung, obwohl sie mehr umschließt als einen bloßen Bewußtseins und Willensakt.

Soweit kommen wir, wenn wir dem unversehrten Text von Apg. 8 folgen.

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Er bedeutet ja nicht nur einen bloßen Tatsachenbericht über die  Taufe eines vielleicht wichtig erscheinenden Mannes, sondern er gibt ein bestimmtes Taufverständnis charakteristisch wieder, in welchem die Frage ti kolyei und das Bekenntnis einander korrespondieren. Aber eben diese Verbindung ist nicht die ursprüngliche. Das Bekenntnis ist hier ein späterer Einschub. Das „ti kolyei” bezieht sich auf etwaige kultisch-sakralrechtliche Hindernisse. Wenn es eine regelmäßige liturgische Frage war, so hat sie sich als solche in der Taufliturgie nicht gehalten, und das wohl nicht von ungefähr. Denn es ist ja formell eine Vorfrage, die sich auf ein erst anschließendes Handeln bezieht, nicht unmittelbar in dieses Handeln gehört. Sachlich ist es in dem oben entwickelten Sinne eine jurisdiktionelle Frage. Diese gehört nicht in die Taufhandlung, wohl aber zur Taufhandlung. Es ist das gleiche oder ein ähnliches Problem, wie es sich bei der Ordination in der Präsentation des Ordinanden und der Erfragung der vorausgegangenen kanonischen Wahl durch den Ordinator anmeldet. Das „ti kolyei” als liturgische Frage kann fallen, weil und soweit eine unmittelbare Konfrontation und Beziehung zu anderen Kulten zurücktritt. Die Entscheidungsfrage bleibt für beide, für Täufer und Täufling bestehen. Der auf ihn zukommenden Gabe des Heils begegnet der Täufling mit dem einzigen, was er tun und sinngemäß tun kann, dem Bekenntnis des Glaubens.

Es gibt — und das ist sehr wesentlich — keine Selbsttaufe. Wie sehr damit der Souveränitätsanspruch des modernen Menschen getroffen wird, zeigt die Haltung einer Schweizer Kantonalregierung, welche die Bestätigung der kantonalen Kirchenverfassung verweigerte, in der die Taufe zur Bedingung der Kirchengliedschaft erklärt war. Es sei keinem freien Schweizer Bürger zuzumuten, sich einer solchen Handlung zu unterwerfen. Hier ist die Kirche zum Bekenntnis gefordert, weil eben genau all ihr Recht aus der Unterwerfung unter den Willen Gottes und der Annahme der Nachfolge Christi besteht.

Die Taufe des Kämmerers enthält jedoch noch ein weiteres Problem. Das Geschehen wird als ein providentielles dargestellt. Der Kämmerer ist durch das Alte Testament auf die Glaubensfragen geführt worden, die er auf seinem Reisewagen meditiert. Philippus aber wird eigens zu dieser Begegnung entrückt und ihm entgegengeführt. Hier  treffen sich die Tradition des Alten Bundes und das Ereignis des Neuen. Es treffen sich aber auch die Glaubensfrage und Glaubensentwicklung des einzelnen und die gestiftete Kirche der apostolischen Vollmacht.

Das Verhältnis zwischen Altem und Neuem Bund würde sich bei einem Heiden verschieben auf die Beziehung zwischen Evangelium und Religionen. Das zweite Verhältnis jedoch kehrt immer wieder in der Begegnung des einzelnen mit der Kirche, die ihm immer schon vorgegeben ist. Das Verhältnis von Taufe und Geist kommt in Apg. 8 nicht

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zum Ausdruck. Es wird kirchenrechtlich im Verhältnis von Taufe und Firmung/Konfirmation von Bedeutung (vgl. Ziff. 4). Da aber alle Führung zum Glauben des Einzelnen ebenso wie alles Handeln der Kirche unter Ausschluss jeder Eigenmacht geschieht, so handelt einerseits Christus in der Kirche per spiritum sanctum und begegnet ebenso dem in der Subjektivität wirkenden Heiligen Geist: der Geist begegnet dem Geist. Beides trifft sich im Bekenntnis. So kann Serapion von Thmuis in seinem Euchologion um logos und Geist bitten, damit logos und Geist selbst das Bekenntnis sprächen. Kirchenrechtlich wird dies im Bereich des Bekenntnisrechts und im Vorgang der Rezeption von Bedeutung (s. Kap. XIII).

Dieses Verhältnis zwischen Scheidung und Zuordnung, aber auch zwischen Tradition und Neueinsatz ist jedoch nicht auflösbar. Im Gegenteil sehen wir so die Grundvorgänge des Kirchenrechts, die sich in Kap. XIII als Gesamtergebnis herausschälen, schon in der ersten konkreten Handlung, der Taufe, vollständig angelegt: Jurisdiktion und Ordination, Tradition und Rezeption. Auch die Taufe ist traditio im Sinne von Gabe, Selbsthingabe und Überlieferung.30

In den später angeführten Arbeiten von Stenzel und Kirsten ist vor allem die liturgiegeschichtliche Entwicklung dargestellt, wobei die Rechtselemente sehr deutlich hervortreten, ohne freilich eigentlich juristisch bearbeitet zu werden.

Bei Stenzel ist die Auffassung wichtig, „daß in den Tauffragen ursprünglich das eigentliche zentrale Taufbekenntnis zu sehen sei. Zwischen deklaratorischem und interrogatorischem Bekenntnis sei zu unterscheiden. In dieser Form sei die Partnerschaft des Täuflings in der von ihm angestrebten pactio, conventio zu eindrücklicher Gestaltung gekommen (Nagel). Demgegenüber sei das Symbol vom Zentrum der Taufe her zweitrangig, weil als Produkt des institutionellen Katechumenats ein ihm zugehöriger Ritus.”

In seiner Studie über die  Taufabsage gibt Kirsten eine Auslegungsgeschichte des Begriffs eperotema in 1. Petr. 3, 21. Er kommt zu dem Ergebnis, daß die lange Zeit bestrittene Übersetzung Luthers „Bund” (eines guten Gewissens) sich als völlig gerechtfertigt erweise, und zwar gerade in dem rechtlichen Sinne eines Bundschlusses. Eperotema als Frage und Bitte schließe Frage und Antwort zusammen. Der Gebrauch des Begriffes sei schon für das vorchristliche Rechtsleben im Sinne des Kontraktes nachgewiesen, insbes. von Bo Reicke. Der Begriff umfasse die einleitende Frage, die erteilte Antwort und schließlich den ganzen Akt, den Kontrakt selbst. Dabei wird darauf verwiesen, daß in der lateinischen Rechtssprache „stipulatio est contractus qui fit per interrogationem unius”.31

Kirsten verbindet sehr zu Recht diese Gedanken mit der Dialektik von Absage (apotaxis) und Zusage (syntaxis), Bekenntnis, deren rechtliche

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Bedeutung uns in den früheren Erwägungen schon deutlich geworden ist. Eben darum ist es sehr notwendig, den schon früher entwickelten Begriff des Bundes als umfassender Vergemeinschaftung durch die Gabe der Bundesstiftung nicht in schuldrechtliche Kategorien abgleiten zu lassen. Hier ist an die rechtssoziologischen Ausführungen von Max Weber zu erinnern (Kap. II, Ende).

Die Annahme von Kirsten, daß die Tauffragen der Kern des Taufgeschehens seien, und die Zentrierung auf die Dialektik von Zusage und Absage, bedeutet schon eine Akzentuierung des in Apg. 8 Berichteten. Es gilt als frühe Bildung wohl nur für den griechischen und lateinischen Westen, nicht für den syrischen Osten. Es entbindet aber vor allem und enthält in der Linie 1. Petr., Plinius, Tertullian ein Gefälle zum Vertragsgedanken, den wir schließlich als handhafte Mißbildung in dem von Heggelbacher (s. Ziff. b) vorgeführten Material vorfinden. Der Bund als Gabe der Gemeinschaft und der Charakter der personenrechtlichen (statusrechtlichen) Vergemeinschaftung kann gegenüber vordringenden voluntaristischen Elementen nicht durchgehalten werden. Weder die Betonung einer (dann unvermeidlich isoliert verstandenen) „Objektivität” der Taufe noch erst recht die Ersetzung selbstmächtiger Selbstverpflichtung durch Glaube und Bekenntnis vermag dies wieder zurechtzubringen. Erst die Erhellung der institutionalen Struktur der Taufe zeigt die Denkmittel, durch die sich die Dinge wieder sinngemäß zusammenfügen lassen.

 

b) der Rechtscharakter der Taufe nach der frühchristlichen Tradition32

In einer Studie über die „Taufe als Rechtsakt nach dem Zeugnis der frühen Christenheit” 33 hat Othmar Heggelbacher versucht, aus biblischen und frühchristlichen Quellen einen vierfachen Rechtsgehalt der Taufe zu ermitteln:
a) als Initiationsritus
b) als Akt der Weihe and Gott und als Eid
c) als Vertrag
d) als Begründung der kirchlichen Personalität

Heggelbacher gibt die altkirchliche Entwicklung der Tauflehre in ihren rechtlichen Aspekten wieder. Er bejaht sie im Sinne einer integralen katholischen Tradition im wesentlichen unter Einschluß der zum Teil gegensätzlichen Gedankenlinien. Ich verbinde daher mit der zusammenfassenden Darstellung seiner Ausführungen von vornherein meine eigene Kritik.

zu c): Von jenen Bedeutungen kann diejenige als Vertrag als die am wenigsten angemessene vorweg behandelt werden. Sie ist nach Heggelbacher „in der alten Kirche sehr weit verbreitet und hebt der Wurzel nach in biblischer Zeit an” (S. 96). Das Wort „eperotema” (1. Pt. 3, 21) in der juristische Bedeutung der „Vertragsfrage” (ThW I 685), d.h. der Frage

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des einen Teils, ob der andere mit der vorgeschlagenen Abmachung einverstanden ist, hat freilich zugleich die Bedeutung der anfragenden Bitte. Heggelbacher verkennt nicht, daß der Vertragsgedanke daran scheitert, daß hier zwei nicht gleichgestellte Partner sich gegenüberstehen und deshalb auf der menschlichen Seite höchstens jenes fragende Bitten vorliege. Trotzdem lege Tertullian die Taufe so aus, „daß Gott sich im Akt der Entgegennahme des Taufbekenntnisses (durch den Bischof bzw. Priester) freiwillig vertraglich zur Erteilung des Seelenheiles verpflichte, das der Mensch mit der Ursünde verwirkt hatte” (S. 97). Wenn Tertullian die Taufe mit dem Fingerreif vergleicht, den der Christ wie der verlorene Sohn nach seiner Rückkehr ins Vaterhaus in der Taufe empfangen hat, und den ganzen Akt dann erläutert: „quo fidei pactionem interrogatus obsignat”, so ist damit, wie Kirsten mit Recht sagt, der Vertragscharakter herausgestellt, aber auch aller Ton auf das „interrogatus” der Absage gelegt, das ebenso wie das „eperotetheis” die Antwort mit einschließt. Darin liegt in der Tat der Absagevorgang mit inbegriffen.

Der Einwand der Unvergleichbarkeit der Partner wird damit beantwortet, daß bei Beteiligung einer „persona potentior” nicht von „contractus”, sondern von „lex” die Rede sei, d.h. der Ordnung, welche der Höherstehende dem Unterworfenen auferlege. Trotzdem gelte für die beiden Beteiligten die „lex contractus” im transpersonalen Sinne. Beide sind dem objektivierten Vertragsinhalt unterworfen und durch die Verbindlichkeit belastet. Entgegen dem weltlichen willkürliche kündbaren Vertrag dauert die Verpflichtung der Taufe, solange die Zeitlichkeit besteht” (S. 97). Aus einer Stelle Theodors von Mopsuestia werde deutlich, „wie sehr der Vertragsschluß an die Kirche geht und wie an Gott, so an der Kirche bindet” (S. 99).

Dieser Gedankengang des bedeutenden Juristen Tertullian und seiner Zeitgenossen ist typisch für die Neigung der späten Zivilisationsjurisprudenz, statusrechtliche Vorgänge einerseits im Sinne des bürgerlichen Schuldrechts, andererseits körperschaftsrechtlich zu konstruieren. Die den ganzen Menschen umfassende Inkorporation in den Lebens- und Herrschaftsbereich wird in die definierbare lex contractus verengt, und diese dann nach der Seite des einzelnen in das schuldrechtliche debitum ausgelegt. So kann direkt gesagt werden, daß „die Pflichten christlicher Lebensführung hinfort für den Täufling als vertragliche debita gelten” (S. 97).

Zugleich wird aber auf der anderen Seite die lex contractus zu einer metaphysischen Objektivität erhoben, welche über Gott und dem Menschen steht. Der zunächst profanierte und reduzierte Vorgang wird dann wieder absolut gesetzt, um seinem geistlichen Gehalt sich anzupassen, und muß es werden. Unbedingtheit, Unterwerfung, Totalität, Unaufhebbarkeit stoßen sich mit den Vertragskategorien. Aber begreiflicherweise

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können dann von hier aus sehr vielfältige Forderungen disziplinärer und ethischer Natur erhoben werden.

In Wirklichkeit handelt es sich um einen statusrechtlichen Vorgang, der auch die Merkmale des Kontraktes hat, aber auf alle Fälle kein Vertrag auf Leistung ist. Durch den Vertrag wird das personenrechtliche  Rechtsverhältnis selbst hergestellt, es ist mit ihm identisch, geht nicht auf eine Vertragsfolge, sondern die Vertragsfolgen sind Folgen der eingetretenen Statusveränderung. Obwohl der personenrechtliche Vertrag Rechtspflichten zur Folge hat, so hat er sie doch nicht zum Gegenstande. In dieser Verschiebung vom Gegenstande auf die Folgen liegt der Bedeutungswandel. Der Gegensatz wird verdeckt und überbrückt dadurch, daß als Vertragsgegenstand „das Heil” verstanden wird. Aber das Heil ist eben der Bund, die neue Gemeinschaft als solche. Wir werden dieser objektivierenden Abstraktion noch öfter begegnen. Der Gemeinschaftscharakter des Vorgangs wird dann dadurch nachgeholt und aufgefangen, daß dieses alles über und durch die Kirche geht. So entsteht das paradoxe Ergebnis, daß die biblisch korrekte Auffassung zwar deren personalen Charakter, aber nicht mehr die Gemeinschaftsdimension festzuhalten imstande gewesen ist. Der Ertrag so wichtiger und treffender Exegesen aber ist dadurch gefährdet, daß der Rechtsgehalt der ermittelten biblischen Begriffe nicht voll übersehen wird.

Die Verschiebung des älteren Kontraktbegriffes, durch den man etwas für jemanden wird, in das verkehrsrechtliche Schuldrecht ist nach dem in Kap. II Gesagten (insbes. Max Weber) vollkommen deutlich.

Der sog. Personalismus hat dies sehr zu Recht empfunden, aber keineswegs verstanden. Er ist infolgedessen von dem personenrechtlichen Vorstellungsgehalt der Bibel womöglich noch weiter entfernt als die von ihm angegriffene Position, weil es sich selbst die Reflexion auf statusrechtliche Lebensformen verbietet. D.h.: gerade das, was von Tertullian ab umgebogen und mißverstanden worden ist, wird unter ein grundsätzliches Verdikt gestellt. Der praktische Fehler wird zum grundsätzlichen. Der Fehler wird von der Inkonsequenz gereinigt und zum Grundsatz erhoben. An die Stelle unmöglicher schuldrechtlicher Vorstellungen für das Gottesverhältnis tritt die nicht weniger schuldrechtlich, imperativ konstruierte Vorstellung des einseitigen Anspruchs, in welcher die kommunikatorischen Momente der Gabe keinen Platz zur Entfaltung mehr haben. Der Vorstellung eines verbalen Vertrages (einer sponsio) hat später durch die Ausbildung des griechisch-ägyptischen Urkundenwesens eine Fortbildung erfahren (vgl. hierzu die in Kap. IX zitierte Studie von Hantsch). Er bringt jedoch eine für die Vertragskonstruktion interessante Stelles des Johannes Chrysostomos:34

„sicut nos servos ementes ipsos qui venduntur prius interrogamus an nobis servire velint, ita facit et Christus: quando debet te in servitutem capere, prius interrogat an velis illum ...”

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Hier ist bemerkenswert, daß Christus und der Gläubige nicht wie in einem Verbalkontrakt, wenn auch in einem pactum supra partes, kontrahieren: der Sklave, der keine Verfügung über sein Schicksal hat, aber dessen Bereitschaft und guter Wille doch für den Käufer von Bedeutung ist, wird gefragt, ob er dienen will. Dieser Gebrauch, der als gemeinverständlich und üblich vorausgesetzt wird, wirft ein Licht auf die rechtliche und soziale Lage der antiken Sklaven. Wer der Verkäufer ist, wird nicht gesagt; da ja hier die Selbstübergabe fortfällt, ist es, als ob Christus den Sklaven dem Teufel zwangsweise abkaufte.

zu b): Tiefer setzt die Tauflehre mit dem Gedanken der Weihe an Gott und des Eides ein. Hier wird das Wort „sacramentum” im Sinne von Eid und Fahneneid benutzt. Über die rechtsgeschichtliche Herkunft dieses Begriffes ist bereits in Kap. II gebrochen worden.

Die etwas allgemeinere Formel „im Namen” — (mit Rücksicht auf, in Hinblick auf, aber doch auch: in Vollmacht) gewinnt für die Taufe in der akkusativischen Fassung „eis to onoma” — auf den Namen — die Bedeutung als Rechtsformel des griechischen Rechts, daß eine Person oder Sache dem so Genannten als eigen oder zugehörig bezeichnet wird.35 Freilich bedeutet der „Name” überhaupt in älteren Sakralrechten einen solchen ausgezeichneten Heiligkeits- und Wirksamkeitsbereich, daß es einer besonderen Verweisung auf eine solche Bedeutung etwa im hellenistischen Giroverkehr36 kaum bedarf. Dieser Gedanke erfährt aber eine einseitige Akzentuierung und besondere Ausbildung, wenn nunmehr der Sinn der Taufe als „Weihe an Gott den Ungebeugten” 37 verstanden wird, als Angelobung an die Gemeinschaft der schon Glaubenden in der Kirche. „Als Hauptsinn tritt der Weiheschwur an die Dreifaltigkeit auf dem Hintergrund der äußeren Enteignungsakte von Exorzismen und Abschwörungen hervor” (91). Nunmehr verbinden sich im Begriff des Sakramentes hier zwei Vorstellungen, die der Weihe und die des Eides. „So wie der Soldateneid Weihe und zugleich Anrufung der Götter als Schiedsrichter über die Ehrlichkeit des Versprechens war, gilt dies für die Taufe, wenn und so oft sie zum Soldateneid in Parallele gesetzt wird” (93). Diese Ausdeutung greift zurück auf die Beschreibung des Plinius vom christlichen Gottesdienst,38 aus der folgende Worte besonders charakteristisch sind:

„seque sacramento non in scelus aliquod obstringere, sed ne furta ne latrocina ne adulteria committerent” usw.

Wenn dies zu Recht auf die Taufe bezogen wird, so setzt hier bereits die Bedeutung moralisch-ethischer Selbstverpflichtung ein. Auf der Basis solcher Vorstellungen bezeichnet Tertullian die Taufe als sacramentum.

Die weittragende Bedeutung dieser Gedankenrichtung macht Heggelbacher deutlich, wenn er die ethisch-rechtliche Akzentuierung des Begriffs sacramentum in relativen Gegensatz zu der „intellektuellen”

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Färbung des Begriffs mysterion stellt, wobei die erstere die altchristliche Vorliebe gewonnen habe. Das erstere habe die Erinnerung an rechtliche fassbare und ethisch bedeutsame Dinge der Geheimkulte, nämlich die eidliche Konföderation eingeschlossen (93). So setzt er auch das Wort „anatithemi” gegen „myeo” (91). Gegen den mystisch-spekulativen Zug des Mysterions (hier unzulänglich mit „intellektuell” bezeichnet) setzt  sich eine Tendenz des ethisch-juristischen Rationalismus. Hier deutet sich in der Tiefe die Spaltung zwischen lateinischer und griechischer Kirche an.

Heggelbacher zieht unbefangen das eine dem anderen vor. Aber wenn sich hier solche Weichenstellungen andeuten, so wäre gerade die römisch-katholische Theologie veranlaßt, dem mit besonderer Sorgfalt nachzugehen — und nicht weniger wir. Der Begriff Sakrament hat damit seine eigentliche Tiefe verloren.

Gewiß ist auch nach dieser Sicht der Mensch Gott verpflichtet, untertan, auf ihn angewiesen. Und doch trägt er ihm, letztlich ungebrochen, seinen Gehorsam, seine Gefolgschaft, seine Treue an — freilich mit der ganzen Unbedingtheit, Härte, Unwiderruflichkeit religiöser Hingabe. Dieser Akt der Hingabe wird dann, und das ist wesentlich, von der Kirche angenommen und verbindlich, unverbrüchlich gemacht. Hierfür kommt das Wort „sancire” vor: „Anima enim non lavatione, sed responsione sancitur” (Tertullian). Deshalb wird der Siegelgedanke (Sphragis) betont: Die Kirche versiegelt durch die Taufe unwiderruflich das Taufgelübde als unverbrüchlich, unantastbar, unverletzlich. Heggelbacher sieht diese Selbstauftragung in unmittelbarer Nähe des Glaubensbegriffes. So kann er im Zusammenhang mit jenem Tertullianzitat ein ausgesprochen spiritualistisch gerichtetes Wort Augustins zitieren „detrahe verbum et quid est nisi aqua? ... Unde tanta virtuos aquae, ut corpus tangat et cor abluat, nisi faciente verbo, non quia dicitur, sed quia creditur?” Der Voluntarismus der Selbstverpflichtung ermöglicht eine Entwertung der Taufhandlung selbst. Es liegt die Gegenfrage nahe, wer denn das Wort vom Wasser meint trennen zu können, und ob die Entgegenstellung von Taufwort und Glaube erlaubt und sinnvoll ist. Diese Richtung der Tauflehre paßt schlecht zu der eingangs seines Buches von Heggelbacher an dem mangelnden Realismus der evangelischen Tauflehre geübten Kritik. Die Sphragislehre ist von der angegriffenen signifikatorisch-konfirmatorischen Taufauffassung gar nicht soweit entfernt.38a

In der Linie der religiösen Selbstverpflichtung liegt auch die Bezugnahme Heggelbachers auf die Theorie Adolf Reinachs, des Begründers der phänomenologischen Rechtsschule, daß das „Versprechen” ein, ja eigentlich das Urphänomen des Rechtes sei.

Reinach übersieht, daß der Kontraktbegriff keine zeitlose Kategorie ist, sondern, wie Max Weber gezeigt hat, nach Struktur, Bedeutung und Folgen historisch in ganz gegensätzlichen Sinn erscheint. Jene in ihrer

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geschichtlosen Allgemeinheit gerade phänomenologisch unrichtige Meinung setzt eine isolierte Selbstmächtigkeit des einzelnen Menschen voraus, die der Relationalität und Sozialität des Rechtes keinen genügenden Ausdruck gibt, dafür aber geeignet ist, unabsehbare spekulative Folgerungen im Sinne naturrechtlicher Abstraktion zu erzeugen.39

Die Taufe als Weihe und Eid setzt die Selbstverpflichtung voraus, welche durch die Taufversiegelung ihre Bestätigung findet. Infolge dieses Verpflichtungscharakters besteht auch kein wesentliches Interesse an der Unterscheidung von Gesetz und Evangelium, weil die Forderungen beider gleichermaßen als geschuldete in diesem Verpflichtungsverhältnis erscheinen können. Diese konfirmatorische Versiegelung mit einer konstitutiven Seite genügt, um die strenge Verbindlichkeit kirchlicher Zugehörigkeit zu begründen. So entsteht von dieser Auslegung her der Typus der militia Christi, hart und biegsam, vielfältig und zugleich undifferenziert. Es ist eine Schutz- und Kampfgemeinschaft, in der dem Gehorsam strenger und umfassender, auch vielfältiger deutbar als der preußische, ein geschichtlich wirksames Erbe römischer Gesittung neben dem Vaterbild des pater familias.

Zugunsten des Gedankens der Selbstauftragung ist die von v. Soden40 treffend hervorgehoben Doppelläufigkeit des Pfandbegriffs aufgegeben. Die freie Gabe Gottes, das Angeld wird zu der Bereitschaft, die Selbstauftragung des Menschen in einer göttlichen Selbstverpflichtung entgegenzunehmen. Das Willensmoment dominiert auf beiden Seiten und verändert die ursprünglichen Motive.

zu a): Das Verständnis als Initiationsritus ist Heggelbacher wichtiger als die beiden genannten Bedeutungen. Initiation kann heißen: Einführung in ein besonderes Wissen und Können, oder auch in einen besonderen Personenkreis, oder beides miteinander. Aber die Taufe vermittelt kein besonderes Wissen über die öffentliche, vorausgegangene Verkündigung hinaus, in dem Sinne wie etwa Geheimriten durch Symbolerlebnisse in eine bestimmte Geistes- und Erfahrungswelt einführen. Aber er übersieht, daß Initiation kein Rechtsbegriff, sondern ein kultischer Begriff ist. So wichtig mir nun im gesamten Umfang dieser Arbeit ist, den Rechtsgehalt und die Rechtsbedeutung gottesdienstlichen Handelns zu erfassen, so eben doch nur deshalb und soweit, als das Handeln hier den Rechtscharakter erkennen läßt. Der Anstoß zu dieser Betrachtung liegt zum wesentlichen Teile gerade darin, daß Begriffe des geistlichen Lebens zugleich solche des Rechtslebens sind und insofern eine mehrdimensionale Wirklichkeit ausdrücken. Diese enge Verbindung besteht nun gerade beim Begriff der Initiation nicht im gleichen Maße. Weil Heggelbacher das übersieht, versteht er sofort die Taufe als Aufnahme in einen Verband, den der Kirche, als Verleihung eines Mitgliedschaftsrechts. Das Mißverständnis zeigt sich darin, daß für ihn die

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Einzelheiten des Vorgangs verhältnismäßig unwichtig sind; die Taufe wird als Ganzes genommen.

Durch die Taufe geschieht uno actu zweierlei: der fleischliche Mensch wird syssomos mit Christus, er wird in diese neue Existenz wiedergeboren (der homo wird zur persona coram deo), und er wird zugleich leibhaft verbunden mit allen, die gleich ihm  ebenso Christus angehören. Damit ist die Kirchengliedschaft mitgegeben. Aber zugleich wird sichtbar, daß es keinen Sinn hat, diese Kirchengliedschaft als den wesentlichen Inhalt der Taufe, und diese als Initiation in die Kirche zu bezeichnen. Sie ist mehr als eine bloße Folge. Aber sie ist auch nicht der primäre Sinn und kann vollends nicht derartig isoliert betrachtet werden. Heggelbacher verkennt dies durchaus nicht völlig. Er stellt zunächst nämlich die Taufe in Parallele zur Beschneidung. Er zitiert Albrecht Oepke, nach dem die juridische Seite der Aussage Kol. 2, 11-12 so stark wirke, daß dadurch die „enge Verklammerung zwischen dem Auferstehen mit Christus und der ganz unmusischen, juridischen Rechtfertigung” gesichert sei (84). Der Lutheraner Oepke akzentuiert hier den Zusammenhang von Rechtfertigung und Taufe als „unmystisch, juridisch”. Der römische Katholik Heggelbacher versteht die Taufe wesentlich als Begründung der Kirchengliedschaft mit allen daraus entstehenden Verpflichtungen, „cum omnibus Christianorum iuribus et officiis”.41 Aber beide verlieren damit doch Wesentliches. Die juridische Imputation erfaßt nicht das Besondere der Taufe. Daneben sind jedoch die Worte Oepkes zu halten, daß die forensische Rechtfertigung im vollen Strome in die pneumatische Christusgemeinschaft einmünde, und daß Paulus von einer Scheidung einer mystischen und einer juridischen Gedankenreihe weit entfernt sei. Aber eben die Kirchengeschichte hat mittels einer spezifischen, in ihren Gründen und Formen erhellteren Weise durch Verengung des juridischen Moments eben jene Spaltung vollzogen. Vollends die lutherische Theologie zeigt diese typische Aporie, von der Lohff in einer Besprechung der Prenterschen Dogmatik sprechen kann. Wird der Vertrag durch das Gnadenurteil ersetzt, so findet das Moment der Kommunikation immer noch nicht wirklich Raum zur Entfaltung.

Heggelbacher dagegen benutzt den Gedanken, um unmittelbar zu den mitgliedschaftsrechtlichen Folgen zu kommen. Er hat daher auch keine Veranlassung, die im Vertrags- und Weihe/Eid-Gedanken liegende Verengung abzuwehren. Juridisch ist dem einen nur die Imputation, dem anderen das Mitgliedschaftsrecht. Der Kommunikationsakt wird unter dem Stichwort „mystisch” aus dem Rechtsbereich ausgeschieden oder als Initiationsakt einseitig in das Körperschaftsrechtliche umgedeutet. Aber eben und gerade in dieser Gabe der Selbstdarbietung zur Gemeinschaft in der Taufe gründet das wesentliche Rechtsmoment der Taufe und alle daraus entstehenden Folgen. Die jurisdiktionelle Frage „ti kolyei” geht ja, wie der Taufbericht Acta 8 zeigt, auf den den Täufling

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und damit auch seine Taufe rechtfertigenden Glauben: „wenn du von Herzen glaubst, so ist es dir gewährt”.

Dem folgt das ordinatorische Handeln der Einordnung, der Übergabe zum Eigentum, der Eingliederung. Es ist für den Voluntarismus des abendländischen Rechtsdenkens jenseits der Konfessionsgrenzen durchaus charakteristisch, daß Willensakte, Entscheidungsakte Gottes und des Menschen hier allein in Betracht gezogen werden, nicht aber der rechtverleihende Charakter der Selbsthingabe und Annahme zur Gemeinschaft. In der Doppelheit losreißender, kritischer Scheidung und Unterscheidung in Absage und Abrenuntiatio auf der einen, der Bekenntniszusage und der Taufe selbst auf der anderen Seite, stellt sich die Taufe als gestreckter Rechtsakt, als institutioneller Akt dar, aus dem der Mensch im Stande des Christen hervorgeht. Letzten Endes liegt der Grund in der Annahme, daß die sich in der Taufe vollziehende Kommunikation als solche außerrechtlich sei. Infolgedessen kann als rechtliche nur die Imputatio oder die Initiatio in Betracht kommen, die voraufgehen, folgen, oder damit verbunden, eben nicht jene selbst sind. Das abendländische Rechtsdenken hat die Kategorien der Kommunikation weitgehend verloren und muß deshalb solche Tatbestände als außerrechtliche aus ihrer Betrachtung ausscheiden. Infolgedessen bilden sich in der Christenheit zwei gegensätzliche Tendenzen aus: rechtloser Gemeinschaftsgedanke und juridischer Voluntarismus.

Die offizielle römisch-katholische Theologie, wie etwa Schmaus, betont den Gemeinschaftscharakter der Taufe sehr viel nachdrücklicher als Heggelbacher.42 Aber diese Gedanken werden positivistisch vorgetragen und bilden nicht den Ansatzpunkt für die eigentlich kirchenrechtlichen Begriffsbildungen. Das Verhältnis von mystischer Kirche (corpus mysticum) und Rechtskirche ist weithin unausgetragen: ja ist weit eher als gespalten zu bezeichnen. Der Gegensatz wird übergangen und positivistisch hingenommen. Nur so ist es verständlich, daß sub specie juris die Tauflehre die Form bekommt, wie wir sie bei Heggelbacher vorfinden.

Wir stoßen hier zum ersten Mal, aber an einer zentralen Stelle auf das Überwiegen des jurisdiktionellen Momentes der Entscheidung in der lateinischen Tradition gegenüber der griechischen, der wir noch öfter begegnen werden. In dieser Tendenz sind römisch-katholischer Juridismus und reformatorische Rechtfertigungslehre im Rahmen der gemeinsamen lateinischen Tradition auf das engste miteinander verwandt. Diese Gemeinsamkeit steht ihrer Verständigung fast noch stärker entgegen als ihre Unentschiedenheit. Mit erstaunlichem Freimut spricht der französische Dominikaner M.-J. Le Guillou (Herd. Korr. XV/1961, Seite 276 ff.) in seinem Werk „Mission et Unité — Les Exigences de la Communion” von der „Einseitigkeit der westlichen Ekklesiologie”. Die eine Seite, der außersakramentale Charakter der Jurisdiktionsgewalt, sei im

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Gegensatz zur Hochscholastik vom 13. Jahrhundert ab stark hervorgetreten und bilde das große Hindernis der Verständigung mit der Ostkirche. Der Kampf um die Freiheit der Kirche von den weltlichen Gewalten, und im zweiten Akt die Abwehr der Protestanten, haben diese Linie hervorgetrieben. Der Zeitpunkt (das vielerörterte 13. Jahrhundert) läßt aufmerken. Solche Entwicklungen sind freilich reaktiv und apologetisch nicht zu erklären — das zeigt ihr Fortleben in der Denkstruktur des Protestantismus. Die Zurücknahme in eine außerrechtliche Spiritualität ändert an dieser Struktur nichts — und eben dies wird durch den antijuristischen Affekt nur verschleiert.

zu d): In dem zentralen Abschnitt bei Heggelbacher kommt hinter den drei Rechtsgedanken der Initiation, des Vertrages und des Weihe-Eides ein Abschnitt über die Taufe als die Begründung der kirchlichen Personalität. Wie jene drei Rechtsgedanken nicht ausdrücklich miteinander ausgeglichen werden, so auch dieser vierte Aspekt mit den vorherigen. Heggelbacher will die Taufe nicht lediglich als juristischen Aufnahmeakt verstanden wissen; weder das Versprechen noch das Gelübde könne den Menschen so sehr verpflichten, wie das an ihm geschehene Werk (100, 101). Hier kommt hauptsächlich der Sphragisgedanke zur Entfaltung. Aber auch hier steht alles unter dem Gesichtspunkt der Verpflichtung, deren wesentlicher Grund und Kraft in der Heteronome des widerfahrenen Handelns liegt — aber als das Ziel erscheint immer in erster Linie die Bindung an die kirchliche Gemeinschaft (103). Gerade neue Schöpfung und Wiedergeburt, von denen dieses Kapitel ausgeht, werden in ihrer Rechtsbedeutung wesentlich unter dem Gesichtspunkt der Verpflichtung ausgelegt. Im nächsten Hauptabschnitt kommen dann breit die aus der Taufe erfließenden Verpflichtungen: die lex fidei, die lex disciplinae, die Unterwerfung unter das Kirchengesetz im besonderen und dann die Rechte in der Gestalt subjektiv-öffentlicher Rechte der Teilnahme am Kultus, auf die Verkündigung usf.

Es ist auch hier so, als ob es in der Taufe um die Kirche als Verband gehe, — der eschatologische Charakter der Taufgemeinschaft tritt zurück. Wie schwer es ist, diesen Aspekt festzuhalten, zeigt aber auch Cullmann, wenn er die Taufe als „Zugang in den inneren Kreis dieses Reiches, nämlich zum irdischen Leibe Christi, zur Kirche” bezeichnet, und aus diesem Grunde (abgesehen von der sonstigen Problematik der Kindertaufe) Nottaufen für sinnlos erklärt. Denn ein sterbendes Kind werde ja gerade nicht diesem irdischen Leib Christi angehören.43 Als Ereignis, welches auf die Eschatologie hinblickt (auf daß wir mit ihm auferstehen), ist gerade der Sinn der Taufe nicht auf die irdische Zugehörigkeit beschränkt. Demnach könnte auch der gläubige Sterbende nicht getauft werden (sog. Klinikertaufe). Es entscheidet sich die Frage an der Auslegung des an sich nicht unzweideutigen, aber eben darum auch nicht schon verfehlten zentralen canons 87 CIC:

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„baptismate homo constituitur in Ecclesia Christi persona”.

Das kann die Rechtsperson des CIC sein, im Hinblick auf die sofort anschließenden „iura et officia” . Es kann aber auch die persona im strikten Sinne im Gegensatz zum fleischlichen Menschen, als persona coram deo gemeint sein.

In die gleiche Linie tritt Schlier, wenn er zu Röm. 6, 16/18 sagt:44

„Der Eintritt in ein Gehorsamsverhältnis bedeutet eine rechtlich-moralische Bindung an den jeweiligen Herrn ... (so sind) die Getauften in ein Gehorsamsverhältnis zur Gerechtigkeit eingetreten und also an sie rechtlich und moralisch gebunden ... Der Taufgehorsam ist der moralisch-rechtliche Sinn, den das sakramentale Geschehen (der Taufe) in sich birgt.”

Indem er die liberale Exegese benutzt, die in der tat an vielen Stellen die dogmatisch bedingten Vorurteile der Orthodoxie nicht hat, schlägt er doch alsbald um in ein voluntaristisch-moralisches Verständnis von Recht, welches für eine bestimmte patriotische Auffassung typisch ist, dem aber die Dimension der Vergemeinschaftung wesentliche fehlt.

Weniger überformt ist die Interpretation des Begriffs Angeld:

„(Die Taufe) ist die Anzahlung des im Evangelium aus- und zugerufenen Erbes, die einen Teil der Gesamtzahlung vorwegnimmt und dem Getauften dadurch zugleich den Rechtsanspruch auf das Erbe bis zu dem Tage, da es sein voller und endgültiger Besitz wird, bestätigt”.45

Die geistesgeschichtliche Problematik der Rechtsformen ist hier offenbar nicht in Betracht gezogen, unbekannt geblieben. Statusrechtliche und schuldrechtliche Begriffe gehen deshalb durcheinander. Indem der Teilhabegedanke durch den Verpflichtungsgedanken (Anspruch) überdeckt wird, tritt auch der Charakter der prolepsis und damit der eschaologische Horizont in der Härte der zivilrechtlichen Aussagen spürbar zurück. Stoodt46 sagt mit Recht, daß Schlier hier weit besser ausgerüstet ist als Sohm. Aber Schlier sieht nun eben doch nicht genügend die hier liegenden Rechtsfragen, um der sofort sich auswirkenden lateinischen Auslegungstradition gegenüber Unabhängigkeit zu behalten, wenn er sich schon Unabhängigkeit von antijuristischen Vorurteilen erkämpft hat.

 

c) Die Rechtsstruktur der Taufe — systematisch

Karl Barth hat seine vielumstrittene Tauflehre in den folgenden Worten am stärksten zusammengefaßt:47

„Das sakramentale Geschehen ist darum nicht weniger ein echtes Geschehen, in welchem dem Menschen von Jesus Christus selbst ein reales Geschenk gemacht wird, weil dessen Wort und Werk hier ... diese Dimension und Gestalt, seine Kraft nun einmal diese, nicht eine kausative, nicht eine generative, sondern die kognitive Richtung hat...”

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(Vorher ist von „Kundgabe der Errettung, bestätigender Offenbarung des Gnadenbundes, ... auch Vergewisserung ... Aufruf und Verpflichtung” die Rede): „Das Wort und Werk Jesu Christi ist nicht nur in sich selbst kräftig, es ist unserer Apperzeption zuliebe (!) auch im kräftigen Zeichen und Abbild seiner selbst” (19).

„Besiegeln, obsignare — das ist das Eigentümliche des Werks der Taufe... sie rettet, heiligt, reinigt, sie vermittelt und gibt die Vergebung der Sünden und die Gnade des Heiligen Geistes, sie wirkt die Wiedergeburt, sie ist des Menschen Aufnahme in den Bund der Gnade und in die Kirche. Das ist alles wahr, sofern es wahr ist, daß uns über das alles in der Taufe authentisch Bescheid gesagt wird. Die Tatsache, daß ein Ausländer die Art, Gesinnung und Natur eines Schweizers annimmt und der staatsrechtliche Akt, die Naturalisation, in welchem das öffentlich anerkannt wird, sind gewiß zweierlei. Kein Zweifel, daß einer in diesem letzteren Sinne nicht ,naturalisiert’ und faktisch doch längst ein guter Schweizer sein kann. Kein Zweifel, daß auch der ... ,Naturalisierte’ nicht durch seinen Bürgerbrief, sondern nur laut seines Bürgerbriefes ein Schweizer geworden ist und vielleicht trotzdem noch immer ein ziemlich schlechter Schweizer ist.” (20)

So wird mit Luther die Taufe genannt „ein gewiß Zeichen und Zeugnis neben dem Wort, dadurch das Wort versichert wird und darinne Gott seine verheißene Gnade, daß er unsere Sünde abwaschen und tilgen wolle, verspricht, stet und feste zu halten” (20) und es wird die Taufe als ein Element der Verkündigung der Kirche bezeichnet (18).

Die fortdauernde Wirkung des Sphragisgedankens bei Barth wie bei Luther ist deutlich. Die älteste Bedeutung ist jedoch wohl Erkennungszeichen und Eigentumsmarke (Hes. 9, Paulus-Röm., 1. Kor., Apokalypse), welche die Beschlagnahme und reale Zugehörigkeit zu einem Eigentümer und seinem Herrschaftsbereich als Tabuzeichen zugleich herstellt wie ausdrückt. Die Bestätigung, Abspiegelung eines Textes, einer Urkunde, und damit eines außerhalb des Zeichens selbst liegenden Gedankeninhalts ist dagegen sekundär (ausgehendes 2. Jahrhundert).48 Aber gerade diese Verschiebung von der Beschlagnahme auf Bezeugung und Bestätigung ist rechtsgeschichtlich so charakteristisch.

Liest man nun die lange Liste der realen Gaben und Wirkungen, die Barth aufzählt, so muß man die anschließende Folgerung einer kognitiven Bedeutung alles dessen als eine willkürliche These bezeichnen. Trotz des offenkundigen Widerspruchs zu den eigenen Ausführungen muß alles unter den Begriff der Verkündigung, des Kognitiven gebracht werden. Aber eine Herausforderung an den Juristen ist der breit ausgemalte Vergleich mit der Naturalisation.

Daß dieser Vergleich nicht nur über Gebühr hinkt, sondern gerade das Gegenteil von dem erweist, was er dartun soll, haben auch Cullmann49 und Heggelbacher50 als Theologen erkannt. Mit vollkommenem

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Recht sagt deshalb hier Cullmann: „Ich kann mir zur Illustration der erstgenannten Realität des Gnadenaktes der Aufnahme keine adäquatere Analogie denken als die von Barth angeführte."

Barth verwendet hier wie anderwärts staatsrechtliche Begriffe per analogiam zur theologischen Darstellung mit befremdlicher Gleichgültigkeit dagegen, was sie  tatsächlich bedeuten und enthalten.

Wichtig und aufschlußreich ist jedoch, dem Grund dieses Irrtums genauer nachzugehen. Es ist die Verwechslung von staatsrechtlich-politischer Zugehörigkeit einerseits, ethisch-bürgerlichem Wohlverhalten und subjektiver Loyalität andererseits. Es ist sodann ein auffälliger Mangel an Verständnis für den Unterschied zwischen Kundmachung und konstitutiver Bewirkung.

Die Naturalisation wie die Taufe sind statusbegründende Realakte, die weder deklaratorisch noch promissorisch vollständig verstanden werden können. Auf dieser Rechtsgemeinschaft mit und durch Christus baut sich das Kirchenrecht zentral auf, nicht aus einer körperschaftsrechtlichen Eigenentwicklung.

Sicherlich darf man von einem Einbürgerungsbewerber Loyalität gegenüber dem Aufnahmestaat erwarten, und ein redlicher Bewerber mag besser sein als ein hochverräterischer Bürger; aber solange jener Bewerber ist, ist er eben kein Bürger. Er kann der Schweiz nicht dienen, weder mit der Waffe noch im öffentlichen Amt, er hat keine Aktivrecht usf. Vor allem aber: seine Loyalität gehört grundsätzlich und mit vollem Recht solange noch dem Staat, dem er bis dahin zugehört, solange er nicht aus ihm entlassen ist. Er darf im Konfliktsfalle gegen seinen Staat die Schweiz nicht bevorzügen, solange er ihr eben nicht zugehört.

Der schlechte Schweizer Bürger kann für seinen Landesverrat bestraft werden, der Bewerber dagegen nicht. Es wird ihm noch nicht einmal grundsätzlich zu Lasten geschrieben werden können, wenn er in Erfüllung seiner Staatsbürgerpflicht die Waffen gegen die Schweiz getragen hat. Die ganze Entgegenstellung von gutem und schlechten Schweizer trifft das Problem nicht. Der loyale Naturalisationsbewerber steht dem Aufnahmestaat weit ferner als der gläubige Taufbewerber der Kirche. Barth übersieht in seinem Vergleich, daß der zu Naturalisierende nicht aus einem luftleeren Raum, sondern aus einem anderen gleichwertigen politischen Verbande kommt (die Ausnahme der Staatenlosigkeit ist kein Gegengrund). Er vernachlässigt die evidente Tatsache, weil er in der theologischen Analogie das Gegenreich als „nichtiges” interpretiert. Diese Nichtigkeit und Irrealität nimmt dann zugleich der Taufe als Aufnahmeakt ihren konstitutiven Charakter. Damit hängt auch die exhibierende Betrachtung (guter Schweizer) zusammen. Das innerweltliche Vergleichsobjekt wird von dem theologischen Gegenüber her umgebogen. Ein seltsamer Paradox: je stärker die Absetzung von der Welt, je härter Kampf und Kritik, desto leerer und gegenstandsloser erscheint diese

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Welt. Die Unbereitschaft, konstitutive Akte als solche zu erkennen, liegt im Zuge der Fortentwicklung eines bestimmten Wirklichkeitsverständnisses, welches sich sowohl in der Sakramentstheologie wie im Rechtsdenken parallel ausprägt und beidem vorausliegt. Die geschehende Geschichte, auch die Geschichtlichkeit des Handelns der Kirche, verliert ihre Bedeutung. Daher die Überlastung eines (deklaratorischen) Verkündigungsbegriffs. Die starke subjektive Gebundenheit Barths an bestimmte politisch-soziale Lebensformen läßt diesen Zusammenhang noch stärker hervortreten als er sich schon anderwärts auswirkt.

Für die rechtliche Auslegung des Taufgeschehens ist die liturgiegeschichtliche Tatsache von Bedeutung, daß die alte Kirche auch den ungetauften Katechumenen, welcher „nomen dederat” und dessen Name in die Gemeinderolle eingetragen war, im Todesfälle als Vollmitglied behandelte, während er jedoch erst nach der Taufe zum Abendmahl zugelassen wurde. Diese Mitgliedschaft des Katechumenen ist mehr als eine sog. „ex voto”. Die Mitgliedschaft wird vielmehr in verschiedenen, aufeinander folgenden Akten erworben, mündet aber eben deshalb in der Sakramentsgemeinschaft. Das „nomen dare” ist an sich nur eine Meldung, hier aber eine schon angenommene Meldung, die den Meldenden verpflichtet und in eine feste Verbindung gebracht hat. Das Verhältnis von Taufe und Mitgliedschaft kann deshalb nicht einfach alternativ an der Tatsache des Vollzuges der Taufe abgelesen werden. Es ist ein Gesamtvorgang, der durch die Taufe aber in der Tat seinen Abschluß in der koinonia ton hagion findet.51

Als konstitutiven Rechtsakt vinden wir einen genau sinnentsprechenden Vorgang — ohne den Namen Taufe — noch sehr spät bei der akademischen Immatrikulation. Hier heißt es etwa:

„Pervetusto Academiarum more, depositionis, quam vocant, ritu initiatus, de honestate ordinis scholastici, de vitae morumque elegantium cultu, deque diligentia in studiis admonitus, N.N. Jenensis Academiae ciuitati nomen dedit, atque vitam, legibus et statutis academicis conuenientem promisit”.52

Das nomen dare, die Meldung, ist dabei vorausgesetzt, sodann ein überlieferter Ritus, der mit dem Begriff „depositio” (Absetzung) den Charakter der Erniedrigung bewahrt. Depositio ist sonst die Absetzung des Klerikers, weiter auch die Exkommunikation überhaupt. Sie hat aber zugleich die weitere Bedeutung und Beziehung zur Bestattung (depositio martyrum).

Die Universität Marburg unterhielt noch am Ende des 18. Jahrhunderts einen besonderen „Depositor”, der neben der Matrikel des Rektors eine besondere Depositionsurkunde bei der Immatrikulation ausstellte. Der Text der Urkunde führt aus, der Depositionsritus sei im Jahre 360 in Athen gestiftet worden, wie aus der Leichenrede Gregors von Nazianz auf Bazillus d. Gr. hervorgehe. Sachlich wird durch die

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Urkunde bestätigt, daß der Immatrikuland sich diesem „nützlicherweise übernommenen Gebrauche” unterworfen habe, was offenbar gleichzeitig identisch mit seiner Aufnahme in den Stand eines civis academicus war.53

Eine neue Arbeit von Mentz54 lehnt jede rechtliche Bedeutung der Taufe ab. Er sagt:

„Unsere Untersuchungen veranlassen uns zu der Entscheidung, daß der Taufe weder vereinsrechtliche noch kirchenrechtliche Bedeutung zukommen kann. Nichtgetauftsein ist kein Mangel; es schließt die Zugehörigkeit zur Ekklesia nicht aus. Der ursprüngliche Zusammenhang zwischen Ekklesia und Taufe bedeutet, wie wir sahen, kein gegenseitiges Abhängigkeitsverhältnis. Auch die Notwendigkeit der Taufe steht, wie wir noch sehen werden, dem nicht entgegen. Kirchenaustritt macht die Taufe nicht ungültig und läßt auch nicht irgendwelche mit der Taufe gewonnenen Rechte ruhen; nicht einmal der Ausschluss aus der Kirche kann die Gültigkeit der Taufe beeinträchtigen. Es gibt keinen Fall, der eine Wiedertaufe theologisch rechtfertigt. Wir haben daher mehrfach Veranlassung gehabt, die Bezeichnung ,Initiationsritus’ für die Taufe abzulehnen.”

Diese Ausführungen sind insofern ohne Wert, als Mentz sich und uns keine Rechenschaft über den von ihm verwandten Rechtsbegriff gibt. Auch wer die rechtliche Relevanz eines Vorgangs bestreitet, legt ja einen solchen zugrunde.

Die Erwägungen über Kirchenaustritt, Ausschluss und Wiedertaufe gehen dabei erst recht fehl. Über das Verhältnis von Taufe und Bann vgl. die Ausführungen von Ernst Käsemann zu Kor. 5 in Kap. II/5. Aus der Auffassung, daß die Taufe die Kirchengliedschaft bedinge, hat noch niemand den Schluß gezogen, daß bei einer Rekonziliation eine Wiedertaufe erfolgen könne oder müsse.55

Die Grundauffassung wird in dem Satze sichtbar: „Wer sich taufen läßt, tritt nicht etwas Bestehendem bei, sondern wird in die Teilnahme an etwas Entstehendem hineingezogen.” 56

Diese Gegenüberstellung ist falsch — man ist versucht zu sagen, nicht redlich —, denn „Beitritt” ist ohnehin ein hier nicht angemessener vereinsrechtlicher Begriff, eine Entscheidung des liberum arbitrium. Die Taufe ist aber auf der hier allein interessierenden Ebene auf alle Fälle ein geistliches Geschehen am Menschen, das er an sich geschehen läßt und über das er nicht verfügt. Eine echte mögliche Antithese wäre allein das Hineingezogenwerden entweder in ein „Bestehendes”, richtiger, immer schon Vorgegebenes, oder in ein „Entstehendes”. Dieser so formulierte Gegensatz ist freilich sachlich nur dadurch möglich, daß das Verhältnis von Kontinuität und Diskontinuität der Kirche einseitig aktualistisch gesehen und aufgelöst wird.

Diese Auffassung des Kontinuitätsproblems ist nur die dialektische

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Gegenbildung zum „Christus prolongatus” und führt daher nicht weiter. Die Christenheit hat vergessen, daß ihr Recht aus dem Leiden, dem erlittenen und frei übernommenen Leiden stammt, damit aber auch, daß überhaupt aus Leiden, Verzicht, Selbstentäußerung Recht entstehen kann. Wir erinnern uns hier an das, was schon in Kap. II/1 über die Dialektik der Rechtsentstehung gesagt wurde. Die banale Gleichung Recht = Haben = Besitz nimmt dem Rechtsverständnis die Tiefe.

Etwas anders behandelt Max Schoch57 die Taufe im Zusammenhang mit der Kirchenmitgliedschaft unter dem Titel des „Tauferfordernisses”. Freilich ist die Frage von vornherein umgekehrt zu stellen: es fragt sich, welche rechtliche Relevanz die Taufe hat, ob sie die Kirchengliedschaft begründet, nicht ob die Kirchengliedschaft (möglicherweise neben anderen) die Taufe erfordert.

Er führt zunächst den sog. Bangorischen Streit an, in welchem die Unsterblichkeit der Seele als abhängig von der durch das bischöfliche Amt erteilten Taufe behauptet wurde. Er schließt sich gegen diese Meinung (Dodwell) derjenigen des Bischofs Hoadley von Bangor an, daß nur Christus und nicht die Geistlichkeit Vollmacht habe, die Teilnahme am Gottesreich abzusprechen und zuzuerkennen.

Beide Meinungen sind gleich falsch. Der Episkopalist Dodley befand sich im Widerspruch zum Recht der allgemeinen Kirche, welche seit dem Ketzertaufstreit diese Frage genau entgegengesetzt behandelt. Die Taufe ist demnach noch nicht einmal an das Getauftsein, geschweige denn an die bischöfliche Sukzession zu binden — Heiden und Türken, Laien und Frauen können vermöge dieser eigentümlichen Offenheit der Kirche durch die Taufe Glieder zubringen.

Die Formulierung der Gegenmeinung hat sich unwillkürlich der Frage der Schlüsselgewalt angepasst. Es ist genau die Meinung der Schrift, daß die Jünger Vollmacht haben, zu binden und zu lösen und zwar kraft der Identität des Geistes. Eben darum haben sie keine Eigenmacht, darüber nach Willkür und im Sinne der Gegenständlichkeit zu verfügen. Die Frage der falschen Versagung ist ebenso zu beurteilen wie die des clavis errans (und bei der Schlüsselgewalt abzuhandeln). Aber gerade der ungleichmäßige Aufbau des Schriftwortes („wer da glaubet und getauft wird, wird selig, wer aber nicht glaubt, ist verdammt”) verbietet, lediglich die alternative Entscheidung des Glaubens zu beachten und die Taufe als ein wichtiges, aber nicht unerlässliches addendum zu betrachten. „Die Taufe gehört zur ,Hinzutuung’ zur einer Kirche” (Apg. 2, 41). Einen anderen Begriff für „Eintritt” in die Gemeinde kennt die Apostelgeschichte und das Neue Testament nicht.58 Die Taufe fakultativ zu machen, sie nach Emil Brunners Rat insbes. auf dem Missionsfeld nachzulassen,59 von ihr zu dispensieren (Schochs Vorschlag: für den Fall außerordentlicher Gründe [welcher?]), ist mit dem Taufverständnis des NT unvereinbar. Ein solches Dispensationsrecht besitzt die Kirche gar

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nicht. Schoch sagt weiter: „Aus der Taufe entsteht ein Anspruch Christi auf den Getauften. Diesem Anspruch entspricht der Anspruch der Rechtskirche, daß der Getaufte sich durch ihre Ordnung zur Ordnung des Leibes Christi weisen lasse. Aber eigentliche Rechtsansprüche resultieren aus der Taufe nicht. (Sperrung dort.) Sie ist wesentlich ein geistlicher Akt und kann mit keinem Rechtsakt identifiziert werden”.

Der hier vorausgesetzte Rechtsbegriff ist körperschaftsrechtlich und nicht biblisch. Die Taufe ist selbst ein Rechtsakt der Beschlagnahme und der Vergemeinschaftung und hat als solcher Folgen. Gerade die Meinung, welche die Taufe so fakultativ zu sehen vermag, vergegenständlicht sie, indem zu der vorausgesetzten An-sich-Existenz des Menschen etwas hinzukommt. Der Taufglaube des NT dagegen meint, daß durch die Taufe der Mensch in einer radikalen Weise neu konstituiert wird.

 

d) Kindschaft und Adoption

Das Rechtsproblem der Taufe erschließt sich erst voll durch eine Analyse des Kindschaftsrechts. Dessen Verständnis wird dadurch erschwert, daß die Kindschaft als Rechtsbeziehung und Status als verhältnismäßig eindeutig angesehen wird. Der Mensch ist kraft Geburt Kind oder Nichtkind jemandes; wenn er es nicht ist, so kann er es durch einen ebenso eindeutigen Akt, den der Adoption, werden. Die Kindschaft ist entweder lediglich festzustellen oder andererseits herzustellen.

Die Skepsis uralter Rechts- und Lebenserfahrung freilich führt etwa die römische Tradition zu dem Satze „pater semper incertus”. In der Tat: die Geburt kann durch Dritte einwandfrei erwiesen werden, die Zeugung durch einen bestimmten Mann niemals. Jene wird deshalb dort, wo sie besonders wichtig ist, wie im Fürstenrecht, mit peinlicher Genauigkeit festgestellt und gesichert. Die Legitimität der Abkunft von einem bestimmten Vater dagegen beruht auf (widerlegbaren) Vermutungen, nämlich wesentlich dem Geborenwerden in bestehender Ehe. Die Vermutung wird unwiderlegbar entweder durch positive Anerkennung oder negativ durch Versäumung gesetzlicher Anfechtungsfristen.

In den meisten frühen Rechten vollzieht sich die Begründung der Kindschaft keineswegs durch die Geburt allein. Wird das Kind geboren, so unterliegt es sicherlich der Herrschaft und Schutzgewalt des Vaters oder auch der Sippe im ganzen im Sinne der Ausschließung jeder anderen Rechtsbeziehung und jedes anderen Eingriffs. Es ist nicht herrenlos, es ist erst recht nicht Sache.60 Aber dieses Verhältnis ist noch ein unvollkommenes, vorläufiges, bedingtes, es ist mehr eine Anwartschaft, die Qualifikation zu einem erst zu erwerbenden Vollrecht. Für diese Qualifikation ist die echte Geburt, d.h. die tatsächliche, biologische Abstammung von diesem Vater und die Erzeugung in der Rechtsehe von Bedeutung. Die vollste Qualifikation für den Erwerb des Vollrechts der Kindschaft hat das Kind, bei dem physische Abstammung und Erzeugung

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in der Rechtsgemeinschaft der Ehe zusammentreffen. Trotzdem ist der Rechtsstand der Kindschaft keineswegs die einfache Rechtsfolge aus dieser Qualifikation oder mit ihr bereits gegeben. Vielmehr erwirbt das Kind in den meisten älteren Rechten das Kindschaftsrecht erst durch einen Akt der Aufnahme, entweder durch schlüssige Handlung (insbesondere Ernährung) oder durch einen förmlichen Ritus (das Kind wird etwa durch einen nackten Mann um das Herdfeuer herumgetragen). Erst durch diese Aufnahme, die sich notwendig in kürzester Frist entscheiden muß, gewinnt das Neugeborene die Rechtsstellung als Kind, und zwar unwiderruflich. Das entspricht dem Charakter der unwiderruflichen Geschichtlichkeit personenrechtlicher, statusrechtlicher Akte. Der Vater kann also durch die Aufnahme den Mangel der Echtheit des Kindes oder den Zweifel an ihr ein für alle Mal, für ihn selbst und gegen andere, verbindlich beseitigen. Aus dieser Rechtslage stammen die noch heute geltenden verhältnismäßig kurzen Ausschlußfristen für die Anfechtung der Ehelichkeit.

Der Akt der Annahme als Entscheidung bedeutet aber, daß auch die Nichtannahme möglich ist. Die Nichtannahme besteht in der Aussetzung. Sie wird in den älteren Rechtsordnungen verhältnismäßig selten, aber dann bedenkenlos vollzogen, weil das Kind mangels Annahme im Rechtssinne nicht existent ist. Sie ist aber immer Ausnahme, erlaubt auch keineswegs eine spätere willkürliche Infragestellung des einmal begründeten Verhältnisses.

Die Aussetzung ist also nicht eine mehr oder minder willkürliche Ausnahme von der Rechtsregel der Annahme. Auch läßt sich diese Ausnahme wie viele ähnliche Erscheinungen der älteren Rechte nicht wesentlich biologisch erklären. Auch der Erwerb der Kindschaft ist vielmehr ein mehraktiger Vorgang in Analogie zu den schon früher erörterten Rechtsformen.

Nun ist die Rezeption des Kindes bei fast allen Völkern verschwunden. Sie wird, von Primitiven abgesehen, nur noch bei den Zigeunern geübt, hier als Lebensprobe, in welcher die Entscheidung gleichsam zurückverwiesen wird. Das Kind wird eine Zeitlang in kaltes Wasser gehalten. Übersteht es das, so wird es aufgenommen. Auch hier dürften biologische Erwägungen höchstens sekundärer Natur sein.

Die Rezeption des Kindes gründet darin, daß der Erzeuger von dem Kinde wie ein Schöpfer vor der Frage gestellt wird, ob er sich zu ihm bekenne. Nicht schon der Entschluss zur Schöpfung, selbst das bewußteste Handeln, sondern erst das Ergebnis führt diese Frage herbei. Wieviele große Künstler haben ihr vollendetes, nicht ihr begonnenes oder unvollkommenes Werk vernichtet! Auch Gott als Schöpfer wird uns in 1. Mose 1, 31 so vorgestellt. Die Schöpfung hat ihren einstweiligen Abschluß. Ihre Betrachtung ist mehr als eine Betrachtung: es ist Billigung und Bestätigung des eigenen Werkes, das er weder als ein

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mißratenes zerbrechen noch als ein unvollkommenes ergänzen will. Das ist eine Ursituation zwischen Schöpfer und Schöpfung, die immer wieder hervortritt, wenn die abgeschlossene Schöpfung dem Schöpfer vor Augen tritt.

Nun haben aber jene ursprünglichen Verhältnisse in unserem Rechtsdenken und Rechtsleben längst keinen Platz und Ausdruck mehr. Aber gerade heute haben Biologen und Soziologen solche Vorgänge aus dringenden Gründen wieder ins Bewußtsein gehoben und verständlich gemacht. Beide sprechen heute rein außerrechtlich von der physischen und der sozialen Geburt des Menschen als zwei wesentlich verschiedenen Vorgängen. Sie sehen die Gefährdung der Menschwerdung des Menschen heute darin, daß sehr viele Kinder auch in rechtlich geordneten Verhältnissen die zweite, die soziale Geburt nicht mehr erfahren, weil die personale und soziale Aufnahme bei nur äußerer Versorgung in  Wahrheit nicht erfolgt. Von daher werden die alten Rechtsvorgänge neu verständlich. Die Rezeption bringt das Kind nicht nur in ein individuelles Verhältnis zum Vater als einer unverwechselbaren Einzelperson, sondern mit ihm zur Sippe und einem ganzen Traditionskreis. Je stärker das Verhältnis auf die Beziehung des einzelnen Vaters zum einzelnen Kinde zugespitzt wird, indem gerade auch die Verantwortlichkeit des einen Vaters radikalisiert wird, desto mehr verdünnt sich  der soziale und zugleich traditionelle Charakter der Rezeption als Folge eines kausalen Verständnisses personaler Bezüge.

Erst auf dieser Grundlage kann auch die Adoption recht verstanden werden. Sie ist ein Akt der Rezeption in das Kindesverhältnis, welches die Voraussetzungen überspringt und das Vollrecht ohne die vorausgehende Anwartschaft gibt. Sie ersetzt die Erzeugung durch die Wahl, die Natur durch Entscheidung. Die Wahl, das Urteil über eine anderweitigen Qualifikation ersetzt die zugleich natürliche und rechtliche Qualifikation der ehelichen Geburt, ähnlich wie die Legitimation des unehelichen Kindes den defectus natalis heilt.

Nun treten die Gedanken der Kindschaft und der Adoption in vielfacher Beziehung im Neuen Testament. Jesus wird als Gottes Sohn vom Geist ex Maria virgine geboren. Er wird zur Erfüllung aller Gerechtigkeit in der Johannestaufe getötet. Bei dieser Gelegenheit aber erfolgt eine Kindesrezeption nach den parallelen Schriftworten Mt. 3, Mk. 1, Lk. 3, Joh. 1. Auch im Gleichnis vom verlorenen Sohn kann die Verleihung von Ring und Kleid als Adoptionssymbol gedeutet werden.

Auf den älteren dogmatischen Adoptianismus könnte die Verwechslung von Rezeption und Adoption eingewirkt haben. Sie würde darauf beruhen, daß die Adoption, abgelöst von der Basis der mehraktigen Kindschaftsrechtserwerbs, bereits für sich allein als Formalakt verstanden wurde und so in falschen Gegensatz zur leiblichen Zeugung zu stehen kam. In Wirklichkeit ist gerade bei einem solchen Akt der Rezeption

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die Geistverleihung besonders sinnvoll, indem sie das Kindschaftsverhältnis Jesu vollendet. Die Wassertaufe ist der Tod der Physis, die Geistverleihung die Thesis. So gewinnt auch das Wort Joh. 3, 5 eine neue Bedeutung. So wie Jesus physei und thesei Sohn Gottes ist, so müssen auch seine Jünger aus Wasser und Geist geboren werden, mit ihm in der Taufe getötet und durch den Geist zu Kindern gemacht werden. Die dialektische Verschlingung von Tod und Leben ist hier deutlich. Man kann also sagen, daß Jesus allein prototokos physei kai thesei sei, nicht aber, daß die ihm Folgenden nur thesei Kinder Gottes seien. Sondern die ihm folgen, müssen aus Wasser und Geist geboren werden, per generationem et receptionem, also physei kai thesei. Der Anklang und die Verwandtschaft zur Adoption in den einschlägigen Schriftstellen liegen darin, daß die Jünger nur als syssomoi mit Jesus, nicht für sich allein so geboren werden. Hiermit ist nicht die Subjektivität gemeint, welche die Realität der Taufe annimmt, zur Entfaltung bringt, bewußt werden läßt, sondern eine konkrete Gabe des Geistes. Angesichts dieses Tatbestandes besteht die Versuchung, beides sinnzerstörend auseinanderzureißen. Sieht man in der Wassertaufe mehr das Symbol der Geisttaufe und in dieser das Eigentliche, so wird man in Richtung auf einen Adoptianismus geführt. Dieser Gefahr kann man wiederum nicht durch eine verstärkte Betonung des Realcharakters der Wassertaufe entgehen, weil damit das Motiv der Geisttaufe verdrängt wird. Dies wiederum führt zu der Reaktion, nunmehr die Geisttaufe einseitig zu betonen.61

Von der Rezeption aus ergibt sich auch ein Blick auf die Frühtaufe. Die Tendenz einer peinlichen Scholastik, zu untersuchen, wann der Mensch in der Geburt schon Mensch sei, noch bevor er aus dem Mutterleibe entlassen ist, zeigt, daß gerade hier der Rezeptionsgedanke, der die Tradition einschließt, durch ein kausatives Verständnis verdrängt ist. Es ist deswegen auch theologisch sinnwidrig, ein Kind zu taufen, welches noch nicht geboren ist und vielleicht nie zum Leben kommt.

Es ergibt sich die Unangemessenheit der von Heggelbacher erörterten Rechtsgedanken über das hinaus, was in der immanenten Kritik der einzelnen Begriffe schon gesagt worden ist. Sie vertragen sich nicht mit der Radikalität der Neuschöpfung und setzen immer schon einen irgendwie vorhandenen Menschen voraus, der nicht erst neu geboren werden muß.

 

e) Taufe und Kirchengliedschaft

Das Problem der Kirchengliedschaft durch die Taufe wird durch die Encyclika „Mystici corporis” vom 29. 6. 1943 neu aufgeworfen. Denn dort kommen weitere, über die Taufe hinausgehende Bedingungen der Mitgliedschaft zur Sprache. Eine Strecke weit, so weit die Taufe und Glaubensbekenntnis einander zugeordnet werden, wird gerade die reformatorische

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Theologie keinen Anstoß nehmen können. Im weiteren Text wird freilich sichtbar, daß dieses Bekenntnis nicht dasjenige der Paten und der Gemeinde bei der (Kinder-)Taufe ist, sondern wie die weiteren Akte der Teilnahme an der kirchlichen Gemeinschaft im Glauben, der Gebrauch der Heilmittel und die Unterstellung unter die Leitung, ein hinzukommende Willens- und Bewußtseinsakt. Vollends unscharf ist die Formulierung (Denz. 2286) „... lavacrum receperunt veramque fidem profientur ...”, wenn fortgefahren wird: „neque a Corporis compage ipsos misere separarunt, vel ob gravissima admissa a legitime auctoritate seiuncti sunt”. Denn die eigene wie die autoritative Trennung setzt ja die vorgängige, durch die Taufe erworbene Mitgliedschaft voraus, und kann begrifflich deren Bedingungen nicht gleichgesetzt werden. Der Kanonist Mosiek stellt demgemäß in einer Abhandlung die Frage nach dem Verhältnis des canons 87 CIC und der Encyclika hinsichtlich der Mitgliedschaft.62

Mosiek erklärt den Unterschied als einen nur formellen. „Je nach dem zugrunde liegenden Kirchenbegriff bestimmt sich auch der Kreis derer, die zur Kirche gehören. Materiell aber lehren beide (CIC und Mystici Corporis) dasselbe. Denn wenn man den Bellarminschen Kirchengemeinschaftsbegriff mit seiner eindeutigen Hinwendung auf die Gemeinschaft der Gläubigen berücksichtigt, dann muß auch der Kanonist neben dem Empfang der sakramentalen Taufe das Bekenntnis des rechten Glaubens und die Unterstellung unter die hierarchischen Führung der Kirche fordern. Denn ohne diese drei Wesensmerkmale ist auch für ihn die Gemeinschaft der Gläubigen nicht denkbar. Sieht man dagegen in der Kirche vornehmlich (!) die von Christus für alle Menschen gegründete Heilanstalt und stellt man so mehr das Tätigsein Gottes in den Vordergrund der Betrachtung, dann ist notwendigerweise der Kreis derer, die zur Kirche gehören, weitaus größer, weil hier die Taufe als gleidschaffendes Prinzip angesehen werden muß”.

Die Unbefangenheit, mit der diese beiden Begriffe nebeneinander gestellt werden, ist nun doch schon erstaunlich. Der Protestantismus dürfte sich voll gerechtfertigt fühlen, wenn er entschlossen „das Tätigsein Gottes in der Vordergrund stellt” und sich der trinitarischen Taufe getröstet, als des unzerreißbaren Bandes, welches die wahre Grundlage des ökumenischen Kirchenrechts ist. Es ist einigermaßen verwunderlich, daß sich die Begriffe hier so verkehren. Die Gemeinschaft der Gläubigen, ist die hierarchisch verfaßte Kirche, und der Ort, wo Gott selbst eingliedernd wirkt, ist die „Heilsanstalt”!

Die Formulierungen von „Mystici corporis” haben gerade wegen ihrer gewissen Widersprüchlichkeit Auslegungen veranlaßt, die die Frage weiter geklärt haben. Mörsdorf spricht von der „konstitutionellen” Gliedschaft durch die Taufe; auf dieser baue sich die tätige Gliedschaft auf. Durch Häresie oder Schisma sowie kirchliche Bestrafung trete eine

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mehr oder weniger weitgehende Beschneidung der Mitgliedschaftsrechte ein, ohne daß die „konstitutionelle” Gliedschaft aufgehoben werde.63 Der Begriff „konstitutionelle” Gliedschaft scheint mir unglücklich. Gemeint ist wohl, daß die Taufe die Kirchengliedschaft schlechthin und ohne weitere Momente der Aktivität begründe, konstituiere. Einigkeit besteht auch darüber, daß sie nicht aufhebbar ist. Alle späteren Gesichtspunkte, die mit dem Verhalten des Christen und der Disziplin der Kirche zusammenhängen, können nur in negativen Begriffen ausgesagt und als Beschränkung oder Suspension dieses Mitgliedschaftsrechts begriffen werden, nicht als ein volleres, aktives, durch Gebrauchmachen qualifiziertes Recht. Vom Standpunkt jeder Kirchengemeinschaft (ekklesia) ist jeder getaufte Christ Mitglied, sofern er nicht, — im personalen oder sachlichen Sinne — einer falschen Autorität folgt. Eben dies behaupten ja die getrennten Kirchen gegenseitig voneinander: es ist die kirchenrechtliche Generalfrage der Kirchenspaltungen.

Die Frage wird noch weiter deutlich an gewissen Zwischenstufen der Kirchengemeinschaft. Wenn etwa die anglikanische Kirche bewußt darauf verzichtet, in Gebieten des kontinentalen Protestantismus zu missionieren, ebenso bis zu einem gewissen Grade römische und griechische Kirche (im Gegensatz zur Gewinnung ganzer Diözesen), so heißt das, daß ohne sonstige Kirchengemeinschaft die Angehörigen der anderen Kirchengemeinschaft sich unter ihrer rechten Autorität befinden, welche lediglich ihrerseits sich falsch (schismatisch) verhält oder sonstige Merkmale aufweist, welche der vollen Kirchengemeinschaft entgegenstehen. Es gibt also auch eine nur relative Anerkennung geschichtlicher Kirchengemeinschaften ohne Gewährung der Kirchengemeinschaft.64

Aber mit dieser Kritik ist freilich das Problem nicht gelöst und die Bedeutung dieser Äußerung nicht erschöpft. Wir finden vielmehr in der Geschichte immer wieder einen doppelten Kirchenbegriff. Er ist auf alle Fälle schon in der Spätscholastik vorreformatorisch bei Gabriel Biel entwickelt, worauf Joh. Heckel65 hinweist. Von diesem übernimmt ihn Luther. Nicht weniger haben Bellarmin und jetzt das offizielle kirchliche Gesetzbuch zusammen mit Pius XII. einen solchen. Die Spaltung der Kirche in einen engeren und einen weiteren Kreis ist ihnen allen gemeinsam. Es werden auch nicht etwa auf der katholischen Seite Kirche und Recht in eins gesetzt, auf der Seite Luthers getrennt. So meint etwa Heckel noch als Voraussetzung annehmen zu können.

„Glaube und Recht waren damals — und sind es noch in der römisch-katholischen Kirche — im Innersten eins”.66

In Wahrheit ist nur die spezifische Zuordnung der beiden Kreise verschieden. Jeder der Kreise hat seine eigene Rechtsstruktur. In der römischen Kirche liegt das Schwergewicht auf dem Kreise der — kurz gesagt — Praktizierenden gegenüber den nur Getauften. Auf der lutherischen Seite liegt das Schwergewicht auf den wahren Gläubigen innerhalb

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der Gesamtheit, wobei das Praktizieren seine entscheidende und abgrenzende Bedeutung verloren hat. Gilt nun in beiden Anschauungen für die universale, gemischte Kirche ein ganz anderes Recht als das der wahren Kirche, so ist doch immer noch die Grundlage auch eines solchen Rechtes die durch die Taufe begründete Zuordnung, die weder wiederholbar noch aufhebbar ist. Und immer ist der Getaufte, der in Wirklichkeit nicht glaubt bzw. nicht mit der Kirche lebt, doch vermöge dieser Zugehörigkeit auf die Möglichkeit angesprochen, diese schon bestehende Zugehörigkeit zu aktivieren. Man fühlt sich an das Wort erinnert: „Laß nicht aus der Acht die Gabe, die dir gegeben ist, durch die Weissagung mit Handauflegung der Ältesten” (1. Tim. 4, 14). Jedenfalls stellt sich hier, wie bei der Konfirmation und der Absolution, die Frage nach dem Rückgang und Rückgriff auf der Taufe. Bei den Katholiken vollzieht sich dies im ständigen Leben mit der Kirche, bei Luther in der steten Buße und Bekehrung zum Glauben, in einer Dialektik von Abfall und Bekehrung. Aber gerade weil die Taufe ein wirkliches Geschehen ist, hat es keinen Sinn, einen besonderen Rechtsstatus der inaktiven Getauften anzunehmen, deren Mitgliedschaftsrecht seinen Sinn ja immer nur in Richtung auf die Aktivierung der Taufe hat, in keinem Sinne etwas davon zu Trennendes ist. Im einen Fall bezieht sich die Glaubensforderung allein auf den Glauben selbst, im anderen auf das Leben mit der sakramentalen und hierarchischen Kirche. Für die erstere Auffassung ist dann noch die Alternative möglich, daß die Annahme des verbum externum erforderlich ist oder nicht mehr. In diesen drei Stufen der Sichtbarkeit verläuft das Problem, unter genau der gleichen und auch sachlich wohl unvermeidbaren Fragestellung. Immer bildet die Taufe die Basis und den Ausgangspunkt alles kirchlichen Rechts. Freilich geht sie an den Flügeln verloren.

Wir die Notwendigkeit des verbum externum zugunsten des inneren Wortes aufgegeben, kann alsbald auch die Taufe nicht mehr ihre konstitutive Bedeutung behalten. Wird andererseits die Zugehörigkeit zur Kirche von  der Erfüllung der kirchlichen Pflichten strikte abhängig gemacht, worauf die negativen Begriffselemente im Kirchenbegriff von „Mystici corporis” hindrängen, dann verbleibt dem Nichtgehorsamen, dem Nichtpraktizierenden nur die Schale der Taufe, und die Kirche selbst vollends kann sich von der Verpflichtung, die Taufe als mitgliedschaftsbegründend anzuerkennen, auf einfache Weise losmachen.

Das Ergebnis dieser Überlegung ist demnach ein dreifaches:
1. In diesem Punkt kann von einer grundsätzlichen Strukturveränderung zwischen dem spätmittelalterlichen und dem Kirchenbegriff Luthers nicht die Rede sein.
2. Die Taufe ist die unverrückbare Grundlage alles kirchlichen Rechts, sein terminus a quo.
3. Die Aufstellung zweier formellen Kirchenbegriffe hat keinen

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sachlichen Sinn. Vom Standpunkt jeder Kirche sind alle Getauften ihre Glieder, und jede Kirche muß sich mit der Frage ihrer abtrünnigen, schlafenden oder toten Glieder auseinandersetzen. Aber gerade diese Situation rechtfertigt nicht die Bildung eines doppelten Kirchenbegriffs. Die Ausbildung eines zweiten, weiteren Kirchenbegriffs nimmt dem ersten, eigentlichen Kirchenbegriff Wesentliches an seinem Gewicht. Der Kirchenbegriff muß einer sein, auch wenn die Grenzen der Kirche nicht eindeutig feststellbar, iudiziabel sind.

Die Frage des Rechtscharakters hat an diesem markanten Punkte der Tauflehre zu einer zunächst innerkatholischen kirchenrechtlichen Kontroverse zwischen Klaus Mörsdorf67 und Joseph Klein68 geführt. Letzterer ist bekanntlich schon damals wegen seiner Kirchenrechtsauffassung angegriffen worden und in Verfolg seiner Kritik am römischen Kirchenrecht später konvertiert.

Während Mörsdorf in der Taufe eine wesentliche Mitgliedschaft (konstitutionelle Gliedschaft) mitgegeben sieht, und Karl Rahner neben dem sakramentalen Geschehen das Bekenntnis und eine besondere Unterwerfung unter die Kirchenleitung als grundlegend ansieht, sagt Klein, es sei in c. 87 CIC nicht von der „rechtsgesetzlichen Konstitution der kirchlichen Personalität” die Rede. Vielmehr habe die in der Taufe vollzogene optische Konsekration zum Glied des corpus Christi auch im Rechtsbereich der Kirche Wirkungen. In der geschichtlich bedingten Nähe von kirchlichem und römischen Recht ... liege die Verkennung des eigenständigen kirchlichen Rechtsbegriffes begründet, der die freie Entscheidung des Glaubensaktes voraussetze, aus dem das gläubige Dasein erst erwachse ... Die Taufe sei jedenfalls „nicht ein Rechtsakt” und könne auch nicht durch einen solchen ersetzt werden. Doch sei mit ihr Recht gegeben, und zwar wirkliches, aber kanonisches, d.h. kirchliches Recht, nicht ius divinum. Heggelbacher verzeichnet als Gegenmeinung die von A. Hagen, wenn die Taufe Rechtswirkungen habe, müsse sie auch ein Rechtsakt sein.

Der zugleich methodische, terminologische und sachliche Streit ist typisch und wichtig genug, um den Versuch zu rechtfertigen, ihn aufzulösen, zumal er in der Konversion Kleins über die Kirchengrenzen hinausgreift.

Zunächst interpretiert Klein die Grundaussage des c. 87. Dieser läßt, theologisch korrekt, die für die reformatorische Theologie durchaus unanstößige Interpretation zu, daß durch die  Taufe der fleischliche Mensch (homo) zur persona coram deo und damit Glied der Kirche (als des Leibes Christi) wird. Woran er sich mit Recht im weiteren Text und bei Mörsdorf stößt, ist de Ausformung der Rechtsfolgen in einer körperschaftsrechtlichen Terminologie. Er sieht hier einen geistlich unangemessenen Kirchen- und Kirchenrechtsbegriff hervortreten. Im übrigen gehen jedoch seine wie Rahners Einwendungen fehl. Denn der canon

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will gar nicht und braucht nicht die Rolle des Glaubens und Glaubensbekenntnisses für die Taufe auszuschließen oder zu verkürzen: sie gehören zur Taufe und in den Taufvollzug hinein. Vollends Rahners Erfordernis einer gesonderten Unterwerfung unter die Kirchenleitung bringt erst recht ein unangemessenes staatsvertragsähnliches Element hinein: ist der Mensch Christ durch die Taufe geworden, so unterliegt er sicherlich ipso facto der legitimen potestas ecclesiastica. Das Erfordernis einer besonderen Unterwerfung könnte man als für die römische Kirche bemerkenswerte Unsicherheit ihrer eigenen Legitimität vermerken. Es liegt aber wohl in der Linie des schon oben bei Mosiek aufgewiesenen Widerspruchs.

Klein spürt und bekämpft mit Recht, daß hier das sakramentale Recht in die säkulare Direktheit normativer Regelungen übersetzt wird. Und doch vermag er dem keinen angemessenen Ausdruck zu verleihen. Er läßt sich im Gegenteil — sehr ähnlich Sohm — von der Bestreitung des Körperschaftsrechts in die spirituale Rechtsverneinung drängen. So hat schließlich Hagen gegen ihn Recht, daß ein Akt, der solche Rechtsfolgen auslöse, selbst ein Rechtsakt sein müsse. Klein gerät in einen ähnlichen Widerspruch wie Bultmann in der Unterscheidung von konstitutivem und regulativem Kirchenrecht (vgl. Kap. I). Er gewinnt nicht zischen säkularisiertem Körperschaftsrecht und Kirchenrechtsverneinung echtes geistliches Recht, sondern bleibt in jener falschen Alternative stecken.

Wie seltsam sich aber wiederum das normative Denken in die genuine kirchenrechtliche Begrifflichkeit eindrängt, zeigt Heggelbacher, wenn er den Taufbefehl als Rechtsnorm, als „verbindendes” (verbindliches) Wollen (unter Zitat von Stammler!) aber auch als „dem Gemeinwohl zugewandt” bezeichnet! (20). Der Taufbefehl ist eben imperativischer Befehl nur für den, der berufen wird zu taufen: für den, der sich taufen lassen soll, ist er Angebot der sich selbst schenkenden Gnade, die bereit ist, Gemeinschaft mit dem Sünder zu machen.

Der Anspruch, dem der Täufling begegnet, das ihm verkündete „Christus Kyrios”, das er im Glauben annehmen soll, ist als reiner Anspruch ohne die passio Christi und die Taufgnade des Mitsterbens unmöglich. Katholiken und Protestanten denken genau gleich imperativisch, nur beide am falschen Ort — und freilich in verschiedener Weise —, die einen rechtlich, die anderen spiritual-außerrechtlich.

Es kann vielleicht paradox erscheinen, und ist doch keineswegs zufällig oder sinnwidrig, daß eine ausgesprochen institutionale Theorie des kirchlichen Handelns diesem Handeln die eschatologische Dimension zu bewahren geeignet ist.

„Zur theologischen Problematik des kirchlichen Mitgliedschaftsrechts” hat Wilhelm Maurer in einer Abhandlung Stellung genommen.68a Obwohl er eine umfassendere Darstellung vorbehält, enthält die Arbeit eine Art Grundriß der Kirchenrechtsgeschichte mit sehr bestimmten

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Wertungen. Die Frage muß an dieser Stelle erörtert werden, obwohl eine Reihe wesentlicher Nachweise sich erst in den anschließenden Kapiteln ergeben, und andererseits dieser Bereich sich noch einmal in Band II (Verfassungsrecht) stellen wird.

Die These Maurers wird in den Kapitelüberschriften deutlich, die als Antithese zu verstehen sind:
I. (339): Communio sanctorum als Grundlage eines sakramentalen Kirchenrechts
II. (343): Kirchliche Mitgliedschaft auf der Grundlage der evangelischen Bekenntnisschriften.

Noch präziser: die Gliedschaft wird der Mitgliedschaft gegenübergestellt. Der heilsmittlerischen Aktivität der Priester entspreche eine (wesentlich) passive Gliedschaft der Laien, da die sakramentale Anteilhabe von der Gültigkeit der Ordination des spendenden Priesters abhänge. Nur bei Ehe und Patenamt komme eine aktive Gliedschaft des Laien zum Zuge. Die horizontale Verbindung aller Glieder untereinander habe weder für die Frömmigkeit noch für das Recht eine besondere Bedeutung.

Erst die Reformation habe mit der Wesensbestimmung der Kirche als einer congregatio sanctorum ein kirchliches Mitgliedschaftsrecht möglich gemacht. CA VII und VIII bestimmten die Kirche nicht als communio, sondern als congregatio sanctorum. Damit sei die von Werner Elert ermittelte neutrische Deutung des Begriffes unmöglich geworden, nach der im sakramentalen Kirchenrecht die Teilhabe an den sacra, den Sakramenten, speziell den Abendmahlsgaben, die Gliedschaft begründet habe. Die congregatio sanctorum könne nun als personale Gemeinschaft der sancti verstanden werden. Von daher sei im Sinne Luthers und der Augustana die Kirche als Bruderschaft aller Gläubigen zu verstehen. Während die mittelalterliche Gliedschaft am Leibe der Kirche ein Stück sakramentalen Kirchenrechts sei, entziehe sich bei Luther alles einer rechtlichen Normierung. Auch in der Zuordnung zum Amte bleibe die congregatio sanctorum eine rechtsfreie, rein geistliche Größe.

Indessen scheitert diese ganze Konzeption an den Tatsachen des Taufrechts — deshalb muß sie hier behandelt werden.

1. Nach gemeinem Kirchenrecht ist die Wirksamkeit der Taufe nicht von dem ordo des Taufenden abhängig, ja nicht einmal von dessen Getauftsein. Auch dieses Taufrecht ist bis heute in allen Kirchen Sakramentsrecht.

2. Auf dem Taufrecht aber beruht die konstitutive Mitwirkung der Gemeinde beim Meßvollzug (vgl. Kap. VI). Der Empfang des Abendmahls wiederum ist noch nicht einmal von der Firmung abhängig. Gerade die sakramentalen Kirchen kennen keinen besonders geordneten Akt der admissio, mit dem sich erst die reformatorischen Kirchen mit entschiedenem Mißerfolg belastet haben. (vgl. Ziff. 4 dieses Kap.)

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3. Auf dem Taufrecht beruht das Recht der kanonischen Ämterwahl. Das bedeutende faktische Übergewicht des priesterlichen ordo mit den ihm vorbehaltenen Verrichtungen in der Epoche des Altkatholizismus ist solange nur ein faktisches, kein grundsätzliches und strukturelles, bis im Hochmittelalter in innerem Zusammenhang sowohl die liturgische Struktur wie das kanonische Wahlrecht preisgegeben werden (vgl. Kap. VI). Die quaestio facti wird zur quaestio juris. Aber die lutherische Reformation ist weder an der Wiederherstellung der liturgischen Struktur noch an der des kanonischen Wahlrechts sonderlich interessiert gewesen.

Befremdlich, ja verfehlt sind die Antithesen, die hier nun auftauchen: sakramentale Teilhabe und personale Gemeinschaft — Sakramentsrecht und Heilsunmittelbarkeit der rechtsfreien congregatio. Wir bekennen demnach in den rezipierten altkirchlichen Bekenntnissen die sanctorum communio und etwas anderes in den außerliturgischen Bekenntnissen der lutherischen Reformation als congregatio sanctorum! Als ob die Teilhabe am Heiligen etwas anderes meint als personale Teilhabe an Christus in den Elementen und Formen, in denen er sich uns geben, mit uns Gemeinschaft machen will! Auch die congregatio aber beruht auf nichts anderem als dem Gnadenrecht der Taufe, in welcher Christus uns Gemeinschaft mit ihm und untereinander geschenkt hat. Auch die reformatorischen Kirchen lehren die Heilsnotwendigkeit der Taufe und sehen sie — in Übereinstimmung mit dem gemeinen Kirchenrecht — als Fundament aller Gliedschaft und Mitgliedschaft an. Eine außerrechtliche congregatio verneint gerade das, was die Reformation wollte, nämlich der Gemeinde ihren Platz in Gottesdienst und Amtsrecht wiederzugeben, die Rechte, die ihr im Rechtsbruch der Papstrevolution von oben genommen worden waren. So blieb sonderbarerweise ein ministerium ecclesiasticum divini juris innerhalb einer rechtlos-spiritualen congregatio und ad congregandam congregationem übrig — diese wurde eine Mißgeburt aus zwei genera diversa. Die schon im Hochmittelalter eingeleitete spirituale Spaltung der Kirche wird unter Veränderung der Wertakzente in der Struktur festgehalten und weitergeführt. Das Mittel liegt in dem auch hier wieder deutlich hervortretenden traditionellen normativen Rechtsbegriff (rechtliche „Normierung”). Sobald „personale” Gemeinschaft und sakramentale Teilhabe einander gegenübergestellt werden, muß auf der einen Seite das Sakrament in einer Weise als vergegenständlicht vorausgesetzt werden, die die Reformation gerade bekämpft hat, und auf der anderen Seite eine Subjektität des (glaubenden oder erwählten) Menschen angenommen werden, der Gemeinschaft gerade nicht hat, sondern haben und herstellen will. Daß durch die Gabe sich der Geber in eine personale Rechtsbeziehung zum Empfänger setzt, daß man durch Rechtsakte „jemand jemandes” wird, wird nicht mehr verstanden. Der Verständnisverlust ist rechtsgeschichtlich kennzeichnend.

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Die Fatalität dieser Konzeption wird im weiteren geschichtlich und grundsätzlich deutlich. Der Ausgleich zwischen einem augustinisch-praedestinatarischen Kirchenbegriff, der dann pietistisch subjektiviert werden kann, und einem objektiven, der die Abhängigkeit vom Amt betont, wird nicht gefunden. Zwischen beiden pendelt die Anschauung hin und her. „Alle Rechte, die dem passiven Gliede am sakramentalen Leibe der Kirche schon nach altkatholischem Sakramentsrecht zugestanden hatten, bleiben auf Grund des lutherischen Ansatzes erhalten. Aber vermöge der spontanen Aktivität der zur Liebe befreiten Gläubigen und infolge der Ausscheidung der hierarchischen Zwischeninstanzen gewinnen jene Rechte neue Macht und neue Bedeutung” (353). Aber welche Rechte sind das nun?

Die Gemeinde der Getauften habe ein Recht darauf, nicht nur das Notwendigste zu kennen, sondern in die Schrift eingeführt zu werden, damit sie selbständig alle Lehre beurteilen, Lehrer berufen, ein- und absetzen könne; sodann wird das Recht auf kirchliche Unterweisung, auf Konfirmation der Kinder, auf Teilnahme am Abendmahl, auf Absolution (jeweils unter Vorbehalt einer besonderen evangelischen Gestaltung), das Recht des Hausvaters, des Stundenhalters, das Notrecht zur Amtsversehung, das ius liturgicum bei Gestaltung von Ordnungen, das Recht der Kirchenzucht genannt. Ein Teil ist hier These, ein Teil Programm.

Aber gerade die Stellen, wo die congregatio als solche tätig wird, die liturgierechtliche Stellung im gottesdienstlichen Vollzug und das kanonische Wahlrecht kommen nicht, oder nur beiläufig vor. Die Gemeinde aber, die Lehre urteilt, Amtsträger wählt und entsetzt, wird wieder zunächst auf die Belehrung durch das Amt zurückverwiesen und gegründet. So gewiß sie nun immer von dem ihr verkündeten, unverkürzten Evangelium herkommt und herkommen muß, so beruht eben dieses aktive Recht auf dem ihr in der Taufe verliehenen, ihr verheißenen, und in ihr lebenden Geist. Was hier von Belehrung und Recht auf Belehrung gesagt werden kann, liegt auf einer ganz anderen Ebene.

Bei näherer Betrachtung sind die hier aufgezählten Rechte von zweierlei Art. Eigentlich aktive Rechte sind es gerade nur außerhalb der gottesdienstlich versammelten Gemeinde (Hausvater, Stundenhalter, Notrecht, Zucht, Tröstung usf.). Die übrigen dagegen sind in der Struktur subjektiv-öffentliche Rechte, grundsätzlich nicht anders als in der Ausgestaltung der passiven Mitgliedschaft des Laien im System des CIC, etwas aktiver akzentuiert und ausgelegt als diese. Eine Theologie der katholischen Aktion würde das meiste, etwas anders ausgedrückt, wohl bejahen. Das Taufrecht wird auf der einen Seite vorausgesetzt, tritt aber in der Durchführung und Differenzierung kaum noch hervor — es ist ja Sakramentsrecht! Deutlich ist auf alle Fälle, daß der Gottesdienst als „distinkte Mitte” seine Stelle als strukturgebende Quelle des

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Kirchenrechts verloren hat. Deswegen kann diese Anschauung so schwer von Vorstellungen körperschaftlichen Mitgliedschaftsrechts abgehoben werden.

Das gottesdienstliche Geschehen selbst wird als außerrechtlich ausgelegt. Deswegen gibt es nur ein Recht in Bezug auf seine, wie immer geschehende Ausrichtung und eine außerrechtliche congregatio, die durch Wort und Sakrament versammelt wird. Aber eben diese Auslegung ist unbiblisch und wird durch keinen abusus gerechtfertigt.

 

f) Rechtssoziologische Bemerkungen zur Kindertaufe

De neuerdings besonders lebhaft umstrittene Frage der Kindertaufe besitzt deutliche (rechts-)soziologische Aspekte, die als argumentum a posteriori und Rückkontrolle nach allen grundsätzlichen Erwägungen hier erwogen werden sollen und ihren Platz haben.

In den frühen Zeiten der wissenschaftlichen Soziologie hat der von Tönnies geprägte Begriffsgegensatz von Gemeinschaft und Gesellschaft eine große Rolle gespielt. Ihm wohnt ein geschichtsphilosophisches Moment inne. Im Gegensatz dazu und wesentlich weniger beachtet hat Gerardus van der Leeuw für die Phänomenologie der Religion den Gegensatz von Gemeinschaft und Bund konstatiert, in dem jenes geschichtsphilosophische Moment, wenn es nicht völlig fehlt, doch ganz zurücktritt. Bei v.d. Leeuw ist Gemeinschaft die religiöse Gemeinschaft, die kraft Geburtsrecht alle Glieder einer vorgegebenen Gruppe umfaßt. Bund ist Gemeinschaft durch Wahl und Entscheidung, wobei die Wahl bei Gott wie bei dem Menschen liegen kann. Beide Begriffe sind in genau gleichem Maße von missbräuchlichen Gleichsetzungen gefährdet: die Gemeinschaft durch die Gleichsetzung von vorbildlicher Schöpfung mit religiöser Gemeinschaft, der Bund durch die Gleichsetzung des subjektiv-individuellen, freien Entscheidungswillens mit der göttlichen Bundstiftung. Aber so definiert werden kann keine der beiden Formen. Im Gegenteil wird die Einsicht in die Situation hier durch die wechselseitige Verdächtigung, der andere sei eben dieser Versuchung erlegen, auf das höchste erschwert.

In diesem Sinne ist Kirche als Gemeinschaft angesichts der außerordentlichen geschichtlichen Bedeutung des Volks- und Staatskirchentums wesentlich dort in den Blick gekommen, wo die Kirche mit einem bestimmten Volks- oder Staatenverband zur Deckung kam. Das Festhalten an dieser Deckung war auch den reformatorischen Kirchen noch sehr selbstverständlich. Sie erreichten es gerade durch Entwertung des sog. äußeren Kirchenwesens, welches nunmehr der staatlichen Kultuseinheit anheimgegeben werden konnte. Bei alledem ist aber übersehen worden, daß die Kirche als Gemeinschaft kraft Geburtsrecht längst vor jeder Verbindung mit Volk, Staat, Reich entstanden war und entstehen mußte. Der soziologische Grund liegt in der Gemeindebildung als solcher. Schon

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die Oikostaufe, die Bekehrung ganzer Häuser und Sippen zeigt, daß eine vorgängige Individualisierung der Sozialstruktur keine Forderung der frühen Kirche, erst recht kein notwendiges Moment des Evangeliums ist.

Aber auch dort, wo die Kirche — mit oder ohne Oikostaufe — die nationalreligiöse Einheit durch ihre Mission durchbricht, auch in der Minderheitssituation, ja gerade durch sei entsteht unweigerlich eine geschlossene Gruppe, die alle anderen Bindungen durchschneidet, aber als eigene Schichtung auftritt. In ihr entsteht ein besonderes connubium, in ihr hält man zusammen, in ihr werden Kinder geboren, in ihr gibt es Generation und Tradition. So sehr die Durchbrechung aller anderen Bindungen Bund, Wahl, Entscheidung ist, so sehr bildet sich zugleich neue Gemeinschaft in dem hier verwendeten spezifischen Sinne. Es ist daher sachlich falsch, wesentlich den Neuen Bund gegen die Gemeinschaft der Welt zu stellen. So ist alsbald die Kirche selbst Gemeinschaft und Bund in einem.

Die Lage der in der Gemeinde geborenen Kinder ist nun nach dem ausdrücklichen Worte des Paulus (1. Kor. 7, 14) eine andere als die von heidnischen Taufbewerbern oder einzelner junger Menschen, die in Berührung mit der Mission kommen. Von allen exegetischen Streitfragen abgesehen, ist die Entstehung der Kindertaufe mit der ersten Gemeinde eine soziologische Selbstverständlichkeit. Ebenso gewiß ist, daß in der Missionssituation die Bekenntnistaufe als Bekehrungstaufe die Regel ist. Aber die nachfolgende Generation (von denen einmal abgesehen, die mit der Hausgemeinschaft zusammen getauft werden) kommt schon immer von der vorausgegangenen Taufe ihrer Eltern her. Nicht Laxheit, sondern Glaubensernst, nicht Aufgehen in der Welt, sondern die entschiedene Absonderung führt zur Ausbildung der Kindertaufe. Je intensiver eine religiöse Gemeinschaft lebt, desto stärker sucht jedes einzelne Glied, wie die Gesamtheit selbst, die zugehörigen Kinder in ihr Leben einzubeziehen. Zwei Momente wirken also zusammen: Gruppenbildung horizontal, Generationenfolge vertikal. Die geschichtliche Resultate ist, auf dieser Ebene betrachtet, die Kindertaufe.

Dieselben soziologischen Kräfte und Strukturen aber wirken in umgekehrter Richtung später wieder geben die Kindertaufe. Hat die Kirche als Gemeinschaft sich zur Deckung mit Volk und Staat erweitert, ist aber diese Deckung nicht mehr die positiv gewertete Durchsetzung christlicher Lebensformen, sondern eine verbrauchte Möglichkeit, ein fragwürdig gewordenes Äußeres, welches das Sonderungsbewußtsein auflöst und echte Unterscheidungen unmöglich macht, dann muß eben diese historisch gewordene From als Preisgabe des Wesentlichen erscheinen. Und ist der einzelne radikal individualisiert, aus der selbstverständlichen Gemeinschaft des Kultus und des Ethos auf sich allein, wenigstens scheinbar und subjektiv, zurückgeworfen, dann kann er auch in dieser familiären Gruppengehörigkeit nicht mehr inbegriffen und

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geborgen sein — so sehr er es vielleicht gefühlsmäßig wünscht. In Verfolg dieser beiden Tendenzen entsteht dann auch der Protest gegen die Selbstverständlichkeit der volkskirchlichen Kindertaufe.

Eine Betrachtung ohne Berücksichtigung dieser soziologischen und historischen Gesichtspunkte und Kräfte erscheint mir illusionär. Auch die scheinbar rein schriftgebundene theologische Beurteilung vollzieht sich in Wahrheit im Horizont der soziologischen Situation. Mit derselben Selbstverständlichkeit, mit der die Kindertaufe durchgesetzt und geübt worden ist, wird sie heute bestritten, ohne zu bemerken, daß diese Bestreitung durch einen solchen soziologischen Strukturwandel mitbedingt ist. Die kritische Bewußtheit gegenüber traditionellen Selbstverständlichkeiten verbürgt nicht im mindesten eine größere Freiheit gegen¨her der eigenen Situationsgebundenheit. Weder im 2. noch im 4. oder 10. Jahrhundert hätte eine Bewegung zur Erwachsenentaufe oder eine Tauflehre im Stile Barths entstehen können, noch ist die volkskirchliche Ausbreitung des Baptismus in den Vereinigten Staaten ohne den Umbruch der europäischen Traditionen — kirchlicher und weltlicher Art — denkbar.

Die Taufpraxis der Kirche in den ersten Jahrhunderten ist religionssoziologisch von erheblichem Interesse. Sowohl die Taufe des ganzen oikos, einschließlich der Kinder jeden Alters, wie der frühchristliche Taufverzicht bei Kindern christlicher Eltern, stehen auf der gleichen Grundlage.69 Denn der oikos ist in umserem Sinne Gemeinschaft, in welcher der Glaube des Hausvaters (bzw. der verwitweten Hausmutter) als des „Haushaltungsvorstandes” für den Glauben aller Hausgenossen einschließlich des Gesindes und der unmündigen Kinder steht. Der Taufverzicht dagegen setzt umgekehrt voraus, daß die Kinder der Heiligen eben dadurch selbst heilig sind, also der Taufe nicht bedürfen.

Der Taufaufschub dagegen, um „in albis” d.h. im Zustande der durch das weiße Taufkleid dargestellten, durch die Taufe verliehenen Sündenvergebung zu sterben, entstammt einem, wie Jeremias mit Recht sagt, superstitiösen Taufverständnis (S. 102). Dies deckt aber wohl nicht die dort zusammengestellten, nicht wenigen Fälle, daß gerade nachmals bedeutende Männer der Kirche von ihren christlichen Eltern erst etwa im Pubertätsalter zur Taufe gebracht wurden. Mutmaßlich wurden gerade sie einem geordneten Katechumenat zugeführt. Hier ging es nicht um Taufe oder Nichttaufe im Sinne eines Aufschubs, ob die Kinder sich selbst dazu entscheiden würden, sondern um den rechten Zeitpunkt. Das individualistische wie das subjektive Moment fehlt fast völlig. Eben darum bedeutete der sich unbestritten im ganzen durchsetzende und weiter durchhaltende Brauch der Kinder- oder Frühtaufe nicht einen fundamentalen Bruch der Anschauung.

Die heutige Fragestellung ist dagegen eine völlig andere. Sie ist für die frühe Kirche gar nicht vollziehbar. Sie rechnet nicht mehr selbstverständlich

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mit einer Glaubenseinheit der Familie, geht von der Kategorie der Entscheidung aus und will gegebenenfalls eine Weigerung des Kindes im Übergangsalter respektieren. Sodann beruht sie auf einer allgemeinen Kritik des Volks- und Landeskirchentums und dem Gedanken der Kerngemeinde. D.h. die Kirche tritt in der Struktur und soziologischen Kategorie des Bundes, und zwar mit einer mehr oder minder einseitigen aktualistischen Zuspitzung hervor. Bund und Gemeinschaft treten in einen, in dieser Form neuen Gegensatz. Die radikal neue Kirche (Bund) hat schon in ihren frühen Zeiten in vollkommener Unbefangenheit Gemeinschaftsstrukturen vom Alten Bund her, vom oikos her, und wo sonst sie sie antraf, in sich aufgenommen, aber auch selbst wieder gebildet, sie war so gemeinschafts- und traditionsfreudig, daß ihr eine Trennung beider Momente unmöglich gewesen wäre: zugleich aber besaß sie bei alledem die Kraft, durch ihr Anderssein eine ganze große Welt der Religion und Kultur zu verwandeln. Vermag sie aber heute nicht beides miteinander auszugleichen, sondern verabsolutiert sie die eine Seite — noch dazu unkritisch gegenüber der soziologischen Struktur ihrer eigenen Anschauung —, so wird sie diesem Problem gewiß nicht gerecht werden.

Eine paradoxe Lage entsteht, wenn sich auf Grund einer strengeren Taufgesinnung eine Gemeinschaft mit dem Grundsatz der Erwachsenentaufe bildet. Denn notwendig müssen in ihr alsbald die Gesetze der Gruppenbildung und der Generation wirksam werden. Je lebendiger und geschlossener sie ist, desto eher könnte sie wieder zur Kindertaufe übergehen. Da sie das für verwerflich hält, muß sie die Taufe der im Schoße ihrer Glaubensgemeinschaft aufgewachsenen Kinder bis zu einem peinlich bewußten und erwarteten Bekehrungserlebnis hinauszögern. Eine solche Gemeinschaft hält gewiß die Taufe hoch, aber um den unvermeidlichen Preis ihrer Subjektivierung, des Traditionsverlustes und der Mißachtung der gnädigen Leitung des Geistes für die ganze Gemeinde. Während mit der Bekenntnistaufe die Freiheit Gottes gegenüber dem sakramentalen Vollzuge betont wird, tritt dies freie Handeln Gottes in der Erhaltung der Gemeinde gegenüber der Fixierung des Blicks auf den Taufmoment zurück.

Sieht man nüchtern diese soziologische Lage und stößt man die Selbsttäuschungen ab, so ergibt sich, daß Kindertaufe und Bekenntnistaufe Grenzsituationen darstellen. Eine Handhabung der Kindertaufe, die alles Geborene erfassen will, löst schließlich gerade die Kinder aus der Gemeinschaft, in der sie geboren werden, geht bis zum Kindesraub und bis zu der gynäkologischen Scholastik mancher Kanonisten. Hier wird die Geschichtlichkeit der Kirche von der Objektivität des Handelns her aufgehoben. Man setzt sich nicht mehr dem aus, daß Gott es ist, der einen Menschen zum vollen Leben und zur Kirche kommen läßt. Eine konsequent durchgeführte Bekenntnistaufe subjektiviert das Taufgeschehen

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und macht es zum Produkt des Bewußtseins, zu einer Art geistlicher Selbstzeugung. Sie zerstört die schlichte, redliche Unbefangenheit des Glaubens und mißachtet nicht weniger die Geschichtlichkeit des Handelns Gottes. Kindertaufe ist ein Zeichen der Glaubensgewißheit der Taufenden, als Amt, Eltern, Gemeinde. Diese kann überheblich, missbräuchlich, unbegründet sein: grundsätzlich kann sie so nicht charakterisiert werden.

Cullmann trifft von theologischen Erwägungen die Lage sehr genau, wenn er über das Verhältnis von Glaube und Taufe sagt:70

„1. Nach der Taufe ist der Glaube eine Forderung an alle Getauften.
2. Vor der Taufe ist die Bekundung des Glaubens zum Zeichen des göttlichen Willens, daß die Kirche die Taufe vornehme, eine Forderung an die Erwachsenen, die individuell vom Judentum oder Heidentum kommen: in anderen Fällen fehlt sie.
3. Während des Taufaktes ist der Glaube eine Forderung an die betende Gemeinde.”

Es ist ein Widerspruch in sich und eine Tragödie des Skrupulantentums, wenn gerade gläubige Eltern aus Ernst meinen, die Kindertaufe hinauszögern zu müssen. Die „Erklärung zur Lehre vom Sakrament der Heiligen Taufe” (Generalsynode der Ver. Ev. Luth. Kirche Deutschlands vom 19.-23. Juni 1950)71 sagt daher mit Recht, nachdem sie sich gegen die Isolierung der Taufe ebenso nachdrücklich nach allen Richtungen verwahrt hat:

„Wir verwerfen aber ebenso die falsche Meinung, es dürften christliche Eltern dem Kind, das Gott ihnen anvertraut hat, die Gabe der Taufe vorenthalten” (Abs. V).72

Das bedeutende grundsätzliche Interesse an dieser Frage liegt darin, daß sich in ihr ein Dualismus der Kirche ausprägt, den Jean Louis Leuba in seinem gleichnamigen Buch mit „Institution und Ereignis” bezeichnet hat. Institution ist hier der heilsgeschichtliche Zusammenhang, in dem Altes und Neues Testament, in der Jesus selbst in der betont festgehaltenen genealogischen Sukzession steht — Ereignis ist der Neuansatz des Evangeliums ebenso wie der immer neue Einbruch des Geistes in das Jetzt und Hier. Beides läßt sich nach Leuba nicht in einem Oberbegriff verrechnen, in eine Synthesis aufheben. Es muß zwischen den Grenzen durchgehalten werden, welche durch die Vereinseitigung beider bezeichnet werden. Es ist ein grundsätzliches Mißverständnis — oder ein Nichtaufnehmen der von Leuba gestellten Fragen —, wenn Karl Barth mit Selbstverständlichkeit und beiläufig die Institution dem Ereignis nachordnen will.73 Diese Spannung bezeichnet auch die Grenze des Rechtes der Kindertaufe.